Nach rund zehn Jahren im Ausland kehrte Dominik Markl SJ im Mai und Juni als Gastprofessor an die Theologische Fakultät der Universität Innsbruck zurück. Hier hatte er Theologie studiert und 2006 promoviert. Seither war er in verschiedenen Funktionen in München, London, Kenia und den USA tätig. Heute lehrt er am Päpstlichen Bibelinstitut in Rom. Im Juli leitete er einen Workshop bei der Fachtagung „Rencontre Assyriologique Internationale“, der internationalen Konferenz für Altorientalisten in Innsbruck. Die Zusammenarbeit mit Altertumswissenschaftlern ist für ihn sehr wesentlich, von dort kommen die stärksten wissenschaftlichen Impulse für sein Fach, sagt er. Die Bibelwissenschaften umfassen ein Konglomerat von Fächern und Methoden für das Studium der heiligen Texte. Die Forschungsschwerpunkte von Dominik Markl liegen auf den ersten fünf Büchern des Alten Testamentes, im Besonderen auf Exodus und Deuteronomium im Zusammenhang antiker Rechtsgeschichte und Verfassungstheorie. Im Rahmen seiner Gastprofessur an der Universität Innsbruck beschäftigte sich Dominik Markl vor allem mit der politischen Dimension der Bibel und der politischen Wirkung von religiösen Texten.
Politische Dimension
„Wir haben einiges an Kompetenz verloren in der Wahrnehmung der politischen Dimension heiliger Texte“, resümiert Dominik Markl. Die Ursache dafür sieht der Theologe im Dogma der Trennung von Religion und Staat. „Dieses ist lebenspraktisch für uns sehr sinnvoll, es hat aber auch zu Wahrnehmungsverdunkelungen geführt und man tut heute so, als hätten heilige Texte keine politische Dimension.“ Historisch betrachtet sei genau das Gegenteil der Fall. Markl untersucht seit einiger Zeit die politische Rezeptions- und Wirkungsgeschichte der Bibel. Im September veranstaltet er dazu eine Konferenz in Rom, die die politische Dimension der Bibel vom Alten Ägypten bis ins moderne Israel untersucht.
„Der Charakter der biblischen Texte ist so facettenreich, dass es viele Jahre der intensiven Auseinandersetzung braucht“, sagt der Theologe. Dieses Wissen kann heute oft nicht mehr vorausgesetzt werden. „Die historische Beschäftigung scheint mir wichtig, weil man hier vieles deutlicher sieht, als wenn man sich nur mit den gegenwärtigen Problemen beschäftigt“, sagt Markl.
Fundamentalismus
In der Auseinandersetzung mit der Rezeptionsgeschichte der Bibel sieht Markl auch die Chance, die politische Brisanz heiliger Texte zu reflektieren. Dies könne im Dialog mit muslimischen Kollegen auch fruchtbar in Hinblick auf den islamischen Fundamentalismus sein. „Langfristig stellt sich schon die Frage, ob es dem Islam gelingt, eine kritische Hermeneutik des Koran zu entwickeln“, sagt Dominik Markl. „Das ist ja auch im Christentum eine relativ junge Entwicklung, wo diese kritische Hermeneutik vor allem ab dem 18. Jahrhundert entstanden ist. Sie scheint uns heute selbstverständlich, wird in fundamentalistischen Gegenbewegungen aber ständig in Frage gestellt.“ Hier sieht Markl auch eine wichtige Aufgabe der Bibelwissenschaften in der Lehre. Die Menschen wachsen mit diesen Texten auf. Das kann einerseits zu einer großen Wertschätzung, anderseits aber auch zu einer naiven Wahrnehmung führen. „Das akademische Studium ist daher immer auch eine psychologische Herausforderung, das Altliebgewonnene mit neuen Augen zu sehen, was letztlich das Abenteuer jeder kritischen, humanistischen Bildung ist“, betont Dominik Markl, der sich dieser spannenden Aufgabe aktuell am päpstlichen Bibelinstitut stellt, wo er mit Studierenden aus über 70 Ländern, vornehmlich aus dem globalen Süden, zusammenarbeitet.
Quelle der Wirkmacht
Die Bibel ist eine Sammlung von Texten, die über den Zeitraum von einem Jahrtausend entstanden und über weitere zwei Jahrtausende laufend kopiert und tradiert worden ist. „Der Textkorpus vermittelt einen Sukkus altorientalischer Religionen, freilich auch mit einigen revolutionären Neuerungen. Bei der Auswahl wurde diesen Texten sehr hohe Qualität zugesprochen. Zum Teil ist dies auch eine poetische Qualität, denn die psalmen oder Hiob zählen zur höchsten Weltliteratur. Das Buch Deuteronomium, mit dem ich mich am meisten beschäftigt habe, ist überaus interessant“, sagt Dominik Markl. „Es gibt in der Bibel kein anderes Buch, das so hoch reflektiert ist. Auch wie es sich selbst einladend und auch bedrohend weitervermitteln will durch die Zeiten, das ist dem Buch gelungen. Ich glaube, dass die höchst komplexe Selbstreflexion dieser Texte eine Art Wirkmacht entfaltet hat, die wesentlich zur Entstehung des Judentums und indirekt zur Entstehung der drei Buchreligionen beigetragen hat“, resümiert der Alttestamentler.
Zur Person
Dominik Markl SJ ist Professor für Hebräische Bibel am Päpstlichen Bibelinstitut in Rom. Seine Hauptforschungsfelder sind die ersten fünf Bücher des Alten Testamentes, der Pentateuch, in der Literatur- und Rechtsgeschichte der Antike sowie dessen Rezeptionsgeschichte. Zudem beschäftigt er sich mit der politischen Dimension religiöser Texte in Zusammenarbeit der American Academy in Rom. Nach seiner Dissertation in Innsbruck und seiner Habilitation als Stipendiat der Alexander von Humboldt-Stiftung in München lehrte er in London, Nairobi und Berkeley, bevor er 2013 am Päpstlichen Bibelinstitut begann. Markl hat äußerst umfangreich publiziert. Er ist daneben auch Herausgeber für Altes Testament der Fachzeitschrift Biblica und Mitherausgeber der Beihefte zur Zeitschrift für altorientalische und biblische Rechtsgeschichte. Er ist Mitglied des korrespondierenden Kuratoriums des Europäischen Forum Alpbach.
In Zusammenarbeit mit Georg Sporschill SJ schrieb er eine regelmäßige Kolumne für die Tageszeitung „Die Presse“, die auch in Buchform erschienen ist. Markl kooperiert mit dem Institut für Archäologien der Universität Innsbruck und trug mit der Publikation neuer Fundstellen von der Mittelsteinzeit bis zur Eisenzeit zur archäologischen Feldforschung Tirols bei.