Der durch die habsburgischen Länder getriebene Sarntheiner Schlossermeistersohn und Wiener Rechtsstudent Aloys Oberrauch, der an den Barrikaden des Wiener Oktoberaufstandes 1848 gekämpft hatte, schien der habsburgischen Reaktion nach zweijähriger Verfolgung aber immerhin so isoliert, dass man ihn wieder zum Studium zulassen könnte. Im Oktober 1850 schrieb die Tiroler Statthalterei an den Akademischen Senat:
„Das hohe Ministerium des Cultus und Unterrichtes hat … dem Alois Oberrauch die Fortsetzung der Studien nicht ganz zu versagen, jedoch zu bemerken befunden, daß es einerseits wegen der Antecedenzien desselben, andererseits wegen der größeren Schwierigkeit der Uiberwachung in der stark bevölkerten Residenz, und bei einer Studentenzahl von mehreren Tausenden ganz unzuläßig sei, diesfalls die Universität zu Wien in das Auge zu fassen; daß aber … demselben eine der kleineren oesterreichischen Universitäten, an der er leicht überwacht werden kann, und die Zweifelhaftigkeit seines Karakters noch am wenigsten gefährlich sein würde, in der Voraussetzung zu erschließen, daß der Rektor denselben bei der Immatrikulation insbesondere vorrufe, und ihm bedeute, daß seine Aufnahme nur eine bedingte sei, und ein ungehöriges akademisches oder politisches Verhalten seine Relegation von allen oesterreichischen Universitäten unnachsichtlich zu Folge haben würde.“
Schon im Juni 1850 hatte die Statthalterei erstmals der Universität Innsbruck die „ungünstigen Antecedenzien“ (= Vorleben) dargelegt:
„Alois Oberrauch aus Sarnthein im Bezirke Bozen gebürtig, studirte in den Jahren 1847 und 1848 die Philosophie an der Wiener Hochschule, betheiligte sich als Mitglied der Studenten-Legion an den Oktober-Ereignissen des J. 1848 in Wien, verlor bei dieser Gelegenheit einen Fuß, begab sich Anfangs des Jahres 1849 nach Graz, wurde an der dortigen Universität als Jurist aufgenommen, angeblich wegen eines Streits in einem Gasthause nach erhaltenem zweitägigen Strafarreste von der Universität relegirt, … begab sich aber freiwillig nach Bozen, wo er Mitte Mai v.Js. ankam, sich theils daselbst, theils in dem nahegelegenen Sommerfrischorte Ritten ohne Beschäftigung bis Mitte September aufhielt. Sein Benehmen in Bozen u. auf dem Ritten gab zu keinem politischen Einschreiten Veranlassung. In seine Heimath nach Sarnthal wagte er nicht zu gehen, weil ihm die dortigen Bauern, wie verlautet, mit dem Tode gedroht haben sollen. Mit einem auf ein Jahr giltigen Reisepasse entfernte sich Alois Oberrauch in der zweiten Hälfte des September 1849 wieder von Bozen, kam nach München und weil er dort zur Fortsetzung seiner juridischen Studien nicht aufgenommen wurde, nach Erlangen und nach kurzem Aufenthalte im Dezember 1849 nach Leipzig, von wo er sodann in Folge hoher Ministerialweisung über Verwendung der Polizeidirektion mittelst gebundener Marschroute nach hause verwiesen worden ist.“
Die Innsbrucker Rechtsprofessoren glaubten wohl eine besonders günstige Gelegenheit vorzufinden, sich reaktionärer als die Staatsbürokratie zu erweisen. Am 8. August 1850 meldeten sie jedenfalls an den Senat, dass sie „jene beruhigende Überzeugung nicht gefunden [hätten], um zu Aufnahme desselben [Oberrauch] als Juristen einrathen zu können.“ Oberrauch habe sich im Oktober 1848 nämlich bis zuletzt „an der revolutionären Bewegung“ beteiligt, er habe bis zuletzt auf der Bastei und in der Kärntnerstraße gekämpft:
„Dieser Umstand der Antheilnahme an den Oktoberbewegungen wird durch den Brief des Hof- und Gerichtsadvokaten Dr. Kaffka vom 20. Juni 1850 selbst bestärkt, indem derselbe sagt, daß es ihn viel Mühe kostete, ihn zur Mäßigung und Besonnenheit zu bringen, die doch gewiß nicht nöthig gewesen wäre, wenn Oberrauch, wie dieser Doktor bemerkt, nur die Freiheit, nicht aber ihren Mißbrauch wollte.“ In Graz habe er sich weiterhin von der „gefährlichsten Gesinnung“ gezeigt. All dies belege, dass sich Oberrauch nur solange politisch ruhig verhält, als ihm „die Ortsverhältniße u. anderen Umstände keine Gelegenheit bieten, gegentheilige Gesinnungen an den Tag zu legen“: „Alle diese hier nur ganz kurz berührten Umstände sind es, welche gefertigten Lehrkörper bestimmen, sich für die Unzulässigkeit der Aufnahme des Alois Oberrauch als Juristen an der hieortigen Fakultät auszusprechen.“
In Graz und Marburg (Maribor) an der Drau hatten sich Anfang 1849 unter der Führung Oberrauchs relegierte Studenten gesammelt. Sie studierten die „Lehren Hegels“, trugen Jakobinermützen und rote Hemden, sympathisierten mit sozialistischen Ideen. In den Gasthäusern hielten sie revolutionäre Reden, die Julius Bunzel 1913 in seiner Geschichte über die Anfänge der Arbeiterbewegung in der Steiermark als „schlüpfrige Wirtshausreden“ qualifizierte: „Als diese Dinge ruchbar wurden, floh Oberrauch, worauf sich die Genossen verloren.“ Vom Herbst 1850 bis Sommer 1852 studierte Oberrauch dann in Innsbruck Jus. Sein weiteres Schicksal bleibt noch aufzuklären.
Noch einmal musste die Universität Innsbruck widerwillig einen an den Revolutionskämpfen beteiligten Studenten akzeptieren, 1853 den aus dem galizischen Rossulna stammenden Odillo Scherff, Sohn eines Salinenhüttenmeisters. Nach Jahren in einer k.k. Strafkompanie sei Scherff, ursprünglich Student in Lemberg, „geläutert“.
(Peter Goller)