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Sandler Willibald: Rettung gegen Widerstand. Mystagogische Auslegung von Mk 5,21-43
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Rettung gegen Widerstand. Mystagogische Auslegung von Mk 5,21-43

Autor:Sandler Willibald
Veröffentlichung:
Kategorieartikel
Abstrakt:
Publiziert in:Publikation auf der Grundlage eines Lehr- und Austauschabends im Gebetshaus Die Weide (www.dieweide.org)
Datum:2018-06-30

Inhalt

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In dieser Erzählung sind zwei Ereignisse ineinander verflochten. Die Hauptgeschichte: Jairus, ein anerkannter Jude (er ist Synagogenvorsteher), kommt zu Jesus und bittet ihn um Heilung seiner todkranken Tochter:

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„Meine Tochter liegt im Sterben. Komm und leg ihr die Hände auf, damit sie geheilt [gerettet] wird und am Leben bleibt!“ (Vers 23)1
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„Da ging Jesus mit ihm“ (Vers 24). Und schließlich tut er genau, was Jairus von ihm erbeten hat: Er legt ihr die Hände auf und heilt sie.

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„Er fasste das Kind an der Hand und sagte zu ihm:
             Talita kum!,
das heißt übersetzt:
             Mädchen, ich sage dir, steh auf!
Sofort stand das Mädchen auf und ging umher.“ (Vers 41–42)
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Die wesentliche Voraussetzung für ein Heilungswunder ist von Anfang an erfüllt: Jairus wendet sich an Jesus; er unterwirft sich ihm ganz (er fiel ihm zu Füßen, Vers 23) und er glaubt bedingungslos an ihn:

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„Komm und leg ihr die Hände auf, damit sie geheilt (gerettet) wird und am Leben bleibt!“ (Vers 23)
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1. Eine Bewegung gegen Widerstand

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Dennoch zieht sich die Geschichte hin. Es ist die Geschichte einer Bewegung gegen Widerstand.2 Damit Jesus die Bitte von Jairus und den Auftrag seines himmlischen Vaters3 erfüllen kann, muss er einen längeren Weg überwinden, auf dem er nur mühsam vorankommt und immer wieder behindert wird. Von Anfang an bis fast zuletzt ist er in verschiedene Ansammlungen von Menschen eingetaucht. Sie erscheinen wie ein Morast, der das Vorankommen bremst und von der sich Jesus befreien muss, um an sein Ziel zu kommen:

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(1) Gleich am Anfang wird die Menschenmenge (griechisch: óchlos) wie ein Hauptakteur eingeführt: „Jesus fuhr wieder ans andere Ufer hinüber und eine große Menschenmenge versammelte sich um ihn.“ (Vers 21) In der ganzen Geschichte ist niemand so häufig genannt wie die Menschenmenge. Insgesamt fünfmal ist vom „óchlos“ die Rede, wie er sich um Jesus drängt (Vers 21, 24, 27, 30, 31).

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(2) Auch die blutflüssige Frau erscheint zunächst wie ein Teil dieser Menge, der sich ihm besonders bremsend in den Weg stellt.

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„Nun drängte sie sich in der Menge von hinten heran und berührte sein Gewand.
[...]
30 Im selben Augenblick fühlte Jesus, dass eine Kraft von ihm ausströmte,
und er wandte sich in dem Gedränge um und fragte:
             Wer hat mein Gewand berührt?
31 Seine Jünger sagten zu ihm:
             Du siehst doch, wie sich die Leute um dich drängen,
             und da fragst du: Wer hat mich berührt?
32 Er blickte umher, um zu sehen, wer es getan hatte.“ (Vers 30–32)
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(3) Dann kommen Leute aus dem Haus des Synagogenvorstehers, die die ganze Aktion beenden wollen. Sie sagen zu Jairus:

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„Deine Tochter ist gestorben. Warum bemühst du den Meister noch länger?“ (Vers 35)
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Diese Worte sind geeignet, den Glauben von Jairus zu untergraben. Und Jesus braucht dessen Glauben, um sein Werk auszuführen. Mangelnder Glaube von Jairus wäre ein weiteres Hindernis. Jesus wendet sich ihm zu und ermutigt ihn:

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„Fürchte dich nicht! Glaube nur!“ (Vers 36)
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Und natürlich muss die Nachricht vom Tod des Mädchens auch die Volksmenge verunsichern.

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(4) An diesem Punkt schüttelt Jesus die Volksmenge erstmals ab:

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„Und er ließ keinen mitkommen außer Petrus, Jakobus und johannes, den Bruder des Jakobus.“ (Vers 37)
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(5) Als sie nun zu fünft (Jesus, drei seiner Apostel und Jairus) das Haus des Synagogenvorstehers erreichen, stellt sich ihnen eine neue Volksmenge entgegen:

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„Als Jesus den Tumult sah und wie sie heftig weinten und klagten,
39 trat er ein und sagte zu ihnen:
             Warum schreit und weint ihr?
             Das Kind ist nicht gestorben, es schläft nur.
40 Da lachten sie ihn aus.“ (Vers 38–40)
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Das Auslachen irritiert angesichts der vorausgehend genannten Emotionen von Weinen und Klagen. Deutlich wird damit, wie wankelmütig das Vertrauen der klagenden Volksmenge in Jesus ist. Spott und Hohn gehören zu den stärksten „Feuerlöschern“ in Bezug auf einen Glauben, der nötig ist, dass Jesus seine rettenden Wundertaten ausführen kann.

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(6) Mit einer heftigen zweiten Ausschluss-Aktion zieht Jesus die Konsequenz:

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„Er aber warf alle hinaus.“ (Vers 40)
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Allein mit den Eltern des Kindes und mit drei Zeugen aus seiner gläubigen Jüngergemeinschaft geht Jesus zu dem Mädchen hinein, um es aus dem Tode aufzuwecken.

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„Er fasste das Kind an der Hand und sagte zu ihm:
Talita kum!,
das heißt übersetzt:
Mädchen, ich sage dir, steh auf!
42 Sofort stand das Mädchen auf und ging umher.
Es war zwölf Jahre alt.“ (Vers 41–42)
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Damit hat Jesus seinen Heilsauftrag erfüllt. Das Mädchen ist wiederhergestellt, und mehr noch: Mit dieser Machttat hat Jesus ein Zeichen dafür gesetzt, dass die Königsherrschaft Gottes bereits angebrochen ist. Das Erweckungsereignis hat den beglückenden aber auch verstörenden Charakter einer Theophanie, eines Einbruchs göttlicher Macht und Gegenwart mitten in diese Welt. Demgemäß reagieren die Anwesenden. In wörtlicher Übersetzung:

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„Und sie entsetzten sich [sofort] mit großem Entsetzen.“ (Vers 42)4.
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Verbunden mit dem zuvor schon gewachsenen Glauben – bei Jairus und den Jüngern zusätzlich gestärkt durch ihre Erfahrung von der Heilung der blutflüssigen Frau – kann dieses Wunder den Glauben stärken. Von der wankelmütigen Menge könnte es hingegen missverstanden werden: etwa als Anreiz, sich die Anwesenheit eines solchen Wundertäters zunutze zu machen. Das eigentliche Ziel – die Stärkung des eigenen Glaubens, mit der Bereitschaft, Jesus nachzufolgen – wäre in einem solchen Fall vereitelt.

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Von daher ist es nachvollziehbar, dass Jesus – wie häufig im Markusevangelium – den Menschen verbietet, das Geschehene weiterzuerzählen:

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„Doch er schärfte ihnen ein, niemand dürfe etwas davon erfahren“ (Vers 43)
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Angesichts der bereits erfolgten öffentlichen Totenklage dürfte dieses Verlangen Jesu kaum zu erfüllen gewesen sein. Deutlich wird damit allerdings das Dilemma, in dem sich Jesus immer wieder befand: Er musste Zeichen für das anbrechende Gottesreich setzen, wo Menschen bereit waren, sich glaubend auf ihn einzulassen. Damit sie im Glauben wuchsen, waren Jesu Wunder wichtig, für andere konnte es aber zugleich Missverständnisse hervorrufen und für den Glauben wie ein Gift wirken.5

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2. Heilung und Rettung der blutflüssigen Frau

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Auf Jesu Weg zur Heilung der Tochter des Jairus kam die blutflüssigen Frau wie ein Hindernis dazwischen. Aber die Frau wird auch vorgestellt als eine Person mit einer eigenen schweren Geschichte, mit Bedürfnissen und Emotionen. Allerdings: Bis sie ihm von Person zu Person gegenübersteht, muss Jesus einiges an Zeit und Mühe aufbringen.6 Und Zeit hat er eigentlich keine, da er ja dringend zum todkranken Mädchen gehen sollte.

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Aber er spürt, dass eine Kraft von ihm ausströmt. Und das ist ein Hinweis für Jesus, dass sein himmlischer Vater ihn gerade jetzt für etwas anderes gebrauchen will. So unterbricht Jesus seinen Weg des Gehorsams gegenüber dem ersten Auftrag, um sich einem zweiten Ruf zuzuwenden, der sich nun dazwischengeschoben hat. Für unseren Zusammenhang bedeutet das: Nicht nur die Volksmenge und die Jünger hindern ihn an der Erfüllung seines göttlichen Auftrags, sondern scheinbar auch Gott selber: durch einen „Zwischenruf“, den Jesus durch die von ihm ausströmende Kraft erfährt.

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Jesus lässt sich durch diese scheinbar gegenläufigen göttlichen Rufe – „Diene dem Jairus – diene einem bestimmten Menschen, von dem du noch nicht einmal weißt, wer er ist“ – nicht unter Stress bringen. Mit ungeteilter Aufmerksamkeit wendet er sich dem neuen Ruf zu, zuversichtlich, dass sein himmlischer Vater ihn zur Erfüllung des ersten Auftrags zu Seiner Zeit führen wird.

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Auch diese Unbeirrtheit musste Jesus wohl gegen Widerstand durchsetzen. Gewiss drängte Jairus voran, und die Menge – die ihrem Synagogenvorsteher vermutlich gewogen war – mit ihm: mit einer geradezu physischen Gewalt, der sich Jesus entgegenstemmen musste.7 Aber Jesus nimmt sich alle Zeit, die er braucht:

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„Er blickte umher, um zu sehen, wer es getan (d.h. ihn berührt) hatte.“ (Vers 32)
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Warum muss Jesus wissen, wer ihn berührt hatte und von ihm geheilt wurde? Weil er spürte, dass sein Auftrag hier noch nicht vollendet war. Um das zu sehen, muss man auf eine subtile sprachliche Unterscheidung achten, die in der Übersetzung nur ansatzweise deutlich wird: Bei Jairus wie auch bei der blutflüssigen Frau geht es nicht eigentlich um Heilung, sondern um Rettung (Vers 23, 28, 34). So sagt die Frau zu sich:

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„Wenn ich auch nur sein Gewand berühre, werde ich gerettet (sothésomai)“ (Vers 28).
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Dann aber heißt es:

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„Und sofort versiegte die Quelle des Blutes und sie spürte in ihrem Leib, dass sie von ihrem Leiden (Geißel, Plage) geheilt war.“ (Vers 29)
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Rettung ist mehr als bloße Heilung. Ein Mensch kann geheilt werden und immer noch der Rettung bedürftig sein. Heilungswunder sind nicht selbst schon Rettung, sondern ein starkes Zeichen dafür. Zur Rettung gehört der gestärkte Glaube. „Wer glaubt und sich taufen lässt, wird gerettet werden“, heißt es am Ende des Markusevangeliums (Mk 16,16).

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Die Heilung der Frau ist also vollendet, noch nicht aber ihre Rettung, die sie sich gewünscht hat. Und so fragt Jesus, wer ihn berührt hat.

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Die Frau hört die Frage Jesu. Dennoch hätte sie versuchen können, sich aus dem Staub zu machen. Manches hätte dafür gesprochen. Mit ihrer Dauerblutung galt sie als rituell unrein, und als unreine Person hätte sie sich nicht in der Menge aufhalten und schon gar nicht Menschen berühren dürfen. Dennoch:

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„Da kam die Frau, zitternd vor Furcht (wörtlich: sich fürchtend und zitternd), weil sie wusste, was mit ihr geschehen war; sie fiel vor ihm nieder und sagte ihm die ganze Wahrheit.“ (Vers 33)
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Furcht und Zittern gelten aber nicht den möglichen Sanktionen durch jüdische Autoritäten, auch nicht einer eventuellen Kritik durch Jesus. Vielmehr kam die Frau in diesen Zustand, „weil sie wusste, was mit ihr geschehen war“. Man könnte das als Gottesschrecken bezeichnen. Jedenfalls hat das plötzliche Ende der Dauerblutung einen Schock in ihr ausgelöst, der sie zittern macht. Sie kommt zu Jesus und achtet nicht auf die Volksmenge. Sie fällt vor ihm nieder und sagt ihm die ganze Wahrheit, ohne sich darum zu sorgen, dass es viele Mithörer gibt. Damit ist nun Jesu dazwischen hineingekommener Auftrag erfüllt: Heilung und Rettung sind an der Frau geschehen, die ihren Kairos8 dafür genutzt hat:

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„Tochter, dein Glaube hat dich gerettet;
geh fort in Frieden und sei gesund von deiner Plage!“ (Vers 349).
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3. Anleitung zur Nachfolge bei Hindernissen

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Ausführlich beschreiben die Evangelien die Mühen, die Schwierigkeiten und Widerstände, die sich Jesus in den Weg stellen, wenn er die Sendung seines Vaters erfüllt. Dies gilt besonders für das Markusevangelium: Unmittelbar nach dieser Perikope wird Jesus in Nazaret keine Wunder tun können, weil die Menschen keinen Glauben haben (Mk 6,5). Und im neunten Kapitel wird er angesichts überbordender Schwierigkeiten mitten in einer Heilungsgeschichte ausrufen:

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„O du ungläubige Generation! Wie lange muss ich noch bei euch sein? Wie lange muss ich euch noch ertragen?“ (Mk 9,19)
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Was wollen diese ausführliche Beschreibungen von Hindernissen uns LeserInnen sagen? Sicher zunächst, dass Jesus keine verkleidete Gottheit ist, die mühelos–souverän ihre Wunderhorn über die Menschheit ausgießt. Deutlich wird, dass Wunder keine Mirakel sind, sondern Anstöße auf dem Weg zum Glauben, – zur Rettung eben und nicht bloß zur Heilung. Ohne „göttliche Tricks“ muss Jesus den mühevollen Weg des Wirkens gehen, wie er keinem Menschen erspart werden kann. Nur so kann Jesus zum Vorbild für seine Nachfolger werden: für seine JüngerInnen, für die ersten AdressatInnen der Evangelien in der frühen Kirche und auch für uns, die wir heute das Evangelium hören.

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Der zuletzt zitierte Klageruf Jesu macht diesen Zusammenhang deutlich. Nicht die Widerstände, die sich ihm entgegenstellen, drängen ihn zu diesem Ausruf, sondern jene Widerstände, an denen seine Jünger gerade gescheitert waren. Anstatt unbeirrt auf Gott zu schauen und im Namen Jesu Heilung zu gebieten, ließen sie sich auf fruchtlose Diskussionen mit skeptischen Gegnern ein:

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„Als sie [Jesus mit Petrus, johannes und Jakobus] zu den anderen Jüngern zurückkamen, sahen sie eine große Menschenmenge um sie versammelt und Schriftgelehrte, die mit ihnen stritten. 15 Sobald die Leute Jesus sahen, liefen sie in großer Erregung auf ihn zu und begrüßten ihn. 16 Er fragte sie: Warum streitet ihr mit ihnen? 17 Einer aus der Menge antwortete ihm: Meister, ich habe meinen Sohn zu dir gebracht. Er ist von einem stummen Geist besessen; 18 immer wenn der Geist ihn überfällt, wirft er ihn zu Boden und meinem Sohn tritt Schaum vor den Mund, er knirscht mit den Zähnen und wird starr. Ich habe schon deine Jünger gebeten, den Geist auszutreiben, aber sie hatten nicht die Kraft dazu. 19 Da sagte er zu ihnen: O du ungläubige Generation! Wie lange muss ich noch bei euch sein? Wie lange muss ich euch noch ertragen? Bringt ihn zu mir!“ (Mk 9,14–19)
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Offenbar hatten seine Schüler ihre Lektion noch nicht gelernt. Wie aber hätten sie sie lernen sollen? Indem sie immer wieder als Zeugen dabei waren, als Jesus gegen Widerstand unbeirrt die göttlichen Aufträge an ihn erfüllte. So auch bei der Heilung der blutflüssigen Frau und der Auferweckung der Tochter des Jairus.10

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Ebenso leiten die Evangelien auch uns an, in der Nachfolge Jesu unsere gottgegebenen Aufträge auch gegen Widerstand durchzuhalten. So gilt es, die beschriebenen Widerstände und die Weise, wie Jesus mit ihnen umging, im Blick auf unsere eigene Nachfolgepraxis durchzubuchstabieren.

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Anmerkungen

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1 Wenn nicht anders angegeben, werden Bibeltexte nach der neuen Einheitsübersetzung von 2017 zitiert.

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2 Vgl. dazu den Kommentar zur Stelle von Joachim Gnilka, in ders., Das Evangelium nach Markus. 1. Teilband Mk 1-8,26 (EKK II/1). Neukirchen-Vluyn/Düsseldorf 62008, 216: „Die Jairusgeschichte ist von zwei Bewegungen erfüllt. Die eine ist der Zug Jesu und seiner Begleiter zum kranken bzw. gestorbenen Mädchen. Die Stationen sind die Meldung des Vaters, die Meldung der Boten, die Ankunft beim Haus, der Eintritt in das Sterbezimmer. Die andere ist eine Gegenbewegung, die diesen Zug stoppen will.“

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3 Denn Jesus tut nichts, wenn ihn nicht der Vater dazu führt. Das johannesevangelium macht diesen Punkt besonders deutlich: „Der Sohn kann nichts von sich aus tun, sondern nur, wenn er den Vater etwas tun sieht“ (Joh 5,19).

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4 Münchener Neues Testament

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5 Man denke an die Versuchungsgeschichten in Mt 4 und Lk 4, die sich nicht zuletzt auf Demonstrations- und Schauwunder bezogen.

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6 Auch hier muss Jesus Widerstand überwinden, diesmal von den Jüngern, die seine Frage zurückweisen.

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7 Auch die Antwort der Jünger lässt auf deren Ungeduld schließen.

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8 Das in den Evangelien häufig (allerdings nicht hier) verwendete Wort Kairos steht für eine Zeit und ein Ereignis der Gnade, das ein Mensch nutzen, aber auch verpassen kann.

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9 In der präzisen Übersetzung des Münchener Neuen Testaments.

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10 Allerdings waren jene anderen Jünger, die an der Heilung dieses Sohnes scheiterten, bei der Auferweckung der Tochter des Jairus gerade nicht dabei.

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