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Wandinger Nikolaus: Sich versöhnen (lassen). Gedanken zum 4. Fastensonntag Laetare
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Sich versöhnen (lassen). Gedanken zum 4. Fastensonntag Laetare

Autor:Wandinger Nikolaus
Veröffentlichung:
Kategoriepredigt
Abstrakt:
Publiziert in:
Datum:2016-03-08

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

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Gedanken zum 4. Fastensonntag Laetare (LJ C) 2016

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Lesungen: (Jos 5,9a.10-12); 2 Kor 5,17-21; Lk 15,1-3.11-32

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Liebe Gläubige,

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wohlbekannt ist uns diese Geschichte vom Vater mit den zwei Söhnen, dem verlorenen und dem treuen, dem Taugenichts und dem Arbeitssamen, dem Aufmüpfigen und dem Unterwürfigen.

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Und je nachdem, mit wem man spricht, zeigen sich andere Sympathien, ja die Menschen identifizieren sich mit einem der Söhne und verstehen seine Haltung gut, lehnen aber des Verhalten des anderen ab und ärgern sich über ihn.

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Die einen identifizieren sich mit dem Jüngeren, der auf- und davongeht. Sie verstehen sein Gefühl von Enge und Unfreiheit daheim beim Vater; sie teilen sein Streben nach Freiheit und Unabhängigkeit und finden es sehr bedauerlich, dass er bei seinem Unternehmen so scheitert. Ist das nicht typisch? Da befreit sich jemand, lehnt sich auf gegen seine Fesseln – und dann wird behauptet, er scheitere damit. Warum kann es nicht eine Erfolgsstory sein, eine bei der der jüngere Bruder sein Glück macht, zu sich und seiner Freiheit findet?! Stattdessen erheben sich die mahnenden Zeigefinger und bedeuten: Bleib zu Hause, bleib in der Kirche, bleib beim Althergebrachten, alles andere führt nur ins Unheil! – So die eine Möglichkeit sich mit dem jüngeren Sohn zu identifizieren.

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Es gibt aber eine weitere Möglichkeit dazu. Er komm ja zurück, niedergeschlagen, gedemütigt, verarmt, total seines Selbstwertgefühls, ja fast könnte man sagen: seiner Identität, beraubt: Er bekennt frei, dass er nicht mehr der Sohn des Vaters sein könne. Er hat den Vater ja selber für tot erklärt, indem er sein Erbe vorzeitig haben wollte, – und das ist jetzt futsch. Wie sollte er wieder als Sohn des Hauses auftreten? Und doch erinnert er sich, dass sein Vater sogar zu den niedrigsten Handlangern, den Tagelöhnern, gut war. Er weiß: Wenn ihn der Vater als Tagelöhner aufnimmt, hat er keinen Hunger mehr; ist er mehr wert denn jetzt als Schweinehirt, als einer, der dem unreinen Vieh das Futter neidet, weil er selbst weniger als nichts hat. Und so geht er heim, um die Demütigung, die er erfahren hat, einzugestehen; um nicht mehr zu scheinen als er ist, sondern sich ganz dem Vater auszuliefern, von dem er sich ein wenig Mitleid erhofft. Auch damit können sich manche gut identifizieren: Menschen, die sich ihrer Unvoll­kom­men­heit, ihrer Sündigkeit, der Kleinheit ihres Glaubens sehr bewusst sind, schöpfen Hoffnung daraus, dass der Vater diesem Taugenichts vergibt und auch ihn liebt. Menschen, die sich selber als verloren wahrnehmen, verstehen sich in der Rolle des verlorenen Sohnes und wollen einen so barmherzigen Vater, wie das Gleichnis ihn hier zeichnet, als Gott haben.

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Aber, wir haben gehört: Der daheimgebliebene, der treue, der fleißige Sohn sieht das etwas anders. Er versteht nicht, wieso sein untreuer und verräterischer Bruder wie ein Fürst empfangen wird, während er jahrein jahraus Tag für Tag geschuftet hat, nie auch nur irgendetwas gefordert und auch nichts erhalten hat: kein Dankeschön, kein Fest mit seinen Freunden; stattdessen ein Fest mit dem Taugenichts und das ohne ihm auch nur ein Wort zu sagen! Ich kenne viele Menschen, die das ungerecht finden, die sich mit dem älteren Bruder identifizieren, denen die überschwängliche Freude bei der Heimkehr des Verlorenen etwas zu viel ist, die sich auch eine Kirche wünschen, die nicht bloß für die Außenseiter da ist, sondern auch für die Treuen.

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Liebe Gläubige,

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mit wem wollen wir uns identifizieren: mit dem Revoluzzersohn vor seinem Weggang, mit dem verlorenen Sohn bei seiner Rückkehr oder mit dem treuen Sohn in seiner Enttäuschung? Vielleicht ja ein wenig mit jedem von ihnen. Es geht uns ja nicht immer gleich: mal sind wir aufmüpfig, mal schuldbewusst und manchmal auch beleidigt, weil wir uns vernachlässigt fühlen. Aber haben wir uns schon einmal mit dem Vater identifiziert?

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Ja, darf man denn das? Der Vater steht doch offensichtlich für Gott – ist das denn nicht Anmaßung? Andererseits sagt Jesus doch an anderer Stelle, dass wir vollkommen sein sollen, wie der himmlische Vater (vgl. Mt 5,48). Wie ist er denn, der Vater? Wie müssten wir sein, damit wir uns mit ihm identifizieren können?

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Dieser Vater ist tolerant bis zur Selbstverleugnung: Von dem einen Sohn lässt er sich für tot erklären ohne Widerstand, ja anscheinend ohne Widerspruch. Aber, was sollte das auch helfen, wenn der so entschieden ist, wegzumüssen? Der Vater lässt ihn ziehen, offenbar nicht mit Zorn und Groll, sondern mit Trauer im Herzen – Trauer nicht nur um seinen Verlust, sondern auch wegen der Verblendung und Gefährdung des Sohnes. Der Vater macht durch sein Verhalten klar: Freiheitshunger und Unternehmungsdrang hätten an ihm nicht scheitern müssen. Der Sohn hätte die Welt erkunden können ohne seinen Vater zurückzustoßen und abzulehnen – aber er sah das nicht. Der Vater aber hofft darauf, dass der Sohn umkehrt, und als das eintritt, empfängt er ihn nicht mit Vorwürfen, nicht mit einem „Das hätte ich dir gleich sagen können“, auch nicht mit einem herablassenden, entmündigenden Mitleid, sondern nur mit aufrichtender Barmherzigkeit: Er, der alte Mann, läuft dem jungen entgegen und fällt ihm um den Hals. Im Reden ist er offensichtlich auch jetzt nicht groß, aber den Siegelring lässt er ihm anstecken und setzt ihn damit wieder als Sohn ein; ein Fest lässt er für ihn organisieren, so, als käme der Sohn als Sieger, als erfolgreicher Self-Made-Man nach Hause und nicht als zerlumpter Versager. Dieser Vater liebt so sehr, dass er die Demütigung, die ihm der Sohn angetan hat, nicht heimzahlen muss, sondern stattdessen alles daransetzt, dass dieser aus seiner Demütigung herauskomme. Die Freude über die Heimkehr ist größer als alles andere.

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Und doch ist da die Verletzung des Älteren. Er fühlt sich vernachlässigt, ist so beleidigt, dass er nicht hineingehen will zum Fest. Auch hier ist es der Vater, der herauskommt, der auf den Sohn zugeht – nur um seinen Vorwurf zu hören: Warum bei dem so ein Tamtam und ich habe nicht einmal einen Ziegenbock bekommen?! Und nun findet der Vater – behutsame – Worte: „Mein Kind, du bist immer bei mir, und alles, was mein ist, ist auch dein.“ (Lk 15,31) Der erste Teil ist eine Tatsachenbeschreibung: Du bist immer da, das ist so. Der zweite Teil ist eine Bewertung dieser Tatsache: Was mein ist, ist auch dein. Das muss ernst gemeint sein. Der Vater liebt den daheimgebliebenen genauso wie den verlorenen Sohn und in seiner Wahrnehmung bedeutet dessen Daheimsein: Du bist Mitbesitzer von allem, was mir gehört. Die Vorstellung, der daheimgebliebene Sohn müsste sich ducken und schuften und unterwürfig warten, bis der Vater ihm einen Ziegenbock schenkt, diese Vorstellung ist sein Irrtum. Der Vater nimmt ihn als selbstständigen, erwachsenen Sohn wahr, der sein eigener Herr ist und tun und lassen kann, was er für richtig hält – weil ihm der Vater zutraut, dass er verantwortlich handelt und nicht leichtfertig. Der Vater ist also so oder so bereit, alles zu geben: Dem Jüngeren seine Freiheit und einen Teil des Vermögens, dem Älteren seine Zuneigung und den gemeinschaftlichen Besitz des ganzen Vermögens – Nur: Beide sehen es nicht. Der Vater versucht alles, um den Bruch zu vermeiden, und dann noch einmal alles, um ihn wieder zu heilen, um die Söhne mit dem Vater und miteinander zu ver-söhnen.

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Wenn Paulus uns bittet, uns mit Gott versöhnen zu lassen, dann dürfen wir zunächst sehen, welche Art Vater dieser Gott ist: Er gibt uns keinen Anlass uns zu entzweien, Anlass sind unsere Missverständnisse und Fehlwahrnehmungen, denn oft scheint dieser Vater nicht zu uns zu sprechen – aber da sind seine Taten, die wir oft übersehen, die aber seine Liebe kundtun. Er hat nichts gegen unseren Freiheitsdrang und unsere Selbstständigkeit, denn er selbst hat uns dazu erschaffen und berufen. Wir müssen ihn nicht verlassen um frei zu sein, und scheitern wird man darin nur, wenn man seine Freiheit in Auflehnung und Trotz sucht, denn dann bleibt man ja abhängig von einem falschen Bild Gottes. Dem Vater treu sein bedeutet aber auch nicht, freudlos und unselbständig schuften zu müssen, sondern MitbesitzerIn seiner Gaben zu sein, MitbesitzerIn mit allen anderen Geschwistern der Menschheitsfamilie – da liegt unsere Verantwortung.

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Wenn wir erfahren haben, wie dieser himmlische Vater ist, und uns mit ihm versöhnen lassen, dann sollen wir aber selbst immer mehr werden wie er: Nicht nur uns versöhnen lassen, sondern aktiv uns versöhnen mit denen, die wir als verlorene oder beleidigte Brüder und Schwestern, Söhne und Töchter kennen. Wir scheitern an dieser Herausforderung immer wieder – aber der Vater verliert die Geduld und die Hoffnung nicht.

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