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Wandinger Nikolaus: Mariä Empfängnis
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Mariä Empfängnis
(Predigt zum 8. Dezember 2001)

Autor:Wandinger Nikolaus
Veröffentlichung:
Kategoriepredigt
Abstrakt:Die Lesung spricht davon, dass Eva die Mutter aller Lebendigen ist. Wir sind ihr sehr ähnlich darin, dass wir gerne anderen die Schuld an unseren Fehlern geben - und wir tun das ein Stück weit auch mit Recht. So entsteht aber ein Teufelskreis. Diesen durchbricht Gott, indem er Maria eine außergewöhnliche Befähigung für ihre einmalige Aufgabe schenkt.
Publiziert in:# Originalbeitrag für den Leseraum
Datum:2001-12-13

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

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Lesungen: Gen 3,9-15.20; (Eph 1,3-6.11-12) Lk 1,26-38

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„Adam nannte seine Frau Eva (Leben), denn sie wurde die Mutter aller Lebendigen."

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Was ist das für ein Mensch, von dem das Buch Genesis da erzählt, dass er die Mutter aller Lebendigen wurde? Es ist eine Frau, die eine kleine Dummheit begeht, einen Fehler, eine Bagatelle - so scheint es; die den Mann, den sie liebt, mit hinein zieht in diesen Fehler; und dann, als es auffliegt und sich herausstellt, dass dieser Fehler, so klein er auch war, schlimme und ernste Folgen hat, sagt er: sie ist schuld; sagt sie: die Schlange ist schuld. Immer: jemand anders ist schuld, nur nicht ich. Und diese Frau wird die Mutter aller Lebendigen. Liebe Gläubige,

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so seltsam und naiv uns diese biblische Geschichte heute vorkommt, ist sie nicht von einer bestimmten Seite betrachtet sehr plausibel und ganz und gar nicht naiv, sondern sehr tief schürfend? Sind wir nicht Menschen wie diese Eva und dieser Adam, die oft Fehler machen, meistens solche, die scheinbar eh kleine Bagatellen sind; und dann stellt sich manchmal heraus: sie haben große Auswirkungen. Ich war einfach kurz ärgerlich und bin ein wenig laut geworden; aber den anderen hat mein wutverzerrtes Gesicht beim Schreien mehr verletzt als die lauten Worte. Mir ist die Hand einfach nur ausgerutscht, weil der Bengel so frech war, aber dieser Bengel, der doch mein Sohn ist, den ich liebe, er versteht die Welt nicht mehr und lernt, dass Liebe und Gewalt zusammen gehören. Und wenn uns die schwerwiegenden Folgen solcher zunächst scheinbar kleinen Fehler bewusst werden, dann entschuldigen wir uns gerne mit dem Hinweis auf andere: ich will das ja nicht, aber das kommt einfach über mich, wahrscheinlich, weil mein Vater auch so war: ich bin ganz sicher, dass er mich geliebt hat, aber er hat mich auch geschlagen; ich weiß zwar, dass das falsch ist, aber es passiert immer wieder.

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Ist also mein Vater schuld, oder dessen Vater oder der Ururgroßvater? Aber wie ging es dem in seiner Kindheit, betroffen von Inflation, Krieg usw.? Sind wir nicht alle so: wir machen Fehler, und wenn sich dann herausstellt, wie schlimm sie sind, dann war doch wer anderer schuld, nur nicht ich.

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Und wenn wir ehrlich sind: stimmt es nicht? Ist es nicht so, dass wir viele Fehler machen, weil an uns viele Fehler gemacht wurden? Ja, drücken wir es in der alten traditionellen Sprache des Glaubens aus: Ist es nicht so, dass wir oft selbst deshalb Täter und Täterinnen der Sünde sind, weil wir selbst Opfer der Sünde waren? Der Verweis auf die, die mich verletzt haben, als ein Grund dafür, dass ich andere verletze, ist nicht wirklich falsch, das wissen wir aus eigener Erfahrung, und das sagen uns die Psychologen. Die Kirche nennt diesen Zusammenhang seit langer Zeit „Erbsünde"; und wenn man diesen Begriff so versteht, dass er eben diesen Zusammenhang ausdrücken will, dass wir oft selbst schuldig werden, gerade weil zuvor andere an uns schuldig wurden, dann zeigt sich, wie wirksam diese Erbsünde in unserem Leben tatsächlich ist. Wir sind Kinder dieser Eva, nicht weil wir eine Sünde von ihr geerbt hätten, sondern weil es uns ständig so geht wie ihr.

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Ist das aber nicht eine fürchterliche Situation? Immer wieder schuldig werden, weil andere an mir schuldig wurden, über Generationen hinweg? Entseht so nicht ein Teufelskreis der Sünde, aus dem es gar kein Entkommen gibt? Auch das Buch Gen sieht das so in dem Teil, den die heutige Lesung ausgelassen hat (Gen 3,17-19): Dort bestraft Gott alle Beteiligten - die Frau, den Mann und die Schlange; er anerkennt den Zusammenhang, aber er akzeptiert das nicht als Entschuldigung. Sind wir also trotzdem schuld an allem? Oder wollen wir es wie Adam machen und sagen: „Schuld ist die Frau, die du, Gott, mir beigesellt hast, also eigentlich du"? Wir könnten sagen: „Du hast uns doch in diese Welt und dieses Leben gestellt und du hast die Welt so gemacht, dass wir so jämmerlich immer wieder versagen. Gib doch nicht uns die Schuld, sondern trag sie selber, Gott."

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Aber es gibt eine dritte Möglichkeit, die, von der das heutige Fest spricht. Es sagt: Es gibt einen Menschen, genannt Maria, die Mutter des Jesus aus Nazareth; dieser Frau hat Gott ein großes Geschenk gegeben: er hat dafür gesorgt, dass sie - vom ersten Moment ihrer Existenz an - alles was sie an Negativem erleiden musste, alles, was ihr in ihrem Leben an Unrecht angetan wurde, so verarbeiten konnte, dass sie nicht dadurch selbst zum Unrecht-Tun, zum Sündigen geführt wurde. In dieser Frau wurde der Teufelskreis von Gott durchbrochen. Und das nicht zu ihrem Privatvergnügen, sondern zum Heil aller: Weil Gott selber für uns Mensch werden wollte, sollte zumindest dieser menschgewordene Gott eine menschliche Mutter haben, die an ihm nicht schuldig wurde und ihm auch kein falsches Gottesbild vermittelte. Sondern sie sollte der eine Mensch in seinem Leben sein, an dem der Sohn Gottes, der wie jedes andere menschliches Kind von den Eltern lernen und Eigenschaften übernehmen würde, nur Gutes ablesen konnte.

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Das meinen wir, wenn wir das heutige Fest feiern. Der Aufforderung, er solle doch selber unsere Schuld tragen, ist Gott in Jesus von Nazareth nachgekommen: er hat unsere Schuld getragen. Aber nicht in dem Sinne, dass Jesus Gott die Schuld gegeben hätte für all das Böse, das Menschen tun; sondern in dem Sinn, dass er all das Unrecht, das Menschen ihm antaten, auf sich nahm ohne es zurückzugeben an die Täter oder weiterzugeben an andere. Diese Täter waren Menschen wie du und ich, Kinder der Eva, Menschen, die Böses tun, weil sie Böses erlitten haben. Deshalb sagen wir, Jesus hat die Sünde der ganzen Welt getragen.

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Weil er wusste, dass Gott ein liebender Vater ist, bei dem Liebe und Gewalt niemals zusammenfallen, darum wusste er auch, dass für uns gerade das Abschieben der Schuld auf andere und schließlich auf Gott die letzte und größte Gefahr im Teufelskreis der Sünde ist; und in Solidarität mit uns von der Sünde bedrohten Menschen hat er diese abgeschobene Schuld der Menschheit auf sich genommen und getragen. Doch dass er dies konnte, dass sein Gottesbild so rein und seine Gottesbeziehung so vertrauensvoll war, verdankte der Mensch Jesus von Nazareth vor allem seiner Mutter, in der Gott schon vorher den Teufelskreis der Sünde für ihn und für uns durchbrochen hatte. Liebe Gläubige,

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am Fest der „unbefleckten Empfängnis" Mariens geht es nicht um die Herabwürdigung der Empfängnis von uns anderen, es geht auch nicht um irgendwelche Flecken, es geht darum, dass Gott den Teufelskreis der Sünde - das Schuldigwerden, weil andere an mir schuldig geworden sind - an einer Stelle durchbrochen hat, um so uns allen einen Ausweg zu eröffnen. Gott hat Maria schon von Anfang an zur Begnadeten gemacht, als er sie vor diesem Teufelskreis bewahrte; er hat uns zu Begnadeten gemacht, weil er uns durch ihren Sohn aus diesem Teufelskreis erlöst hat.

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