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<strong>psychologie</strong>: Soziales Verhalten zeigt sich im Gehirn – Universität Innsbruck
Arzt schaut auf einen Bildschirm mit Gehirn-MRT, im Hintergrund ein MRT-Gerät.
Welche Hirnregionen in Sozialsituationen aktiv werden, ist ein Forschungsinteresse von Matthias Schurz.

Psycho­logie: So­ziales Ver­halten zeigt sich im Ge­hirn

Der Psychologe Matthias Schurz widmet sich in seiner Forschung dem Funktionieren des mensch­lichen Gehirns – und welche Gehirnbereiche für soziales Verhalten „zuständig“ sind. Schurz forscht am Institut für psychologie und am Forschungsschwerpunkt Digital Science Center.

„In einer komplexen, arbeitsteiligen und globalisierten Welt ist es wichtig, andere Menschen richtig zu verstehen. Das setzt voraus, dass wir ihre Absichten, Interessen, und Gefühle richtig interpretieren – letztlich das, was wir allgemein als ‚Soft Skills‘ bezeichnen“, erklärt Dr. Matthias Schurz. Der Psychologe ist seit Herbst 2020 auch Teil des Forschungszentrums Digital Science Center und widmet sich in seiner Forschung unter anderem der sogenannten „Theory of Mind“. „Die Theory of Mind ist sozusagen die Grundlage sozialen Denkens – Menschen sind in der Lage, die eigene Perspektive zu verlassen, die Sichtweise anderer zu übernehmen und Handlungen anderer zu verstehen.“ Ob und wie gut ein Mensch die Perspektive anderer übernimmt, kann aber nicht so leicht über klassische Leistungstests erhoben werden, so wie zum Beispiel ein Wortschatztest das Sprachvermögen misst. Moderne Methoden der Gehirnforschung, wie die funktionelle Magnetresonanztomographie (fMRT), machen neue Erkenntnisse auf dem Gebiet möglich. Auf diese Methode setzt auch Matthias Schurz in seiner Forschung.

Evolutionäre Entwicklung

Die heutigen geistigen Fähigkeiten des Menschen sind im Laufe der Evolution entstanden. Dementsprechend lassen sich in höheren Säugetieren viele Spuren und Vorläufer des menschlichen Denkens finden. „Oft hilft der Vergleich zwischen einem Vorläufer und dem aktuellen Gehirn-Modell des Menschen, einen tieferen Einblick in die Entstehung und damit auch den Aufbau einer Gehirnregion zu erhalten“, erklärt Matthias Schurz. In einer kürzlich in „Science Advances“ erschienenen Studie hat ein interdisziplinäres Forschungsteam unter Leitung der Universität Oxford mit Beteiligung von Schurz eine Vorläuferfähigkeit der Theory of Mind im Gehirn von Rhesusaffen lokalisiert. Der psychologische Beitrag von Matthias Schurz lag darin, die experimentelle Aufgabe zu gestalten und dieses Wissen in der Datenanalyse umzusetzen. „Uns hat eine Frage besonders beschäftigt: Wie kann man einen bestimmten sozialen Denkprozess im Gehirn eines Rhesusaffen auslösen, obwohl der Affe keine Sprache besitzt und damit die Aufforderungen des Experimentators nicht versteht? Um das zu ermöglichen, haben wir in der aktuellen Studie Videos präsentiert, die andere Affen in sozialen Interaktionen mit überraschendem Ausgang zeigen.“ Die Hirnaktivitäts-Messung war für die Affen harmlos und entsprach einer normalen fMRT-Untersuchung, die auch Menschen regelmäßig machen. „Das fMRT hat ermöglicht, eine Gehirnregion sichtbar zu machen, die dazu beiträgt, soziale Situationen aufgrund der Absichten anderer Akteure vorherzusagen. Somit haben wir weitere Einblicke darüber gewonnen, wie soziales Denken in Lebewesen ohne Sprache und – im menschlichen Sinn – Kultur aussieht. 

Neues Forschungszentrum

„Theory of Mind“ und soziales Verhalten sind grundlegend für erfolgreiche Kooperation und den Bestand zwischenmenschlicher Beziehungen – damit haben sie auch breite klinische Relevanz. „Mittlerweile ist gut belegt, dass zwischenmenschlicher Kontakt nicht nur für das psychische Wohlbefinden, sondern auch für die körperliche Gesundheit wichtig sind. Einsamkeit wurde mit einer langen Liste von körperlichen Beschwerden in Verbindung gebracht, wie kardiovaskuläre Erkrankungen, Schwächungen des Immunsystems, verminderte Schlafqualität, sowie ein höheres Risiko an Alzheimer-Demenz zu erkranken“, erklärt der Psychologe. In einer dieses Jahr erschienenen Kohorten-Studie zu Gehirnstruktur und Gehirnfunktion hat Schurz mit Kolleginnen und Kollegen die Daten von Rund 40.000 Erwachsenen analysiert. Dabei zeigte sich, dass sich insbesondere regelmäßiger Kontakt zu nahestehenden Menschen, sowohl in der Anatomie als auch in der Netzwerkaktivität des Gehirns widerspiegelt. Diese Veränderungen betreffen insbesondere Areale, die in einer vorangehenden Meta-Analyse mit mehr affektiven Formen der Theory of Mind, der sogenannten Empathie, in Verbindung gebracht wurden. Thematisch knüpft Schurz mit seinen Forschungsinteressen an das neu gegründete Forschungszentrum „Gesundheit und Prävention über die Lebensspanne“ der Universität Innsbruck an. Methodisch kann der Neuropsychologe bei der Auswertung großer Gehirn-Datensätze auf die Expertise am Digital Science Center bauen. Denn Matthias Schurz ist auch zur Hälfte an diesem interdisziplinären Forschungsschwerpunkt der Universität angestellt.

Zur Person

Matthias Schurz. (Credit: Schurz)

Matthias Schurz (*1984 in Salzburg) startete im Herbst 2020 als Postdoc und ist nun Assistenzprofessor am Institut für psychologie und am Forschungsschwerpunkt Digital Science Center der Universität Innsbruck. Nach seinem psychologiestudium an der Universität Salzburg (Doktorat 2011) arbeitete er unter anderem an den Universitäten Oxford (UK) und Nijmegen (Niederlande). In seiner Forschung beschäftigt ihn unter anderem, wie sich soziale Fähigkeiten des Menschen im Gehirn zeigen: „Insbesondere möchte ich verstehen, wie wir die Perspektive eines anderen vertreten und gleichzeitig den Überblick über die Realität behalten können“, erklärt er. Dazu bedient er sich auch statistischer und maschineller Lernmethoden. Seine Expertise auf diesem Gebiet bringt er auch in die Lehre ein.

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