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Fischer Georg: Pater Josef Neuner SJ: Großer Theologe, Gefährte Jesu, Tröster und Helfer der Armen
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Pater Josef Neuner SJ: Großer Theologe, Gefährte Jesu, Tröster und Helfer der Armen
(Predigt beim Gedenkgottesdienst in der Jesuitenkirche in Innsbruck am 10. Dezember 2009 um 19. 00Uhr)

Autor:Fischer Georg
Veröffentlichung:
Kategoriepredigt
Abstrakt:
Publiziert in:
Datum:2009-12-14

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

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Wir gedenken heute in Hochachtung des vor genau einer Woche verstorbenen P. Josef Neuner SJ, Ehrendoktor der Theologischen Fakultät der Universität Innsbruck. Drei Aspekte scheinen besonders bedenkenswert:

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1) Zunächst verneigen wir uns vor einem großen Theologen, vor einem, der befreundet war mit P. Karl Rahner SJ, der hier in der Krypta begraben liegt und viele weitere Auflagen seines Hauptwerkes "Der Glaube der Kirche" besorgt und herausgegeben hat, vor einem, der ebenso vertraut war mit P. Alfred Delp SJ, seinem Studienkollegen, der vor 65 Jahren von Nazis ermordet wurde, vor einem, der gemeinsam mit dem jetzt seligen P. Rupert Mayer SJ für die Jugend gearbeitet hat, der die Christologie von Kard. Alois Grillmeier SJ wesentlich beeinflußt hat, der den späteren General P. Pedro Arrupe SJ Deutsch lehrte, der zusammen mit Hans Urs von Balthasar (in München 1938) geweiht wurde, der mit den Kardinälen Augustin Bea SJ und Franz König im Dialog stand und von ihnen als theologischer Berater am Konzil sehr geschätzt wurde - um nur einige der berühmten Namen zu nennen, mit denen P. Neuner teils jahrelan­gen Kontakt hatte. Mehr aber noch zählt, wie er von Gott geredet hat, in einer Weite, einer Qualität und mit einem Mut, die bleibende Maßstäbe sind.

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Ein Satz wie "Gott ist Mensch, nicht Christ geworden." hat manche sich besonders gläubig Dünkende daran erinnert, daß Gottes Kommen in die Welt nicht alleine für einen elitären Zirkel oder auserwählte Fromme geschehen ist - etwas, das wir gerade in dieser Zeit der Erwartung hin auf das Fest der Geburt Jesu vertieft bedenken. Gottes universale Weite und Liebe zu allen Menschen war eine Grunderfahrung und -über­zeugung unseres Verstorbenen. (in seinen Worten: "erfüllt von der all-durchdringen­den und all-erfüllen­den Gegenwart Gottes")

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Der Markt für theologische Bücher ist begrenzt, und viele belasten eher die Regale der Bibliotheken, als daß sie wirklich hilfreich oder weiterführend sind. Die ungezählten Auflagen und Übersetzungen von P. Neuners Erstlingswerk (zusammen mit Heinrich Roos SJ) zeugen dagegen von einer anderen Qualität: Von allem Anfang an hat er Nöte wahrgenommen und dafür Lesenswertes geschaffen, das zu benützen sich heute noch lohnt und Gewinn bringt.

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Wahrheit erfordert Mut, und den hat P. Neuner mehrfach bewiesen. Er hat sich nicht gescheut, offen für eine Stärkung der Rolle der Frau in der Kirche Stellung zu bezie­hen, priesterliche Überlegenheitsmentalität zu kritisieren oder gar aufzuweisen, wie päpstliche Verlautbarungen einseitig Dokumente des 2. Vatikani­schen Konzils auslegen und damit hinter dessen Geist zurückbleiben. Das Andenken unseres Verstorbenen ist eine Aufforderung, dieses unerschrockene Eintreten für Wahrheit fortzusetzen, und an die Verantwortlichen eine Mahnung, solche Stimmen in der Kirche zu hören und wirklich ernstzunehmen. (+ Brief 29.3.99 "Viel Reflexion und echte Erneuerung sind dringend nötig.") P. Neuner war, wie johannes der Täufer, von dem heute im Evan­gelium die Rede ist, kein "Schilfrohr, das im Wind schwankt" (Mt 11,7).

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2) Dann verneigen wir uns heute vor einem Gefährten Jesu, im doppelten Sinn: einem Menschen, der wie viele Andere dem Ruf Jesu in die Nachfolge gefolgt ist, und einem, der dazu den speziellen Weg als "socius Iesu" in der Gesellschaft Jesu, als Jesuit, gewählt hat. Es genügt nicht, großer Theologe zu sein - wenn es nur beim Reden über Gott bleibt, dann fällt es in die Kategorie "Glasperlenspiel". P. Neuner SJ hat sein Leben für diesen Gott gegeben, in einer Entschiedenheit und Länge, die kaum zu überbieten sind. Vom Eintritt mit 18 Jahren bis in sein 102. Lebensjahr sind es 84 Jahre, die er in Treue zum Gott versprochenen Weg und als Jesuit gegangen ist.

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Die Hingabe in der Nachfolge Jesu ließ ihn ihm gleich werden in dessen Haupttätigkeit, dem Lehren. Seit seiner Entsendung nach Indien 1938, auch in den sieben Jahren in engli­scher Haft (mit einer Unterbrechung, von 1939 an bis Anfang 1947), und noch weit über die Emeritierung - mit 75 Jahren - hinaus hat er Dogmatik unterrichtet, über­wiegend an der wohl wichtigsten und anspruchsvollsten Einrichtung dafür in Indien, dem De Nobili College in Pune. Er hat so die Kirche in Indien und ihren Geist ganz wesent­lich geprägt.

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Noch mehr aber geschah dies durch verschiedene Formen geistlicher Begleitung und Führung, in denen er Jesus als einer Art spirituellem "Guru" gefolgt ist - ohne dass er freilich diese Rolle für sich angestrebt hätte. Sie ist ihm zugewachsen als Folge eigener ganzer Hingabe, die ihn Anderen als authentisch und als Autorität erscheinen ließ. Besonders die großen, 30-tägigen Exerzitien bei ihm haben in Tausenden Laien, Schwe­stern und Priestern ein Feuer der Liebe zu Gott entzündet, das immer noch unaus­löschlich brennt. Im Buch: Walking with Him (deutsch: "Mein Leben mit Christus gestalten") ist dieser Weg nachzugehen. Zu den von ihm begleiteten Personen zählt auch die inzwischen seliggesprochene Mutter Teresa von Kalkutta. P. Neuner ist, unter diesen und vielen anderen Rücksichten, ein wahrer Gefährte Jesu geworden.

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3) Schließlich verneigen wir uns heute auch, und vielleicht am meisten, vor einem Tröster und Helfer der Armen. Nachfolge Jesu bewährt sich - wie es auch die Dynamik der Evangelien zeigt - dort, wo Hinuntersteigen und Leiden anstehen. Das beginnt im eigenen Alltag: Zur Zeit tagt die Klimakonferenz in Kopenhagen; sie könnte Maß nehmen an P. Neuner SJ, der schon Mitte des vergangenen Jahrhunderts selbst Bäume gepflanzt hat, konsequent mit öffentlichen Verkehrsmitteln gefahren ist, immer äußerst bescheiden gelebt hat und auch dann noch in Indien geblieben ist, wo er es in Europa, gerade im Alter, weit bequemer hätte haben können - sein "ökologischer Fußabdruck" war klein, dafür aber sind seine menschlichen und geistlichen Fußspuren groß und unvergesslich.

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Die Haltung des Hinuntersteigens und der Leidensbereitschaft geht weiter im konkreten, aktiven Engagement zugunsten der Armen. Der größte Slum Asiens, Dharavi in Mum­bay, ist neulich durch den Film "Slumdog Millionaire" bekannt geworden. Schon Jahr­zehnte früher war P. Neuner SJ darin, um zu helfen und Leid zu lindern, zusammen mit den von ihm betreuten "Helpers of Mary", die auch selbst dort wohnen und die Arbeit beispielhaft in seinem Sinne weiterführen. Er hat selbst Dreck, Gestank und Konfron­tation mit vielfältigem Leid auf sich genommen, um das Schicksal der Leidenden zu verbessern.

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Der Lesungstext aus Jesaja spricht davon, dass die Armen Wasser suchen und Gott sie erhört (Jes 41,17). Viele Bedürftige haben dies durch unseren Verstorbenen, direkt und indirekt, erfahren dürfen. Lepra-Kranke, Aids-Infizierte, Waisenkinder, Obdachlose und viele andere Menschen in Not profitieren heute noch von dem, was P. Neuner SJ mit den "Helpers of Mary" angestoßen hat. Er ist, wie unser Herr, selbst den Weg der Entäußerung gegangen und darin als dessen Gefährte zum Retter der Armen geworden.  Beim selben Propheten Jesaja steht als Zusage für die kommende Heilszeit: "der Jüngste stirbt mit 100 Jahren (, und wer nicht 100 Jahre erreicht, gilt als ver­flucht)" (Jes 65,20). Im Fall von P. Neuners Tod im 102. Lebensjahr können wir tat­sächlich die Erfüllung dieser Verheißung und darin ein von Gott gesegnetes Leben erkennen: Was er als großer Theologie, in der Nachfolge Jesu und im Einsatz für die Ärmsten geleistet hat, zeugt vom Anbruch von Heil und von göttlicher Fülle. Möge sie ihm nun auch in der Ewigkeit geschenkt sein! Amen.

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