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Medizinfakultät 1938 – Universität Innsbruck

Peter Goller

Die Medizinische Fakultät der Universität Innsbruck im „März 1938“

(erscheint demnächst in Ärztinnen und Ärzte in Österreich 1938-1945. Entrechtung, Vertreibung, Ermordung, hrg. von Barbara Sauer und Ilse Reiter-Zatloukal)

Mit dem 13. März 1938 setzte an der Universität die politische und „rassische“ Verfolgung ein. Der Anglist Karl Brunner wurde des Rektoramtes enthoben und durch den nazistischen Historiker Harold Steinacker ersetzt. Neben Brunner galten vor allem der Neuzeithistoriker Ignaz Philipp Dengel, der Orientalist und Semitologe August Haffner und der Philosoph und Erziehungswissenschaftler Richard Strohal als Vertrauensleute des „Ständestaat-Systems“.

Steinacker berichtet am 14. März, dass er das Rektorat „kommissarisch“ übernommen hat, nicht zuletzt, um eine unkontrolliert wilde Nazifizierung hintanzuhalten, so war es etwa an der Hautklinik zu einem bandenähnlichen Konflikt zwischen NS-Ärzten gekommen, nachdem der Vorstand Leo Kumer, selbst „alter Waffenstudent“, wegen seiner zögerlichen Haltung in „Systemtagen“ vorübergehend in „Schutzhaft“ genommen worden war.

Das Medizinische Professorenkollegien huldigte dem „Führer“ halb religiös, wenn es im Sitzungsprotokoll der Fakultät vom 29. Juli 1938 heißt: „Dekan [Franz Josef Lang, Professor der Pathologie] begrüßt das Kollegium in der ersten Sitzung nach dem Anschluss und gibt seiner dankerfüllten Freude Ausdruck über die große Tat des Führers. Er spricht über die neuen Aufgaben, deren Durchführung die ns.-Weltanschauung vom Kollegium erwartet und ist sich gewiss, dass die Fakultät mit ganzer Kraft und Hingabe an der Erziehung ns. Ärzte, an der Gemeinschaft und Ertüchtigung des deutschen Volkes mitarbeiten wird.“ Den Weg in den faschistischen Krieg begrüßte das Medizinerkollegium dann am 19. Oktober 1938 so: „Vor Eingang in die Tagesordnung gedenkt Dekan [Lang] kurz der großen, mit äußerster Spannung einhergegangenen Ereignisse, die sich in den letzten Wochen abgespielt haben. ‚Wieder war es tiefste Not deutscher Volksgenossen, die einem Zwangsstaate widerwillens angehören mussten, wieder war es der Wille und die starke Hand unseres Führers Adolf Hitler, der 3 1/2 Millionen Sudetendeutschen den friedlichen Weg in die Heimat, ins Großdeutsche Reich öffnete. Wir Deutsche in der Ostmark, denen die unvergesslichen Märztage noch in lebendigster Erinnerung sind, können Not und Befreiung unserer Brüder im Sudetenland zutiefst im Herzen mitempfinden. Das Grenzlandschicksal, das ja auch unserer Universität seinen Stempel aufdrückt, verbindet uns in besonderem Maße mit dem jüngsten deutschen Gau. Ich möchte namens der ganzen Fakultät unserem Führer danken und unbedingte Gefolgschaft geloben.’“[1]

Im Wintersemester 1937/38 zählte die Universität Innsbruck 1757 Hörer (vier davon bekannten sich zur „israelitischen Konfession“), darunter 483 Mediziner (davon 45 Medizinerinnen). Im Wintersemester 1938/39 zählte die Hochschule – nach Aufhebung der katholisch-theologischen „Jesuitenfakultät“ – 1130 Studierende, darunter 544 Mediziner (davon 79 Medizinerinnen).

Die Universität zählte im Februar 1938 insgesamt 73 beamtete Hochschulprofessoren: 15 Theologen, 17 Mediziner, 10 Juristen [davon 2 Nationalökonomen] und 31 Philosophen, d.h. 17 Vertreter geistes- und 14 Vertreter naturwissenschaftlicher Fächer. An der Innsbrucker Universität lehrten zu Beginn des Sommersemester 1938 ferner 65 habilitierte Privatdozenten: 9 Theologen, 24 Mediziner, 6 Juristen, [davon 3 Nationalökonomen] und 26 Philosophen [davon 16 Naturwissenschaftler].[2]

Seit den „Sparprogrammen“ einsetzend 1931 waren an der Universität Innsbruck maximal 60 bis 70 wissenschaftliche Hilfskräfte bzw. Assistenten beschäftigt, der Großteil (ca. 50) an der Medizinischen Fakultät, nur ein oder zwei Assistentenstellen waren etwa den Rechts- und Staatswissenschaften zugeteilt.[3]

An der Rechtsfakultät wurden im Verlauf des Sommersemesters 1938 fünf von zehn Professoren enthoben, besonders schwer traf es den aus „rassischen Gründen“ entlassenen Zivilrechtler Karl Wolff. Die Professoren Ferdinand Kogler, Arnold Herdlitczka, Josef Godehard Ebers und Hans Bayer wurden mit unterschiedlichen Ruhestandszumessungen enthoben. 1939 wurde der Völkerrechtler Eduard Reut-Nicolussi wegen seiner Opposition in der Südtirolfrage gemaßregelt. Von den sechs Privatdozenten der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät wurde keinem die Lehrbefugnis entzogen.

An der Philosophischen Fakultät mussten von den 31 Professoren fünf die Universität verlassen. Der Musikwissenschaftler Wilhelm Fischer aus „rassischen Gründen“, der Historiker Ignaz Dengel, der Semitologe August Haffner, der Anglist Karl Brunner und der Philosoph Richard Strohal galten „aus weltanschaulichen Gründen“ als „untragbar“.

An der Philosophischen Fakultät wurde dem Botaniker Helmut Gams die Lehrbefugnis Ende 1938 aus „rassischen Gründen“ entzogen. Sechs weitere Dozenten galten als Exponenten des politischen Klerikalismus, weshalb ihnen zumindest temporär die Habilitation aberkannt wurde: den Philosophen Hubert Rohracher, Simon Moser und Hans Windischer, dem Anglisten Karl Hammerle, dem Klassischen Philologen Hans Öllacher und dem Kunsthistoriker Vinzenz Oberhammer.[4]

Schon vor der Aufhebung Katholisch-Theologischen Fakultät wurde das laufende Berufungsverfahren für den Privatdozenten des Neuen Testaments Paul Gächter SJ (1893-1983) eingestellt, nachdem im Juni 1938 zu Protokoll gegeben worden war, dass „Pater Gächter im Jahre 1937, vermutlich im Spätherbst, ein Führerbild auf seinem Schreibtisch liegen hatte. Auf die Frage Gächters (…), wer dies wohl sei und dessen Antwort, dass es der Führer sei, sagte P. Gächter: ‚Das ist der Henker Deutschlands.’ (…) Auch aus früheren Jahren erinnert sich [der Universitätsbedienstete] an gehässige Äußerungen P. Gächters über den Nationalsozialismus.“ Am 20. Juli 1938 wurde schließlich die gesamte, über ein austrofaschistisches Konkordat erst 1934 abgesicherte Katholisch-Theologische Fakultät aufgelöst.[5]

 

Entlassene Medizinprofessoren

An der Medizinischen Fakultät kam es unter den 17 Professoren zu sechs Enthebungen:[6]

  • Gustav Bayer (1879-1938) befürchtete die „rassische“ Verfolgung und flüchtete mit seiner 17 Jahre alten Tochter Helga zwei Tage nach dem „Anschluss“ in den Freitod. Bayer war 1904 auf Empfehlung von Sigmund Exner, einem der wissenschaftlichen Exponenten der „Wiener medizinischen Schule“, als Assistent an die Universität Innsbruck gekommen. International publizierte Forschungen zur Bedeutung der Nebennieren für die Physiologie und Pathologie, Arbeiten zur „Organotherapie“, zur Hormonforschung oder zu stoffwechsel-pathologischen Fragen trugen Bayer 1915 ein Extraordinariat und 1922 das Ordinariat ein. Jahrelang leitete Bayer das Institut für Experimentelle Pathologie an der Universität Innsbruck. Die Medizinische Fakultät Innsbruck meldete Anfang April 1938 dem NS-Dozentenbund: „Prof. Dr. Gustav Bayer war Halbjude. Er verübte unmittelbar nach der Machtergreifung Suicid.“ 1947 schrieb der Medizinerdekan verschämt von Gustav Bayers „in der nationalsozialistischen Bedrängung erfolgte[m] Freitode“.
  • Über Ernst Theodor Brücke (1880-1941), seit 1916/17 Ordinarius für Physiologie in Innsbruck, meldete das Medizinerdekanat im April 1938 an den NS-Dozentenbund: „Der bisherige Vorstand Prof. Dr. Ernst Th. von Brücke ist Halbjude und mit einer Jüdin verheiratet. Er ist derzeit beurlaubt, seine Stellung hier ist unhaltbar.“ 1939 flüchtete Brücke in die USA, wo er mit Hilfe eines Stipendiums an der Harvard Medical School forschen konnte.
  • Wilhelm Bauer (1886-1956), seit 1933 Extraordinarius für Zahnheilkunde, galt dem Innsbrucker Rektorat schon Anfang April 1938 als enthoben: „Prof. Dr. Wilhelm Bauer, Jude, (…), ist jetzt enthoben.“ Bauers Kindern wurde das Weiterstudium an der Universität Innsbruck nach dem Sommersemester 1938 verwehrt. Nach der Emigration in die USA übernahm Bauer das „Departement of Pathology of St. Louis University of Medicine“. Schon 1925 hatten die Vertreter der Burschenschaften „Brixia“, „Germania“, „Pappenheimer“ und der „Suevia“ dem Senat im Zug von Bauers Habilitationsverfahren eine Resolution vorgelegt, nichts unversucht zu lassen, „um unsere Universität vor einem jüdischen Lehrer zu bewahren“.
  • Zusätzlich wurden der „demokratischer Gesinnung“ verdächtige Chemiker Martin Henze und der knapp vor dem „Anschluss“ ernannte, als „System“-Mann geltende Psychiater Hubert Urban aus ihren Lehrämter enthoben. Martin Henze (1873-1956), 1910 Extraordinarius an der Universität Leipzig, leitete bis 1920 auch die biochemische Abteilung der Zoologischen Station Neapel. 1921 als Professor für Medizinische Chemie nach Innsbruck ernannt wurde er auf Druck des NS-Studentenbundes als selbst „für den Rest des Sommer-Semesters [1938] wegen seiner ablehnenden Haltung gegenüber dem Nationalsozialismus als untragbar bezeichnet“. Henze lebte fortan in der Nähe von Innsbruck, von wo ihn 1946 sein in der US-Armee kämpfender Sohn nach Pasadena, Kalifornien holte.
  • Hubert Urban (1904-1997), Privatdozent der Universität Wien, Primar der neurologischen Abteilung am Versorgungsheim der Stadt Wien, wurde nach einem Sondervotum der „Dienststelle der Vaterländischen Front an der Universität Innsbruck“ auf „schriftlichen Wunsch des Herrn Bundesministers für Unterricht Dr. Pernter“ hin nach Innsbruck befördert. Ende April 1938 wurde Urban von den NS-Stellen entlassen, da Urban „gegen den ausdrücklichen Willen der Fakultät allein wegen seiner politischen Einstellung“ ernannt worden sei. 1945 reaktiviert heißt es im Personalbogen Urbans: „Am 13.III.38 Entfernung ohne Pension. 3 Jahre im Wehrdienst als Unterarzt, Hausdurchsuchungen u. verschiedene wirtschaftl. u. berufliche Nachteile.“
  • Hinzu kam der Fall des Dermatologen Leo Kumer (1886-1951), der in nazistischen Kreisen als zwischen 1933 und 1938 schwankender „Waffenstudent“ galt. Kumer wurde in ein Wiener Primariat rückversetzt. Kumer, seit 1928 Ordinarius für Haut- und Geschlechtskrankheiten in Innsbruck, nach dem „Anschluss“ vorübergehend verhaftet, gab in seinem Standesblatt an: „Mitgliedschaft in nationalen Verbänden: Wiener akad. Burschenschaft Silesia, Alldeutscher Verband, Verein deutscher Ärzte, Verband alter Burschenschafter, Schulverein Südmark - Politische Betätigung: Großdeutsche Volkspartei“. Der Historiker Harold Steinacker, NS-Rektor in Innsbruck, führte zum Schutze Kumers Ende 1938 aus: Kumer „hat sich als ein hervorragender Wissenschaftler und besonders einflussreicher Arzt bewährt und allseits Anerkennung gefunden. Über Einschreiten der Ärzteschaft beim Umbruch enthoben, wurde Professor Kumer auch auf eigenes Ansuchen beurlaubt und hat gegen sich Untersuchung beantragt. Die schwerwiegendste der gegen ihn erhobenen Anschuldigungen hat sich nach den Rektoratsakten und den vom Dozentenbund durchgeführten Erhebungen als unzutreffend erwiesen. Es scheinen von seiner Seite wohl Ungeschicklichkeiten und ein gewisser Mangel an Widerstandskraft gegen den Druck des Systems vorzuliegen. (…) Jedenfalls wäre es nach meiner Meinung nicht gerechtfertigt Professor Kumer zu verwehren, seine Arbeitskraft und sein reiches ärztliches Wissen auf einem neuen Posten der Volksgesundheit zu widmen, besonders da die Dermatologie in der Ostmark ein besonders stark verjudetes und in der Ära Arzt-Kerl auch sonst mit politisch unzuverlässigen Elementen durchsetztes Fach ist. Unter diesen Umständen lässt es sich wohl schwer verantworten, einen hervorragenden arischen Fachmann auszuschalten.“

 

Entzogene Dozenturen

An der Medizinischen Fakultät verloren von 24 Dozenten zwei die Lehrbefugnis:

  • Leo Haslhofer (Jg. 1901), dem vormaligen Innsbrucker Assistenten der Pathologischen Anatomie und späteren Primar am Krankenhaus der Stadt Wien-Lainz, wurde die Lehrbefugnis im Zuge eines Umhabilitierungs-Ansuchens an die Universität Wien Ende 1938 aberkannt. Der Dekan der Medizinischen Fakultät Wien Eduard Pernkopf schrieb im November an seinen Innsbrucker Amtskollegen: „Der mit dem Titel eines außerordentlichen Professors bekleidete Privatdozent für pathologische Anatomie an der Universität Innsbruck, Dr. Leo Haslhofer, hat h.o. um die Verleihung der venia legendi für pathologische Anatomie als Privatdozent der Universität Wien angesucht. Der NSD Dozentenbund hat diese Habilitation aus politischen Gründen abgelehnt. Ich beehre mich die Anfrage zu richten, ob die Universität Innsbruck bzw. der dortige NSD Dozentenbund die venia legendi dem Dr. Haslhofer bezw. den Titel eines a.o. Professors belässt oder zu entziehen beabsichtigt.“ Der Innsbrucker NS-Dozentenbundführer Ludwig Kofler ersuchte den Innsbrucker Dekan Ende November 1938: „Ich bitte, dem Dr. Haslhofer die venia legendi und den Titel eines a.o. Professor zu entziehen, da Dr. Haslhofer ein aktiver Vertreter der Systemregierung war.“ Rektor und Dekan stimmten zu.
  • Richard Stöhr (1902-1991), seit 1929 Assistent am Medizinisch Chemischen Institut der Universität Innsbruck, 1933 habilitiert, wurde wegen der „rassischen“ Herkunft seiner Frau denunziert. In das Standesblatt Stöhrs wurde 1938 von fremder Handschrift in die Rubrik der Ehefrau Stöhrs eingefügt: „j[üdischer] Mischl[ing] ersten Gr[ades]“. Rektor Steinacker hält 1939 in ns-rassistischen Kategorien fest: „Der Privatdozent Dr. Richard Stöhr hat als solcher keinen Beamtencharakter. Er würde einen solchen erst durch Verleihung einer Dozentur der neuen Ordnung empfangen. Dies wird aber nicht wohl möglich sein, denn er ist mit einer Halbjüdin verheiratet. Er hat daher noch 1938 seine Assistentenstelle zurückgelegt. Er ist im Begriffe, eine Stellung in der Industrie anzunehmen und möchte erst nach Abschluss seiner diesbezüglichen Verhandlungen auf die Privatdozentur freiwillig verzichten.“ 1945 wurde Stöhr in Innsbruck Ordinarius für Medizinische Chemie.

 

Entfernte Assistenten

Folgende Assistenten wurden (zumindest vorübergehend) aus ihren Stellen an der Medizinischen Fakultät im Verlauf des Jahres 1938 entlassen:

  • Der jahrelang als Assistent, seit 1935 als Extraordinarius der Chirurgie tätige Emil Just (1892-1946) wurde im Sommer 1938 nach einer erzwungenen Selbstanzeige suspendiert, konnte sich dann aber in der Stelle halten: „In den Gerüchten wird mir Denunziation von Kollegen und zwar Prof. [Hugo] Gasteiger, Prof. [Otto] Hoche und Prof. [Jürg] Mathis wegen ihrer politischen Gesinnung nachgesagt, die ich durch einen Brief an irgendeine höhere Stelle getätigt hätte. Dadurch wäre Kollege Gasteiger genötigt gewesen ins Altreich zu gehen, Kollege Hoche hätte seine Stelle an der chirurg. Klinik aufgeben müssen und Kollege Mathis wäre nicht rechtzeitig Professor geworden.“ Diese Vorwürfe hatte Histologiedozent Jürg Mathis vorgebracht. Nach einem Aktenfund im Wiener Unterrichtsministerium wurden diese Vorwürfe gegen Just im Oktober 1938 zurückgenommen: „In der Zeit vor dem Umbruch erhielt Prof. Mathis (…) die Mitteilung, dass er dem Ministerium als 100% Nationalsozialist bekannt sei und dass diese Kenntnis auf Mitteilungen Prof. Justs beruht. Da auch andere Anzeichen in derselben Richtung vorlagen, hatte Prof. Mathis keinen Grund, an der Richtigkeit der obigen Nachricht zu zweifeln. (…) Im Laufe des Sommers 1938 wurde im Wiener Ministerium der fragliche Akt ausgehoben und hiebei festgestellt, dass der Brief mit der Kennzeichnung von Prof. Mathis als Nat.Soz. nicht von Prof. Just stammt. Hievon hat Prof. Mathis sowohl Prof. [Max] Clara und [Prof. Sigmund] Schumacher wie dem Ärztebund als auch der Geheimen Staatspolizei sofort Mitteilung gemacht.“ Die „Affäre Just“ verdeutlicht das politisch reaktionäre akademische Denunziantenmilieu!
  • Ludwig Hörbst (1903-1981), seit 1934 Assistent bei der Hals-, Nasen-, Ohrenklinik, im März 1938 „zwei Tage in Schutzhaft“, erhielt im August 1938 vom Dekan der Medizinischen Fakultät die Mitteilung, dass sein Habilitationsverfahren abgebrochen wird: „Das Verfahren ist [1937] aufgenommen worden und bis zur Probevorlesung gediehen. Infolge des Umbruches im März 1938 kam es aus politischen Gründen nicht mehr zum Abschluss.“ Hörbst wurde 1945 nach der Befreiung HNO-Klinikvorstand, 1953 Dekan, 1964 Rektor der Universität Innsbruck.
  • Karl Larcher (1909-1955), ab 1934 Assistent bei der psychiatrisch-neurologischen Klinik, wurde „als CVer“ von Gaudozentenbundführer Ludwig Kofler, Professor der Pharmakognosie, im Oktober 1938 abschlägig beurteilt: „Infolge der vom Gaupersonalamt erhaltenen ungünstigen Beurteilung kann einer Weiterbestellung des Dr. Karl Larcher als Assistent an der Psychiatrisch-neurologischen Klinik nicht zugestimmt werden.“ Larchers Witwe wurde 1955 keine Wiedergutmachung nach dem „Beamtenentschädigungsgesetz“ gewährt.
  • Franz Schmuttermayer (Jg. 1898), ab 1926 Assistent bei der psychiatrisch-neurologischen Klinik Innsbruck, berichtete im Juli 1935 dem Salzburger Erzbischof: „Über den ehemaligen Assistenten der Innsbrucker Chirurgischen Klinik Dr. Walter Vogl habe ich auch durch verschiedentliche Erkundigungen kein ganz eindeutiges Urteil gewinnen können, weil Vogl, wie ich schon zu erwähnen Gelegenheit hatte, gerade zur kritischesten Zeit nicht mehr an der Klinik war (er ist mit Ende 1933 ausgetreten). Immerhin konnte ich in Erfahrung bringen, dass Vogl den ‚Skalden’ zugehörte, also jedenfalls seinerzeit großdeutsch orientiert war, und dass er sich im Jahre 1933 von den übrigen, überwiegend nationalsozialistisch eingestellten Herren der Chirurgischen Klinik nicht abhob und eine vaterländische Gesinnung nicht erkennen ließ (ohne dass doch, wie bei andern, geradezu ein Beweis für seine Zugehörigkeit zur nationalsozialistischen Partei vorläge). (…) In eigener Sache habe ich hier zu meiner Überraschung erfahren, dass nicht bloß, wie ich mündlich berichten durfte, der mehrfach erwähnte übelste Assistent meiner Klinik Dr. [Otto] Reisch gegen seine Ablehnung durch das Ministerium unausgesetzt Sturm läuft (…), sondern dass auch der Rekurs des (…) seit November 1934 kaltgestellten, vom Ministerium aus guten Gründen als Assistent und als Leiter der Klinik abgelehnten früheren Assistenten der Klinik Doz. [Helmut] Scharfetter, den ich längst abgetan glaubte, immer noch nicht endgültig abgewiesen ist. Beide Herren erfreuen sich hier der Unterstützung der oppositionellen Clique des Professorenkollegiums, (…).“ Friedrich Plattner, ehemals Dozent der Physiologie an der Universität Innsbruck, 1934 nach illegaler NS-Tätigkeit in „das Reich“ geflüchtet, nun Staatssekretär für Erziehung, Kultus und Volksbildung in Wien, verlangte im November 1938 die Entlassung Schmuttermayers durch Rektor Steinacker: „In der Anlage übersende ich Ihnen Photokopie eines Schreibens, das Dr. Franz Schmuttermayer im Jahre 1935 an den Erzbischof von Salzburg gerichtet hat. Aus diesem Schreiben geht wohl eindeutig hervor, dass Schmuttermayer dem Erzbischof mehrfach über Kollegen Bericht erstattet hat. Dass diese Berichte vom System verwertet wurden, geht daraus hervor, dass dieser Brief in der Spezialkorrespondenz [Unterrichtsminister Hans] Pernters hier aufgefunden wurde. Ich erachte es für unerlässlich, dass gegen Schmuttermayer auf Grund dieses Tatbestandes mit Entlassung vorgegangen wird.“ Medizinerdekan Lang entließ Schmuttermayer am 18. November 1938: „Über Einschreiten des NSD-Dozentenbundes sehe ich mich veranlasst, Sie mit sofortiger Wirkung von ihrem Dienst zu entheben.“
  • Richard Schönherr, Assistent bei der Medizinischen Klinik Innsbruck seit 1936, später Primararzt in Zams, verlor seine Position nach erfolgter Anzeige durch einen Mitbewerber, auch wenn Steinacker im Juni 1938 zögerlich entschied: „Dr. Richard Schönherr, (…), ist CVer (Austria). Er gilt als anständiger Charakter und ist großdeutsch eingestellt.“
  • An der medizinischen Fakultät Innsbruck wurde nach dem „Anschluss“ 1938 eine nicht genau zu eruierende Anzahl von (Hilfs-) Ärzten politisch (zumeist als „Ständestaatler“) eliminiert. So erklärte Dozentenbundführer Ludwig Kofler Anfang Mai 1938 gegenüber Mediziner-Dekan Franz Josef Lang: „Ich ersuche folgenden Hilfsärzten mit Rücksicht auf ihre politische Einstellung zu kündigen: Anton Liener, Dr. Johann Guberth, Dr. Josef Bergmann, Dr. Josef Hackhofer.“

Der wie selbstverständlich geführte universitäre „Arier“-Diskurs führte dazu, dass auch großdeutsch und „völkisch alldeutsch“ orientierte Professoren wie der Chirurg Burghard Breitner (1884-1956) und der Gerichtsmediziner Karl Meixner (1879-1955) sich wegen ihrer „Abstammung“ innerhalb des eigenen nazistisch bürgerlichen Hochschulnetzwerks rechtfertigen mussten.

Breitner, seit 1932 Ordinarius für Chirurgie in Innsbruck, in der Zweiten Republik 1950 als VdU-Kandidat bei der Bundespräsidentenwahl gegen Theodor Körner antretend und zu Beginn der 1950er Jahre auch Rektor der Universität Innsbruck, war schon in den Ruhestand versetzt, als er auf Intervention von Rektor Steinacker im Sommer 1940 mittels „Führerentscheidung“ „deutschblütigen Personen“ gleich gestellt wurde, „soweit nicht etwa bei Ihnen ein fremdrassiger Bluteinschlag von anderer Seite hinzukommt“.

Karl Meixner, seit 1927 Professor für gerichtliche Medizin in Innsbruck, wurde 1940 von Rektor Steinacker verteidigt: „War schon bei dieser Sachlage kein begründeter Anlass dafür vorhanden, ernstliche Zweifel in die arische Abstammung von Professor Meixner zu setzen, so bin ich in der Einschätzung auch noch durch die ganze bisherige Haltung von Professor Meixner und seiner Familie bestärkt worden. Professor Meixner hat sich schon seit seiner Studentenzeit stets als freiheitlicher, nationalbewusster Mann gehalten und insbesondere auch seine Kinder in einem Geiste erzogen, der seine Bewährung in der illegalen Zeit erwiesen hat.“ [7]

Gegenüber jüdischen Studierenden, die aus NS-Deutschland geflüchtet waren, war Karl Meixner in der Tat schon 1933 gehässig vorgegangen, indem er etwa im Mai 1933 als Dekan den Studenten Rolf Günther Meyer aus Remscheid zurückgewiesen hatte. Meyer klagte erfolglos am 7. Mai 1933 beim Unterrichtsministerium in Wien: „Ende März fragte ich an der Innsbrucker Universität an, ob ich, da ich mosaischer Konfession bin, ohne Schwierigkeiten dort studieren könnte. (…) Als ich mich beim Dekan der med. Fakultät (Prof. Dr. Meixner) meldete, wies er mich ohne triftige Begründung zurück, obgleich sich seine Handlung, wie er selbst sagte, auf kein Gesetz gründete.“[8]

Über den 1924 an der HNO-Klinik Innsbruck habilitierten Walter Stupka (1885-1950), seit seiner Ernennung zum Primar am Krankenhaus Wiener Neustadt eigentlich nicht mehr in Innsbruck als Privatdozent lehrend, merkte Dekan Lang Ende April 1938 an: „Von dem im Stande der Medizinischen Fakultät befindlichen Privatdozenten besteht lediglich bei Privatdozent Dr. W. Stupka (Wiener Neustadt) Zweifel, ob die Bestätigung seiner Lehrbefugnis zu widerrufen sei. Trotz dringlicher Anfrage besteht hierorts noch immer keine Kenntnis darüber, ob Dr. Stupka Jude ist oder als Jude zu gelten hat. Sollte von ihm und seiner Frau der Nachweis der arischen Abkunft erbracht werden, werde ich das Rektorat hievon unverzüglich in Kenntnis setzen.“ Stupka konnte dann den „Ariernachweis“ im Sinn des NS-Faschismus und der akademischen Behörden Innsbrucks erbringen.[9]

 

Ausgeschlossene Studierende

Um der „Überfremdung der deutschösterreichischen Hochschulen durch jüdische Hörer zu steuern“ wurde mit Erlass des Unterrichtsministeriums vom 29. März 1938 ein numerus-clausus verfügt. An der Universität Innsbruck suchten daraufhin für das Sommersemester 1938

  • Hans Bauer (Jg. 1916, 6. Semester, medizinische Fakultät),
  • Inge Bauer (Jg. 1918, 2. Semester, medizinische Fakultät, beide sind mit ihrem Vater Wilhelm Bauer in die USA emigriert),
  • Robert Popper (Jg. 1909, Sohn eines Versicherungsbeamten, Dr.med. 1935, 2. Semester des zahnärztlichen Lehrganges)
  • und Maria Magdalena (Cecily) Heller (Jg. 1914, Tochter eines Innsbrucker Rechtsanwalts, 10. Semester, philosophische Fakultät, später katholische Ordensfrau in England),

um nochmalige Durchführung der Inskription an, die vom Rektorat ausnahmsweise bewilligt wurde.

Die Angriffe auf Robert Popper zeigen die Verbindung von kleinbürgerlichem Konkurrenzdenken und nazistischer Verfolgung. Am 3. Mai 1938 schrieb der Gauobmann des NSD-Ärztebundes für Tirol an den kommissarischen Leiter der Zahnklinik Franz Riha: „Unter Bezugnahme auf unser Gespräch wegen der in Ihrem Institut zur Ausbildung tätigen jüdischen Ärzte gebe ich Ihnen bekannt, dass der Landesärzteführer mir folgende, etwas lakonische Auskunft erteilte: ‚Auf Ihr Schreiben vom 23.d.M. teile ich Ihnen nach Rücksprache mit Pg. Dr. Ramm mit, dass der Vorstand der Zahnklinik dafür Sorge tragen soll, dass er keine jüdischen Zahnärzte ausbildet.’“ Riha selbst hatte am 2. Mai 1938 an „Eure Magnifizenz“ geschrieben: „Der Einviertel-Jude Dr. [Walter] Freund [geb. 1902 in Wekelsdorf in Böhmen, zuständig nach Wien, 1921 Matura in Arnau, 1937 in Innsbruck zum Dr.med. promoviert] und der Volljude Dr. Popper sind im zweiten Semester des zahnärztlichen Lehrganges inskribiert. Ich bitte um Weisungen, ob die genannten Ärzte weiters den Lehrgang besuchen und in der Klinik arbeiten dürfen.“[10]

Die Verfolgung wurde im Verlauf des Jahres 1938 immer mehr verschärft. Am 23. Juni 1938 wurde vom Rektorat der Universität Innsbruck folgender Aktenvermerk angelegt: „Ministerium f. innere und kulturelle Angelegenheiten – Dr. Sittner, teilt telephonisch mit, dass inländische Juden bis Ende des Studienjahres 1937/38 auch zu Promotionen zugelassen werden, jedoch getrennt von allen anderen Promovenden und ohne Feierlichkeiten, so wie bei ausländischen Juden. – 23./6. 38 – 10 h vorm.“ In Innsbruck betraf das schon Niemanden mehr.

Am 15. November 1938 teilte das Rektorat dem Reichserziehungsministerium mit, künftig keinem jüdischen Immatrikulationswerber eine Zulassungsbescheinigung zu erteilen. Die Universität Innsbruck meldete beflissen, sie sei bereits im laufenden Wintersemester 1938/39 „judenfrei“.

Am 29. November 1938 wurden die Rektoren der „Hochschulen in der Ostmark“ mit Ministerialschreiben ferner „eingeladen, zur Vermeidung von Unzukömmlichkeiten Juden überhaupt vom Besuche der Hochschulbibliotheken auszuschließen“. Rektor Steinacker notierte darauf hin am 5. Dezember 1938 eifrig: „Herrn Direktor Flatscher zur Kenntnis mit dem Ersuchen, den Ausschluss aller Juden von Bibl.Besuch anzuordnen.“

Mit Ministerialdekret vom 17. Dezember 1938 wurden jüdische Gelehrte endgültig von der Benützung von Innsbrucker „Hochschulinstituten und Bibliotheken, u.s.w.“ ausgeschlossen.[11]

Die Eliminierung jüdischer Studierender wurde bis zum Ende des NS-Regimes mit bürokratischem Eifer verfolgt. Als die NS-Behörden 1944 die Bestimmungen über „die Zulassung von jüdischen Mischlingen zum Hochschulstudium“ verschärften, meldete Rektor Raimund Klebelsberg am 19. Mai 1944, dass an der Universität Innsbruck im laufenden Sommersemester 1944 nur eine Studierende als „Mischling 2. Grades“ zum Studium zugelassen sei:[12]

  • 1940 wurde etwa die 1917 in Villach geborene Gerda Weinländer erst nach einem bürokratischen Spießrutenlauf zur Dr.med. promoviert, da dem Rektorat bekannt war, dass einer ihrer „Urgroßväter Jude war“.[13]
  • Maria Kupelwieser (geb. 1917 in Wien) wurde Ende 1940 im Studienfortschritt gehindert, „da die Nachprüfung der Abstammung durch das Reichssippenamt noch nicht eingelangt ist“. Sie konnte dann doch knapp vor Kriegsende 1945 zur Dr.med. promovieren.[14]
  • So wurde 1943 die Innsbrucker Kaufmannstochter Lydia Weiskopf-Weiskoppen (Jg. 1924) als „Mischling 2. Grades“ vom Medizinstudium ausgeschlossen. Sie war auch wegen antinazistischer Äußerungen angezeigt worden.[15]

Im Zug von NS-Studentenbundaktionen gegen nationalbewusste Slowenen mussten 1939 die Brüder Anton und Stanislaus Jelen nach Jugoslawien flüchten. Anton Jelen (Jg. 1916) hat in Innsbruck Jus studiert. Er wurde 1942 nach dem deutschen Überfall auf Jugoslawien verhaftet und im Lager Conars interniert. Nach 1945 war er - an der Universität Wien promoviert – als Rechtsanwalt in Wien tätig. Sein Bruder Stanislaus Jelen (Jg. 1911) hat 1936 in Innsbruck das Medizinstudium aufgenommen. Nach seiner Flucht aus Innsbruck wurde er in Belgrad zum Dr.med. promoviert. 1946 hat die Universität Innsbruck diesen Grad nostrifiziert. Stanislaus Jelen war dann als Sprengelarzt in Feistritz in Kärnten tätig. Schon im Dezember 1938 erkundigte sich der NS-Studentenführer Innsbruck beim Medizinischen Dekan, warum den „beiden Slowenen Jelen, Stanislaus cand.med. 7. Sem. und Zulechner, Josefine, stud.med. 3.Sem. heuer die Kolleggeldbefreiung verweigert worden sei“. Am 5. August 1939 forderte dann die NSDAP-Gauleitung von Kärnten bei der Universitätsquästur Aufklärung, „wieso es möglich ist, dass obgenannte Anton und Stanislaus Jelen, obwohl das NS Studentenwerk eine Unterstützung der beiden abgelehnt hat, von sämtlichen Kollegiengeldern vollkommen befreit worden sind. Wir teilen unter einem mit, dass die Familie Jelen unter den Kärntner Nationalslovenen führend tätig ist. Die politische Zuverlässigkeit ist daher nicht gegeben.“[16]

Christoph Probst (Jg. 1919) wurde mit „Erkenntnis des Rektors der Deutschen Alpen-Universität“ vom 22. Februar 1943 Stunden vor seiner Hinrichtung – „auf Grund seines Geständnisses wegen aktiver kommunistischer Propaganda unter Anklage des Hochverrates gestellt“ – dauernd „vom Studium an allen deutschen Hochschulen“ ausgeschlossen. Probst, Angehöriger der Widerstandsgruppe „Weiße Rose“, war im Rahmen seiner militärischen Dienstpflicht bei einer Studentenkompanie zum Medizinstudium in Innsbruck zugeteilt. Erst am 9. Dezember 1942 hatte er in Innsbruck immatrikuliert. Am 22. Jänner 1943 schrieb er an Elise Probst: „Die letzte Woche war wieder recht ausgefüllt. Ich musste auch unbedingt alle Collegs, die ich diesmal belegt habe, hören, da man man am Anfang u. Ende des Semesters eine Unterschrift des Dozenten im Studienbuch braucht.“ Probst hielt Kontakt zu seinen Freunden Hans Scholl, Willi Graf oder Alexander Schmorell. In Innsbruck fühlte er sich isoliert, so schrieb er am 4. Februar 1943 an seine Schwester: „Hier in Innsbruck sind meine Tage ausgefüllt; dennoch bin ich durch den Mangel auch nur eines mir nahestehenden Menschen oft unbefriedigt. Aber auch in dieser Abgeschlossenheit und der Traurigkeit, die sie oft mit sich bringt, sehe ich eine notwendige Aufgabe.“[17]

Zwischen 1938 und 1945 wurden an der Universität Innsbruck sieben Doktorgrade aberkannt, u.a. „wegen Verlust der deutschen Staatszugehörigkeit“ jener von Wilhelm Berger (1889-1969), 1913 Dr.med. in Innsbruck, 1922 hier habilitiert und 1926 zum Prof. für Innere Medizin an die Universität Graz berufen, 1940 in die USA emigriert, dort Professor an der New York University, School of Medicine – oder jener der Wiener Universitätsdozentin Helene Wastl-Lippay (1896-1948, Tochter eines Innsbrucker Eisenbahnbeamten), die 1922 an der Universität Innsbruck promoviert worden war und für einige Zeit Mitarbeiterin von Ernst Theodor Brücke am Institut für Physiologie gewesen war. Später in Wien habilitiert lehrte sie nach 1938 in den USA.[18]

 

Nazistische „Wiedergutmachung“, medizinische „Aufbauprogramme“

Am 21. Mai 1938 beantragte Medizinerdekan Franz Josef Lang beim Rektorat im Rahmen eines „Aufbauprogramms“ die Neuausrichtung der nach dem Freitod Gustav Bayers vakanten Lehrkanzel: „Umwandlung des Institutes für allgemeine und experimentelle Pathologie in eine selbständige Unterabteilung der Lehrkanzel für Pathologie mit besonderer Pflege der Erbbiologie und Erbpathologie“.

Vorbild für Innsbruck war Wien: Mit Eduard Pernkopf und Friedrich Plattner hatten am 20. Juni 1938 zwei maßgebliche Funktionäre der NS-Medizin einen Bericht über ein zu gründendes „Erb- und rassenbiologisches Institut“ erstellt. Das Wiener Institut soll in zwei Einheiten aufgeteilt sein, eine Abteilung für „Rassen-Morphologie und Erbbiologie (Erblehre einschließlich Erbpathologie)“ und „eine erbklinische Abteilung, zugleich Beratungsstelle für Erb- und Rassenpflege“.

Aus der Reihe der in Frage kommenden Kandidaten berief die Innsbrucker Medizinfakultät den 1936 in München habilitierten Friedrich Stumpfl (1902-1997), der folgende wissenschaftliche Herkunft auswies: „Durch Professor Eugen Fischer – Berlin und Professor E. Rüdin – München, wurde mir 1936 die Möglichkeit geboten, im Reich wissenschaftlich weiterzuarbeiten.“ Politisch hat sich Stumpfl bei der Innsbrucker Universität Innsbruck 1939 so ausgewiesen: „Die politische Gesinnung meiner Familie ist entsprechend einer alten Tradition grundsätzlich großdeutsch und deutschvölkisch, somit antisemitisch und antiklerikal. (…) Ich gehörte lange Jahre dem Deutschen Schulverein Südmark, dem deutsch-schwedischen Verein ‚Svea’, in der Freiburger Zeit dem akademischen Ski-Klub Freiburg an und bin seit meiner Studentenzeit Mitglied der akademischen Sektion des deutschen und österr. Alpenvereins, der den Arier-Paragraphen enthält. Einer anderen Studenten-Verbindung habe ich nie angehört. Seit 15.1.1934 habe ich im Rahmen des Hilfsbundes (Kampfbundes) der Deutschösterreicher im Reich illegal für die NSDAP gearbeitet.“ Noch 1946 wollte die Innsbrucker Medizinfakultät Stumpfl halten. Nach seinem dann doch von Seite der französischen Militärregierung erzwungenen Abgang verlieh die Universität Innsbruck Stumpfl 1959 den Titel eines Universitätsprofessors.[19]

Stumpfl war in die durch Gustav Bayers Freitod erledigte pathologische Professur eingerückt, während Bayers Assistent Theodor Wense (1904-1977) in eine Diätendozentur aufrückte. Schon 1934 galt Wense der Tiroler Landesregierung als „überzeugter Anhänger der NSDAP“. Nach 1945 sollte Wense in die Professur, 1962 in das Dekansamt und 1968 auch in das Rektorsamt aufrücken.[20]

Die dermatologische Professur des enthobenen Leo Kumer übernahm Hans Loos (Jg. 1904). 1936 habilitiert gab Loos im Standesblatt 1938 an: „Politische Betätigung: Illeg. Mitglied der NSDAP, Mitglied NSKK (10.IV.1938), Mitglied NSD Dozentenbund (N. 236)“. Nach 1945 war er - amtsenthoben – als Facharzt in Innsbruck tätig.[21]

Der seit 1913 als Ordinarius für Histologie und Embryologie lehrende Sigmund Schumacher war im Sommersemester 1937 vorzeitig in den dauernden Ruhestand versetzt. Dekan Lang gab im Juni 1938 an, dass „zu dieser Pensionierung politische Gründe Anlass gaben, (…). Die beantragte Ernennung zum Honorarprofessor würde eine Wiedergutmachung der als Maßregelung aufzufassenden Pensionierung darstellen.“ Schumacher galt als jemand, der die „Bewährungsprobe als Nationalsozialist schon in der Systemzeit bestanden“ hatte. Auf Schumacher folgte sein ebenfalls früh nazistisch aktiver Assistent Jürg (Georg) Mathis (Jg. 1900). Mathis hielt für das Standesblatt fest: „Mitgliedschaft in nationalen Verbänden: Freie deutsche Finkenschaft (als Student), Deutscher Schulverein ‚Südmark’ - Politische Betätigung: bis 1933 Großdeutsche Volkspartei, Tiroler Heimatwehr, 15.5.1933 Anmeldung z. NSDAP, SA (Sturmführer), HJ (im Gebietsstab), Rassenpolit. Amt (Mitarbeiter), NSD-Dozentenbund, NS-Lehrerbund, NSV“. 1945 Amts enthoben war Mathis fortan als Facharzt für Zahnheilkunde tätig.[22]

Die nach dem vertriebenen Wilhelm Bauer offene zahnheilkundliche Lehrkanzel übernahm Franz Riha (1876-1962), ein loyaler NS-Anhänger. Auch Bauers ehemaliger Chef Bernhard Mayrhofer brachte sich noch einmal in Stellung. Der siebzigjährige Mayrhofer – er starb im August 1938 – war 1933 im Zug einer Pensionierungswelle gegen nazistisch sympathisierende Professoren in den vorzeitigen Ruhestand versetzt worden. Mayrhofer erklärte nach dem „Anschluss“, dass dies auch in seinem Fall eine politische Schikane gewesen sei, da er als „zu deutsch amtierender Rektor“ der Innsbrucker Universität im Studienjahr 1932/33 eine „große Schlageterfeier“ in der Universitätsaula abgehalten hatte.[23]

Für den nach wenigen Wochen wieder entfernten Psychiatrieprofessor Hubert Urban rückte der langjährige Innsbrucker Dozent Helmut Scharfetter nach. In die engere Kandidatenwahl war auch Otto Reisch (Jg. 1891) gekommen. Reisch, von 1926 bis 1936 Assistent an der psychiatrisch-neurologischen Klinik Innsbruck, war unter anderem Mitglied der illegalen Landesleitung der Tiroler NSDAP nach dem „Juliputsch“ 1934: „Nach dem Verlust aller Existenzmöglichkeiten wandte er sich Ende November 1936 nach Berlin, wo er vom Flüchtlingshilfswerk der NSDAP als politischer Flüchtling anerkannt wurde. Vom 11. Jänner 1937 bis Mitte März 1938 war er an der Neurologisch-Psychiatrischen Abteilung des Robert-Koch-Krankenhauses der Stadt Berlin als Oberarzt tätig. Dr. Otto Reisch ist seit April 1933 Mitglied der NSDAP, betätigte sich seit Dezember 1933 im Nachrichtendienst, gehörte 1934/35 als Geschäftsführer der Tiroler Gauleitung an, war dann 1935/36 Adjutant eines Mitgliedes der Österreichischen Landesleitung und wurde am 1. Juni 1936 zur SS übernommen. Seit dem 13. März 1938 ist Dr. Reisch in Wien, wo er vom Bürgermeister mit dem Neuaufbau des Gesundheitswesens der Gemeinde Wien betraut wurde, außerdem vom Reichsstatthalter als Referent für die Durchführung der Berufsbeamtenverordnung im Bereich sämtlicher Schulen, insbesonders der Universitäten, sowie sämtlicher leitender Arztstellen der Ostmark bestellt wurde.“ 1940 wurde Reisch Extraordinarius an der Universität Graz.[24]

Der schlussendlich ernannte Helmut Scharfetter (1893-1979), seit 1927 Privatdozent für Psychiatrie und Neurologie, gab 1938 an: „Mitgliedschaft in nationalen Verbänden: Akadem. Alpenklub, Deutsch. Turnverein Innsbruck, Großdeutsche Volkspartei, NSDAP, NSD Ärztebund, SS (Ausbildungsstab)“. Rektor Steinacker führte wenige Tage nach dem „Anschluss“ Scharfetter unterstützend aus: „Privatdozent Dr. Scharfetter wurde aus politischen Gründen sowohl die Betrauung mit der Supplierung der Lehrkanzel (nach Prof. C.Mayer) als auch die Weiterbestellung als Assistent verweigert und unter Bezugnahme darauf (…) seine Ernennung zum Vorstand der Lehrkanzel abgelehnt.“ 1945 musste Scharfetter die Professur wieder an Hubert Urban abgeben. Von 1950 bis 1958 war Scharfetter dann Direktor der Tiroler Landesheil- und Pflegeanstalt in Hall.[25]

Bereits für das anlaufende Sommersemester 1938 wurde eine offensiv nazistische Assistenteneinstellungspolitik betrieben. Zahlreiche „illegal Verdiente“ kamen um „Wiedergutmachung“ ein. Walter Koban (Jg. 1909) wurde nach seiner im Juli 1938 erfolgten Promotion Hilfsarzt, dann ab 1941 HNO-Assistent. Koban, der als „SA-Sturmbannführer“ maßgeblich an der „Machtergreifung“ im März 1938 beteiligt war, gab ferner an: „Mitglied der NSDAP seit 9.1.1931“. Theodor Tapavicza (Jg. 1912) wurde im Mai 1938 Hilfsarzt, später Assistent an der Frauenklinik. Tapavicza führte im Personalblatt an: „NSDAP: seit Jänner 1933, Mitgliedskarte. SA: Seit April 1933, Ausweis - 1937 Mitglied der Österreichischen Legion“. Er verwies auf seine NS-Verdienste in den Jahren des „Systems“. Der bei der Histologie eingestellte Walter Märk berief sich Ende 1938 in seinem Ansuchen auf: „NSDAP-Mitglied seit 22.4.1932, Mitgliedsnr. 1.307.138, HJ vom Feber - 31. Juni 1931, SA seit 10.6.1931“. Der schon 1935 promovierte Norbert Piechl (Jg. 1911) urgierte seine Planstelle an der Inneren Medizin so: „Mitglied der NSDAP seit 1933 Nr. 1604374, SA seit April 1933“. Friedrich Ruttner (Jg. 1914) erklärte im Rahmen seiner Bewerbung um die Assistentenstelle bei der psychiatrisch-neurologischen Klinik im Oktober 1939: „Mitglied: NSDAP, SS“. Im Mai 1938 hatte Ruttner – am Ende seines Medizinstudiums stehend – angegeben: „Ich wurde am 12.3.1936 wegen meiner Betätigung für die NSDAP von der Bundespolizeidirektion Innsbruck zu einer Arreststrafe von 6 Monaten verurteilt und die folgenden 5 Semester von allen österreichischen Hochschulen verwiesen.“[26]

In den Wochen nach dem März 1938 rehabilitierten die Innsbrucker Studienbehörden zahlreiche NS-Studenten aus der „Kampfzeit“. So suchte der Medizinstudent Herbert Lausegger am 23. Mai 1938 um Anrechnung von Studienzeiten an: „Ich bin seit dem Jahre 1932 Parteigenosse, habe in der Zeit vom Oktober 1932 bis Ende 1935 in der SA Dienst gemacht, habe dann bis heute in der SS meinen ordnungsgemäßen Dienst geleistet. Ich war aus diesem Grunde nicht in der Lage, meinen Studien so gerecht zu werden, wie dies etwa notwendig gewesen wäre.“ Die 87. SS-Standarte bat „den Gesuchsteller nach Tunlichkeit berücksichtigen zu wollen“.[27]

Zu einer Zentralfigur der nazistischen „Gleichschaltung” der Innsbrucker Studentenschaft wurde der eigens aus dem „Altreich“ nach Innsbruck versetzte NS-Vertrauensmann Hanns Martin Schleyer. Schleyer leitete bis 1940 das offiziöse „Studentenwerk“ Innsbruck. 1970 wurde Schleyer zum „Ehrensenator“ der Universität Innsbruck ernannt.[28]

 

Forschungsprogramme – Illusionen von einer „Grenzland-Universität Süd“

Die inszenierten „Aufbauprogramme“ vom Frühjahr 1938 wurden schon 1939 Makulatur. Die Universität Innsbruck wurde zu Kriegsbeginn für das Wintersemester 1939/40 vorübergehend geschlossen. Gerüchte über eine definitive Aufhebung, eine Zusammenlegung mit München kursierten. Allein der Rückgang der Inskriptionen zum Beginn des 1. Trimester am 7. Jänner 1940 um über ein Viertel (gegenüber Anfang 1938) und der schon 1939 einsetzende Rückgang der Studienabschlüsse, der Promotionen um bis zu zwei Drittel waren Zeichen dafür, dass die Innsbrucker Professoren auf die faschistische Propaganda hineingefallen waren.

Mit dem „Anschluss“ hatten viele Universitätsgelehrte die Hoffnung auf eine grundlegende Verbesserung der materiellen Situation der Wissenschaft verbunden. Nach den Jahren materieller Auslaugung setzten die Professoren im Zusammenhang mit der Rüstungsscheinkonjunktur auf so genannte „Aufbauprogramme“. Kurzfristig gewährte Sonderdotationen nährten Illusionen vom Ausbau der Universität Innsbruck zu einer „deutschen Grenzlanduniversität Süd“.

Der Medizinerdekan plante schon im Sommer 1938 die Gründung einer großen, von der Universität geführten „heilklimatischen Station“ Hochserfaus. Für diesen Zweck sollte der Gießener Dermatologieprofessor Walter Schultze, seit Jahren ein faschistischer „Asozialenbekämpfer“, gewonnen werden. Schultze sollte als Direktor der Innsbrucker Hautklinik auch „Hochserfaus“ leiten. Berufung und Projekt scheiterten.[29]

Im Bereich der medizinischen und naturwissenschaftlichen Forschung gab es zahlreiche Einbindungen in die „Wehrforschung“, in Militär- und Rüstungsprogramme. Zahlreiche Forschungsprojekte der Universität Innsbruck waren zwischen 1940 und 1945 über das so genannte Planungsamt beim Reichsforschungsrat (kurz als „Stelle Osenberg“ bezeichnet) koordiniert, so neben physikalisch-chemischen Forschungen die pharmakognostischen Vorhaben des NS-Dozentenbundleiters aus „illegaler Zeit“ Ludwig Kofler, der einen Teil der Institutsarbeit als „kriegswichtige Forschungsaufgaben“ deklarieren konnte, so „Mikromethoden“, die „sich auch zur Untersuchung von organischen Sprengstoffen eignen“, so Forschungen zur „Galvanonarkose“ am von Medizinerdekan Ferdinand Scheminzky geleiteten physiologischen Institut, so medizinisch-chemische Projekte, so im Bereich der Physik Untersuchungen zur „Auslösung von Neutronen (aus Atomkernen) durch energiereiche Strahlung“, die unter dem Titel „Sperr-Versuchskommando Kiel (Kriegsmarine) Geheime Kommandosache“ zugeordnet waren.[30]

Nach der Befreiung 1945 gab es im Zug der Dachauer Ärzteprozesse Vorwürfe gegen die am pharmakologischen Institut angesiedelten Forschungen, die unter dem „Kennwort: Bezoldeffekt - Wehrmachtauftragsnummer: S 4891-5162 (513/10-III/43)“ und dem „Kennwort: Kälteschäden - Wehrmachtsauftragsnummer: S 4891-5163 (514/10-III/43)“ liefen. Möglicherweise wussten Professoren verschiedener Universitäten (z.B. in Marburg oder Freiburg) über koordinierende Tagungen dieser weit verzweigten Forschungen (etwa im Zug einer Tagung in Nürnberg 1941) davon, dass im Rahmen der „Kälteversuche“ im KZ Dachau Häftlinge gequält und ermordet wurden. Am 9. August 1942 meldete Adolf Jarisch (1891-1965) als Direktor des Pharmakologischen Instituts etwa dem Dekan der Medizinischen Fakultät Innsbruck: „Ich möchte Ihnen mitteilen, dass ich über Aufforderung des Kanzlers der Deutschen Luftfahrtforschung am vergangenen Freitag vor prominenten Vertretern der Wehrmacht, Wissenschaft und Technik in Berlin über unsere Entdeckungen Bericht erstattet habe. Ich habe dabei nicht schlecht abgeschnitten.“ Im Dezember 1945 wurde Jarisch im Zug der Vorbereitung der „Dachauer Ärzteprozesse“ mit Vorwürfen konfrontiert und nach einer „Sitzung des Ausschusses in der Angelegenheit der Abkühlungsforschungen von Adolf Jarisch in der Rektoratskanzlei Innsbruck“ Ende 1945 ohne nähere Prüfung so entlastet: „Die Erwähnung von Prof. Jarisch bezieht sich bloß auf dessen Tierversuche. (…) Aus den übrigen Akten geht hervor, dass Prof. Jarisch im Auftrag des Reichsluftfahrtministeriums die Wirkung der Abkühlung nur an Tieren erforscht hat. Aus den Akten ergibt sich auch nicht, dass Prof. Jarisch solche Versuche an Menschen angeregt hat. Es wird einstimmig festgestellt, dass in dem Prozess gegen die Dachauer Kriegsverbrecher der Name Jarisch nie erwähnt wurde.“[31]

Im Zusammenhang mit Fragen, ob der Wissenschaftsbetrieb der Universität Innsbruck unmittelbar von (Kriegs-) Verbrechen des deutschen Faschismus profitiert hat, wäre von der historischen Forschung u.a. noch aufzuarbeiten: Sind Leichen von hingerichteten Widerstandskämpfer/inne/n der Innsbrucker Anatomie übergeben wurden? Am 15. Juli 1942 meldete Medizinerdekan Franz Josef Lang in Übereinstimmung mit Anatomieprofessor Felix Sieglbauer jedenfalls an den Polizeidirektor in Salzburg: „Zu V-39.00/42 vom 9.7.1942 teile ich mit, dass die Medizinische Fakultät der Universität Innsbruck vom Recht Gebrauch macht und die Überlassung justifizierter Militärpersonen beansprucht. Anschrift: Anatomisches Institut Innsbruck, Müllerstr. 59, Fernruf 351. Überführung der Leichen mit der Bahn in Kisten, die vom Anatomischen Institut bereitgestellt werden.“[32]

Gibt es einen Zusammenhang zwischen den „Zwillingsforschungen“ und dem „Erb- und Rassenbiologischen Institut Innsbruck“? Dies wurde 1994/95 von einer Auschwitz Überlebenden aus Anlass eines Besuchs des österreichischen Bundespräsidenten Thomas Klestil in Israel bezeugt.[33]

Viele Fragen sind noch offen. Einige wurden aber jüngst im Rahmen von Forschungsprojekten aufgeklärt. Einige Vorhaben stehen vor dem Abschluss, so z.B.

  • Ina Friedmann: „Unfruchtbarmachung“ und „freiwillige Entmannung“. Die Innsbrucker Universitätskliniken und die Erbgesundheitsgerichte des Reichsgaues Tirol-Vorarlberg. Zu Burghard Breitner.
  • Gabriele Czarnowski: Gynäkologie im Nationalsozialismus.
  • Thomas Albrich, Bertrand Perz, Oliver Seifert, u.a. (Hrg.): Schlussbericht der Kommission zur Untersuchung der Vorgänge um den Anstaltsfriedhof des Psychiatrischen Krankenhauses in Hall in Tirol in den Jahren 1942 bis 1945, Innsbruck 2014.
  • Friedrich Stepanek, Andrea Sommerauer und Stefan Lechner (Hrg.): Beiträge zur Geschichte der Heil- und Pflegeanstalt Hall in Tirol im Nationalsozialismus und zu ihrer Rezeption nach 1945, Innsbruck 2015.
  • Stefan Lechner: Die Absiedelung der Schwachen in das „Dritte Reich“. Alte, kranke pflegebedürftige und behinderte Südtiroler 1939-1945, Innsbruck 2016.
  • Maximilian Freilinger, Lars Klimaschewski, Erich Brenner: Innsbruck’s histological institute in the third Reich: Specimens from NS-victims, in: Annals of Anatomy – Anatomischer Anzeiger 241 (April 2022), 1-14 (und weitere Publikationen dieser von Prof. Brenner geleiteten Arbeitsgruppe).

 


[1] Universitätsarchiv Innsbruck (=UAI), Reihe „Med. Fakultätssitzungsprotokolle nach 1869, chronologisch“.

[2] UAI, Karton „Statistik 1937-1945“.

[3] Vgl. Peter Goller: Die politische Lage an der Universität Innsbruck 1933/34 – 1938 – 1945/1950. Austrofaschismus – Nazismus – Restauration – Entnazifizierung, in: Johannes Koll (Hrg.): „Säuberungen“ an österreichischen Hochschulen 1934-1945. Voraussetzungen, Prozesse, Folgen, Wien 2017, 365-403.

[4] Vollständige Liste aller Enthobenen einschließlich der Assistent/inn/en, Lektor/inn/en und des Verwaltungspersonals bei Gerhard Oberkofler: Bericht über die Opfer des Nationalsozialismus an der Universität Innsbruck, in: Zeitgeschichte 8 (1981), 142-149 und nach Peter Goller/Georg Tidl: Jubel ohne Ende. Die Universität Innsbruck im März 1938, Wien 2012.

[5] UAI, Akten des Rektorats 2215 aus 1937/38. Vgl. Andreas Batlogg: Die Theologische Fakultät Innsbruck zwischen „Anschluss“ und Aufhebung (1938), in: Zeitschrift für Katholische Theologie 120 (1998), 164-183.

[6] Die folgenden Angaben zu entlassenen Professoren, Dozenten und Assistenten erfolgen nach den Sammelaktpositionen UAI, Akten des Rektorats 1554-1598 aus 1937/38. Die biographischen Daten sind erhoben nach Franz Huter (Hrg.): Hundert Jahre Medizinische Fakultät Innsbruck 1869 bis 1969, 2 Bände, Innsbruck 1969.

[7] UAI, Personalakten Burghard Breitner und Karl Meixner.

[8] UAI, Akten des Rektorats 2086 aus 1932/33.

[9] Über Stupka UAI, Akten des Rektorats 1643 aus 1937/38.

[10] UAI, Akten des Rektorats 741 aus 1938/39.

[11] Ausschluss jüdischer Studierender („Zulassung von Juden und Mischlingen zur Immatrikulation und zu den Hochschulprüfungen“) nach UAI, Akten des Rektorats 788, 1516, 1653, 1659, 1660, 1703 aus 1937/38.

[12] UAI, Akten des Rektorats 1804, 2014 aus 1942/43 und 70 aus 1943/44.

[13] UAI, Akten des Rektorats 2125 aus 1939/40.

[14] UAI, Karton „Med. Dissertationsgutachten 1940-1946“.

[15] UAI, Akten des Rektorats 2107 aus 1943/44.

[16] UAI, Akten des Rektorats 1000 und 2669 aus 1938/39 und 601 aus 1945/56.

[17] UAI, Akten des Rektorats 2050 aus 1942/43. Zitiert nach Christiane Moll (Hrg.): Alexander Schmorell. Christoph Probst. Gesammelte Briefe, Berlin 2011, 868, 877.

[18] Vollständig aufgelistet und beschrieben bei Katharina Santer: „An alle Hochschulen“. Zur Entziehung der Doktorwürde an der „Deutschen Alpen-Universität Innsbruck“ 1938-1945, in: Österreichische Hochschulen im 20. Jahrhundert. Austrofaschismus, Nationalsozialismus und die Folgen, hrg. von der Österreichischen HochschülerInnenschaft, Wien 2012, 145-159.

[19] UAI, Personalakt Friedrich Stumpfl.

[20] UAI, Personalakt Theodor Wense.

[21] UAI, Personalakt Hans Loos.

[22] UAI, Medizinische Habilitations- und Personalakten, Akt „J. Mathis“.

[23] UAI, Akten des Rektorats 1652 aus 1938/39 („Freigewordene medizinische Professuren“). Auf den entlassenen Physiologen Ernst Theodor Brücke folgte der Breslauer Professor Richard Wagner. Wagner wurde 1941 nach München berufen, worauf der Wiener Extraordinarius Ferdinand Scheminzky nach Innsbruck folgte. – Für den entlassenen Medizinischen Chemiker Martin Henze nannte die Innsbrucker Fakultät den Frankfurter Physikochemiker Hans Jost.

[24] Über Reisch vgl. Petra Scheiblechner: „… Politisch ist er einwandfrei …“. Kurzbiographien der an der Medizinischen Fakultät der Universität Graz in der Zeit von 1938 bis 1945 tätigen WissenschaftlerInnen, Graz 2002, 213-215 und Michael Hubenstorf: Kontinuität und Bruch in der Medizingeschichte. Medizin in Österreich 1938 bis 1955, in: Kontinuität und Bruch. 1938-1945-1955. Beiträge zur österreichischen Kultur- und Wissenschaftsgeschichte, hrg. von Friedrich Stadler, Neuauflage, Münster 2004, 299-332, hier 316, 328.

[25] UAI, Medizinische Berufungsakten 1869-1945, Berufungsakt „Psychiatrie/Neurologie nach Carl Mayer 1936-1938“.

[26] UAI, Sammelakt „Medizinische Assistentenstellen 1938ff.“ unter Akten des Rektorats 1964 aus 1938/39.

[27] UAI, Akten des Rektorats 1834, 1888 und 1945 aus 1937/38.

[28] Vgl. Otto Köhler: Der Blutzeuge. Porträt eines Corpsstudenten (H.M. Schleyer), o.J. und Lutz Hachmeister: Schleyer. Eine deutsche Biographie, München 2004, 154-159.

[29] UAI, NS-Sonderakten, Karton „Aufbauprogramme 1938“.

[30] UAI, NS-Sonderakten, Karton „Verschiedenes/Forschungsaufträge“. Auch nach Gerhard Oberkofler/Peter Goller (Hrg.): Die medizinische Fakultät Innsbruck. Faschistische Realität (1938) und Kontinuität unter postfaschistischen Bedingungen (1945). Eine Dokumentation, Innsbruck 1999.

[31] UAI, Personalakt Adolf Jarisch. Vgl. Karl Heinz Roth: Tödliche Höhen. Die Unterdruckkammer-Experimente im Konzentrationslager Dachau und ihre Bedeutung für die luftfahrtmedizinische Forschung des „Dritten Reichs“, in: Vernichten und Heilen. Der Nürnberger Ärzteprozess und seine Folgen, hrg. von Angelika Ebbinghaus und Klaus Dörner, Berlin 2002, 110-151.

[32] UAI, Akten des Rektorats 1621 aus 1938/39 und 1848 aus 1941/42 („Überweisung von Leichen hingerichteter an die anatomischen Institute“, „Leichen justifizierter Militärpersonen“). Vgl. Herwig Czech: Von der Richtstätte auf den Seziertisch. Zur anatomischen Verwertung von NS-Opfern in Wien, Innsbruck und Graz, in: Jahrbuch des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstandes 2015, 141-190.

[33] Anfrage der Bundespräsidentschaftskanzlei an den Dekan der Medizinischen Fakultät der Universität Innsbruck aus 1995, einliegend unter UAI, Personalakt Friedrich Stumpfl.

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