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Sandler Willibald: Gottesrede und die Fallen der Evangelisierung
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Gottesrede und die Fallen der Evangelisierung

Autor:Sandler Willibald
Veröffentlichung:
Kategorieartikel
Abstrakt:
Publiziert in:Leicht überarbeitete Fassung von: M. Lintner (Hg.), God in Question. Religious Language and Secular Languages. Brixen: A. Weger 2014, 323-337.
Datum:2015-11-10

Inhalt

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1. Vier Dimensionen von Gottesrede

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„Gottesrede 1-4“

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Gottesrede – zumal in einer säkularisierten Welt1 – wird meist selbstverständlich als Reden über Gott verstanden. Dieses gründet aber in einem Reden zu Gott (Gebet), welches seinerseits auf ein Reden Gottes zu uns (Offenbarung) antwortet. Gottesrede im ersten und eigentlichen Sinn ist Gottes Selbstmitteilung, die sich im biblischen Gotteswort konkretisiert. „Denn die Heilige Schrift ist Gottes Rede, insofern sie unter dem Anhauch des Heiligen Geistes schriftlich aufgezeichnet wurde.“2 Auf dieses Wort von Gott im genitivus subjectivus (im Folgenden kurz „Gottesrede 1“) antwortet der von Gott nicht nur angesprochene, sondern von Schöpfung an zur Ant-Wort befähigte Mensch angemessen mit seinem Gebets-Wort zu Gott (im Folgenden kurz „Gottesrede 2“). Der durch Gotteswort und menschliche Antwort, Offenbarung und Glauben zustande kommende Dia-log zwischen Gott und Mensch, Gott und Gottesvolk ist Ausdruck und Vollzug eines Bundes, der sich allerdings nicht selbst genügt. Die durch den vollzogenen Bund zu Gotteskindern bzw. zum Gottesvolk Erwählten erfahren sich als in den Dienst genommen und zu anderen gesandt. So erwächst aus den beiden ersten Grundformen der Gottesrede ein bezeugendes Reden von Gott („Gottesrede 3“) und erst in einer letzten Ableitung ein reflektierendes Rede über Gott („Gottesrede 4“).3

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Die Falle eines isolierten Redens über Gott in einer säkularisierten Welt

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Dieser im wörtlichen Sinn „theo-logische“ Zusammenhang legt die Vermutung nahe, dass unser Reden über Gott („Gottesrede 4“) haltlos wird und unvermeidlich in die Krise gerät, wenn es aus dem Sinnkontext von Gottesrede 1-3 gelöst wird. Verschärft würde sich diese Problematik für eine Gottesrede innerhalb einer säkularisierten Welt4 auswirken. Da hier Gottesrede als göttliche Selbstoffenbarung, als Gebet zu Gott und als Gott-Bezeugen als unvermittelbar erscheinen, beschränkt man sich im Dialog mit Nichtglaubenden auf eine reflexive Rede über Gott (Gottesrede 4), um deren Berechtigung auf den allein akzeptierten diskursiven Feldern argumentativ erweisen zu können. Ein Dilemma bestünde dabei darin, dass eine solcherart von Gotteserfahrung und religiöser Praxis isolierte Rechtfertigung von Gottesrede schon deshalb nicht wirklich überzeugen kann, weil sie aus theo-logischen Gründen haltlos – im Sinn von „ohne Anhalt“ – ist.

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Dieser Problemzusammenhang kann zu einer Falle werden, die nicht nur in der Fundamentaltheologie und Apologetik, sondern auch in den praktischen Bemühungen um Evangelisierung und Re-Evangelisierung langsam, aber sicher zuschnappt: Aufgrund fehlender Anknüpfungsmöglichkeiten im Austausch mit Nichtglaubenden werden existenzielle, erfahrungsbezogene und dialogische Momente des Glaubensvollzugs immer mehr ausgeblendet. Damit tragen Christen und TheologInnen zu einer weiteren Vernachlässigung dieser Momente (entsprechend Gottesrede 1-3) in den gängigen Diskursformen bei, wodurch die diesbezüglichen Anknüpfungsmöglichkeiten (bzw. die Kompetenzen, solche Anknüpfungsmöglichkeiten wahrzunehmen) noch mehr abnehmen, was den Eindruck weiter verstärkt, dass Gott und Glaube in einer säkularisierten Welt nicht mehr kommunizierbar sind.

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Der Kairos für eine dialogisch unverkürzte Gottesrede

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Um dieser Falle zu entkommen, wäre die scheinbar selbstverständliche – und gemäß der beschriebenen Dynamik immer selbstverständlicher werdende – Voraussetzung zu hinterfragen: Sind in der heutigen Welt Gottesrede 1-3 tatsächlich schwerer zu vermitteln, oder können für dieses Gespräch Gelegenheiten oder Gnadenchancen – mit dem bibelgriechischen Wort: Kairoi – aufgefunden werden, in denen auch für scheinbar Nichtglaubende Gottesrede im Sinne von 1-3 zum erfahrenen Ereignis wird?5 Die dialogische Religionsphilosophie macht auf solche Zusammenhänge aufmerksam. Eindrucksvoll hat Martin Buber nicht nur darauf reflektiert, sondern auch davon erzählt, wie verschüttete Möglichkeiten der Gottesrede in einem Kairos des Gesprächs neu aufbrechen können:

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„... Wir können das Wort ‚Gott‘ nicht reinwaschen, und wir können es nicht ganzmachen; aber wir können es, befleckt und zerfetzt wie es ist, vom Boden erheben und aufrichten über einer Stunde großer Sorge.“
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Es war sehr hell geworden in der Stube. Das Licht floß nicht mehr, es war da. Der alte Mann stand auf, kam auf mich zu, legte mir die Hand auf die Schulter und sprach: ‚Wir wollen uns du sagen.‘ Das Gespräch war vollendet. Denn wo zwei wahrhaft beisammen sind, sind sie es im Namen Gottes.“6]
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Allerdings sind für solche Aufbrüche einer unverkürzten Gottesrede nicht nur unverfügbare Kairoi notwendig, sondern eine Aufmerksamkeit der Beteiligten, diese Sprache einer Gottesrede 1 und (implizit) 2 wahrzunehmen, sowie die Fähigkeit, sie mit Diskursen einer Gottesrede 3 u. 4 verknüpfen zu können. Das erfordert entsprechende theologische Kompetenzen, für welche die Frage nahe liegt, ob sie in der heutigen theologischen Forschung für gegenwärtige Problemkontexte genügend erarbeitet und in der theologischen Lehre ausreichend vermittelt werden.7 Und selbst wenn all diese Bedingungen erfüllt wären, scheint Bubers Einsicht kaum umsetzbar, weil die objektiven Voraussetzungen immer weniger gegeben sind: dass sich zwei Menschen eine ganze Nacht Zeit nehmen, um im zwischenmenschlichen Austausch einer echten Frage auf den Grund zu gehen. Wo gibt es Diskurse noch in persönlichen Gesprächen, – und wenn: wo verlaufen solche Gespräche so, dass sie ohne Druck von Erfolg, Evaluation, Rankings noch so viel Spielraum freigeben, dass ein Gespräch nicht nur beendet, sondern – wie Buber sagt – vollendet wird?

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Zeichen der Zeit als Anstoß zu einer unverkürzten Gottesrede

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Eine Aufmerksamkeit für den Zusammenhang von Gottesrede 1 - 4 finden wir auch im seit dem Zweiten Vatikanum zunehmend wichtigen Theologumenon von „Zeichen der Zeit“. Zeichen der Zeit sind theologisch relevante Ereigniszusammenhänge, die in Gesellschaften und Epochen eingeschrieben sind. Mit Kairoi haben sie gemeinsam, dass sie ihre Zeit haben. Sie lassen sich nicht „machen“, sondern werden vorgefunden, auch wenn menschliches Handeln an ihnen entscheidend beteiligt ist.8 Sie ereignen sich, und in theologischer Analyse kann ihnen ein heilsgeschichtliches Handeln oder Sprachhandeln Gottes zugeschrieben werden. So spricht Gott durch das Verlangen nach Einheit der Christen, durch eine wachsende internationale Solidarität und die Forderung nach Religionsfreiheit oder Gleichberechtigung zwischen Frau und Mann zu den Menschen, – vor allem zu den Christen, zur Kirche. Es handelt sich hier um Gottesrede 1, – und zwar mit der Wirkung, dass die professionellen „Gott-Redner“, also die Theologinnen und Theologen, hier Angesprochene sind. Sie sind gerufen zu hören, bevor sie selber reden, in einer Rede, die zunächst Antwort auf den vernommenen Ruf ist und dann erst bezeugendes Wort über das in solchem Dialog Gelernte. So stehen im Blick auf Zeichen der Zeit Gottesrede 1 – 3 in einem inneren Zusammenhang, wobei die Gottesrede 4 diesen Prozess des Hörens/Sprechens in dienender Reflexion zu unterstützen hat. Gegenüber dem Kairos eines Einzelereignisses – wie etwa dem von Buber exemplarisch entfalteten „vollendeten“ Gespräch – hat der Kairos eines Zeichens der Zeit den Vorzug, dass er auch in komplexere Diskursformen hinein entfaltet werden kann.

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Der Bogen von Gottesrede 1-4 ist so weit, dass eine theologische Aufarbeitung sich auf Bogenabschnitte konzentrieren muss. Für den Zusammenhang von Gottesrede 3-4 – dass also reflektierende Gottesrede von ihren biblischen Ursprüngen bis in gegenwärtige Analytik aus bezeugender Gottesrede erwächst und von dieser nicht getrennt werden kann – lässt sich auf jüngere Arbeiten verweisen.9 Im Folgenden möchte ich mich auf den Zusammenhang von Gottesrede 1-3 konzentrieren. Er ist von zentraler Bedeutung im Themenkreis von Evangelisierung und Neuevangelisierung, der in der katholischen Kirche von den Päpsten seit dem Zweiten Vatikanum zunehmend als dringlich eingeschärft wurde.

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2. Ein unverkürztes Verständnis von Evangelisierung

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Evangelisierung in kirchlichen Lehrdokumenten

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Seit dem Zweiten Vatikanum ist Evangelisierung bzw. Evangelisation, d.h. „die Verkündigung der Botschaft Christi durch das Zeugnis des Lebens u. das Wort“10, ein zunehmend zentrales Thema für die katholische Kirche. Im Unterschied zur Mission zielt Evangelisierung auch auf eine Erneuerung von getauften Christen und von ehemaligen christlichen Kernländern. „Neuevangelisierung“11 wurde als dringlich erkannt, nicht nur aufgrund eines „Bruchs zwischen Evangelium und Kultur“12, der sich in einer zunehmenden Zahl von Ungetauften und bloßen ‚Taufscheinchristen‘ auswirkt, sondern auch aufgrund der Einsicht, dass alle Christen gerufen sind, zu evangelisieren,13 was nur möglich ist mit einem brennenden Herzen, entfacht durch einen intensiven Kontakt mit dem Evangelium Jesu Christi. So muss der Evangelisierung eine „Selbstevangelisierung“ vorausgehen, und zwar auch von Christen, die den christlichen Glauben kennen und praktizieren, „ja sogar in einem gewissen Sinn ... [von] Diakonen, Priestern und Bischöfen selbst“14. Wie es Papst Franziskus in seinem ersten Apostolischen Schreiben ausgedrückt hat:

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„‚Am Anfang des Christseins steht nicht ein ethischer Entschluss oder eine große Idee, sondern die Begegnung mit einem Ereignis, mit einer Person, die unserem Leben einen neuen Horizont und damit seine entscheidende Richtung gibt.‘ (Benedikt XVI., Deus caritas est, Nr. 1). Allein dank dieser Begegnung – oder Wiederbegegnung – mit der Liebe Gottes, die zu einer glücklichen Freundschaft wird, werden wir von unserer abgeschotteten Geisteshaltung und aus unserer Selbstbezogenheit erlöst. Unser volles Menschsein erreichen wir, wenn wir mehr als nur menschlich sind, wenn wir Gott erlauben, uns über uns selbst hinaus zu führen, damit wir zu unserem eigentlicheren Sein gelangen. Dort liegt die Quelle der Evangelisierung. Wenn nämlich jemand diese Liebe angenommen hat, die ihm den Sinn des Lebens zurückgibt, wie kann er dann den Wunsch zurückhalten, sie den anderen mitzuteilen?“ (Evangelii Gaudium, Nr. 7-8)]
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Eine solche ‚Evangelisation durch brennende Herzen‘15 ist auch mit besten Pastoralstrategien nicht ‚machbar‘. Sie wird nur möglich, wenn Gott selbst – in Jesus Christus – der eigentlich Evangelisierende ist. Das wird von den jüngeren katholischen Lehrdokumenten durchwegs so gesehen,16 zuletzt bei Papst Franziskus: „In jeglicher Form von Evangelisierung liegt der Vorrang immer bei Gott, der uns zur Mitarbeit mit ihm gerufen und uns mit der Kraft seines Geistes angespornt hat“(Evangelii Gaudium, Nr. 12).

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Der Umstand, dass Gott das eigentliche Subjekt der Evangelisierung ist, bedeutet für die Christen eine Entlastung. Evangelisieren erfolgt durch ein Evangelisiertwerden, und dieses führt die Menschen aus einer bequemen oder ängstlichen Selbstisolierung in eine Offenheit für Andere, welche rückwirkend für die Evangelisierenden eigentliches Leben und als solches – trotz aller Herausforderungen – Freude bedeutet: „Evangelii gaudium“. Weiters wird durch die Einsicht in Christus als den eigentlich Evangelisierenden die Versuchung zu einer einseitig doktrinär-belehrenden Evangelisierung im Ansatz abgewehrt. Der Heilige Geist kann sich auch Armer17, Neubekehrter und Nichtchristen als Subjekten der Evangelisierung bedienen, sodass Christen in ihrem evangelistischen Einsatz stets damit zu rechnen haben, dass diese Menschengruppen ihnen nicht bloß als potentielle Empfänger einer Evangelisierung gegenüberstehen, sondern immer zugleich als Subjekte, vermittels derer die Evangelisierenden von Gott Evangelisierung empfangen.18 In Analogie zu unserer vierfachen Differenzierung der Gottesrede kann gesagt werden: Die Rückbindung von Evangelisierung 3 (als bezeugende Gottesrede) an Evangelisierung 1 (mit Gott als Subjekt der Evangelisierung) führt nicht automatisch dazu, dass Evangelisierung fromm abgehoben wird, sondern gerade umgekehrt zu einem dialogischen Verständnis von Evangelisierung19, bei dem Christen auf den zu ihnen sprechenden, sie evangelisierenden Gott hören, indem sie auf ihre Mitmenschen hören und bereit sind, sich Gottes Präsenz von ihnen schenken zu lassen.

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Ein im Handeln Gottes fundiertes Verständnis von Evangelisierung bewahrt weiters vor Verengungen im Hinblick auf Thema und Adressaten von Evangelisierung: Ihre Adressaten sind zwar primär einzelne Menschen, die sich letztlich in unvertretbarer Entscheidung auf das Evangelium einlassen müssen, – aber dabei darf keine menschliche, soziale, gesellschaftliche oder weltliche Dimension ausgespart bleiben. Zu evangelisieren sind nicht nur individuelle Menschen, sondern auch Kulturen.20

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3. Fallen der Evangelisierung und ihre Überwindung

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Nicht weniger als bei der Mission ist auch bei der Evangelisierung vieles umstritten. Der Begriff hat sich nach dem Zweiten Vatikanum gegenüber dem Begriff Mission, der durch seine kolonialistische Geschichte fragwürdig geworden war, weithin durchgesetzt.21 Dass das nicht schon früher geschah, hat mit einer problematischen Vorgeschichte des Begriffs Evangelisation zu tun. In protestantischen Kirchen war er schon lange verbreitet, mit einer zentralen Ausrichtung auf die Verkündigung des Evangeliums (vgl. das Prinzip „sola scriptura“),22 und zwar oft mit einer antikatholischen Stoßrichtung. Während dieser Vorbehalt durch die Ökumene und eine neue katholische Wertschätzung des biblischen Gottesworts ausgeräumt werden konnte, bleibt als geschichtliche Hypothek eine Tendenz zur individualistischen Verengung in der protestantischen Theorie und Praxis von Evangelisation.23

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Solche und weitere – im Folgenden näher auszuführende – Tendenzen zur Verkürzung lassen sich als „Fallen der Evangelisierung“ aufweisen, insofern solche Abwege die Wahrnehmung trüben und den falschen Eindruck wecken, durch ein weiteres Voranschreiten in die problematische Richtung die vorgefundenen Schwierigkeiten beheben zu können. Ein Verständnis von Evangelisierung als ein Prozess, der in einem souveränen, unverfügbaren Handeln Gottes gründet (mit Gott als eigentlich Evangelisierenden) und auf ein antwortendes Handeln von Menschen angewiesen ist, kann diese Fallen von der Wurzel her überwinden. Im Folgenden möchte ich drei Fallen ansprechen:

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a) Die Machbarkeitsfalle: Evangelisierung als Programm

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Die Erfahrung einer verbreiteten Erosion christlicher Überzeugungen und Praktiken, verbunden mit einem sukzessiven Rückgang der Kirchenmitglieder für Großkirchen, erhöht den Druck zur Neuevangelisierung, und zwar als etwas von Kirche und Christen dringend zu Leistendes. Ein unter Leistungsdruck vermitteltes Christsein erscheint aber zwangsläufig verkrampft und solcherart unattraktiv. „Erlöster müssten mir seine Jünger aussehen“, könnte man mit Nietzsche einwenden.

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Der Ausweg liegt in der umgekehrten Richtung: Entschleunigung statt Beschleunigung; zurück in die Begegnung mit Jesus Christus – wie Maria, Martas Schwester24 – und in die Begegnung mit Jenen, mit denen sich Jesus identifiziert hat: vor allem mit den „Armen“, den Marginalisierten. Dabei geht es nicht um Massenevangelisierung, sondern um ein „Stop for the one!“. Denn: „Revival has a face“.25 So steht im Namen Gottes der jeweilige Mensch im Mittelpunkt, sowie die Liebe, die zwischen Menschen fließt. Die Evangelisierenden sind so in einen Strom empfangener Gnade hineingenommen. Die Liebe verausgabt sich nicht im Prozess der Evangelisierung, sondern wird in ihm gestärkt.

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b) Die Fixierungsfalle: Evangelisierung eines favorisierten Teilbereichs des menschlichen Glaubensvermögens

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Evangelisierung ist ein Prozess, der den Menschen in all seinen Beziehungen – zu Gott und Mitmensch, zu den Dingen der Schöpfung sowie zu sich selbst – zu Glaube und Umkehr herausfordert. Dem Gott, der sich ganz mitteilt, entspricht der Mensch, der ganz von Ihm beansprucht wird.

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Die Fixierungsfalle besteht darin, dass unter den menschlichen Vermögen, über die sich Gottes Selbstoffenbarung in den Menschen einschreibt, nur Teilbereiche aufgenommen und – evangelisierend – weitergegeben bzw. in solcher Weitergabe einseitig überbetont werden:

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O    Informationüber Gott und Gebote von Ihm gemäß einem instruktionsorientierten Glaubensverständnis und einer dementsprechenden doktrinären Auffassung von Mission und Evangelisierung;

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O    Emotionen als individueller oder kollektiver Niederschlag von Gott-Erleben, in enthusiastischen Bewegungen (oft in charismatischem und pentekostalem Umfeld), mit einer einseitigen Überbetonung des Affektiven;

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O    Entscheidung zu kirchlich-sozial-gesellschaftlichem Engagement oder auch zur Lebensübergabe (zum Beispiel in evangelikalen „Altarrufen“26), mit einer Neigung zu Aktivismus und Überschätzung durchschnittlicher Möglichkeiten von Menschen, ihrem ganzen Leben eine neue Richtung zu geben;

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O    Hinführung in eine kontemplative Gelassenheit, wobei die Momente von Vernunfterkenntnis, tätiger Verantwortung sowie integrierter Affektivität quietistisch vernachlässigt bleiben.

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Jedes der genannten Momente hat eine zentrale Bedeutung innerhalb eines lebendigen Prozesses von Evangelisation. Die einseitige Betonung eines Aspektes kann zur Falle werden in einem polarisierten Christentum, wo konkurrierende Gruppen und Strömungen sich in gegenseitiger Kritik und Zurückweisung auf das von ihnen einseitig Betonte mit zunehmender Vehemenz fixieren.27 Es wird unmöglich, das im Eigenen zu kurz Kommende wahrzunehmen und zu integrieren, weil man keinesfalls so sein möchte wie die abgewerteten Anderen. So stehen intellektuell orientierte Glaubenskurse, emotionalisierte enthusiastische Bewegungen, in sich versponnene kontemplative Gruppen und religiös-soziale Aktionsgruppen gegeneinander, ohne sich ergänzen und voneinander lernen zu wollen.

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All diesen Einseitigkeiten gemeinsam ist, dass nicht mehr die Begegnung mit dem lebendigen Gott im Mittelpunkt steht, sondern etwas von Gott isoliert und zum Gegenstand von Evangelisierung gemacht wird. Diese „Gegenstände“ von Evangelisierung werden entwertet und pervertiert, wenn der lebendige und unverfügbare Gott nicht mehr die Mitte darstellt. Sie drohen dann zu „Dia-bolen“, d.h. zu ihr Sinnziel nicht mehr vermittelnden, sondern verstellenden Symbolen zu werden, die die Abgrenzung gegenüber abgelehnten Anderen (Gruppen, Spiritualitäten, Evangelisierungsformen ...) zementieren. Aus einheitsstiftendem Gottesdienst wird so ein Spaltung bewirkender Götzendienst, ohne dass das jemand direkt gewollt hätte.

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Der Ausweg: Innehalten und neu die Gegenwart des lebendigen Gottes zu suchen, – in einer Haltung, die offen ist für Umkehr (vgl. Mk 1,15), sowie für eine Neuorientierung, die man im gemeinsamen Hören empfängt. Eine Evangelisierung, die den reduktionistischen Sackgassen im Ansatz entkommen will, ist angewiesen auf eine vorausgehende Selbstevangelisierung, als Bereitschaft, Ihn aufzusuchen, um sich von Ihm evangelisieren zu lassen.28

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c) Die Vermittlungsfalle: Verlust der Augenhöhe in der Evangelisierung

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Wird Evangelisierung als eigenmächtige Glaubensweitergabe verstanden, so erzeugt sie unvermeidlich ein Gefälle zwischen Gebenden und Empfangenden. Dabei wird verdeckt, dass Gott als der vermeintlich Weiterzugebende nicht in der Verfügung des Weitergebenden steht. In Variation eines augustinischen Wortes könnte man sagen: „Wenn du es vermittelt hast, dann ist es nicht Gott“. Weitergeben kann man nicht Gott, sondern nur das Zeugnis von Ihm. Und weil Gott größer ist als jedes Zeugnis von Ihm, steht derjenige, der das Zeugnis weitergibt, nicht über dem, der es empfängt. Die Empfängerin kann Gott in einer Größe und Intensität aufnehmen, welche die Möglichkeiten der Geberin bei weitem übersteigt. Und doch bleibt sie Geberin.

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Wo Jesus Christus als der eigentlich Evangelisierende aus dem Blick gerät, geht die Balance zwischen Gebern und Empfängern, Evangelisierenden und Evangelisierten verloren. Zur Vermittlungsfalle kommt es hierbei durch eine Polarisierung29 zwischen jenen, die das Geben – und damit eine scheinbar automatisch verbundene Überlegenheit der Evangelisierenden über die Evangelisierten – betonen und jenen, die den Anspruch, als Christen etwas zu geben zu haben, relativieren, um sich nur ja nicht über ihre Dialogpartner zu stellen.30 Dieses durch Polarisierung verschärfte Dilemma war schon wirksam in den Kontroversen um die Notwendigkeit oder Unmöglichkeit von Mission angesichts der deutlicher erkannten Heilsmöglichkeit für alle Menschen und der Ausweitung eines interreligiösen Dialogs.31 Dadurch, dass man statt von Mission von Evangelisierung spricht, wird dieses Problem nur verschoben. Im Ansatz überwinden lässt es sich, wie im vorigen Absatz beschrieben: Wenn Gott nicht Objekt, sondern Subjekt aller Evangelisierung ist32 und solcherart nicht vermittelt, sondern nur bezeugt werden kann, – mit der nicht nur tolerierten, sondern sogar erbeteten Möglichkeit, dass Gott im Adressaten der Evangelisierung noch heller aufleuchte als im Geber selbst, sodass man im Wissen um diese Möglichkeit bescheiden, aber doch fest zu dem stehen kann, was man zu bezeugen hat: die alles Verstehen übersteigende Heilsmacht Gottes in Jesus Christsu.

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4. Der Kairos in der Evangelisierung

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Wenn der eigentlich Evangelisierende der freie, personale Gott im lebendigen Jesus Christus ist, dann steht und fällt Evangelisierung mit der Wahrnehmung des jeweiligen Kairos oder „göttlichen Timings“. Es geht darum, zur rechten Zeit und am rechten Ort jeweils „die guten Werke zu tun, die Gott für uns im voraus bereitet hat“ (Eph 2,10):33

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„Überall, wo Gott eine Tür für das Wort auftut, das Geheimnis Christi zu verkünden, da muß allen Menschen mit Freimut und Festigkeit der lebendige Gott verkündet werden und der, den er zum Heil aller gesandt hat, Jesus Christus.“34]
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Diese Einsicht des Konzils, dass Evangelisierung ihren Kairos hat, gründet in der Verkündigung Jesu: „Der Kairos ist erfüllt, das Reich Gottes ist nahe gekommen. Kehrt um und glaubt an das Evangelium“ (Mk 1,15). Kairos bedeutet hier nicht nur qualitative Zeit im Sinn von Gnadenchance, sondern das Ereignis des Zusammentreffens mit dem in Christus angekommenen und angenommenen Gott.35 Jesus evangelisiert nicht nur in Wort und Tat; er ist evangelistisch (noch bevor er den Mund aufmacht oder einen Finger rührt), weil und insofern er den angekommenen Gott ganz angenommen hat. Dasselbe gilt für Christen als Menschen, für die in der Begegnung mit dem lebendigen Auferstandenen Gott angekommen und angenommen ist: Sie sind evangelistisch, weil das Evangelium in ihren Herzen brennt. Erfüllt vom Heiligen Geist, der ihnen eingibt, was sie wann sagen (Lk 12,11f) oder tun sollen, entwickeln sie einen Sinn für den Kairos der Evangelisierung: d.h. für Situationen, „wo Gott eine Tür für das Wort auftut, das Geheimnis Christi zu verkünden“36. Sie sind „weise im Umgang mit den Außenstehenden“ und „kaufen den Kairos aus“ (Kol 4,5). Indem sie die Werke Gottes tun anstatt nur Werke für Gott zu vollbringen, sind sie effektiv, ohne doch von sichtbaren Erfolgen abhängig zu sein. Wie Jesus können sie mitten im Sturm zur Ruhe kommen, um doch im rechten Moment aufzustehen, alles zu geben. Das ist die Vision unseres jetzigen Papstes von einem „gaudium evangelii“: einer „neuen Etappe der Evangelisierung ... , die von ... Freude geprägt ist“37.

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Aber ist das nicht zu idealisierend? Es mag eine adäquate Beschreibung sein für Gnadensituationen, in denen Evangelisation wie von selber fließt und theologische Orientierung deshalb weitgehend überflüssig erscheint. Und außerhalb dieses „Flow des Heiligen Geistes“, wo theologische Wegweisung von Nöten wäre, macht sie nur lange Zähne? Wie kann das beschriebene Ideal in eine Theologie der Evangelisierung umgesetzt werden?

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Für mich ergibt sich aus dem Beschriebenen, dass wir eine heilsgeschichtliche Theologie der Evangelisierung brauchen, welche auf Kairoi von Evangelisierung in der christlichen Geschichte reflektiert.

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Ein Beispiel: Zwei Jahre nach Ende des Zweiten Vatikanischen Konzils ist die charismatische Erneuerung innerhalb der katholischen Kirche entstanden und hat sich geradezu explosionsartig ausgebreitet.38 Zahllose Katholiken – ebenso wie zuvor und gleichzeitig Christen anderer Konfessionen – haben mittlerweile lebensverändernde Gotteserfahrungen gemacht, die ihre Liebe zu Gott, Kirche, Evangelium, Gebet, Nachfolge und Evangelisierung entzündet hat. Solche als „Geisttaufe“ bezeichnete Erfahrungen39 entsprechen dem, was in kirchlichen Dokumenten als Selbstevangelisierung bezeichnet wird, – als Voraussetzung für Christen, aus einem brennenden Herzen heraus selber evangelistisch zu werden.40 Während sich die Christen in der charismatischen Erneuerung immer wieder erinnern müssen, dass sie die göttliche Geist-Gabe nicht zu Genuss oder Selbstprivilegierung, sondern als – evangelistische – Aufgabe erhalten haben, verlangen die kirchlichen Initiativen zur Evangelisierung nach Erfahrungsorten, wo die unverfügbare Selbstgabe Gottes durch Jesus Christus im Heiligen Geist aufbrechen kann. Entspricht hier die Gabe der charismatischen Erneuerung der Aufgabe zur Neuevangelisierung? Sind die entsprechenden Bewegungen und ihre Dokumente zusammen zu lesen, um sie besser verstehen zu können? Das wären Fragen für die theologische Forschung, die keineswegs nur legitimistisch, sondern auch kritisch zu verfolgen wäre. Festzustellen, dass die Geistausgießung im Umfeld der charismatischen Erneuerung einen Kairos oder ein Zeichen der Zeit darstellt, wirft die Frage erst auf, inwiefern dieser Kairos wahrgenommen oder verfehlt wurde. Diese Frage ist differenziert zu beantworten im Blick auf zahllose Einzelphänomene. Wo wurde angebotene Gnade angenommen, zurückgewiesen oder missbraucht?

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Ähnliche Fragen wären zu stellen zur ganzen Geschichte der Evangelisierung, etwa zu Ordensgründungen seit dem Mittelalter oder zu den großen Erweckungsbewegungen im protestantischen Raum, in deren Umfeld der Begriff „Evangelisation“ seit dem 18. Jahrhundert verwendet wurde.41 Was wir in solchen Studien finden können, sind nicht nur explosionsartig aufgetretene evangelistische Flächenbrände, sondern auch ein unerwartetes Abbrechen solcher Bewegungen oder gar ihr Umkippen in problematische Formen. Die oben genannten Fallen der Evangelisierung zeigen sich fast regelmäßig in späteren Phasen von Evangelisierungsbewegungen und trugen zu ihrem Abebben bei.

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So wäre eine Theologie der Evangelisierung heilsgeschichtlich und – im Blick auf Kairoi als wahrgenommene und verfehlte42 – heilsdramatisch zu entfalten. Für praktische Fragen zur Evangelisation ließen sich so Instrumentarien gewinnen zur kairologischen Wahrnehmung und Unterscheidung jener „offenen Türen“, die Evangelisierung freisetzen können.

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Literatur

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— (2014): Kairos und Parusie. Kairos als Ereignis des in Christus angekommenen und angenommenen Gottes. In: ZkTh 136 (2014), 10-31. Ausführlichere Fassung im Internet: http://theol.uibk.ac.at/itl/1018.html (letzter Zugriff: 18. 4. 2014).

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Schröder, Anna-Konstanze (2012): Evangelisationsveranstaltungen in der Wahrnehmung von Konvertiten. Eine empirische religionswissenschaftliche Prüfung des Stereotyps „Evangelisation“. In: theologische Beiträge 43, 369-380.

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Schwerdtfeger, Nikolaus (1982): Gnade und Welt. Zum Grundgefüge von Karl Rahners Theorie des „anonymen Christen“ (FThSt 123). Freiburg i.Br.-Basel-Wien: Herder.

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Theologischer Ausschuss der International Catholic Charismatic Renewal Services (ICCRS) (2013): Taufe im Heiligen Geist. Maihingen.

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Abstract (deutsch und englisch)

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Ausgegangen wird von vier untrennbar miteinander zusammenhängenden Bedeutungen von Gottesrede: 1. Gott spricht zu uns; 2. Menschen sprechen (antwortend) zu Gott; 3. Menschen folgen einem Ruf und sprechen bezeugend über Gott), 4. theologisch reflektierende Rede über Gott. Wird dieser Zusammenhang (und insbesondere die Vorrangigkeit von „Gottesrede 1“) vernachlässigt, so ergeben sich verschiedene „Fallen der Evangelisierung“: die Machbarkeitsfalle im Blick auf die begrenzte Planbarkeit von Evangelisation und die dadurch drohende Gefahr einer Selbstüberforderung von Kirche; die Fixierungsfalle im Blick auf unterschiedliche Akzentuierungen im durch Evangelisation stimulierten Glaubensvollzug (Intellektualismus, Emotionalismus, Fideismus, Quietismus), die unter Umständen polarisierend gegeneinander ausgespielt werden; die Vermittlungsfalle mit einer reduktionistischen Weitergabe festgelegter Glaubensinhalte (wobei der alles Begreifen übersteigende Gott aus dem Blick gerät) aus einem Anspruch eigener Superiorität, sowie der Gegenbewegung eines „Dialogs auf Augenhöhe“ mit der Gefahr einer Preisgabe von berechtigten Glaubensansprüchen.

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Entkommen kann man diesen Fallen durch eine angemessene theologische Berücksichtigung von Kairoi der Evangelisierung, in denen der Zusammenhang der vier Formen der Gotesrede, mit einer Vorrangigkeit von „Gottesrede 1“ (d.h. „Gott spricht für uns“) zum Ausdruck kommt.

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There are four inextricably interrelated meanings of God´s speech: 1. God speaks to us; 2. people speak to God by answering to his call; 3. people follow a call and speak about God by giving testimony; 4. theological discourse about God. If this fourfold connection is neglected, traps of evangelization may result:

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the feasibility-trap in view of the limited predictability of evangelization and the consequent threat of excessive demands to the church; the fixation-trap in view of different accentuations of faith stimulated by evangelization (intellectualism, emotionalism, fideism, quietism), which may be pitted against each other under polarizing circumstances; the mediation-trap with a reductionist disclosure of fixed beliefs (where the true God who exceeds all understanding gets out of view) stemming from a claim of own superiority, and the counter-movement of a „dialogue at eye level“ with the threat of abandoning legitimate faith claims.

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One can escape these traps by the help of an adequate theological consideration of „kairoi of evangelization“, where the relationship between the four meanings of God´s speech (with a priority of „God´s speech to us“) will be expressed.

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Anmerkungen

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1 Ich spreche im Folgenden unscharf von „säkularisierter Welt“ als einer Welt, in der das Wort Gott – ebenso wie religiöse Sprache insgesamt – explizit nicht mehr geläufig ist, und zwar im christlich-kirchlichen Sinn einer als Schöpfer, Erlöser und Vollender alles bestimmenden Wirklichkeit auch nicht der Sache nach. Mit diesem zumindest in Mitteleuropa ausgeprägten Befund sind verschiedene Begriffe von Säkularisierung nach J. Casanova verbunden: eine gesellschaftliche Differenzierung, die Gott als alles bestimmende Wirklichkeit nicht mehr plausibel werden lässt; eine Erosion religiöser Überzeugungen und Praktiken verbunden mit einer auch „postsäkular“ nicht zurückgegangenen Entkirchlichung, sowie eine Tendenz zur Privatisierung von Religion, welche Religion aus öffentlichen Diskursen zunehmend heraushalten will. Vgl. Gabriel, K. (2007).

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2 Zweites Vatikanum, Dei Verbum 9.

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3 Von diesem Zusammenhang her kann Theologie auf „Gottesrede 1“ zurückgeführt werden. Mit Karl Rahners „Hörer des Wortes“: „Theologie ist im ersten und ursprünglichen Sinn nicht ein System von durch menschliches Denken konstituierten gültigen Sätzen, sondern die Gesamtheit der von Gott selbst an den Menschen, obzwar in menschlicher Sprache, gerichteten göttlichen Rede“ (Rahner [1997], 17). Rahner nennt dies „positive Theologie“ im Unterschied zur scholastischen Theologie (ebd.).

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4 Vgl. Anm. 1.

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5 Mit Absicht spreche ich hier nicht mehr wie zuvor von „säkularisierter Welt“, sondern von „heutiger Welt“. Das lässt nicht nur die Möglichkeit offen, dass wir uns heute in einer von neuer Religiosität geprägten „postsäkularen Welt“ befinden, sondern auch den Umstand, dass säkularisierte Sprachwelt und eine nach wie vor gegebene Offenheit für Lebensorientierung an religiöser Erfahrung und transzendenzoffenem Denken in unabgeglichener Weise gleichzeitig auftreten können.

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6 Buber, M. (1962), 510.

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7 Es geht hier um Spiritualität nicht als ein Fach neben anderen, sondern als ein alle Fächer durchziehendes „Formalobjekt“ der Theologie. An der Theologischen Fakultät der Universität Innsbruck wurde mit Rücksicht auf eine derartige Notwendigkeit auf einen eigenen Studienzweig Spiritualität verzichtet. Die Alternative einer fächerübergreifenden Wahrnehmung des Themas Spiritualität droht aber angesichts bestehender Knappheiten (einem schwer zu reduzierenden Lernstoff bei immer weniger verfügbaren Wochenstunden bzw. ECTS-Punkten in der Lehre) unterzugehen.

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8 Bereits die öffentliche Benennung solcher Zeichen in ihrer theologischen Relevanz ist eine – prophetische – Sprachhandlung, welche die Wirklichkeit nicht nur konstatiert, sondern auch verändert.

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9 Fundamentaltheologisch ist hier erhellend: Bausenhart, G. (2010). Religionsphilosophisch vgl. Schaeffler, R. (1989).

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10 Zweites Vatikanum, Lumen gentium 35.

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11 Der Begriff geht auf Johannes Paul II. zurück. Zur Begriffsanalyse von „Evangelisierung“, „Neuevangelisierung“, „Selbstevangelisierung“ usw. vgl. Hirsch, G. (2009) 89-152.

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12 „Der Bruch zwischen Evangelium und Kultur ist ohne Zweifel das Drama unserer Zeitepoche, wie es auch das anderer Epochen gewesen ist“ (Paul VI., Evangelii Nuntiandi, Nr. 20).

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13 Vgl. Evangelii Gaudium, Nr. 119: „In allen Getauften, vom ersten bis zum letzten, wirkt die heiligende Kraft des Geistes, die zur Evangelisierung drängt.“

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14 „Evangelisierung meint nicht nur Mission in einfachem Sinne, d. h. im Sinne von Heidenmission. Denn die Evangelisierung der Nichtgläubigen setzt die Selbstevangelisierung der Getauften voraus, ja sogar in einem gewissen Sinne die der Diakone, Priester und Bischöfe selbst. Evangelisierung geschieht durch Zeugen; ein Zeuge gibt sein Zeugnis allerdings nicht allein durch Worte, sondern durch sein Leben. Wir dürfen auch nicht vergessen, dass das Wort Zeugnis auf Griechisch ‚Martyrium‘ heißt. In dieser Hinsicht können die alten Kirchen viel von den jungen Kirchen lernen, von ihrer Dynamik, ihrem Leben und Zeugnis bis hin zum Martyrium, der Blutzeugenschaft“ (Schlussdokument der Außerordentlichen Bischofssynode 1985, 11; Hervorhebung W.S.).

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15 „Wie wünschte ich die richtigen Worte zu finden, um zu einer Etappe der Evangelisierung zu ermutigen, die mehr Eifer, Freude, Großzügigkeit, Kühnheit aufweist, die ganz von Liebe erfüllt ist und von einem Leben, das ansteckend wirkt! Aber ich weiß, dass keine Motivation ausreichen wird, wenn in den Herzen nicht das Feuer des Heiligen Geistes brennt“ (Evangelii Gaudium, Nr. 261).

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16 Schon das Zweite Vatikanische Konzil sieht Jesus Christus als primäres Subjekt auch der gegenwärtigen Evangelisierung: „Christus, der große Prophet [...] erfüllt bis zur vollen Offenbarung der Herrlichkeit sein prophetisches Amt nicht nur durch die Hierarchie, die in seinem Namen und in seiner Vollmacht lehrt, sondern auch durch die Laien. Sie bestellt er deshalb zu Zeugen und rüstet sie mit dem Glaubenssinn und der Gnade des Wortes aus (vgl. Apg 2,17-18; Offb 19,10), damit die Kraft des Evangeliums im alltäglichen Familien- und Gesellschaftsleben aufleuchte. [...] Diese Evangelisation, das heißt die Verkündigung der Botschaft Christi durch das Zeugnis des Lebens und das Wort, bekommt eine eigentümliche Prägung und besondere Wirksamkeit von da her, daß sie in den gewöhnlichen Verhältnissen der Welt erfüllt wird ...“ (Lumen Gentium 35; Hervorhebungen W.S.).

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17 Dass Arme evangelisieren können, ist zumindest vom Evangelium her naheliegender, als dass das für Reiche gilt. Es wird aber leicht übersehen, wo Arme vorrangig als Adressaten der Fürsorge wahrgenommen werden.

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18 „Aus diesem Grund wünsche ich mir eine arme Kirche für die Armen. Sie haben uns vieles zu lehren. Sie haben nicht nur Teil am sensus fidei, sondern kennen außerdem dank ihrer eigenen Leiden den leidenden Christus. Es ist nötig, dass wir alle uns von ihnen evangelisieren lassen“ (Evangelii Gaudium, Nr. 198; Hervorhebung von mir). – Ja selbst Nichtchristen kommen nach Papst Franziskus als Subjekte der Evangelisierung in Frage: „Sie haben nicht die Bedeutung und die Wirksamkeit der von Christus eingesetzten Sakramente, können aber Kanäle sein, die der Geist selber schafft, um die Nichtchristen vom atheistischen Immanentismus oder von rein individuellen religiösen Erfahrungen zu befreien“ (Evangelii Gaudium, Nr. 254).

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19 Zur dialogischen Dimension von Evangelisierung vgl. Hollenweger, W. (1982), 640.

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20 „Es gilt — und zwar nicht nur dekorativ wie durch einen oberflächlichen Anstrich, sondern mit vitaler Kraft in der Tiefe und bis zu ihren Wurzeln — die Kultur und die Kulturen des Menschen im vollen und umfassenden Sinn, den diese Begriffe in Gaudium et spes haben, zu evangelisieren, wobei man immer von der Person ausgeht und dann stets zu den Beziehungen der Personen untereinander und mit Gott fortschreitet“ (Evangelii Nuntiandi, Nr. 20, Hervorhebung W.S.).

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21 In kirchlichen Dokumenten und Theologie der letzten Jahre ist hier eine Gegenbewegung zu verzeichnen. Das fällt auch bei Papst Franziskus auf, der den Blick über die Kirche hinaus wieder mehr in die Mitte rückt. Vgl. Evangelii Gaudium, passim.

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22 Ein solches Verständnis von Evangelisieren entspricht dem im Neuen Testament häufigen Verb „euanggelizomai“ (55 mal). Z.B.: „Wenn ich nämlich das Evangelium verkünde [ean gar euanggelízomai], kann ich mich deswegen nicht rühmen; denn ein Zwang liegt auf mir. Weh mir, wenn ich das Evangelium nicht verkünde [ean me euanggelísomai]!“ (1 Kor 9,16).

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23 Vgl. dazu sehr kritisch und zugleich differenzierend: Hollenweger (1982).

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24 Wie im Folgenden noch deutlicher werden wird, geht es dabei nicht um eine einseitige Bevorzugung einer „kontemplativen Maria“ gegenüber einer „aktiven Marta“, sondern um ein Hören vor dem Tun, damit die Mission in der „missio Dei“ (vgl. Anm. 32) gründet.

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25 Das sind die zwei leitenden Wahlsprüche der pfingstlerischen Missionarin Heidi Baker. Vgl. Baker, H. (2012), sowie zu deren Person und Werk: Baker, H. u. R. (2003). Diese auf Menschen am gesellschaftlichen Rand fokussierte Ausrichtung nicht auf Massen, sondern auf den jeweils begegnenden Einzelnen (vgl. das Gleichnis vom barmherzigen Samariter) entspricht einem zentralen Anliegen von Papst Franziskus: „In einer Zivilisation, die an der Anonymität leidet und paradoxerweise zugleich, schamlos krank an einer ungesunden Neugier, darauf versessen ist, Details aus dem Leben der anderen zu erfahren, braucht die Kirche den Blick der Nähe, um den anderen anzuschauen, gerührt zu werden und vor ihm Halt zu machen, so oft es nötig ist“ (Evangelii Gaudium, Nr. 169). Erstaunlicherweise scheint gerade die Konzentration auf den jeweiligen Einzelnen Evangelisationsbewegungen in Gang zu setzen, die sehr viele Menschen erreichen. Auch das wird an der evangelistischen Tätigkeit von Heidi Baker in Mosambik deutlich.

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26 Damit ist nichts gesagt gegen einen behutsamen Einsatz eines Altarrufs, etwa am Ende von Glaubensseminaren, wo nach erfahrener Gnade und der empfangenen Erkenntnissen nun die Möglichkeit zu einer entsprechenden Glaubensentscheidung, z.B. in der Weise einer Tauferneuerung, eröffnet wird. Was ich hier problematisiere, ist eine im evangelikalem Umfeld manchmal gegebene einseitige Fixierung auf das Moment der Entscheidung, wobei missachtet wird, dass es dafür einen Kairos gibt, entsprechend Jesu Umkehrforderung, welche gemäß Mk 1,15 in einen Kairos erfahrener Gnade und Einsicht hinein gesprochen ist. Zur evangelistischen Methode des Altarrufs oder altar call vgl. Schröder, A.-K. (2012).

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27 Solche Polarisierung kann in Zusammenhang gebracht werden mit der erbsündigen Situation einer „Seitenblick-Mentalität“, in der Menschen und Menschengruppen ihre individuelle bzw. kollektive Identität durch Abgrenzungen gegenüber bestimmten Anderen sicherstellen, im Unterschied zu einer glaubend auf Gott hin orientierten „positiv-bezogenen Identität“, welche einheitsstiftend und versöhnend wirkt. Vgl. dazu: Sandler, W. (2011), 40-47.

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28 Deshalb ist der Aufruf von Papst Franziskus am Anfang von Evangelii Gaudium keine Sentimentalität, sondern hochfunktional als Voraussetzung für den Ruf in die Evangelisierung: „Ich lade jeden Christen ein, gleich an welchem Ort und in welcher Lage er sich befindet, noch heute seine persönliche Begegnung mit Jesus Christus zu erneuern oder zumindest den Entschluss zu fassen, sich von ihm finden zu lassen, ihn jeden Tag ohne Unterlass zu suchen. Es gibt keinen Grund, weshalb jemand meinen könnte, diese Einladung gelte nicht ihm, denn ‚niemand ist von der Freude ausgeschlossen, die der Herr uns bringt‘. Wer etwas wagt, den enttäuscht der Herr nicht, und wenn jemand einen kleinen Schritt auf Jesus zu macht, entdeckt er, dass dieser bereits mit offenen Armen auf sein Kommen wartete. Das ist der Augenblick, um zu Jesus Christus zu sagen: ‚Herr, ich habe mich täuschen lassen, auf tausenderlei Weise bin ich vor deiner Liebe geflohen, doch hier bin ich wieder, um meinen Bund mit dir zu erneuern. Ich brauche dich. Kaufe mich wieder frei, nimm mich noch einmal auf in deine erlösenden Arme.‘“

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29 Zu einer theologischen Kritik von Polarisierung vgl. oben, Anm. 27.

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30 Dem entspricht eine verbreitete bescheidene Haltung, wonach Christen sich auch nur als Gottsucher bezeichnen wollen und jedes Zeugnis, gefunden zu haben – bzw. von Ihm gefunden worden zu sein – ängstlich vermeiden. Im Unterschied dazu ist eine Mitte anzustreben zwischen „schon gefunden“ und „noch unterwegs“, welche der Spannung von „Jetzt schon“ und „Noch nicht“ der Ankunft des Gottesreichs durch Jesus Christus entspricht. Zu dieser Spannung vgl. Sandler, W. (2014), 16-24.

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31  Zur Frage, inwieweit die durch das 2. Vatikanum breit etablierte Annahme einer Heilsmöglichkeit für Nichtchristen, auch an einer formellen Kirchengliedschaft vorbei, die Mission in eine Krise geführt hat, vgl. – teilweise bejahend – Martin, R. (2013), sowie – in Auseinandersetzung mit Karl Rahners Theologumenon vom anonymen Christen mit guten Gründen verneinend: Schwerdtfeger, N. (1982).
Die Konstatierung einer „Krise der Mission“ reicht allerdings bis vor das Zweite Vatikanische Konzil und Rahners Theologie vom anonymen Christen zurück. Bereits 1945 sprach Alfred Delp von Deutschland als einem Missionsland (vgl. Koch, K. [2011] 41-42). Und schon 1958 stellte der evangelische Theologe Walter Freytag auf der Weltmissionskonferenz in Ghana fest: „Damals hatte die Mission Probleme, heute ist sie sich selbst zum Problem geworden.“ (Zitiert nach Beyerhaus, P. [2009], 3).

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32 Zu dieser Perspektive auf dem Zweiten Vatikanischen Konzil vgl. oben, Anm. 16. Walter Kardinal Kasper sieht den trinitarischen Gott als eigentliches Subjekt von Mission (Kasper, W. [2011] 413.). Ähnlich Kurt Kardinal Koch: Nach ihm ist die Kirche missionierendes Subjekt in abgeleiteter Weise, auf der Grundlage einer trinitarischen Sendungstheologie (vgl. Koch, K. [2011], 153-154). In der evangelischen Missionstheologie ist die Einsicht, dass der dreifaltige Gott eigentliches Subjekt von Mission ist, mit dem Leitbegriff „missio Dei“ bereits 1952 (auf der Weltmissionskonferenz von Willingen) formuliert worden und geht auf Karl Barth zurück. Vgl. dazu mit differenzierter Zustimmung: Kasper W. (2011), 561.

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33 Vgl. Sandler, W. (2013).http://theol.uibk.ac.at/itl/1006.html

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34 Zweites Vatikanum, Ad gentes 13. Vgl. dazu Kol 4,3-5.

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35 Vgl. dazu Sandler, W. (2014).

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36 Zweites Vatikanum, Ad gentes 13.

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37 Evangelii Gaudium, Nr. 1.

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38 Vgl. dazu Sandler, W. (2012).

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39 Vgl. dazu: das Büchlein „Taufe im Heiligen Geist“: Theologischer Ausschuss ... (2013). Dort wird auch dokumentiert, dass die Rede von einem „Getauft werden im Heiligen Geist“ auf biblischer Grundlage u.a. von Papst Benedikt XVI. affirmativ verwendet wird (ebd. 9-10. Das Gleiche gilt für Papst Franziskus, etwa in seiner Ansprache an die 37. Nationalversammlung der Charismatischen Bewegung „Rinnovamento nello Spirito Santo“ vom Juni 2014: „Ich erwarte von euch, dass ihr mit allen in der Kirche die Gnade der „Geisttaufe“, der Taufe mit dem Heiligen Geist teilt – ein Ausdruck, der sich in der Apostelgeschichte findet (vgl. 1,5; 11,16)“. Zitiert nach: http://www.zenit.org/de/articles/ihr-habt-ein-grosses-geschenk-vom-herrn-erhalten).

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40 Vgl. z.B. Benedikt XVI. in seiner Ansprache an den Episkopat Lateinamerikas und der Karibik in Aparecida (2007): „Der Jünger, der auf diese Weise fest auf dem Felsen des Wortes Gottes steht, fühlt sich dazu angespornt, seinen Brüdern die gute Nachricht vom Heil zu bringen. Jüngerschaft und Mission sind gleichsam die zwei Seiten ein und derselben Medaille: Wenn der Jünger in Christus verliebt ist, kann er nicht aufhören, der Welt zu verkünden, daß allein Christus uns rettet (vgl. Apg 4,12). Der Jünger weiß nämlich, daß es ohne Christus kein Licht, keine Hoffnung, keine Liebe und keine Zukunft gibt“ (ebd. Nr. 3; Hervorhebung von mir). – Wenn das ein Schlüssel von Evangelisierung ist, was ja nachvollziehbar ist, so stellt sich die Frage: Wie kann Kirche es machen, dass Christen so in Christus verliebt werden? Bei allem geforderten und Berechtigten „Säen“ kann solche Ernte nicht gemacht, sondern nur als ein Geschenk der Gnade aufgefunden werden. Das Tun von Kirche ist damit nicht überflüssig. Es besteht in aktiver Wahrnehmung und Förderung, sowie behutsamer Lenkung.

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41 Vgl. Hirsch, G. (2009), 113.

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42 Zur Dramatik eines verfehlten Kairos vgl. Sandler W. (2014), 10-15.

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