This is a cache of https://www.uibk.ac.at/de/brenner-archiv/publikationen-online/schlier-archivmaterialien/. It is a snapshot of the page at 2024-11-15T22:46:29.112+0100.
Schlier Archivmaterialien – Universität Innsbruck

 

 

 

Paula Schlier: Petras Aufzeichnungen. Konzept einer Jugend nach dem Diktat der Zeit. Herausgegeben, kommentiert und mit einem Nachwort versehen von Annette Steinsiek und Ursula A. Schneider im Auftrag des Forschungsinstituts Brenner-Archiv. Salzburg: Otto Müller 2018.

 

IV. Korrespondenzen und Unveröffentlichtes von Paula Schlier

Heinrich Schlier an die Eltern (Heinrich Schlier sen. und Pauline Schlier sen.), 4.5.[1924]

Nachl. P. Schlier, Sig. 117-14-04
AbbildungenVolltext

Paula Schlier an Edwin Rollett, 22.10.1926

Nachl. P. Schlier, Sig. 117-11-22
AbbildungenVolltext

Einleitung zum Patrioten Hörspiel [vor dem 4.12.1954]

Nachl. P. Schlier, Sig. 117-06-20
AbbildungenVolltext

Paula Schlier an Friedrich-Carl Kobbe (Bayerischer Rundfunk), 4.12.1954

Nachl. P. Schlier, Sig. 117-06-20
AbbildungVolltext

Abbildungen und Volltexte

 

Heinrich Schlier an die Eltern (Heinrich Schlier sen. und Pauline Schlier sen.), 4.5.[1924]

Nachl. P. Schlier, Sig. 117-14-04

Abbildungen

 

Nachl. P. Schlier, Sig. 117-14-04

 

Nachl. P. Schlier, Sig. 117-14-04
Nachl. P. Schlier, Sig. 117-14-04
Nachl. P. Schlier, Sig. 117-14-04
Volltext

Hier ist zunächst ein Flüchtigkeitsfehler im Nachwort zu korrigieren (vgl. S. 173: „Heinrich Schlier unterstützt seine Schwester in ihrer Wahl, auch gegen das Elternhaus, das sich politisch hinter die Nationalsozialisten gestellt hatte und offenbar auch gegen deren rassistische Parolen nicht gefeit war (vgl. Heinrich Schlier an seine Eltern am 24.5.1924).“). Der hier als Nachweis genannte Brief von Heinrich Schlier an seine Eltern ist vom 4. Mai!
Transkribiert wird im Folgenden nur die für das Nachwort relevante Passage. Sie befindet sich im Original auf Seite 3, ab Seitenmitte, bis Seite 4, Ende des zweiten Absatzes.

Aber all das ist ja auch abhängig von dem Allgemeingehen u. von dem Schicksal Deutschlands. Ihr wißt, daß ich darin euch nicht beistimme, wie es anders gemacht werden soll. Aber ihr müsst auch wissen, daß ich Deutschland ebenso das Beste wünsche, wie ihr. Und gerade deswegen meine ich, muß in der Politik die Vernunft u. nicht das Gefühl herrschen. Und das tut es bei Hitler u. ähnlichen, eben nicht. Ich möchte sagen, daß man dem Volk auch das zum Opfer bringen muß, daß man sein Gefühl bezwingt u. in Sachen, wo allein Nüchternheit etwas vermag, diese Nüchternheit u. Vernunft herrschen läßt. Seht, es ist doch nicht so, daß dort, wo Sachlichkeit, Ruhe, Vernunft, Nüchternheit ist, kein Gefühl, keine Vaterlandsliebe ist. Sie ist gerade dort oder kann gerade dort sein. Wo es zu handeln gilt, da nützen Schlagworte u. Aufrufe u. Bekenntnisse gar nichts. Und es ist wahrhaftig doch nicht nur der ein Patriot, der sich für schwarzweißrot begeistert u. der auf die Juden schimpft. Ich sehe ja hier die Studenten, deren jedes dritte Wort, Deutschland über alles usw. ist. Es sind wirklich nicht die besten. Oder ist es so patriotisch sich jede Woche 2 x zu be-saufen u. sonstiges. Aber abgesehen davon – es giebt unter ihnen ja auch manche prächtige Menschen – ich glaube, man tut Unrecht, wenn man gerade sich patriotisch nennt u. die, die seiner Meinung sind. Oder ja, man kann es ja schließlich mit einer gewissen Berechtigung; aber dann ist das Unrecht, wenn man anderen schlechte Motive unterschiebt. Und das scheint mir ein Hauptfehler derer um Hitler zu sein, der sich auch in der rüpelhaften Polemik z.B. der „Großdeutschen Ztng.“ zeigt, daß diese Leute Pharisäer ersten Ranges sind, sofern sie alle Schuld immer auf – der anderen Seite suchen. Sachlich halte ich es für eine Unverantwortlichkeit, den Leuten, der Menge etwas vorzugaukeln, was nie in Erfüllung geht. Das erinnert mich ganz an die Versprechungen der Unabhängigen im Herbst 1918. Ich glaube nicht, daß wenn der Friedensvertrag zerrissen wird, wenn nicht mehr geleistet wird, daß dann alles gut ist. Nein – dann wird 1. das besetzte Gebiet vollständig französisch. 2. die Feinde vollständig einig. 3. sollte es zum Krieg kommen, Deutschland binnen einer Woche eine – im wörtl. Sinn – Ruine. Habt ihr nicht von den neuen Gas- und sonstigen chem. Waffen, Geschützen, Bomben usw. gelesen, die eine Stadt wie etwa Frkft. binnen 2. Tagen wirklich: aussterben, ersticken lassen. Aber auch abgesehen davon: Was sollen wir mit unseren paar versteckten Waffen gegen die stärkste Militärmacht in Europa machen. Nein, die Nationalsoz. überlegen so etwas nicht, wenn sie Soldaten spielen u. Paraden halten. Dazu gehört kein Mut, aber den Massen es sagen, wie es sein würde, dazu gehört heute Mut. Ich glaube, man kann Deutschland heute keinen größeren Dienst tun, als besonnen u. wahrhaftig auch in der Politik zu sein. Daß die anderen Parteien auch Fehler machen, ist klar. Daß dort tatsächlich viele Schmarotzer sitzen, ebenso. Daß die Juden in ihrer Gesamtheit nicht recht patriotisch sind, weiß ich. Aber bei allem, ist – so geht es doch überall im Leben – immer mehr als einer Schuld u. die Nationalsozialisten machen es sich zu bequem, wenn sie immer u. beständig das Übel auf der anderen Seite suchen.

Paula Schlier an Edwin Rollett, 22.10.1926

Nachl. P. Schlier, Sig. 117-11-22. Briefabschrift (handschr. „Copie“)

Abbildungen

 

Nachl. P. Schlier, Sig. 117-11-22. Briefabschrift (handschr. „Copie“)
Nachl. P. Schlier, Sig. 117-11-22. Briefabschrift (handschr. „Copie“)
Nachl. P. Schlier, Sig. 117-11-22. Briefabschrift (handschr. „Copie“)
Nachl. P. Schlier, Sig. 117-11-22. Briefabschrift (handschr. „Copie“)

 

Volltext

Ingolstadt, 22.10.26.

Sehr geehrter Herr,

der „Brenner“-Verlag, Innsbruck, übermittelte mir Ihre freundliche Rezension über mein Buch „Petras Aufzeichnungen“ in der „Wiener Zeitung“ vom 3. Oktober 26.

Gestatten Sie mir jedoch, auf Ihre Bemerkung im 2. Teil Ihrer Kritik, daß Sie mir die Schilderungen des Kapitels „Abseits in der Steiermark“ „glattweg nicht glauben“ u. daß sie „schon fast Verleumdung“ darstellen, Folgendes zu erwidern:

Es lag mir vollständig fern, durch das betr. Kapitel „Österreichs Volkscharakter, Österreichs soziale Einrichtungen“ kritisieren oder gar hinter die Einrichtungen des deutschen Reiches zurückstellen zu wollen; abgesehen davon, daß österr. soziale Einrichtungen doch gar nicht durch so ein kleines Buch in schwersten Mißkredit gebracht werden könnten, schilderte ich ja nicht österreichische oder steiermärkische Zustände, jene Begebenheiten nicht als österreichische, sondern einen Inflationsbetrieb wie er in gleicher Korruption überall vorkommt u. überall vorkommen kann. Ich habe eine sehr große Sympathie für Österreich u. z.B. (ganz im Gegensatz zu jenem Betrieb in der Steiermark) erst kürzlich als Angestellte eines großen Betriebes in Tirol Einblick in ein Unternehmen gewinnen können, das in jeder Hinsicht auch für deutsche Unternehmungen vorbildlich sein dürfte. Was sollte mich wohl auch veranlaßt haben, in allen anderen Kapiteln des Buches (wie Sie anerkennen) die Wahrheit zu sagen, um allein in jenem Kapitel, das zufällig in der Steiermark spielt, zu lügen? Muß es nicht vielmehr so sein, daß entweder der ganze Charakter eines Buches ein unwahrhaftiger ist, oder ein wahrhaftiger, u. daß wenn Sie schon der Meinung sind, daß die Tagebuchblätter aus den Münchner Unruhen Anspruch auf historische Gültigkeit erheben können“, Sie mir auch glauben müssen, daß ich bemüht war, umso objektiver zu schildern, als es sich im Steiermärk. Kapitel um die Blosstellung eines privaten Unternehmens handelt. Auf alle Fälle dürfen Sie überzeugt sein, daß ich in der Darstellung der betr. Verhältnisse ganz gewiß nicht übertrieben, sondern eher untertrieben u. aus einer Reihe in Wirklichkeit noch krasserer Zustände nur die dürftigsten herausgegriffen u. verwertet habe.

Sachlich bitte ich die folg., nur für Sie persönlich bestimmte Mitteilungen zur Kenntnis zu nehmen: Es handelte sich um die Fürst Liechtensteinsche Holzverwertungs A.G in Deutschlandsberg, der damalige Direktor hieß Bargell, der Generaldirektor aus Wien: Schwarz. Die Fürsten Liechtenstein dürften wohl kaum Kenntnis v. den Zuständen in der Fabrik gehabt haben. Daß die Bauern tatsächlich vielfach um ihr Land gekommen sind u. die Arbeiter um ihren Lohn betrogen wurden, dürfte noch heute aus den Akten der Gerichte in Graz u. Deutschlandsberg nachzuweisen sein, während verläßliche Auskünfte über das Renommee der Firma durch das Gewerkschaftssekretariat in Deutschl’berg einzuholen wären, wie auch über die Persönlichkeit des Direktors Bürgermeisteramt u. Rechtsanwaltschaft (sicher auch z.B. die dortige solide Firma Zündholzfabrik „Solo“) Auskünfte zu geben vermögen, die mich gewiß nicht Lügen strafen würden.

Einleitung zum Patrioten Hörspiel [vor dem 4.12.1954]

Nachl. P. Schlier, Sig. 117-03-12

Abbildungen

 

Nachl. P. Schlier, Sig. 117-03-12
Nachl. P. Schlier, Sig. 117-03-12
Nachl. P. Schlier, Sig. 117-03-12
Volltext

Anfang 1954 arbeitete Paula Schlier das Kapitel In der Redaktion der Patrioten zu einem Hörspiel um, dem Patrioten Hörspiel (Nachlaß Paula Schlier, BA). In dem "Entwurf einer Einleitung", die nach ihrem Wunsch vom Hörfunkmoderator zu lesen ist, schreibt sie:

"Wie entstehen Revolutionen? Das ist eine Frage, die nicht einfach zu beantworten ist. Denn Revolutionen beruhen auf geistigen Kettenreaktionen, und diese sind unkontrollierbar.

Die Hitler-Revolte von 1923 ist der typische Fall eines Umsturz­versuches, in dem alle spätere turbulente politische Entwicklung bereits vorgezeichnet war. In diesem missglückten Putsch von 1923 lagen die Wurzeln der Revolution von 1933 schon offen an der Ober­fläche. Diese lächerliche Revolte war die Keimzelle aller später ausbrechenden Zerstörung, welche die Grundlagen Europas er­schütterte.

Damit ist auch die Frage schon beantwortet, die Sie mit einem ge­wissen Recht stellen können: Was geht uns heute noch diese dunkelste Periode deutscher Geschichte nach dem ersten Weltkrieg an? Was soll es für einen Sinn haben, uns jene politischen Hoch­stapler, die inzwischen gerichtet worden sind, noch einmal lebens­nah vor Augen zu führen? - lebensnaher als es der Film vermag, denn das Wort ist lebendiger als das gestellte Bild. Es soll doch jetzt endlich die Zeit der Verzeihung sein und nicht mehr die des Ressentiments? Also haben wir auch ein Recht auf Vergessen. Unsere Jugend - wir sind stolz darauf - bleibt bei der Sache. Ihr ist jede Form von übersteigertem Nationalgefühl zuwider. Sie bean­sprucht nichts anderes als einen Platz im Kreis gleichberechtigter Kulturvölker. Und die ältere Generation? Wenn die sinnlose Katastrophe auch nicht alle Überlebenden zur Umkehr brachte, so zwang sie jedenfalls alle in Formen zurück, die im Ansatz die menschliche Freiheit des europäischen Geistes zeigen.

So bringen wir Ihnen dieses Hörspiel auch nicht, um vor neuer nationaler Überheblichkeit zu warnen. Sondern gerade die Distanz, die wir heute zu diesen beschämenden deutschen Dingen haben, er­laubt uns eine solche Darbietung. Durch den Abstand sind die kleinen Demagogen zu symbolischen Figuren geworden; deshalb dürfen sie auch beim Namen genannt werden. Ihre Pose ist auf das Blatt der Geschichte geschrieben und kann entziffert werden. Alles Zeit­bedingte wirkt nicht mehr allzu direkt, sondern ist in ein zeit­loses Geschehen: ins Gleichnis erhoben.

Andererseits büsst ein solcher Hörbericht nichts an Aktualität ein, wenn er Anspruch auf historische Treue erheben kann. Dem folgenden Hörspiel liegen die Tagebuch-Aufzeichnungen eines jungen Mädchens zugrunde, die 1923 Angestellte im 'Völkischen Beobachter' in München war. (...) Vorher war sie Berichterstatterin für demokratische Zeitungen gewesen. Was sie dann bewog, sich um den Posten einer Stenotypistin in der völkischen Zeitung zu bewerben, wird sie in dem Hörspiel selbst erzählen. Sie wollte den national­sozialistischen Dingen, die sie stark beunruhigten, auf den Grund gehen. So wurde sie Zeuge der internen Vorgänge bei der Vor­bereitung und dem Zusammenbruch der Münchner Hitler-Revolte. Nach dem Urteil von Historikern (...) kommt diesen Tagebuch-Auf­zeichnungen ein kulturgeschichtlicher Zeugniswert zu. In frappanten Momentaufnahmen wurde von der Verfasserin ein Stück deutscher Unheilsgeschichte eingefangen.

Sie werden sich vielleicht wundern über die Schilderung einer Geistesverfassung, die den Aspekt des Irrsinns hatte. Soviel Schaumschlägerei wird Ihnen komisch vorkommen. Allein, es ist nicht Schuld der Verfasserin, dass aus dem Hörspiel Parodie wurde. Die Ereignisse sind nicht von ihr ins Komische umgebogen worden. Sie hatten diese satanische Komik an sich. Dieser Zerrspiegel ist der genaue Spiegel eines Stückes deutscher Wirklichkeit.

Doch ist nicht alles schwarz in schwarz gemalt. Den Phrasen der fanatischen Hohlköpfe halten die Zwischenbemerkungen des schlichten Menschenverstandes der beiden Stenotypistinnen das Gleichgewicht. Nicht ohne tieferen Grund sind sie in diesem Stück die Hauptpersonen: Es soll an ihnen der Widerstand im Herzen der unzähligen Namenlosen aufgezeigt werden, jener innere Widerstand, der nicht zu brechen war, weil er aus Herzen kam, die das Recht unbeugsam tun mussten. Kein Beitrag zur Nazi-Geschichte darf die Erwähnung jenes passiven Widerstandes der Namenlosen, so schwer er auch zu fassen ist, vergessen.

In den beiden Angestellten ist der Typ des alleinstehenden Mädchens gezeichnet, eine unter 100.000, unpersönlich in die Ecke gestellt, und doch verantwortungsbereiter zuweilen als ihre Brot­herren. Und noch eine aktuelle Frage wird berührt: Wie kann der Mensch seine Seele im Betrieb lebendig erhalten - mitten in einem solchen Redaktionsbetrieb? - "

Das Patrioten Hörspiel wurde aufgrund dramaturgischer Schwächen nie aufgeführt.

Paula Schlier an Friedrich-Carl Kobbe (Bayerischer Rundfunk), 4.12.1954

Nachl. P. Schlier, Sig. 117-06-20. Durchschlag, Fragment. Kursivierungen im Original unterstrichen. Betrifft die Ablehnung des Patrioten-Hörspiels.

Abbildung

 

Nachl. P. Schlier, Sig. 117-06-20

Volltext

Paula Schlier
Tutzing vor München, Bahnhofstr 4
4. XII. 54

Herrn Friedrich Carl Kobbe
Leiter der Hörspiel-Abteilung
des Bayerischen Rundfunk
München.

Sehr geehrter Herr Kobbe,

ja, ich bin überrascht, und zwar über die Begründung Ihrer Ablehnung. Das ist ja eine tolle Sache, dass man ausgerechnet mir den Vorwurf macht, ein verkappter Nazi zu sein! Meine ‚Tagebuch-Aufzeichnungen‘ von 1923, die ich diesem Hörspiel zugrunde gelegt habe, sind 1926 im „Brenner“-Verlag veröffentlicht worden. Der „Brenner“ wurde in der Nazizeit verboten; mein Buch wurde verboten. Ich selbst habe für das Kapitel „In der Redaktion der Patrioten“ büssen müssen durch eine dreijährige Gestapo-Inhaftierung (42-45), die vom Bayer. Staat als solche anerkannt und ‚entschädigt‘ wurde; mehr noch büssen müssen durch den Zusammenbruch meiner ganzen Existenz als Folge der Verfolgung. – Hundert und mehr Zeitungen, Zeitschriften des In- und Auslandes (Frankfurter Zeitung, Weltbühne, Berliner Tageblatt nur z.B.) konnten die Wahrhaftigkeit, Klarheit, Schärfe meiner Darstellung der Hitler-Hanswurstiade von 1923 nicht genug rühmen – alle schrieben, dass ich, obgleich sehr jung, die Leute durchschaut hätte, dass mich nichts blenden, keine Phrase betören konnte; darüber hinaus wurde bemerkt, meine Aufzeichnungen seien ein Dokument von unvergänglichem Zeugniswert (Prof. Wald. Gurian z.B.) – Und nun will mich der Bayer. Rundfunk, und noch dazu eine Dame, die für Sie arbeitet, darüber belehren, dass ich „den Dingen und auch den Personen zweifellos noch immer zu nahe sei“, während doch gerade meine Distanz, (schon damals, wo gerade in München fast alle urteilslos waren), in sämtlichen Rezensionen hoch anerkannt wurde. Faktisch habe ich überhaupt keine Minute meines ganzen Lebens meine gegnerische Haltung zu dieser ‚Bewegung‘, (die immer noch unterschwellig da ist und die Menschen tatsächlich in zwei Lager scheidet) verloren. Dass eine fremde Dame, die doch offensichtlich die stark ironischen, grotesken, unheimlichen Accente meines Stückes nicht gesehen und nicht gespürt hat, mir sagen darf, mein Hörspiel sei – „eine Unverschämtheit“ und Ihnen nahelegen kann, mir einmal „gründlich die Meinung zu sagen“ – das geht mir, bei aller meiner Vorliebe für Sachlichkeit und Friedlichkeit, doch wirklich zu weit. Ich kann mir diese Reaktion auf mein Hörspiel psychologisch nicht erklären. – Es mag sein, dass Diejenigen, die mein Stück lasen, noch etwas wissen von der Zeit nach 1933, aber nichts mehr von 1923, und dass sie daher auch den Unterschied zwischen der Atmosphäre früher und später nicht beurteilen können. Es mag auch sein, dass man nicht beachtet hat, dass ich absichtlich aus der Perspektive der ‚kleinen Leute‘, nämlich zweier junger Mädchen, die doch noch Ideale hatten, und diese also zunächst auch bei Jenen voraussetzten, die ihnen ‚diktierten‘, berichtet und dargestellt habe.

Nach oben scrollen