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Call for Papers – Universität Innsbruck

Call for Papers

Bildung und Emanzipation

Gesellschaftskritische Perspektiven auf Antisemitismus, Geschlechterverhältnisse und Rassismus 

Termin: 13.-16.11.2024

Ort: Universität Innsbruck

 Call for Papers

 

Der 2021 gegründete Lehr- und Forschungsbereich „Politische Bildung und soziale Ungleichheit“ des Instituts für Erziehungswissenschaft richtet vom 13. bis 16. November 2024 eine interdisziplinäre Konferenz zum Thema „Bildung und Emanzipation - Gesellschaftskritische Perspektiven auf Antisemitismus, Geschlechterverhältnisse und Rassismus“ an der Universität Innsbruck aus.

Die Konferenz soll Wissenschaftler:innen aus unterschiedlichen Forschungsdisziplinen und Akteur:innen der politischen Bildung miteinander vernetzen und das Verhältnis von Antisemitismus, Geschlechterverhältnissen und Rassismus anhand unterschiedlicher Zugänge erschließen. Eröffnet wird die Tagung mit einer Preconference, die insbesondere Wissenschaftler:innen in den Qualifizierungsphasen BA- bis Prae-Doc zur Einreichung ermutigen soll.

Ziel der Konferenz ist es, den Stand der Forschung zu Antisemitismus, Geschlechterverhältnissen und Rassismus vor dem Hintergrund des Begriffspaares Bildung und Emanzipation zu reflektieren. Zudem möchte die Konferenz eine Plattform für die Darstellung der vielfältigen Aktivitäten in der politischen Bildungsarbeit und Pädagogik bieten

 

Idee der Konferenz

In Zeiten von Pandemien, Kriegen und globaler Erderwärmung eine Konferenz mit dem Titel „Bildung und Emanzipation“ zu veranstalten, scheint so desperat wie notwendig. Historisch verweist der Titel auf ein uneingelöstes Versprechen der Bildung, nämlich die Emanzipation der Einzelnen und der Gesellschaft. Emanzipation als „Losgebung“ oder „Freilassung“ hat Machtverhältnisse zur Voraussetzung und verweist konstitutiv auf Formen der Fremdbestimmung, die gleichwohl beseitigt oder zumindest verändert werden können.

Der Begriff der Bildung wurde in den Debatten und philosophischen Entwürfen der Spätaufklärung und des deutschen Idealismus entfaltet und mit dem Ziel der Emanzipation im Sinne einer individuellen, vernünftigen Selbstbestimmung und einem demokratischen Staatswesen verflochten. Bildung, Emanzipation und Vernunft waren so untrennbar mit der Entstehung der bürgerlichen Gesellschaft und dem Kampf um republikanische Freiheiten verbunden. Zugleich wohnen dem allgemeinen Bildungsversprechen selbst Macht- und Herrschaftsverhältnisse inne: so blendeten die Bildungsphilosophen die soziale Ungleichheit aus, sprachen Frauen die gleiche Fähigkeit zur Vernunft ab, und rechtfertigten die Einteilung der Menschheit anhand rassistischer Kategorien. Das bürgerliche Bildungsversprechen wurde notwendigerweise zum Gegenstand der Kritik der Arbeiter:innen- und Frauenbewegung sowie antikolonialer Widerstandskämpfe. Bildung und Emanzipation waren damit im doppelten Sinne Motoren von Gleichstellungs-, Anerkennungs- oder Revolutionsdynamiken: im unmittelbaren Zusammenhang bürgerlicher Gesellschaft wie in der Kritik an den Ausschlüssen des Bildungsversprechens.

Im 20. Jahrhundert verkehrte sich schließlich das allgemeine Versprechen zur Emanzipation durch Bildung und Kultur in ihr Gegenteil. Im Ersten Weltkrieg wurde deutlich, dass die Utopie eines „ewigen Friedens“ der selbstbestimmten Nationen zu einem aggressiven Nationalismus umgeschlagen war. Die Errungenschaften der Wissenschaft wurden in den Dienst eines technisierten Krieges gestellt, in dem neue Waffentechnologien eine bislang unbekannte Zerstörungskraft zeitigten. Ausgehend von dieser ersten Katastrophe des 20. Jahrhunderts, dem Ausbleiben der proletarischen Revolutionen in den meisten Ländern Europas und dem Aufstieg des Nationalsozialismus analysierten Theodor W. Adorno und Max Horkheimer den Zusammenhang von Vernunft, Herrschaft und Gewalt. Die instrumentelle Vernunft erwies sich nicht als das Gegenteil von Bildung und Emanzipation, vielmehr scheinen Bildung und Emanzipation als Element der Naturbeherrschung grundlegend mit ihr verflochten. So war der Zivilisationsbruch von Auschwitz, nicht trotz der Bildung der Täter:innen möglich, sondern jene war konstitutiver Bestandteil des im nationalsozialistischen Vernichtungsapparat umgesetzten Antisemitismus und Rassismus.

Nach Auschwitz besteht der bildungstheoretische Zusammenhang von Vernunft, Herrschaft und Gewalt als subjektive Seite der Kultur, unter anderen Bedingungen fort. An die Stelle des Emanzipationsversprechens rückt weithin das Kalkül von Ausbildung und Nützlichkeit. Bereits in den 1960er Jahren sprach Adorno vom Verfall der Bildung zur „Halbbildung“ unter dem Maßstab kapitalistischer Verwertbarkeit und den sich rasant entfaltenden Ungleichheitsdynamiken. Bis heute dauert der von Heinz-Joachim Heydorn konstatierte Widerspruch von Bildung und Herrschaft an.

Nach wie vor verfügen wir jedoch über kein besseres Kriterium als jenes prekäre Begriffspaar Bildung und Emanzipation. Denn in der Befähigung des Subjektes zu Autonomie, selbstständigem Denken und Reflexionsfähigkeit steckt die Möglichkeit, den immanenten Zusammenhang von Herrschaft und Gesellschaft zu durchschauen und ihn zu kritisieren. Insbesondere am Gegenstand der diskriminierungskritischen Bildung könnten möglicherweise Ideologien wie Sexismus, Rassismus und Antisemitismus analysiert und in ihrem Zusammenhang zu Herrschaft und Gesellschaft kritisiert werden.

Indes steht zur Diskussion, inwiefern eine diskriminierungskritische Bildung zwar die individuellen Auswirkungen von Rassismus, Sexismus und Antisemitismus problematisiert, jedoch ihre gesellschaftlichen und subjektiven Ursachen zumeist unangetastet lässt. Bildung trägt mitunter dazu bei, individuelles Leiden innerhalb der bestehenden gesellschaftlichen Verhältnisse zu reflektieren; die Ursachen des Leidens werden dabei jedoch nicht beseitigt. Hier zeigt sich ein bildungstheoretisches Paradox: ohne die Perspektive auf eine individuelle wie gesellschaftliche Emanzipation von Herrschaft und Ungleichheit bleibt Bildung ein Instrument der Anpassung an die unfreien gesellschaftlichen Verhältnisse. Zugleich ist Bildung die Bedingung der Möglichkeit subjektiver Ausbildung von kritischer Reflexionsfähigkeit, um Freiheit und Gleichheit denken zu können.

Mit Blick auf die skizzierten Widersprüche des Verhältnisses von Emanzipation und Bildung wird auch der fortbestehende Diskussionsbedarf deutlich: Inwiefern lässt sich ausgehend von der reflexiven Auseinandersetzung mit den subjektiven und strukturellen/gesellschaftlichen Bedingungen von Rassismus, Sexismus und Antisemitismus auch eine Perspektive auf eine, wenn auch vertagte, gesellschaftliche Emanzipation gewinnen?

Diese und andere Fragen wollen wir aus unterschiedlichen pädagogischen, bildungsphilosophischen, historischen und praxisorientierten Perspektiven diskutieren. Wir freuen uns auch über Beiträge aus anderen Disziplinen.

 

 Perspektiven der Konferenz

Eingehende Beiträge können sich an folgenden Fragen orientieren

  • Wie wird der Zusammenhang von Bildung und Emanzipation in der kritischen Bildungstheorie historisch und systematisch diskutiert?
  • Was muss eine ideologiekritische Perspektive auf Bildung und Emanzipation einlösen?
  • Welche historischen Entwicklungslinien oder auch abgebrochenen Traditionen emanzipatorischer Bildungsentwürfen lassen sich ausfindig machen?
  • Inwiefern benötigt die Kritik von Rassismus, Antisemitismus und Sexismus den Begriff der Emanzipation?
  • Wie sind Rassismus, Antisemitismus und Sexismus gesellschaftlich und psychosozial verflochten?
  • Welchen Stellenwert hat rassismuskritische, antisemitismuskritische und sexismuskritische Bildung in der politischen Bildung? Worin bestehen ihre emanzipatorischen Potentiale und wodurch werden selbigen Grenzen gesetzt?
  • Welchen Stellenwert hat rassismuskritische, antisemitismuskritische und sexismuskritische Bildung in der Schule? Worin bestehen ihre emanzipatorischen Potentiale und wodurch werden selbigen Grenzen gesetzt?
  • Wer sind die Adressat:innen der kritischen Bildungspraxis?
  • Welche empirischen Befunde gibt es zu dieser Praxis?

 

 Konzept der Konferenz

Preconference

Die Preconference findet vom 13.11 bis 14.11 statt. In zwei Workshops von Initiativen der politischen Bildung werden ausführliche Einblicke in die Bildungsarbeit eröffnet und die Möglichkeit zum intensiven Austausch zwischen Praxis und jungen Wissenschaftler*innen geboten. Vier Panels erlauben, ausgewählte Paper ausführlich zu präsentieren und intensiv zu diskutieren. Thematisch freuen wir uns auf Beiträge zu allen angeführten Themen.

Hauptkonferenz

Neben unterschiedlichen Keynotes finden auf der Konferenz vier verschiedene Panels, à 90 Minuten, zu historischen, antisemitismuskritischen, rassismuskritischen und geschlechterreflektierten Perspektiven statt.

Im Anschluss an die Konferenz sollen die Konferenzbeiträge vor dem Hintergrund dem in den Diskussionen angeregten Feedback für die anschließende Publikation in einem Sammelband überarbeitet werden.

 

 Kosten und Übernachtung

Die Organisation der Anreise und Kosten für die Unterkunft am Tagungsort müssen von den Teilnehmenden selbst übernommen werden.

Es wird eine geringe Tagungsgebühr von 15 Euro erhoben.

 

 Zeitplan

  • Deadline Abstracts: 19. Mai 2024
  • Max. Zeichenzahl: 3.000
  • Wir bitten darum, den Abstracts eine Kurzbio beizufügen.
  • Wir bitten darum anzugeben, ob das Paper für die Preconference oder die Hauptkonferenz eingereicht wird.
  • Bitte senden Sie Ihre Unterlagen als PDF an: abk2024-iezw@uibk.ac.at
  • Die Auswahl erfolgt bis: Mitte Juli 2024

Weitere Informationen zur Tagung werden fortlaufend ergänzt unter https://www.uibk.ac.at/congress/bildung-emanzipation/

Wir freuen uns auf zahlreiche Bewerbungen!

 

Univ.-Prof. Dr. Daniel Burghardt

Univ. Ass. Dr. Nina Rabuza, M.A.

Univ. Ass. Mag. Mag. Judith Goetz

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