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Franz Hillebrand – Universität Innsbruck

Franz Hillebrand
Dokumente/Bilder im Anhang

Pierre Sachse und Peter Goller

Die Innsbrucker wahrnehmungspsychologische Tradition im internationalen Umfeld: Von Franz Hillebrand bis Theodor Erismann und Ivo Kohler (1896-1981). Dokumente/Faksimile im Anhang

 1897 genehmigte das Wiener Unterrichtsministerium die Errichtung eines Institutes für Experimentelle Psychologie an der Universität Innsbruck. Für das Folgejahr wurden 1500 Gulden für die Ersteinrichtung des Institutes (wissenschaftliche Apparate und Bücher) sowie als Jahresdotation dreimal jährlich 200 Gulden in Aussicht gestellt. Als Institutsgründer fungierte Franz Hillebrand (1863-1926). An der Universität Wien fehlte etwa noch ein experimentalpsychologisches Labor. Erst drei Jahre zuvor war an der Universität Graz (1894) von Alexius Meinong (1853-1920) eine experimentalpsychologische Forschungsstätte gegründet worden. Sowohl Meinong als auch Hillebrand waren Schüler des Philosophen Franz Brentano (1838-1917).

Im Herbst 1904 konnte Hillebrand endlich halbwegs brauchbare Räumlichkeiten im Neubau des Physiologisch-physikalisch-hygienischen Instituts in der Schöpfstraße 41 in Innsbruck beziehen. Sieben Jahre nach der Institutsgründung musste Hillebrand aber immer noch fordern: „Die Beschaffung jenes Minimums an wissenschaftlichem Inventare, ohne welches ein derartiges Institut … nicht functionieren kann, war bisher unmöglich, einerseits wegen zu geringer Geldmittel, anderseits darum, weil der ohnehin viel zu beschränkte Raum im Spital sich als so hochgradig feucht erwies, daß der Unterzeichnete um sein kärgliches Instrumentarium vor dem Zugrundegehen durch Rost zu schützen, sich genötigt sah, dasselbe zeitweilig in anderen Instituten unterzubringen ... Das Laboratorium entbehrt einer Reihe von Instrumenten, die ständig benötigt werden: so fehlen Instrumente für Zeitmessungen und die dazugehörigen Hilfsapparate; es fehlen eine Elementen- bzw. Accumulatorenanlage, Inductorien, Schalt- und Contactapparate etc. Außerdem sind gewisse, u. zw. etwas kostspieligere Ergänzungen der Bibliothek ganz unentbehrlich: so die Neuanschaffung der ersten 18 Bände der Zeitschrift für Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane und der Wundt’schen ‚Studien‘ (21 Bände) etc.“

 

Franz Hillebrand (1896-1926)

Franz Hillebrand (1863-1926) hatte in Wien dem engeren Schülerkreis des Philosophen Franz Brentano angehört. 1886 übersiedelte Hillebrand an die deutsche Universität in Prag, wo ihm Anton Marty nicht nur die Philosophie Brentanos vermittelte, sondern ihm auch in einem bescheidenen Laboratorium („Kabinett“) einen ersten Zugang zur experimentellen Psychologie ermöglichte. Hillebrands postgraduale Prager Studienzeit erwies sich für ihn insofern als prägend, wurde Hillebrand doch vor Ort maßgeblich durch den Physiologen Ewald Hering und den Physiker Ernst Mach in die experimentelle Forschung eingeführt.

Im Jahr 1889 erschien sodann Hillebrands erste wahrnehmungspsychologische Veröffentlichung „Über die specifische Helligkeit der Farben – Beiträge zur Psychologie der Gesichtsempfindungen“, die von Ewald Hering hochgeschätzt wurde. Hillebrand habilitierte sich 1891 an der Universität Wien mit einer philosophischen Arbeit über „Die neuen Theorien der kategorischen Schlüsse“, welche zu Recht als von Brentano beeinflusst gilt. Die Probevorlesung Hillebrands war hingegen bereits 1891 einem experimentalpsychologischen Thema gewidmet: „Die Adaption als allgemeine Beziehung zwischen Reiz und Empfindung“. Im Juni 1894 in Wien zum außerordentlichen Professor der Philosophie unter besonderer Berücksichtigung der experimentellen Psychologie ernannt kam Hillebrand 1896 als Ordinarius der Philosophie an die Universität Innsbruck.

Als Hillebrands Unterstützer bis zur Wegmarke Innsbruck gelten Franz Brentano, Ernst Mach, der in Berlin lehrende Brentano-Schüler Carl Stumpf und der später von Prag nach Leipzig übersiedelte Ewald Hering: Franz Hillebrand widmete seinem Prager Lehrer mit der Schrift „Ewald Hering: Ein Gedenkwort der Psychophysik“ (1918) einen großen wissenschaftlichen Nachruf.

Die am 19. Oktober 1896 von Hillebrand gehaltene Antrittsvorlesung über „Die experimentelle Psychologie, ihre Entstehung und ihre Aufgaben“ kann als ein Schlüsseldokument für die Periode der endgültigen Loslösung der Psychologie aus dem Verbund der „reinen“ Philosophie gesehen werden. Widmete sich Hillebrand in seinen zyklisch wiederholten Hauptvorlesungen anfänglich noch verschiedenen philosophischen Teilgebieten und der „allgemeinen Psychologie“, so zog er sich nach der Innsbruck-Berufung weiterer Brentano-Schüler wie jener von Alfred Kastil (von 1909 bis 1934 in Innsbruck) aus dem „rein“ philosophischen Lehrbetrieb weitgehend zurück. Seine Spezialkollegien kündigte er nun fortwährend als „Konservatorium über neuere Erscheinungen aus dem Gebiete der Psychologie“ an.

Über Hillebrands bahnbrechende Arbeit einer „Theorie der scheinbaren Größe bei binocularem Sehen“ (1902) äußerte sich niemand geringerer als Ernst Mach: „Sie haben den Weg gezeigt, einen alten psychologischen Aberglauben endgültig aus der Welt zu schaffen, wozu ich Ihnen herzlich gratuli[e]re.“ Mach spricht damit Hillebrands Verdienst an, als Erster das Problem der nicht-euklidisch (hyberbolischen) Raumwahrnehmung systematisch analysiert zu haben: Hillebrands Probanden sollten in „Alleen-Versuchen“ eine Anordnung von zwei Reihen hängender Fäden justieren, so dass diese Reihen in ihrem gesamten Verlauf parallel erscheinen – dabei wurde eine Abweichung von der wirklichen Parallelität deutlich, die etwas über die Geometrie des subjektiven Raumes gegenüber dem objektiven aussagt. Heute spricht man in der Fachliteratur immer noch von den „Hillebrand-Blumenfeld-Alleen-Versuchen“, benannt auch nach dem 1934 aus Deutschland vertriebenen Psychologen Walter Blumenfeld.

1922 veröffentliche der unablässig forschende, gesundheitlich angeschlagene Franz Hillebrand die Schrift „Zur Theorie der stroboskopischen Bewegungen“. Er griff mit dieser Arbeit unmittelbar in den Streit um Max Wertheimers „Experimentelle Studien über das Sehen von Bewegung“ (1912) ein, also in die Diskussion um das sogenannte Phi-Phänomen (Scheinbewegung). Wesentlich an diesem von Sigmund Exner 1875 entdeckten Phänomen ist, dass zwei ursprünglich getrennte Reize nunmehr als ein Reiz gesehen werden, es wird also eine phänomenale Identität erreicht. Wurde das Phi-Phänomen von Hillebrand anhand der „Theorie der Aufmerksamkeitswanderung“ erörtert, so erklärte es Wertheimer mit der „Kurzschlusstheorie“. Gegen die Kurzschlusstheorie spricht die Tatsache, dass der Weg der stroboskopischen Scheinbewegung nicht immer der kürzeste ist. Gegen die Theorie der Aufmerksamkeitswanderung wurde eingewandt, dass im selben Aufmerksamkeitsfeld entgegengesetzte stroboskopische Bewegungen gleichzeitig gesehen werden können. Aus der Analyse des Phi-Phänomens entwickelte Wertheimer die Grundideen der Gestalttheorie. Seine Leistung bestand darin, das Sehen von Bewegung als originäres, nicht weiter reduzierbares Phänomen aufzufassen.

Es war naheliegend, dass der bekannte Gestaltpsychologe Wolfgang Köhler in den Disput eingriff. In einem Brief vom Oktober 1922 schrieb er an Hillebrand: „… man muss sich schon anstrengen diese – fast möchte man sagen: raffinierte Ableitung des stroboskopischen Effektes gut zu verstehen. Ich will sehen, dass mir das noch besser als bisher gelingt, weil ich Ihre Arbeit gern in der ‘Psychol. Forschung‘ referieren möchte.“ Zugleich bittet er Hillebrand um Klärung diverser Fragen, um „über diese Bedenken fortzukommen“. Im Februar 1923 teilt Köhler mit, dass nun Wertheimer selbst die Replik auf Hillebrands Aufsatz leisten wird. „Ohne Zweifel werden Ihre Anschauungen Anlass zu lebhaftesten Diskussionen geben“. Auch Kurt Koffka in Gießen, ein weiterer Mitbegründer der Gestaltpsychologie, mit dem sich Hillebrand in seiner Arbeit kritisch auseinandergesetzt hat, reagiert sofort und drückt die Hoffnung aus, dass diese Arbeit „uns einer theoretischen Entscheidung ein Stück näher bringen“ werde.

Im Jahr 1913 hatte Hillebrand eine Streitschrift gegen „die Aussperrung der Psychologen“ publiziert. Es war die einzige Veröffentlichung seiner Innsbrucker Zeit, in welcher er sich mit Fragen der Philosophie auseinandersetzte. Mit dieser Schrift reagierte Hillebrand scharf auf die „Erklärung der Hundertsechs“ (Philosophen), die angeführt von den Philosophieprofessoren Rudolf Eucken, Edmund Husserl, Paul Natorp, Heinrich Rickert, Alois Riehl und Wilhelm Windelband die Fernhaltung der Vertreter der experimentellen Psychologie von den philosophischen Lehrstühlen verlangten. Im selben Jahr 1913 hatte bereits Wilhelm Wundt in seinem Essay „Die Psychologie im Kampf ums Dasein“ die Kontroverse pointiert zusammengefasst: „Die Philosophen sehen sich augenscheinlich in ihrem Besitzstande gefährdet“, „das Experimentieren ist eine banausische Kunst; demnach ist der experimentelle Psychologe bestenfalls ein wissenschaftlicher Handwerker. Ein Handwerker paßt aber nicht unter die Philosophen“. Wundt und Hillebrand sprachen sich gemeinsam für eine Beibehaltung des Status quo, der Ausbildung zukünftiger Psychologen im Rahmen der Philosophie, aus.

Hillebrands Frau Franziska Mayer-Hillebrand hat nach dem Tod ihres Mannes 1929 dessen späte experimentelle Arbeiten nach zurückgelassenen Aufzeichnungen als „Lehre von den Gesichtsempfindungen“ (1929) redigierend herausgegeben.

 

Theodor Erismann (1927-1954)

Theodor Erismann (1883-1961), Sohn eines Professors der Hygiene und eines Mitbegründers der Schweizer Sozialdemokratie, kam 1927 über die Universitäten Zürich, Straßburg und Bonn als Hillebrands Nachfolge nach Innsbruck. Unter dem Einfluss von Gustav Störring, einem Schüler von Wilhelm Wundt, wandte sich Erismann der physiologischen Psychologie zu.

Erismann galt der Innsbrucker Philosophischen Fakultät als der gewünschte Vertreter einer Einheit von Philosophie und Psychologie. Seine Arbeitsschwerpunkte am Innsbrucker Institut lagen über fast drei Jahrzehnte sowohl auf dem Gebiet der empirisch-experimentalpsychologischen Forschung als auch auf dem Gebiet der Philosophie (Erkenntnistheorie, Ontologie).

Entscheidend für die Innsbrucker Forscherjahre waren Erismanns „Brillenversuche“: Muss das Gesehene von Natur aus „vorn“ liegen? „Mit Hilfe von Spiegeln kann man ja leicht hinten und vorn ‚vertauschen‘ und dann zusehen, ob in einem längeren Versuch das in Wirklichkeit hinten Befindliche unbelehrbar ‚vorn‘ gesehen wird – oder, ob sich die Wahrnehmung umstellt“. Unter Zuhilfenahme eines Retroskops (das ist ein Spiegelsystem zur Bildumkehr), welches „vorn“ und „hinten“ vertauscht, untersuchten Erismann und sein Mitarbeiter Hubert Rohracher, später vor allem Ivo Kohler diese Frage. Nach den ersten Veröffentlichungen aus dem Innsbrucker Institut war es Theodor Erismann, der in einem dreiwöchigen Selbstversuch (1933) eine Prismenbrille trug. Die Versuche zum „Oben-Unten“-Sehen mit einer Umkehrbrille (Tische, Stühle, die eigenen Füße „hingen in der Luft“, die Füße gingen an der „Decke“, Wasserhähne tropften nach „oben“, Kerzen brannten nach “unten“ usw.) sowie die Studien mit Prismen- und Farbbrillen und deren Effekte, wie Scheinbewegungen, Farbverzerrungen oder Nacheffekte nach Abnahme der Spezialbrillen, fanden in der Öffentlichkeit natürlich Beachtung. Es war stets der Initiative, der Verve und der Erfahrung von Erismann zu verdanken, dass sich immer wieder auch Studenten und Mitarbeiter zu neuen Langzeitstudien mit den Spezialbrillen bereitfanden und Wochen, sogar Monate lang durchhielten. So trug beispielsweise Ivo Kohler vom November 1946 bis zum März 1947 über 124 Tage hindurch im 24-Stunden-Einsatz eine binokulare Umkehrbrille.

Erismann und sein Schüler Kohler gelten zu Recht als Vordenker und Gestalter der Innsbrucker Brillenversuche; ihre wahrnehmungspsychologischen Studien haben breite Anerkennung gefunden. Die Idee, durch eine künstliche, systematische Veränderung der Netzhautabbilder, also durch eine „Störung“ der Wahrnehmung die nachfolgende Adaptation des Wahrnehmungssystems zu untersuchen, beruht allerdings auf George M. Stratton (1865-1957) von der University of California in Berkeley. Bedingt auch durch den zweiten Weltkrieg konnten wesentliche Forschungsergebnisse der Innsbrucker Brillenversuche zum „Werden der Wahrnehmung“, so der treffende Titel eines Vortrages von Erismann 1947 in Bonn, erst zeitverzögert veröffentlicht werden.

Eine Bemerkung zum politischen Menschen Erismann in antidemokratisch verschärften Zeiten: In der „Halsmann-Affäre“ (1928-1930) wurde der jüdische Student Philipp Halsmann des Mordes an seinem Vater während einer Bergtour im Tiroler Zillertal beschuldigt. Der Innsbrucker Prozess stand im Zeichen antisemitischer Kampagnen. Gegen die unrechtmäßige Verurteilung Halsmanns protestierten nicht nur Albert Einstein oder Sigmund Freud, sondern u.v.a.m.  auch Theodor Erismann, der ein Gutachten zugunsten von Halsmann verfasst hatte.

Während der Zeit des Nationalsozialismus ließ sich Erismann weder in der Lehre noch in der Forschung von nazistischer Ideologie beeinflussen. Nach einem öffentlichen, deutlich antinazistischen Vortrag zum Thema „Massenpsychose und Individuum“ (16. Februar 1944) wurde Erismann vom zuständigen Dekan, dem Zoologen Otto Steinböck, am 29. Februar 1944 streng verwarnt und mit ihn gefährdenden Konsequenzen bedroht: „Aus unmissverständlichen Formulierungen offenbarte sich mir ein Geist, der mehr als befremdend erscheint und mich zu Folgerungen zwingt. Da Sie auch meiner Fakultät angehören, warne ich Sie als Dekan dringendst, die im Vortrag enthüllte Einstellung bei irgendwelcher Gelegenheit und in irgendwelcher Form Ihren Hörern zu vermitteln. Sollten mir als Dekan diesbezügliche Mitteilungen zukommen, müsste und würde ich unerbittlich einschreiten. Die Folgen wären für Sie katastrophal.

 

Ivo Kohler (1956-1981)

Ivo Kohler (1915-1985) wurde 1941 mit einer Dissertation über den „Einfluss der Erfahrung in der optischen Wahrnehmung beleuchtet von Versuchen langdauernden Tragens bildverzerrender Prismen“ bei Erismann promoviert. Probleme der Raumwahrnehmung diskutierte Kohler anfänglich vor dem Hintergrund der „Lokalzeichentheorie“ von Hermann Lotze und Wilhelm Wundt. Der Begriff „Lokalzeichen“ steht für Wahrnehmungen, welche behilflich sind, die räumliche Ordnung (das räumliche Sehen etc.) aufzubauen. Diese Theorie wurde durch die Innsbrucker Brillenversuche dahingehend erweitert, „dass solche Lokalzeichen jedenfalls nicht unveränderlich festliegen, sondern sich neuen Situationen entsprechend ändern“. Empirische Befunde zu den Farbphänomenen beim Tragen der Prismen- und Farbbrillen verortete Kohler in die physiologische (und psychologische) „Theorie der Gegenfarben“ von Ewald Hering. Später stand Kohler insbesondere der ökologischen Wahrnehmungstheorie von James J. Gibson nahe.

1950 fasste Kohler in einer maßgeblichen Habilitationsschrift „über Aufbau und Wandlungen der Wahrnehmungswelt“ die Ergebnisse der langjährigen Innsbrucker Forschungen zum langdauernden Tragen von Spiegel-, Prismen-, Halbprismen- und Farbhalbbrillen zusammen. Mit solchen künstlichen Mitteln erzeugte er „Störungen“ (Vertauschung von oben und unten, Seitenumkehr, Bildverzerrungen etc.) und griff unmittelbar in die Ordnung der Wahrnehmung ein, beobachtete den Verlauf solcher „Störungen“ resp. den Verlauf der Adaptationsperiode und erörterte die wichtige Frage, wie die Wahrnehmung durch eigene Korrekturprozesse ihre Organisation aufbaut bzw. aufrechterhält und welche Faktoren dabei von Bedeutung sind. Somit wurde erstmalig umfassend die Erismannsche „Methode der systematischen Störung“ mit dem Ziel angewendet, die Organisation der Wahrnehmungswelt mittels ihrer eigenen Korrekturprozesse zu analysieren.

Kohlers Habilitationsarbeit wurde seinerzeit als eine der wenigen Originalarbeiten der fünfziger Jahre ins Englische übertragen („The formation and transformation of the perceptual world“, Psychological Issues / Monograph, 1964), maßgeblich befördert durch James J. Gibson. Die „Brillenstudien“ lösten insbesondere in den angelsächsischen Ländern sowie in Japan eine Reihe von Folgestudien, beispielsweise zum Wahrnehmungslernen, aus.

Auch am Innsbrucker Institut wurden die Forschungen zu Spezialproblemen der Wahrnehmung mit Prismenbrillen fortgesetzt. Ivo Kohlers Forschungen waren – finanziert von US-amerikanischen Programmen, die österreichische Forschungsförderung lag darnieder – auch für die zivile und militärische Luftfahrt von großer Bedeutung. 1954 hatten Erismann und Kohler etwa über die amerikanische Forschungszentralstelle in Brüssel beim Hauptquartier des US-Air Force rund 5000 Dollar für „Auditory Guidance Studies“ beantragt, und hierfür Geheimhaltung sowie befristete Überlassung der Publikations- und Urheberrechte zugestanden.

Im Frühjahr 1956 wurde Kohler als Erismann-Nachfolger zum außerordentlichen Professor für Psychologie und zum Vorstand des Instituts für Psychologie ernannt. Die wertschätzenden Gutachten u.a. von George M. Stratton (University of California, Berkeley), James J. Gibson (Cornell University, Ithaca), Egon Brunswik (University of California, Berkeley), Wolfgang Metzger (Universität Münster), Heinrich Düker (Universität Marburg) trugen zur Berufung Kohlers bei: „Es steht außer Zweifel, dass in der gesamten deutschsprachigen Psychologie niemand vorhanden ist, der geeigneter und berufener als Dr. K[ohler] wäre, die von Hillebrand und Erismann begründete wahrnehmungspsychologische Tradition des Psychologischen Institutes in Innsbruck weiterzuführen“.

1960 lehnte Kohler einen Ruf an die Universität Göttingen ab. Forschungsaufenthalte und Gastprofessuren führten Kohler an die Duke University in Durham, an das Center for Advanced Study in the Behavioral Sciences in Stanford oder an die Cornell University in Ithaca.

Kohlers teils in Innsbruck habilitierte Assistenten und Schüler Franz Thurner (1928-2017, Univ. Göttingen), Anton Hajos (1935-2001, Univ. Marburg und Gießen), Ernst Pöppel (Univ. München) und Manfred Ritter (1941-2002, Univ. Marburg, dann Nachfolger von Kohler in Innsbruck) trugen zur Verbreitung der Innsbrucker wahrnehmungspsychologischen Tradition bei.

 

Schriften des Institutsgründers Franz Hillebrand:

Hillebrand, F. (1889). Über die specifische Helligkeit der Farben – Beiträge zur Psychologie der Gesichtsempfindungen (S. 1-51). Sitzungsberichte der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in Wien, Mathematisch- naturwissenschaftliche Classe, Abteilung 3, Band XCVIII. Wien: K. K. Hof- und Staatsdruckerei.

Hillebrand, F. (1891). Die neuen Theorien der kategorischen Schlüsse. Wien: Alfred Hölder. K.u.k Hof- und Universitäts-Buchhändler.

Hillebrand, F. (1893). Die Stabilität der Raumwerte auf der Netzhaut. Zeitschrift für Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane, 5, 1-60.

Hillebrand, F. (1894). Das Verhältnis von Accommodation und Konvergenz zur Tiefenlokalisation. Zeitschrift für Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane, 7, 97-151.

Hillebrand, F. (1902). Theorie der scheinbaren Grösse bei binocularem Sehen. Denkschriften der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, Mathematisch-naturwissenschaftliche Klasse, 72 (S. 255-307). Wien: Kaiserlich-Königliche Hof- und Staatsdruckerei.

Hillebrand, F. (1913). Die Aussperrung der Psychologen. Zeitschrift für Psychologie, 67, 1-21.

Hillebrand, F. (1918). Ewald Hering: Ein Gedenkwort der Psychophysik. Berlin: Springer.

Hillebrand, F. (1922a). Zur Theorie der stroboskopischen Bewegungen. Zeitschrift für Psychologie, 89, 209-272.

Hillebrand, F. (1922b). Zur Theorie der stroboskopischen Bewegungen. Zeitschrift für Psychologie, 90, 1-66.

Hillebrand, F. (1929). Lehre von den Gesichtsempfindungen. Auf Grund hinterlassener Aufzeichnungen von Franz Hillebrand, herausgegeben von Franziska Hillebrand. Wien: Springer.

 

Mehr und detaillierter in folgender Sekundärliteratur:

  • Oberkofler, G. (1971). Franz Hillebrand (1863-1926). Der Begründer des Instituts für Experimentelle Psychologie in Innsbruck. In F. Huter (Hrsg.), Die Fächer Mathematik, Physik und Chemie an der Philosophischen Fakultät zu Innsbruck bis 1945, 163-171 (Forschungen zur Innsbrucker Universitätsgeschichte 10). Innsbruck.
  • Oberkofler, G. (1982/83). Carl Stumpf (1848-1936) an Franz Hillebrand (1863-1926). Tiroler Heimat. Jahrbuch für Geschichte und Volkskunde, 45/46, 145-157.
  •  Oberkofler, G. (1986). Aus Briefen von Ewald Hering an Franz Hillebrand. In G. Hamann (Hrsg.). Aufsätze zur Geschichte der Naturwissenschaften und Geographie ( 184 – 203). Wien: Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften.
  • Sachse, P., Beermann, U., Martini, M., Maran, T., Domeier, M. & Furtner, M. (2017). "The world is upside down" - The Innsbruck Goggle Experiments of Theodor Erismann (1883-1961) and Ivo Kohler (1915-1985). Cortex, 92, 222-232.
  • Schweinhammer, S. (1995). Die Geschichte des Instituts für Experimentelle Psychologie an der Universität Innsbruck. Die Anfangsjahre: 1897 bis 1926. Diplomarbeit, Universität Wien.
  • Gatterer, J., Goller, P. & Sachse, P. (2018). Franz Hillebrand: die experimentelle Psychologie, ihre Entstehung und ihre Aufgaben. Antrittsvorlesung, gehalten am 19. Oktober 1896 in Innsbruck. Journal Psychologie des Alltagshandelns, 47-63.

Anhang

Bilder:
Franz Hillebrand (ca. 1900) und Theodor Erismann (1946 als Dekan).

Franz Hillebrand Theodor Erismann

Dokument 1:
Franz Hillebrands Habilitations-Probevorlesung, Juli 1891 an der Universität Wien
(Univ.-Archiv Innsbruck/UAI, Nachlass Franz Hillebrand).

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Dokument 2:
Franz Hillebrand bereitet 1899 ein Spezialseminar über David Hume vor, nach Friedrich Jodls Hume-Biographie.
(Titelblatt, UAI, Nachlass Franz Hillebrand)

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Dokument 3:
Zwei Briefe von Ernst Mach an Franz Hillebrand 1901 (UAI, Nachlass Franz Hillebrand).

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Dokument 4:
Zwei Briefe des bekannten Berliner Gestaltpsychologen Wolfgang Köhler an Franz Hillebrand 1922/23
(UAI, Nachlass Franz Hillebrand).

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Kohler_Brief_002b

Dokument 5:
Ausgewählte Titelblätter von Arbeiten Franz Hillebrands.

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Titelblatt_002_1893

Titelblatt_003_1894

Titelblatt_004_1898

Titelblatt_006_1910

Titelblatt_007_1921

Dokument 6:
1926. Die Philosophische Fakultät Innsbruck erstellt einen Besetzungsvorschlag für die nach Franz Hillebrands Tod vakante Philosophieprofessur. Der Ruf geht an Theodor Erismann, der bis Mitte der 1950er Jahre in Innsbruck lehrt. Ihm folgt 1956
Ivo Kohler. (UAI, Akten der Philosophischen Fakultät 2295 aus 1926/27).

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Dok-006_002e

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Dok-006_002g

Dok-006_002h

Dok-006_002i

Dok-006_002j

Dokument 7:
Titelblatt Ivo Kohlers Habilitationsschrift
Titelblatt von Ivo Kohlers Habilitationsschrift

 

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