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Forschungsbereiche – Universität Innsbruck

Forschungsbereiche

Unter Diskurs versteht man gemeinhin in einer Gesellschaft institutionell etablierte, geregelte und regulierende, wirklichkeitskonstituierende und handlungsdeterminierende soziale Praktiken. In der Diskursanalyse geht es dementsprechend darum, die für einen bestimmten Diskurs konstitutiven Regelsysteme auszumachen und aufzudecken.
Am Institut für Romanistik der Universität Innsbruck wird i.d.R. in einem ersten Schritt eine umfassende linguistische Diskursanalyse in Form von feinmaschigen sprachwissenschaftlichen Untersuchungen auf allen sprachlichen Ebenen von der Phonetik und Phonologie, der Semantik und Morphosyntax bis zur Frame- und Narrationsanalyse betrieben. In einem zweiten Schritt werden die sprachwissenschaftlichen Erkenntnisse interdisziplinär fruchtbar gemacht, und zwar speziell in der multimodalen Medienanalyse, der Interaktionsforschung, der Literaturlinguistik, der Theolinguistik sowie der Politolinguistik.

‚Frankophonie’ ist zunächst ein politisches Konzept, um (partiell) französischsprachige Staaten und Kulturräume außerhalb Frankreichs sowie deren kulturelle Produktionen zu bezeichnen. Die ‚frankophonen Literaturen’ verhalten sich in diesem Verständnis komplementär zur ‚französischen Literatur’. Wir (am Institut für Romanistik) verwenden die Bezeichnung ‚frankophone Literaturen’ jedoch breiter und bezeichnen damit alle in französischer Sprache verfassten literarischen Texte, die in ihrer Gesamtheit eine französischsprachige ‚Weltliteratur’ („littérature-monde en français“) begründen. Wir interessieren uns in unseren Forschungsarbeiten besonders für Frankreich, das französischsprachige Kanada (Québec), den Maghreb (Algerien, Marokko, Tunesien) und die französischsprachige Karibik (z.B. Haiti). Konzepte wie jene der Transkulturalität, der entangled/shared history, der Transferprozesse und der Übersetzung erlauben es uns, literarische Texte der frankophonen Welt aus transnationalen Perspektiven wahrzunehmen und ihre Verbunden- und Verwobenheit(en) zu erforschen. Postkoloniale Fragestellungen spielen dabei ebenso eine Rolle wie transnationale Erinnerungsprozesse oder literarische Ausdrucksformen von Hybridität und Migration.

Interaktionsforscher*innen analysieren mündliche Interaktion wie unter einem Mikroskop und zoomen ganz nah an Details des Miteinander-Sprechens heran. Sie interessieren sich dafür, wie bestimmte Gesprächstypen ablaufen (z.B. Alltagsgespräche oder Kommunikation in Institutionen) und welche Art von Regelhaftigkeit dem sprachlichen (und nicht-sprachlichen) Handeln von Gesprächsteilnehmer*innen zugrunde liegt. Außerdem wird untersucht, auf welche musterhafte Weise und mit welchen (multimodalen) Methoden die Interagierenden kommunikative Aufgaben (z.B. den Sprecherwechsel) bewerkstelligen. Bei der Analyse ist die Sequenzanalyse zentral, d.h. die Bedeutung oder Funktion eines Redebeitrags ist nicht intuitiv erschließbar, sondern wird erst anhand der Folgeäußerung des Gegenübers interpretierbar.

Die Lateinamerika-Studien stellen einen wichtigen Schwerpunkt in der Forschung unseres Instituts dar. Die Beschäftigung mit hispano- und lusoamerikanischen Kulturen, Literaturen und sprachlichen Varietäten konzentriert sich dabei hauptsächlich auf die Sprach- und Kulturräume der Karibik, des Cono Sur (Argentinien, Chile, Uruguay), des Andenraums sowie Mexikos. In linguistischer Ausrichtung gehen wir diskurs-, varietäten- und soziolinguistischen Ansätzen nach und fokussieren die Mehrsprachigkeit in den Amerikas. Die Literatur- und Kulturwissenschaft ist geprägt von interdisziplinären, transkulturellen, post- und dekolonialen sowie ökokritischen Ansätzen. Im Fokus stehen etwa Trauma-, Gewalt- und Memoriadiskurse, Formen der Populärkultur, Narrativen der Natur und des Wetters als auch transatlantische und transregionale Beziehungen.

Wir untersuchen Medien in ihren kulturhistorischen Erscheinungsformen, da diese unsere Wahrnehmung von Welt maßgeblich prägen. Aus literatur- und kulturwissenschaftlicher Perspektive liegt der Fokus zum einen auf dem Film (Schwerpunkte auf Stummfilm, Gender, Transkulturelles Kino) und zum anderen auf der Populärmusik (Chanson, Canzone, Canción, Rap, etc.) im Kontext der romanischsprachigen Kulturen. Aus sprachwissenschaftlicher Sicht befassen wir uns sowohl mit traditionellen Massenmedien wie Zeitungen und Zeitschriften als auch mit den sogenannten Neuen Medien, mit aktuellen Tendenzen und Entwicklungen im Bereich der Internet-Kommunikation und deren Auswirkungen auf unser Sprachverhalten.

Migrationsbewegungen sind ein historisches Phänomen und haben in der Kulturgeschichte zahlreiche Spuren hinterlassen. Sie kennzeichnen auch die alte und die neue Romania und werden in den Künsten wie Literatur, Film und Musik erzählt und reflektiert. Wir interessieren uns seit den 2000er Jahren für die sogenannten Migrationsliteraturen (z.B. Passages et ancrages. Dictionnaire des écrivains migrants en France), für kinematographische und erzählerische Verhandlungen von Flucht und Migration (z.B. Cinema of Migration in Italy since 1990) sowie für transkulturelle Aushandlungsprozesse in künstlerischen Artefakten. 

Warum wird ein Beruf im Deutschen „ergriffen“, während er im Italienischen, Französischen und Spanischen „umarmt“ wird (abbracciare una professione, embrasser un métier, abrazar una profesión)? Oder wieso fragt man im Italienischen und Spanischen für Wie alt bist du?, wie viele Jahre jemand hat (Quanti anni hai? ¿Cuántos años tienes?), und im Französischen einfach, welches Alter jemand hat (Quel âge as-tu ?)? Mit solchen Fragen befasst sich die Phraseologie, die sich verschiedenen Typen mehr oder weniger fester Wortverbindungen widmet, wie z.B. Idiomen (dt. jm. einen Korb geben), Kollokationen (dt. Pläne schmieden), Routineformeln (dt. Halt die Ohren steif!), Modellbildungen (dt. von X zu Y), Sprichwörtern oder formelhaften Texten (z.B. Todesanzeigen). An der Innsbrucker Romanistik stellt die Phraseologie schon seit ca. 20 Jahren einen Forschungsschwerpunkt dar und wird aus zahlreichen Perspektiven beleuchtet, so u.a. der Semantik (z.B. lexikalisierte Metaphern/Metonymien), der kontrastiven Linguistik und (Meta-)Lexikographie (Wörterbucherstellung), der Fehlerlinguistik (Lernerkorpusanalyse) und der Sprachdidaktik (Lehrmaterialerstellung).

Am Institut für Romanistik forschen wir schwerpunktmäßig zu Literaturen der unmittelbaren Gegenwart. Diese seit ca. 1990 produzierte Literatur verhandelt hochaktuelle, gesellschaftsrelevante Herausforderungen einer in vielerlei Hinsicht ‚extremen‘ Gegenwart, wie beispielsweise Migration und Exil, Terrorismus, Weitergabe von Traumata sowie gesellschaftliche Mechanismen der Stigmatisierung und Ausgrenzung des ‚Anderen‘. Von besonderem Interesse sind hierbei Verquickungen von individueller und kollektiver Geschichte, wobei Leerstellen und Lücken, Brüchen und Widersprüchen im individuellen sowie kollektiven Erinnern ein besonderer Stellenwert zukommt. Ein besonderes Augenmerk gilt gerade auch ästhetischen Strategien, die versuchen, die Komplexität einer globalisierten, durch vielfältige Simultaneitäts- und Pluralisierungseffekte gekennzeichneten Welt sag- und sichtbar zu machen. Im Sinne einer Ethik und Ästhetik des Care werden dabei auch Fragen der eigenen Verantwortung sowie der Gestaltung von Beziehungen zum Anderen aufgeworfen.

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