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Risiko – Universität Innsbruck

RISIKO

GL:OSS:IER_01 | Der Begriff Risiko ist im Kontext des Klimawandels in aller Munde. Doch wie werden klimabedingte Risiken überhaupt bewertet? Ist eine Gefahr gleich ein Risiko? Eine Einordnung. 

News-Redaktion der Uni Innsbruck, Juni 2025

W  enn es Regenschirme gibt, kann man nicht mehr risikofrei leben: Die Gefahr, dass man durch Regen nass wird, wird zum Risiko, das man eingeht, wenn man den Regenschirm nicht mitnimmt. Aber wenn man ihn mitnimmt, läuft man das Risiko, ihn irgendwo liegenzulassen.
(Niklas Luhmann)

Niklas Luhmann beschäftigte sich aus soziologischer Sicht mit dem Risikobegriff und erklärte unter anderem auch, dass es sich in unserer Gesellschaft immer ungefährlicher lebe – dafür umso riskanter. Längst hat das Wort Risiko Einzug in unseren alltäglichen Sprachgebrauch und die Headlines der Medien gehalten:

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Gesundheitliche Risiken, finanzielle Risiken, technische Risiken, soziale Risiken, ökologische Risiken: Je nach Fachbereich liegt dem Risikobegriff eine andere Definition zu Grunde. In den meisten Fällen ist mit dem Begriff das potenzielle Eintreten künftiger Ereignisse, welche negative Auswirkungen mit sich bringen, gemeint.

Was bedeutet der Risikobegriff im Kontext des Klimawandels? Wie werden Risiken von Klimawissenschaftler:innen eingeordnet? Warum gilt die Schweiz als Vorzeigeland für den Umgang mit naturgefahrenbedingten Risiken? Und wie sollte der Begriff in der Klimakommunikation eingesetzt werden? Antworten dazu in unserem GL:OSS:IER. 

Risiko im Kontext Klima

Insbesondere im Zusammenhang mit dem Klimawandel wird der Begriff Risiko in medialen, gesellschaftlichen, wissenschaftlichen und politischen Kontexten eingesetzt. Jedoch liegen der Verwendung des Begriffes oft unterschiedliche Konzepte zugrunde.

Ein grundlegendes Verständnis des Risikokonzeptes im Kontext Klima sowie die sachlich richtige Verwendung des Begriffs ist für eine transparente und verständliche Kommunikation von klimawandelbedingten Risiken essenziell. Es handelt sich um einen Schlüsselbegriff in der Kommunikation mit institutionellen und politischen Entscheidungsträger:innen sowie der Gesellschaft, wenn es um Auswirkungen sowie Anpassungsstrategien geht.

Für eine transparente Risikokommunikation setzt sich Margreth Keiler, Universitätsprofessorin für Interdisziplinäre Gebirgsforschung am Institut für Geographie der Universität Innsbruck und Direktorin des Instituts für Interdisziplinäre Gebirgsforschung der ÖAW, ein. Sie ist Expertin im Bereich der Naturgefahrenforschung und beschäftigt sich mit kurz- und langfristigen Veränderungen von Gefahren und Risiken in Gebirgsregionen im Zusammenhang mit dem globalen Wandel. Darüber hinaus ist Keiler Co-Chair des kürzlich erschienenen Zweiten Österreichischen Sachstandsbericht zum Klimawandel (AAR2). In einem aktuellen Paper analysiert Keiler gemeinsam mit Kolleg:innen das Risikokonzept in der Klimaforschung.

Portrait Margreth Keiler

Die Geographin Margreth Keiler ist Naturgefahrenexpertin und ordnet Risiken im alpinen Raum ein. 

Aus fachlicher Sicht im Bereich der Klimaforschung sei Risiko – im Gegensatz zu Risiken im Finanzbereich – immer mit negativen Folgen verbunden, erklärt die Wissenschaftlerin: 

Die im Folgenden beschriebene Einordnung des Begriffs orientiert sich an den Beschreibungen aus dem IPCC-Sachstandbericht (AR6), dem Zweiten Österreichischen Sachstandsbericht zum Klimawandel (AAR2) und der ISO 14091.

Wie wird das Risiko in der Klimaforschung bewertet?

Risiko ist „das Potenzial für nachteilige Folgen, die sich aus dem Klimawandel für menschliche oder ökologische Systeme ergeben, wobei die Vielfalt der Werte und Ziele, die mit solchen Systemen verbunden sind, berücksichtigt wird“ definieren die Autor:innen des AR6 den Begriff im Klimakontext. Risiken ergeben sich nicht nur aus den Einflüssen des Klimawandels, auch durch Anpassungsmaßnahmen an die Veränderung des Klimas entstehen neue Risiken.

„Risiko ist das Potenzial für nachteilige Folgen, die sich aus dem Klimawandel für menschliche oder ökologische Systeme ergeben, wobei die Vielfalt der Werte und Ziele, die mit solchen Systemen verbunden sind, berücksichtigt wird.“

(AR6/IPCC)

Sowohl im AR6 als auch im AAR2 arbeiten die Wissenschaftler:innen mit einem dynamischen Risikokonzept, dass sich aus drei Schlüsselfaktoren zusammensetzt.

Risiken ergeben sich aus den Wechselwirkungen zwischen einer klimabedingten Gefahr und deren Eintrittswahrscheinlichkeit, der Exposition der gefährdeten Elemente im Lauf der Zeit und der und Vulnerabilität des betroffenen Systems. Alle drei Bereiche sind in Bezug auf das Ausmaß und die Eintrittswahrscheinlichkeit mit Unsicherheiten behaftet. Außerdem können sie durch bestimmte Maßnahme in ihrem Ausmaß verringert oder erhöht werden. Eine Reduzierung des Risikos gelingt durch Risikomanagement und umfassenden Transformationen (Mitigation und Anpassung). 

Margreth Keiler führt unterschiedlichen Dimensionen, die das Risiko beeinflussen, aus: 

Die untenstehende Abbildung stellt die Überschneidungen von Gefahr, Exposition und Vulnerabilität dar. Die weißen Pfeile stehen für eine Erhöhung bzw. Reduzierung des Risikos durch unterschiedliche Maßnahmen. Der fliederbarbene Rahmen in der Mitte kennzeichnet in Zusammenhang mit der Entwicklung der einzelnen Faktoren den Lösungsraum für Risikomanagement und Anpassung. In der Mitte weiß eingefärbt ist das Restrisiko, dass selbst bei den größten Bemühungen der Risikoreduzierung bestehen bleibt.

Risiko im Bereich der Klimaforschung wird als Potenzial für nachteilige Folgen für menschliche und ökonomische Systeme definiert, wobei die Vielfalt der Werte und Ziele, die mit solchen Systemen verbunden sind, berücksichtigt wird.

Klimawandelbedingte Risiken ergeben sich durch die dynamischen Wechselwirkungen von Gefahr, Exposition und Vulnerabilität.

Der Bereich der Klimaforschung, welcher sich mit den Naturereignissen in Folge von Extremwetterlagen beschäftigt, nähert sich der Risikoabschätzung meist aus der Sicht einer möglichen Gefahr.

Von Gefahr wird nur gesprochen, wenn ein Schadenspotential besteht. Dies kann sich auf den Verlust von Menschenleben, Verletzungen oder andere gesundheitliche Beeinträchtigungen sowie auf Verluste und Schäden an Eigentum, Infrastruktur, Dienstleistungen, Ökosysteme und Umweltressourcen beziehen.

Ein isoliertes und von anderen Faktoren unabhängiges physisches Ereignis, welches keine Schäden verursacht (z.B. Starkniederschläge ohne weitere Auswirkungen), stellt noch keine Gefahr dar. Die Manifestation einer Gefahr ergibt sich durch die Überschneidung von physischen Ereignissen und/oder deren Auswirkungen auf Vermögenswerte oder Menschen, die auf Grund ihrer Exposition vulnerabel und damit gefährdet sind.

Eine besondere Herausforderung sind Kaskadeneffekte von Gefahrenprozessen: Eine Rutschung lagert sich im Fluss ab, hinter diesem Damm staut sich das Wasser zu einem See und es kommt zum Dammdurchbruch.

Bauliche Maßnahmen (Rückhaltebecken, Wildbachverbauung) und natürliche Interventionen, wie der Aufbau und Erhalt eines Mischwaldes, der als Schutzwald fungiert und bei Waldbränden eine erhöhte Resilienz aufweist, verringen das Gefahrenpotential.

Andere menschlichen Eingriffe in die Natur erhöhen die Wahrscheinlichkeit einer Gefahr, etwa wenn zusätzlich Bodenfläche versiegelt wird, wodurch sich das Versickerungsvermögen bei Starkregen verringert.

Exposition bedeutet, dass sich Menschen, Wohnraum, Infrastruktur, Produktionskapazitäten, Dienstleistungen und andere materielle menschliche Vermögenswerte sowie Ökosysteme in einem gefährdeten Gebiet befinden. Quantifiziert wird die Exposition beispielsweise durch die Anzahl der Menschen oder den wirtschaftlichen Vermögenswert in einem Gebiet. Es gibt keine Exposition, wenn nicht wirtschaftliche, soziale, kulturelle oder ökologische Werte einem potenziellen physischen Gefahrenereignis ausgesetzt sind.

Ein über die Ufer getretener Wildbach hat Schutt in einem Dorf abgeladen

Im alpinen Raum ist es aufgrund der Kleinräumigkeit in vielen Fällen nicht einfach, dauerhaft nutzbare Flächen für Besiedelung und Infrastruktur zu definieren. So mag es, wie in obenstehendem Foto dargestellt, unlogisch wirken, dass das Dorf auf dem Kegel eines Wildbaches errichtet wurde und nicht im Feld weiter rechts im Bild. Bei der Freifläche handelt es sich allerdings um ein lawinengefährdetes Gebiet, auf dem jedes Jahr Lawinenabgänge auftreten können. Die Wahrscheinlichkeit, dass der Wildbach bei Extremwetterereignissen Material auf diesem Kegel ablagert besteht, kommt aber selten vor. 

Bei der Freifläche daneben handelt es sich allerdings um ein lawinengefähretes Gebiet. Die Wahrscheinlichkeit, dass dort Lawinen abgehen, ist deutlich höher als die Wahrscheinlichkeit, dass der Wildbach bei Extremwetterereignissen Material auf diesem Kegel ablagert.

Um die Exposition von Menschenleben und Vermögenswerten zu verringern, bedarf es einer risikobewussten Raumplanung. Dafür braucht es detaillierte Karten, welche über die Exposition und in weiterer Folge das Risiko Auskunft geben. Dies dient als Grundlage für das Risikomanagement.

Siedlungsflächen zu erweitern, führt zu einer Erhöhung der potenziell exponierten Menschen und Vermögenswerte.

Die Vulnerabilität beschreibt den Grad der Wahrscheinlichkeit, nachteilig betroffen zu sein. Dabei geht es nicht nur um die Anfälligkeit für physische, gesundheitliche und wirtschaftliche Konsequenzen, sondern auch um beschränkte Schutz- und Anpassungsmöglichkeiten, was nicht selten auch mit den (sozio-)ökonomischen Status einer Nation bzw. Einzelpersonen zusammenhängt.

Versicherungsleistungen bei durch Naturgefahren verursachten Schäden, begrenzen die Vulnerabilität aus ökonomischer Sicht. Physische Vulnerabilität kann durch bauliche Maßnahmen verringert werden. 

Werden Arbeitsbedingungen nicht an die erhöhte Anzahl an Hitzetagen angepasst oder Städte nicht klimafit umgestaltet, erhöht sich die gesundheitliche Vulnerabilität.

Bestreben, Risiken zu minimieren, werden als Anpassung bzw. Adaption bezeichnet. Die Entwicklung der Anpassungsmaßnahmen richtet nach den aktuellen bzw. prognostizierten Klimabedingungen und deren Auswirkungen.

Als „harte Grenzen“ der Anpassung (rote Linie in der Grafik) werden jene Bereiche bezeichnet, in welchen sämtliche Schutzmaßnahmen bereits getreoffen wurden und keine weiteren Interventionen zur Minimierung des Risikos mehr möglich sind. „Weiche Grenzen“ (dunkelblaue unterbrochene Linie) beschreiben, dass es Anpassungsmöglichkeiten gäbe, jedoch zu dem Zeitpunkt die (finanziellen) Mittel fehlen, um die Maßnahmen umzusetzen. Die dunkelblaue duchgezogene Linie beschreibt den Status quo.

Gleichzeitig besteht die Möglichkeit, durch gesetzte Maßnahmen (unbewusst) das Risiko in anderen Bereichen zu erhöhen, etwa durch Fehlanpassung oder bei Kompromisslösungen (Risk-Trade-Off, Risikokonflikt). Deshalb bedarf es eines ausgewogenen Risikomanagements, bei welchem die Entscheidungsträger:innen in der Lage sind, verschiedene Handlungsspielräume abzuwägen und die nachteiligen Folgen einzuschätzen.


Auch Mitigation und Transformation beeinflussen das Ausmaß des Risikos. Mitigation umfasst alle Maßnahmen zur Reduktion von Treibhausgasemissionen, um die Erderwärmung zu verlangsamen. Es geht also darum, klimabedingte Risiken durch Klimaschutz vorab zu vermeiden, sodass Anpassungsmaßnahmen gar nicht erst notwendig werden: „Jedes Zehntelgrad, um das sich Österreich bzw. die Erde nicht erwärmt, hilft uns viel mehr als unfassbar viel Geld in Anpassungsmaßnahmen zu stecken – Klimaschutz ist und bleibt essenziell“, so Keiler. In gewissen Bereichen ist allerdings Adaption und Anpassung der einzig mögliche Weg.

Transformation ist ein übergeordneter Begriff, der tiefgreifende systemische Veränderungen in Wirtschaft, Gesellschaft, Infrastruktur und Lebensstil beschreibt. Diese sind notwendig, um sowohl Klimaschutz und Mitigation als auch Anpassungsmaßnahmen langfristig und wirksam umzusetzen.

Infografik "Maßnahmen, die die Anfälligkeit, Exposition und Gefahren beeinflussen"

Darstellung des Risikokonzeptes im AAR2 (Summary for Policymakers). 

Im Zweiten Österreichischen Sachstandsbericht zum Klimawandel (AAR2) ordneten die Wissenschaftler:innen Folgen des Klimawandels in ihrer Ausprägung und Auswirkungen auf Basis des Risikokonzeptes ein. Steigende Temperaturen, das Risiko von Dürren, Waldbrände, Starkregen und Überschwemmungen, der Rückgang der Schutzwälder und der Biodiversität, Herausforderungen in der Energieversorgung und dem Tourismussektor wurden bewertet. Beispielhaft sind im folgenden zwei dieser Bereiche dargestellt, wie sie im AAR2 erläutert werden. 

KONSEQUENZEN 

GEFAHR

EXPOSITION

VULNERABILITÄT

Steigende Temperaturen führen zu Gesundheitsrisiken und geringerer Arbeitsproduktivität

Zunahme von hitzebedingten Erkrankungen und Sterblichkeit, Abnahme der Lebensqualität, Abwanderung und Rückgang der Arbeitsproduktivität, was zu wirtschaftlichen Verlusten in verschiedenen Wirtschaftssektoren und Haushalten führt.

Die Häufigkeit und Dauer von Hitzewellen nimmt zu. Insbesondere für Personen in städtischen Gebieten und solche, die in ihrer Arbeitsumgebung Hitze ausgesetzt sind, stellt dies ein Gesundheitsrisiko dar. Ein globales Erwärmungsniveau (GWL) von 4°C erhöht die Anzahl an Hitzetagen (>30 °C) in den heißesten Regionen Österreichs von 25 auf 60 pro Jahr.

Am höchsten ist die Hitzebelastung in dicht besiedelten Gebieten, da deren natürliche Kühlkapazität aufgrund mangelnder Grünflächen eingeschränkt ist. Arbeitsbezogene Hitzefolgen treffen besonders Personen, die körperlich im Freien arbeiten oder in nicht klimatisierten Innenräumen tätig sind.

Babys bzw. Kleinkinder und alte Menschen sowie Menschen mit einem niedrigen sozioökonomischem Status oder chronischen Krankheiten sind besonders anfällig für extreme Temperaturen.

Handlungsoptionen: Ausbau von Grün- und Schattenflächen sowie technische Lösungen zur Kühlung verringern die HItzebelastung. In Arbeitsumgebungen zählt dazu die Ausstattung der Arbeitsplätze mit Klimaanlagen, bzw. wenn das nicht möglich ist, eine Verlagerung der Arbeitszeiten in kühlere Tagesabschnitte, eine Reduzierung der Arbeitszeit, verlängerte Pausen und die Sicherstellung von Erholung und Gesundheitsförderung während der Pausen.

Risiko von Überschwemmungen wird zunehmen

Starkregenbedingte Hochwasser und Flussüberschwemmungen treffen die Wirtschaft mit großen Verlusten und können zu einem mehrfachen strukturellen Versagen der Verkehrsinfrastruktur führen. 

Starkniederschläge und Hochwasser im Sommer nehmen zu. In Regionen mit Schneereserven können Hochwasserereignisse durch Schneeschmelze und Regen auf Schnee zunehmen.

(Städtische) Gebiete mit einem hohen Grad an Oberflächenversiegelung sind anfällig für starkregenbedingte Hochwasser. Gemeinden, die ihre bebaute Umwelt in gefährdeten Gebieten ausbauen oder verdichten, sind in besonderem Maße von Flussüberschwemmungen betroffen (siehe auch bestehende Hochwassergefahrenkarten). 

Gefährdete Elemente sind unterschiedlich (physisch) vulnerabel für Überschwemmungsprozesse. Soziale und wirtschaftliche Aspekte der Anfälligkeit können die Gesamtvulnerabilität erhöhen. Die fehlende Möglichkeit einer (obligatorischen) Gebäudeversicherung (z. B. für den privaten Sektor) ist ein Schlüsselfaktor der wirtschaftlichen Vulnerabilität.

Handlungsoptionen: Eine strategische Raumplanung, Bodenentsiegelung, eine effiziente Ableitung von Regenwasser in städtischen Gebieten und die Verbesserung der Entwässerungsinfrastruktur sind wirksame Anpassungsinstrumente sowohl für Fluss- als auch für Pluvialhochwasser. Weitere Optimierungen der Überwachungssysteme verbessern die Warnung und Vorbereitung von Gefahrenereignissen.

Best Practice aus der Schweiz

Ein UNO-Bericht aus dem Jahr 2011 nennt Schweiz als jenes Land, das weltweit am besten auf naturgefahrenbedingte Risiken vorbereitet ist. Das Bewusstsein, dass es aufgrund der Klimaerwärmung zu einer Zunahme an naturgefahrenbedingten Risiken kommt, ist sowohl in der Politik als auch in der Gesellschaft hoch. Eine strategische Raumplanung, aktive Schadensprävention, eine verpflichtende Elementarversicherung und Solidarität in der Bevölkerung tragen zu einer Risikominimierung bei.

Die Versicherung gegen Elementarschäden ist ein Kernstück des Schweizer Risikomanagements. Ein Versicherungsschutz gegen Naturgefahren wie Hochwasser, Lawinen, Sturmschäden, Erdrutsche, Steinschlag etc. ist gesetzlich verpflichtend und baut auf dem Solidaritätsprinzip auf: Auch Menschen, die nicht in einem gefährdeten Gebiet leben, zahlen ein. Dies ermöglicht niedrige Prämien und hohe Deckungssummen. In der Schweiz sind rund 98 Prozent aller Gebäude gegen Elementarschäden versichert, ein international einmalig hoher Wert.

Hochwassersimulationen

Auch im Bereich der Risikoeinschätzung ist die Schweiz ein Vorreiter: An der Universität Bern hat ein Team rund um Margreth Keiler mehrere Schadenssimulationskarten entwickelt, welche insbesondere das Hochwasserrisiko in der Schweiz darstellen: „Sowohl in der Schweiz als auch in Österreich existieren Karten, die gefährdete Gebiete detailliert ausweisen. Doch sie zeigen nur die Hälfte der Geschichte, nämlich wie häufig und intensiv Überschwemmungen sein können. Die Karten liefern allerdings keine Informationen darüber, welche Schutzgüter gefährdet sind oder wie hoch das Schadensausmaß ist. Eine geringe Gefahr bedeutet nicht zwangsläufig ein geringer Schaden“, so Keiler.

Durch die Zusammenführung dieser Gefahrenkarten mit Daten zur Anzahl der gefährdeten Objekte und deren Wert, betroffener Infrastruktur und Menschen, die in gefährdeten Gebieten leben, sowie vorhandenen wie geplanten Schutzmaßnahmen wurden detaillierte Schadenskartierungen für die Schweiz erstellt, mit welchen auch künftige Szenarien simuliert werden können. In einer weiteren Studie analysierten Keiler und ihre Kolleg:innen die Erreichbarkeit von Nofalldiensten während extremer Hochwasserereignisse.

Diese Daten ermöglichen Entscheidungsträger:innen eine umfassende Grundlage für ein Risikomanagement, das dem Gebäude- und Bevölkerungsschutz dient. Auf Basis dessen können Schutzmaßnahmen evaluiert und Investitionen sinnvoll getätigt werden.

Außerdem werden die Simulationen verwendet, um weitere wissenschaftliche Berechnungen durchzuführen: Eine Studie aus dem Jahr 2025 zeigt, dass sich der erwartete jährliche Schaden nach Überschwemmungen um die Hälfte reduziert, wenn alle Hausbesitzer:innen in der Schweiz, deren Gebäude in einer Gefahrenzone liegen, Hochwasserschutzmaßnahmen von einem halben Meter umsetzen.

Die Zusammenführung von Gefahrenkarten mit Daten zur Anzahl der gefährdeten Objekte ermöglicht ein effizientes Risikomanagement.

Wie setze ich den Begriff Risiko in der Klimakommunikation ein?

DO´s

Risiko sachlich einordnen: Einen Sachverhalt voreilig als Risiko zu bezeichnen, ist einer sachlichen und transparenten Klimakommunikation nicht dienlich. Die Aussage "Der Klimawandel erhöht das Risiko von Waldbränden" ist in dieser Form nicht richtig, durch die Klimaerwärmung steigt die Wahrscheinlichkeit von Waldbränden. Im Folgenden können dann die Risiken, die sich daraus für menschliche und ökologische Systeme ergeben, beschrieben werden.

Risiko als dynamisches Konstrukt begreifbar machen: Der Grad des Risikos wird zu einem bestimmten Zeitpunkt erhoben, kann sich aber durch die Wechselwirkungen der drei Komponenten ständig erhöhen oder verringern, weshalb Risiken regelmäßig evaluiert werden.

Die Risikoeinschätzung transparent darstellen: Wird über Risiken gesprochen, sollten die drei Komponenten Gefahr, Exposition und Vulnerabilität analysiert und die Folgen für menschliche und ökologische Systeme beschrieben werden.

Handlungsmöglichkeiten aufzeigen: Fast in allen Bereichen gibt es sowohl auf politischer und institutioneller Ebene als auch dem persönlichen Umfeld Anpassungsmöglichkeiten. Diese sollten im Sinne einer guten Klimakommunikation miteinbezogen werden.  

DON'Ts

Risiko zur Beschreibung physischer Ereignisse einsetzen: Wird eine Veränderung in der Häufigkeit und Intensität von auftretenden physischen Ereignissen beschrieben, ist der Einsatz des Risikobegriffs nicht korrekt. „Der Klimawandel erhöht das Hochwasserrisiko“ ist nicht korrekt, wenn sich die Bewertung ausschließlich auf die Veränderungen der Häufigkeit oder der Intensität bezieht, nicht auf Auswirkungen auf Menschen Vermögenswerte.

Risiko als Synonym für Gefahr verwenden: Eine Gefahr ist ein Bestandteil des dynamischen Risikokonzeptes und ein Faktor, der durch Anpassungsmaßnahmen verringert oder vergrößert werden kann.

Von einem "potentiellen/möglichen Risiko" sprechen: Das Potenzial für nachteilige Folgen ist bereits im Konzept des Risikos enthalten. Aussagen wie „Der Klimawandel birgt potenzielle Risiken für…“ stellen daher eine Verdoppelung dar und implizieren außerdem, dass man sich nicht sicher ist, ob überhaupt ein Risiko besteht. Dies lässt vermuten, dass keine angemessene Bewertung vorgenommen wurde.

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