Text: Simon Andreas Ebner
Das Institut für Zeitgeschichte der Universität Innsbruck wird 40 Jahre. Im Jahr 1984 gegründet, feiert das Institut im Jahr 2024 sein Jubiläum. Zwei Vertreter des Instituts, Noam Zadoff und Eric Burton, geben einen aufschlussreichen Einblick in ihren Arbeitsalltag an der Uni Innsbruck und teilen ihre Einschätzungen zu vergangenen, gegenwärtigen und zukünftigen Entwicklungen am Institut für Zeitgeschichte mit uns.
Werdegang von Eric Burton und Noam Zadoff
Eric Burton studierte an der Universität Wien Internationale Entwicklung, einen interdisziplinären Studiengang mit Inhalten aus verschiedenen Feldern wie Politik- und Wirtschaftswissenschaften, Soziologie, Rassismusforschung, Geschichte und Post Colonial Studies. Er verbrachte im Laufe seines Studiums und als Nachwuchswissenschafter unter anderem Zeit in Dar es Salaam (Tansania), in Exeter (England) und an der University of Ghana in Accra. Seit 2019 ist Eric Burton am Institut für Zeitgeschichte an der Universität Innsbruck tätig und vertritt hier das Feld der Globalgeschichte.
Noam Zadoff, der an der Hebrew University Jerusalem studierte, forscht und lehrt ebenfalls seit dem Jahr 2019 am Institut, nachdem er zuvor unter anderem in Bloomington, USA, und auch in der Schweiz und in Deutschland tätig war. In Zusammenarbeit mit AIANI, dem Austria-Israel Academic Network Innsbruck, vertritt er am Institut für Zeitgeschichte das Feld der Israel Studies, bei dem es in Forschung und Lehre um verschiedene Aspekte der Geschichte und Gegenwart von Israel und Palästina geht. Im weiteren Sinn verortet sich Noam Zadoff auch im Feld der jüdischen Geschichte bzw. Jewish Studies.
40-jähriges Jubiläum
Noam Zadoff sieht das 40-Jahr-Jubliäum als gutes Omen für die Zukunft und Gelegenheit, die man nicht verpassen sollte, um das Institut für Zeitgeschichte und dessen Entwicklung zu würdigen und zu feiern. Für ihn, betont er, hebt sich das Innsbrucker Institut im Vergleich mit anderen zeitgeschichtlichen Instituten und Einrichtungen im deutschsprachigen Raum ab, weil insbesondere durch seine Stelle und jene von Eric Burton, Globalgeschichte, im Speziellen die Geschichte Afrikas und die Geschichte des Nahen Ostens, als Forschungs- und Lehrinhalte fix verankert wurden. Warum das etwas Besonderes ist, erläutert er folgendermaßen:
„An Israel als Thema kommt man nicht vorbei, wenn wir die Tagespolitik, das internationale Spannungs- und Interessengefüge, aber genauso unsere Erinnerungskultur in einem ehemaligen Täterland des Nationalsozialismus besser verstehen wollen. Und die Universität Innsbruck ist die einzige im deutschsprachigen Raum, die mit einer unbefristeten Stelle dieses Faktum anerkennt. Das ist erstaunlich auf der einen Seite, auf der anderen Seite kann man sich sehr freuen und auch ein bisschen stolz sein, dass es hier diese Möglichkeit gibt. Wenn ich auf die Vergangenheit schaue, bin ich froh und dankbar, dass sich dem Institut, wo schon früher eine Auseinandersetzung mit der Geschichte Israels stattgefunden hat, gelungen ist, nun diesen Weg mit einer eigens dafür reservierten Stelle fortzusetzen.“
Eric Burton stimmt seinem Kollegen zu und erklärt, dass die Einbeziehung der Globalgeschichte, wie es in Innsbruck der Fall ist, wichtig ist, weil dadurch auch Area Studies-Perspektiven mit eingebracht werden können, worunter man die Auseinandersetzung mit historischen, wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Aspekten versteht, die auf bestimmte Regionen der Welt fokussiert sind. Außerdem weist er darauf hin, dass es hinsichtlich der Förderung von Geschichtsbewusstsein darauf ankommt, größere Zusammenhänge zu verstehen und zum Beispiel genauer hinzuschauen, wenn es um die Verbindungen zwischen Kaltem Krieg und Dekolonisierung geht, darum, wie diese Entwicklungen ineinandergreifen und sich zum Beispiel auch zu fragen, ob bzw. was sie mit der lokalen Innsbrucker Geschichte zu tun haben.
Arbeitsalltag am Institut
Bezogen auf die alltägliche Arbeit am Institut lobt Eric Burton das produktive Miteinander innerhalb des Teams und sagt dazu folgendes:
„Wir haben ein sehr produktives Umfeld in kollegialer Hinsicht. Ich fühle mich sehr unterstützt und wertgeschätzt in dem, was ich tue, und ziehe daraus auch viel Motivation für weitere Beiträge.“
Noam Zadoff und Eric Burton sprechen davon, dass es am Institut ein stets positives Arbeitsklima und eine angenehme Atmosphäre gibt, wodurch beide gerne zur Arbeit kommen, die Begegnungen mit ihren Kolleg:innen genießen und auch kontroverse Diskussionen geführt werden können, was beide als nicht selbstverständlich erachten.
Mit einem Schmunzeln erzählen Eric Burton und Noam Zadoff, dass für sie das Trinken von Tee und Kaffee zu ihren Lieblingstätigkeiten in ihrem Job zählt. Beide weisen aber auch darauf hin, dass der Joballtag viel vor dem Bildschirm-Sitzen beinhaltet, viel lesen, schreiben, Lehre vorbereiten und unterrichten. Sie schätzen außerdem die Balance zwischen Lehre und Forschung und ziehen viel Inspiration aus Diskussion mit den Studierenden. Eric Burton erzählt von ertragreicher Zusammenarbeit mit den studentischen Mitarbeiter:innen im Laufe seiner Zeit am Institut, die sich auch in Publikationen wie dem interaktiven Stadtplan „Innsbruck postkolonial“ oder gemeinsamen Artikeln niederschlägt.
Rolle als Lehrveranstaltungsleiter
Sowohl Noam Zadoff als auch Eric Burton schätzen die Abwechslung, die die Begegnung mit Studierenden, egal ob sie am Anfang oder am Ende ihres Studiums stehen, im Rahmen von Lehrveranstaltungen darstellt. Auf die Frage, ob sie eine Präferenz bei bestimmten Kursformaten haben, meint Noam Zadoff: „Diskutieren kann man auf jedem Niveau und interessante Gedanken haben alle!“ Und fügt noch hinzu:
„Die Begegnung mit den Studierenden ist immer sehr bereichernd, ich lerne viel und es ist auch eine Herausforderung – bei mir noch ein bisschen mehr als bei Eric, der jünger ist – über Generationen Brücken zu bauen und junge Menschen zu erreichen; das finde ich immer anspruchsvoll, aber schön.“
Eric Burton freut sich besonders, wenn er Impulse liefern kann für Studierende, sodass sie zu einem bestimmten Thema Eigeninteresse entwickeln und in ihnen eine Flamme entfacht wird, Studierende viel in eine Seminararbeit investieren und am Ende stolz sind auf ihr Werk. Er hebt es als schönen Aspekt seiner Tätigkeit hervor, in Lern- und Arbeitsprozesse von Stundent:innen involviert zu sein, diese Prozesse zu begleiten und gemeinsam einen Fortschritt zu erlangen.
Blick in die Zukunft
Im Jahr 2024 blickt das Institut für Zeitgeschichte auf 40 Jahre zurück, in denen es viel bewegt und sich dabei ständig weiterentwickelt hat. Wohin kann die Reise gehen, wenn man in die Zukunft blickt und wo steht das Institut in weiteren 40 Jahren?
Eric Burton sagt dazu:
„Was ich mir wünschen würde ist, dass das Institut auch in 40 Jahren einen Raum bietet, um zu wachsen, frei forschen zu können, um neue Perspektiven zu erlangen und weiterhin einen Beitrag zu einer demokratischen Gesellschaft und dem Abbau von Ungleichheiten in der Welt zu leisten. All das ist leider auch stark bedroht zurzeit.“
Des Weiteren gibt es zeithistorische Themen und Forschungsfelder, die in der deutschsprachigen Universitätslehre noch wenig Beachtung finden, wie etwa die Zeitgeschichte Zentral- und Südamerikas, die in Innsbruck lange Jahre von Klaus Eisterer vertreten wurde, Zentralamerikas oder die Zeitgeschichte Südostasiens, welche laut Eric Burton und Noam Zadoff in Lehre und Forschung in Zukunft berücksichtigt werden sollten. Eric Burton merkt an, dass es zukünftig günstig wäre, sprachliche Spezialisierungsangebote zu schaffen, und den Studierenden die Möglichkeit gegeben werden sollte, sich im Prozess des Studiums weitere Sprachen anzueignen, denn das Befassen mit einer Sprache führt in den meisten Fällen zu einer vertieften Kenntnis einer Region und anderen Geschichtsnarrativen, wodurch sehr viele neue Erkenntnisse gewonnen werden können.
Auf die Frage, welche abschließenden Gedanken sie uns noch gerne mitteilen würden, antwortet Noam Zadoff folgendes:
„Ich kann für mich sagen, ich hätte mir keinen angenehmeren Arbeitsplatz oder Arbeitsort mit konstruktiverer Atmosphäre wünschen können.“
Mein großer Dank gilt Eric Burton und Noam Zadoff für ihre Zeit und das interessante Gespräch. Die Einblicke, die sie in ihren Alltag und ihre Arbeit geben, zeigen, welche Möglichkeiten und Plattformen das Institut für Zeitgeschichte der Universität Innsbruck bietet und wie es sich von anderen deutschsprachigen zeithistorischen Universitätsinstituten abhebt.