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#56 TikTok – Universität Innsbruck

WissenAmFreitag #56 - 16/12/2022

Hallo,

vor etwas mehr als zwei Monaten habe ich unter anderem den TikTok-Kanal der Uni Innsbruck übernommen – ein Job, der in meinem Freundeskreis oft für Verwunderung sorgt.

Nach einigen Startschwierigkeiten, zu denen unter anderem die Angst, mich vor die Kamera zu stellen und strenge Blicke der Beobachtenden gehören, finde ich mich langsam in meine Aufgabe. Da TikTok primär als Unterhaltungs- und nicht Wissensplattform wahrgenommen wird, ist eine der Fragen, die mir häufig gestellt werden: Warum hat die Uni überhaupt einen TikTok-Kanal?

Hier ist meine Antwort: Der digital turn des 21. Jahrhunderts zeichnet sich durch eine fortschreitende Digitalisierung von Wirtschaft, Wissenschaft und sozialem Zusammenleben aus. Wir sind durch das Internet global miteinander vernetzt, informieren, inszenieren und positionieren uns im digitalen Raum über Social-Media-Plattformen.

Laut dem Report „Digital 2022“ wurden diese im Januar 2022 von 4,62 Milliarden Menschen genutzt – das ist mehr als die Hälfte der globalen Bevölkerung. In Westeuropa sind 84 % der Gesamtbevölkerung auf den Plattformen aktiv. Der digitale Raum ist für mich und – darauf wette ich – auch für Sie ein alltäglicher Raum geworden, eine digitale Umgebung, mit der wir täglich konfrontiert sind.

Anfang 2022 ist Facebook mit ca. 2,9 Milliarden Nutzenden weltweit die beliebteste Plattform, dicht gefolgt von YouTube (ca. 2,5 Milliarden Nutzende), WhatsApp (ca. 2 Milliarden Nutzende) und Instagram (ca. 1,5 Milliarden Nutzende). TikTok belegt Platz 6 mit über 1 Milliarde Nutzenden, Tendenz stark steigend.

Die auf Kurzvideos basierende App, die vom chinesischen Unternehmen ByteDance ab dem Jahr 2018 aufgebaut wurde, ist in der Welt der sozialen Medien damit aber nicht nur präsent, sondern beginnt stumm und heimlich etablierte Plattformen wie Instagram und Facebook abzulösen. Die Fokussierung auf schnelle, einfach aufbereitetet Inhalte über kurze Videoclips funktioniert und wird bereits auf anderen Plattformen wie Instagram (Reels) und YouTube (Shorts) kopiert.

Durch die algorithmische Nutzerdatenanalyse, mit deren Hilfe TikTok mitentscheidet, welche Inhalte zu unseren Interessen passen, wird die bewusste Entscheidung, einem Kanal zu „folgen“, durch eine Berechnung ergänzt, die auf weit komplexeren Parametern basiert. Auf der „Für dich“-Seite erscheinen Videos, die der Algorithmus den eigenen Interessen zuordnet. Es entsteht eine Bubble – ein persönlicher digitaler Raum, der sich mit jedem Öffnen der App festigt und den Blick über den Tellerrand oft erschwert.

TikTok sieht sich, wie viele Social Media-Plattformen, mit diversen Kritikpunkten konfrontiert, die ich hier trotz ihrer Relevanz nicht weiter aufgreifen will. Und dennoch: Die Zahl der Nutzenden, von denen 65 % unter 25 Jahren und 30 % sogar jünger als 17 Jahre alt sind, steigt kontinuierlich. Wo viele Menschen sich aufhalten – sei es in einem Hörsaal, auf dem Sonnendeck oder eben im vergleichsweise schwer zu begrenzenden digitalen Raum – kursieren Informationen, Meinungen, Philosophien und Lebensentwürfe. Was wir dort sehen, kann uns schockieren, frustrieren, interessieren, zum Lachen bringen oder zum Nachdenken anregen. Sicher ist: Es macht etwas mit uns.

Für die auf TikTok stark vertretene Generation Z, für die diese Plattform zum alltäglichen Erleben gehört, spielen die darauf geteilten Inhalte eine bedeutende Rolle im Prozess der Identitätsfindung und -aushandlung. Die Frage, die sich gesellschaftliche Institutionen – so auch Universitäten – im Sinne ihrer gesellschaftlichen Verantwortung stellen müssen, ist: Welchen Wert hat die Präsenz eigener Inhalte auf der Plattform für den genannten Prozess?

Sich bewusst bestimmten Plattformen zu entziehen kann gefährlich sein, denn das soziale digitale Umfeld ist entscheidend für die Entwicklung der eigenen Persönlichkeit junger Menschen. Auf Social-Media-Plattformen jonglieren diverse Akteur*innen und Gruppierungen mit bedenklichen Inhalten: Rassismus, Klassismus und Sexismus (die Liste ist noch länger) sind online ebenso präsent wie offline. Eine Gegenperspektive ist entscheidend, um Weltoffenheit, einen reflektierten Blick auf mediale Inhalte und den Durst nach Wissen und Wahrheit auch im digitalen Raum zu vertreten.

Es gibt aber neben diesem eher abstrakten Gedankenspielen zur Relevanz digitaler Raumnahme auch sehr offensichtliche Argumente, warum TikTok eine Kommunikationsplattform ist, die in Betracht gezogen werden muss (und ich spreche nicht von der Zahl der Nutzenden, denn die spricht für sich): TikTok lädt dazu ein, Inhalte einfach heruntergebrochen, spannend, spielerisch und mit Humor zu vermitteln.

Diese Inhalte – im Universitätskontext z.B. die Ergebnisse einer wissenschaftlichen Studie – werden so für alle Alters- und Gesellschaftsgruppen zugänglich. Um Wissen zu vermitteln, kann es von Vorteil sein, sich auf die Kommunikationsebene der Zielgruppe – z.B. Studierende oder Schüler*innen – zu begeben und sich selbst nicht so ernst zu nehmen.

Und ich verrate Ihnen etwas: Es macht obendrein noch eine Menge Spaß!

Ich wünsche viel Erfolg beim ersten eigenen Video!
Lea Lübbert aus dem Kommunikationsteam

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