- Leseraum
| Revolutionär: Liturgiereform – Vierte Reminiszenz zum KonzilAutor: | Niewiadomski Jozef |
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Veröffentlichung: | |
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Kategorie | kurzessay |
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Abstrakt: | |
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Publiziert in: | |
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Datum: | 2022-11-02 |
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InhaltsverzeichnisInhalt1
| Will dieser Papst trotz allem gegenteiligen Anschein nun doch die Uhr zurückstellen? Die vom Konzilsfieber erfassten Enthusiasten nahmen die am 22. Februar 1962 erfolgte Veröffentlichung von „Veterum sapientia“ (Die Weisheit der Alten) wie die Detonation einer Bombe wahr. Auf dem Höhepunkt der Vorbereitungsarbeiten zum Konzil, knapp ein halbes Jahr vor dessen Eröffnung, unterschreibt Papst johannes XXIII. in denkbar pompösesten Form das apostolische Schreiben, in dem Latein nicht nur allgemein als Sprache der Kirche gelobt, sondern allen kirchlichen theologischen Fakultäten weltweit als Unterrichtssprache verordnet wird. Und die Folgen? Fassungslos saßen die Studenten da, weil sie von dem, was ihre Professoren mit sichtbarer Not und Mühe vor sich zu geben versuchten, kaum etwas verstanden haben. Die Erstarrung war jedoch kurz. Das Dokument erwies sich in kürzester Zeit als ein vollkommener Rohrkrepierer; es ging in die Geschichte ein als das wirkungsloseste Lehrschreiben des Autors von so großen – die Geschichte der Kirche und der Welt prägenden – Enzykliken wie „Mater et magistra“ (Mutter und Lehrmeisterin 1961 ) und „Pacem in terris“ (Frieden auf Erden 1963). | 2
| Was war also in diesen letzten Wochen vor dem Konzil in Rom los? Auf keinem anderen Gebiet der zu erwarteten Reformen waren die Erwartungen so hochgesteckt wie im Bereich der Liturgie. Die schon seit Jahrzehnten aktive „Liturgische Bewegung“, die nach Wegen der Erneuerung der Liturgie suchte und viele kirchliche Jugendorganisationen preschten vorwärts in Richtung „Liturgie in der Muttersprache“. Der Großteil der Voten, die aus der Weltkirche nach Rom kamen, betraf auch diesen Punkt. Die Kommission, die den Entwurf einer Konstitution zur Reform der Liturgie vorbereitet hat, finalisierte gerade ihre Arbeit. Das reformfreudige Liturgieschema wurde am 1. Februar durch die Unterschrift des Präsidenten genehmigt. Dem Weg in die Konzilsaula stand also nichts mehr im Wege. Viele Reformgegner in der Kurie gerieten in Panik. Sollte das drei Wochen später proklamierte Schreiben diese Kreise beruhigen, so ganz nach dem Motto: In Sachen Muttersprache in der Liturgie wird sicher nicht so heiß gegessen, wie jetzt gekocht? Das wissen wir nicht. Paradoxerweise hat aber das Schreiben doch – und dies wohl dank dem Heiligen Geist – einen unerwarteten Erfolg geerntet. Dessen Umsetzungsversuche bezeugten in allen katholischen Ländern nur eines: Latein mag zwar schön sein, als Sprache ist sie jedoch tot. Eignet sich deswegen auch kaum für den liturgischen Vollzug des Volkes. Denn: genau da setzte die Liturgiereform ein. | 3
| „Participatio actuosa“ (aktive Teilnahme) hieß nun die Zauberformel: Die Liturgie sei das Tun des Volkes, also muss dieses Volk auch verstehen, was es da tut. So einfach ist die Sache. Und auch so revolutionär. Denn: bis dahin war die Liturgie die Sache der Priester. Das Volk wohnte dem Geschehen zwar bei, beschäftigte sich aber mit jenen Praktiken, die seine Frömmigkeit prägten, etwa dem Rosenkranz. Den aktiven Katholiken, die das Konzil nicht live erlebt haben, bleibt vom Staunen der Mund offen, wenn sie hören, dass selbst die Messen zur Eröffnung der Generalkongregationen in der Basilika St. Peter von einem Konzilsvater am Altar „gelesen“ wurden. Die mehr als 2000 andere Väter wohnten dieser Messe bei; sie saßen auf ihren Plätzen und beteten (weil sie das so gelernt haben) ihr Brevier. Ihre eigene „stille Messe“ haben sie ja bereits vor dem Frühstück in ihren Quartieren „gelesen“. Nun soll die Liturgie „Quelle und Höhepunkt des ganzen Tuns der Kirche“ sein (SC 10). Und diese ist nicht bloß die Sache der Priester und Bischöfe, sondern des ganzen Volkes. | 4
| Die zum Abschluss der zweiten Sitzungsperiode, am 4. Dezember 1963, feierlich proklamierte Liturgiekonstitution „Sacrosanctum Concilium“ (Das heilige Konzil) stellt die erste große Frucht dieses Konzils dar. Die dadurch initiierten umfassenden Reformen sind auch das bis heute deutlichste Zeichen der konziliaren Veränderung. Sie wies den Weg in Richtung Siegeszug der modernen Sprachen in Liturgie und Theologie, war damit auch die Initialzündung aller Inkulturationsprozesse in der Kirche. Sie nahm aber auch das dogmatische Selbstverständnis der Kirche vorweg. Dieses wurde erst ein Jahr später in der Konstitution: „Lumen gentium“ (Licht der Völker) ausformuliert. Verstanden als Sakrament, als Zeichen und Werkzeug der Einheit mit Gott und der ganzen Menschheit, sprengt diese Vision das klassische Bild der Kirche als einer Organisation, mit klaren Kriterien der Mitgliedschaft. Nicht die Menschen entscheiden über ihren „Kirchenstatus“, Gott selber ist es, der sie beruft und in der Taufe erwählt. Vor allem aber niemals fallen lässt. Dieses „pilgernde Gottesvolk“, das keineswegs mit dem Reich Gottes identisch ist, deswegen auch von Gebrechlichkeit und Sünde gezeichnet ist, wird trotz allem gegenteiligen Anschein immer neu vom „Heiligen Geist“ geheiligt. Es hat Anteil an Ängsten und Hoffnungen der Menschheit, lebt aber aus der Kraft der geschenkten Versöhnung und auch der Hoffnung auf die Vollendung durch den Tod hindurch. All das wird zeichenhaft in der Liturgie gefeiert. | 5
| So paradox es aber klingen mag: 60 Jahre nach der Eröffnung des Konzils ist diese – theologisch fundierte – Sicht der Kirche nicht nur den kirchenfernen Zeitgenossen fremder als der Mond. Die theologisch unbewältigten Erfahrungen des Missbrauchs, das kirchliche Erstarren vor den soziologischen Daten über die „Kirchenzugehörigkeit“, das medial transportierte Bild einer Dienstleistungsbehörde auf dem Markt der religiösen Angebote, schlussendlich die inzwischen – bis in die Kirchenkreise hinein – selbstverständlich gewordene Identifizierung der Kirche mit Bischöfen und Priestern entstellen das Selbstverständnis der Kirche bis zur Unkenntlichkeit. Deswegen kann man heute nicht genug beten: Komm Heiliger Geist und erneuere das Antlitz der Kirche – dieser Kirche! | 6
| Vgl. auch: | 7
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