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Gegenseitiges Empowerment von geflüchteten Frauen und ihren Buddies – Universität Innsbruck
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Gegenseitiges Empowerment von geflüchteten Frauen und ihren Buddies

Ein Dissertationsprojekt zur Wechselwirkung der Beziehungen von geflüchteten Frauen und ihren Betreuer_innen. Erforscht wird die reflexive Wirkung der Tätigkeit auf die betreffenden Personen. Die Ergebnisse zeigen, dass beide Seiten profitieren, die Formen der Ermächtigung jedoch bei den geflüchteten Frauen und ihren Buddies unterschiedlich sind.

40 % der nach Österreich geflüchteten oder per Familiennachzug nachgeholten Menschen sind Frauen. Weil die Unterstützung durch eine Großfamilie fehlt und meist nur geringe Sprachkenntnisse vorhanden sind, ist gerade für Frauen das Ankommen in Österreich oft schwierig. Frauen erleben häufig eine doppelte Marginalisierung, einerseits durch patriarchale Strukturen in ihren Herkunftsländern (in diesem Forschungsprojekt: Iran und Afghanistan), andererseits durch rechtliche, ökonomische, kulturelle und soziale Benachteiligungen als Geflüchtete in Österreich.

Nach der Flucht bieten sich aber auch Chancen für neue Lebensentwürfe, wobei unterstützende Personen (hier: Buddies) im Alltag, beim Spracherwerb, bei der Job- oder Wohnungssuche sehr wichtig sind. Durch meine ehrenamtliche Tätigkeit in einer Notschlafstelle konnte ich erfahren, dass Buddies oft die ersten Personen im Aufnahmeland sind, die Geflüchtete bei ihren vielfältigen Herausforderungen unterstützen (wie z. B. das Erlernen einer neuen Sprache, der Umgang mit Ämtern und Behörden) und so eine relativ enge Beziehung zu ihnen aufbauen. Meine Arbeit befasst sich mit der Frage: Wie kann sich diese Beziehung positiv für beide Seiten auswirken?

Vorgangsweise

Meine Interviewpartner_innen sind informelle Buddies, die außerhalb eines organisatorischen Rahmens ehrenamtlich Geflüchtete betreuen. Ich führte insgesamt neun qualitative Leitfadeninterviews durch, vier mit geflüchteten Frauen und fünf mit Buddies. Die interviewten Buddies waren drei Frauen und ein Ehepaar zwischen 50 und 76 Jahren, mit einem Bildungshintergrund zwischen Matura und Hochschulabschluss.

Meine Interviewpartnerinnen unter den geflüchteten Frauen fand ich durch mein ehrenamtliches Engagement. Es gab eine gute Vertrauensbasis und ich konnte mit ihnen und ihren Buddies getrennt voneinander sprechen, um eine gegenseitige Beeinflussung zu vermeiden. Da alle Frauen bereits mehr als fünf Jahre in Tirol gewohnt und Sprachkurse besucht hatten, war die Verständigung auf Deutsch meist gut möglich. Die interviewten geflüchteten Frauen stammen aus Afghanistan und dem Iran, sind alle verheiratet und haben Kinder. Der Bildungshintergrund reichte von Analphabetismus bis hin zur Matura, sie sind zwischen 30 und 49 Jahre alt.

Unterstützung durch Buddies

Eine der wichtigsten Aufgaben von Buddies ist die Hilfe beim Spracherwerb. Ein Hauptproblem, um Deutsch wirklich zu erlernen, besteht in der fehlenden Übung, wenn man sich nur in der eigenen Comunity bewegt. Neben einem einstündigen Sprachkurs pro Woche ist daher ein regelmäßiger Austausch mit Buddies sehr wertvoll. Auf die Frage nach der größten Hilfe beim Spracherwerb meint Fina1:

Ja. Ja, immer Ingrid hat mir korrigiert, mein Sprechen, ja. Und immer sie hat gesagt „darf ich korrigieren?“, ja. Ja, bitte. Und immer sie spricht bei mir sehr, sehr langsam. Und wenn ich verstehe nicht, sie wiederholen.

Buddies erkennen aber gleichzeitig die mitgebrachten Fähigkeiten, wertschätzen sie und versuchen sie bestmöglich zu fördern, um sie dadurch zum Beispiel bei der Arbeitssuche zu unterstützen. Eine Frau wurde für ihr Bewerbungsgespräch vorbereitet:

Ursula: „Es ist genau über das gekommen, was wir vorbereitet haben. Weil ich dann gesagt hab: ich glaub, Alina, das wird er fragen. Das muss er wissen.“

Alina: „Und zack… alles wir haben vorgedacht/ vorbereitet/ alle diese Fragen, die gekommen sind“. (lacht)

Buddies übernehmen häufig die Aufgabe, Geflüchtete über ihre Rechte und Möglichkeiten zu informieren. Sie spielen dadurch eine wichtige Rolle etwa in der Begleitung von Geflüchteten zu deren Asylverfahren. Indem sie deren Lebenswirklichkeiten kennenlernen, finden sie gemeinsam mit ihnen Handlungsmuster, um einen gelingenden Alltag zu ermöglichen. Fina, die sich schon im Iran um ihre kleinen Nichten und Neffen gekümmert hatte, wurde durch ihren Buddy eine Stelle in einem Kindergarten mit berufsbegleitender Ausbildung zur Kindergarten Assistentin vermittelt.

Fina: „Einmal ich hab gesagt, ich wollte im Kindergarten arbeiten und bevor August wir besuchen zusammen Kindergarten. Und das ist große Chance, die Chefin war im Kindergarten und, nach zwei Tage sie meldet Ingrid: Ja, Fina erlaubt hier arbeiten, als Assistentin.“

Rückwirkung auf die Buddies

Mein Dissertationsprojekt befasst sich mit der gegenseitigen Bestärkung zwischen geflüchteten Frauen und ihren ehrenamtlichen Betreuer_innen. Es handelt sich dabei um vier geflüchtete Frauen, die von drei Frauen und einem Mann zwischen 50 und 76 Jahren, alle mit Maturaniveau begleitet werden. Einerseits unterstützen sie aufgrund eigener Fluchterfahrung, andererseits aus altruistischer Motivation und um gegen die österreichische Asylpolitik aufzutreten. Forschungen zur Tätigkeit der Freiwilligen im Flüchtlingsbereich beschäftigen sich vorwiegend nur mit deren Beitrag zur Integration Geflüchteter und nehmen die positiven Rückwirkungen auf die Buddies selbst kaum in den Blick. Diese gewinnen jedoch Einblicke in eine andere Kultur, fremdes Essen, eine neue Art Tee oder Kaffee zu trinken. Dies führt auch dazu, dass sie sich in der Folge durch Leserbriefe, Teilnahme an Demonstrationen oder Aufklärung in ihrem sozialen Umfeld politisch betätigen.

Angelika: „Wir waren am Anfang sehr unsicher, auch diese kulturellen Unterschiede. Wie tun wir mit der Frau, wie dürfen wir sie anschauen, darf mein Mann ihr in die Augen schauen, dürfen wir miteinander reden, weil es war schon/ die haben sich schon sehr anders verhalten am Anfang. Da haben wir sehr viel dazu gelernt über fremde Kulturen.“

Buddies erhalten aber auch sehr aufschlussreiche Informationen über die österreichische Politik und Verwaltung in Bezug auf Flucht und Migration.

Christa: „In meiner Arbeit haben wir ab und zu auch Menschen mit Fluchthintergrund gehabt. Aber ich kenne mich jetzt sicher viel, viel, viel, besser aus in dem Bereich als vorher.“

Unterschiede in den Auswirkungen

Die bisherigen Ergebnisse des Dissertationsprojektes zeigen, dass beide Seiten profitieren, die Formen der Ermächtigung im Sinne von Empowerment nach Herriger (2014) jedoch bei den geflüchteten Frauen und ihren Buddies unterschiedlich sind. Für Herriger steht Empowerment für das Aufbegehren einer marginalisierten Gruppe gegenüber gesellschaftlichen Diskriminierungen. Weiters beschreibt er eine Kompetenzsteigerung bzw. erhöhte Durchsetzungskraft. Herriger sieht Empowerment als aktive Machtergreifung, in deren Folge eigenes Gestaltungsvermögen von Betroffenen entsteht. Empowerment der eigenen Person entsteht auch, indem man andere unterstützt.

Betrachten wir die Auswirkungen auf das Empowerment der geflüchteten Frauen, so zeigt sich dies vorrangig als Steigerung der Kompetenz oder Durchsetzungskraft beziehungsweise als aktive Ermächtigung. Die verschiedenen Aspekte des Empowerments geflüchteter Frauen zeigen sich sowohl im öffentlichen als auch im privaten Bereich.

Ein wichtiger Aspekt der Kompetenzsteigerung ergibt sich im Zusammenhang mit der Berufstätigkeit der Frauen. Sie kommen erstmals in die Lage, ein eigenes Bankkonto zu besitzen. Nach einer Einführung und Erklärung durch betreuende Buddies gelingt der Umgang damit einschließlich der Verwendung einer Bankomatkarte. Die Frauen werden auch geschult, wie man ein Haushaltsbuch führt. Alle interviewten Frauen gehen einer bezahlten Arbeit nach und sind finanziell unabhängiger. Durch die neuen Arbeitskolleg_innen hat sich ihr soziales Umfeld erweitert.

Empowerment als aktive Machtergreifung äußert sich auch im familiären Bereich. Einer Frau gelang es durch Unterstützung ihres Buddies, eine unglückliche Partnerschaft zu beenden, die bereits im Herkunftsland unter großen Spannungen gelitten hatte. Da ihre beiden Kinder noch im Kindergarten- bzw. Volksschulalter waren, wären sie im Herkunftsland der Familie des Mannes zugesprochen worden, in Österreich aber nicht. Mittlerweile ist der Ehemann ausgezogen, holt die Kinder jedes zweite Wochenende zu sich und hat ein gutes Einvernehmen mit der Ehefrau.

Bei den Buddies zeigt sich Empowerment vor allem im Sinn von politischer Ermächtigung. Sie nehmen dabei eine Brückenfunktion zu unserer Gesellschaft ein und beeinflussen auch ihr soziales Umfeld in Bezug auf Themen zu Migration und Flucht. Manchmal geschieht dies allein dadurch, dass ihr Engagement bekannt wird. Buddies, die sich vor ihrer Betreuungstätigkeit schon gesellschaftspolitisch einbrachten, erweitern ihre Kompetenzen, indem sie Sprachlehrer_innen werden, sich mit dem österreichischen Asylgesetz befassen oder auch mediale Falschinformationen über Geflüchtete in ihrem Umfeld richtigstellen. Zudem lernen sie bei Treffen mit anderen Engagierten neue Gleichgesinnte kennen und erweitern so ihr soziales Netzwerk. Buddies erfahren auch Empowerment im Sinne von aktiver Machtergreifung und Gestaltungsvermögen und nutzen ihre Einflussmöglichkeiten, indem sie erkennen, dass sie einen Handlungsspielraum haben und diesen konsequent ausfüllen. Sie werden politisch aktiv, indem sie beispielsweise Leserbriefe zur österreichischen Flüchtlingspolitik in lokalen Zeitungen verfassen oder sich gegen Abschiebungen einsetzen.

Schlussfolgerungen

Für ein gelingendes Einleben von Geflüchteten in Österreich ist es entscheidend, von einer engagierten Begleitung gefördert zu werden – für Frauen umso mehr, da sie aufgrund von Kinderbetreuung später in den Arbeitsprozess einsteigen und so später ein neues soziales Umfeld aufbauen können. Wenn es den geflüchteten Frauen gelingt, beruflich Fuß zu fassen, ist es auch möglich, ihren Handlungsspielraum aktiv zu erweitern und neue Lebensentwürfe zu realisieren. Buddies hingegen werden durch ihren Einsatz für Geflüchtete vorwiegend politisch sensibilisiert.

(Gertraud Schermer-Rupprechter)

[1] Alle Namen wurden anonymisiert.


Gertraud Schermer-Rupprechter hat an der Fakultät für Bildungswissenschaften der Leopold-Franzens-Universität ihren master in „Gender, Kultur und Sozialer Wandel“, abgelegt und ist seit 04/2021 Kollegiatin des Doktorats Kollegs „Dynamiken von Ungleichheit der Globalisierung“ am Forschungsschwerpunkt „Kulturelle Begegnungen – Kulturelle Konflikte“, an der Universität Innsbruck; seit 2016 Doktoratsstudium "Doctor of Philosophy" am Institut für Erziehungs- und Bildungswissenschaft; Thema: Geflüchtete Frauen und ihre Buddies; BetreuerIn: Prof. Erol Yildiz, Prof.in Sabine Krause. Seit sechs Jahren engagiert sie sich in der Betreuung von Geflüchteten im Organisationskomitee eines Flüchtlingsheimes, als Gemeinderätin und als Buddy.

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