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Warum der Daumen der rechten Hand links ist

Warum der Daumen der rechten Hand links ist

In der frühen Entwicklung eines Organismus entscheidet die Konzentration weniger Signalmoleküle über das zukünftige Schicksal einzelner Zellen. Molekularbiologen um Dr. Pia Aanstad berichten nun in der renommierten Fachzeitschrift Current Biology, dass unterschiedliche molekulare Mechanismen für die Interpretation der Dosis des Signalmoleküls Hedgehog verantwortlich zeichnen.
Dr. Pia Aanstad forscht an wichtigen Entwicklungsmechanismen
Dr. Pia Aanstad forscht an wichtigen Entwicklungsmechanismen

Die Entwicklung eines Organismus ist ein komplexer Vorgang, an dem Dutzende bis Hunderte von Signalmolekülen beteiligt sind. Unter dieser Vielfalt gibt es wenige Signale, die gleich Dutzende von Funktionen haben, sei es in einer Fruchtfliege oder im Menschen. Eines dieser Moleküle, Hedgehog, steuert zum Beispiel die Bildung der Gliedmaßen, des Zentralnervensystems, von Zähnen, Augen, Haaren, Lungen und Darm. „Das Erstaunliche daran: Nicht nur das Vorhandensein des Signals sondern auch die Dosis, in der das Molekül im Gewebe verteilt ist, diktiert den Zellen ihre Aufgabe“, erklärt die Nachwuchsforscherin Dr. Pia Aanstad vom Institut für Molekularbiologie der Universität Innsbruck. „Es ist die Konzentration von Hedgehog, die dafür sorgt, dass der Daumen der rechten Hand links und jener der linken Hand rechts liegt.“ Die Wissenschaftler sprechen deshalb bei Hedgehog auch von einem Morphogen, einem Signal, das konzentrationsabhängig die Gestaltbildung des Organismus steuert. Ist dieser Signalweg durch Mutationen verändert, kommt es in der frühen Entwicklung zu teilweise drastischen und embryonal letalen Fehlbildungen wie der Bildung von nur einem zentralen Auge. Beim Menschen sind Defekte im Hedgehog Signalweg mitverantwortlich für eine der häufigsten entwicklungsbedingten Fehlbildungen, der Holoprosencephalie. „Hedgehog Gene sind keine neue Erfindung der Evolution und der Signalweg funktioniert in der Fliege ähnlich wie in der Maus, beim Menschen und beim Fisch“, sagt Pia Aanstad. Sie konzentriert sich in ihrer Forschung auf den Zebrabärbling, auch Zebrafisch genannt. Wegen seiner kurzen Entwicklungszeit lässt sich an dem kleinen Tropenfisch die Entwicklung im Zeitraffer beobachten. „Wir wollen besser verstehen, wie die Zellen den Befehl der Signalmoleküle verarbeiten und wie sie darauf reagieren.“

 
Mutante ist blind für hohe Dosis

Schon während ihrer Zeit als Postdoktorandin in San Francisco, USA, hatte Pia Aanstad einen mutierten Zebrafisch entdeckt, bei dem der Hedgehog Signalweg gestört war. Dieser Fisch zeigt eine genetische Veränderung am sogenannten Smoothened (Smo) Protein, das in der Zellmembran sitzt und das Hedgehog-Signal ins Zellinnere weiterleitet. 2005 hatte Aanstad gemeinsam mit weiteren Wissenschaftlern in einer Veröffentlichung in der Zeitschrift Nature zeigen können, dass Smo auf Zellfortsätzen (Zilien) konzentriert ist und dort seine Funktionen ausübt. „In den neuen Mutanten konnten wir mittels hochauflösender Fluoreszenzmikroskopie belegen, dass eine kleine genetische Veränderung am extrazellulären Teil dieses Proteins die Lokalisierung in den Zilien blockiert und die Zellen dadurch zwar noch Hedgehog-Signale wahrnehmen können, aber die Konzentration falsch deuten“, erklärt Pia Aanstad. „Dies muss als Beleg dafür gewertet werden, dass die Zellen für die Interpretation unterschiedlicher Hedgehog-Konzentrationen verschiedene molekulare Mechanismen nutzen.“ Diese Tatsache könnte auch Bedeutung für die Diagnose und Behandlung bestimmter Krebserkrankungen (Basalkarzinom) haben, in denen die dauerhafte Hochregulation des Hedgehog-Signals für deren ungebremstes Wachstum verantwortlich ist. Gemeinsam mit ihren Kollegen von der University of California in San Francisco veröffentlichte Aanstad diese neuen Ergebnisse nun in der Fachzeitschrift Current Biology.

 

Erfolgreiche Nachwuchsforscherin

Pia Aanstad forscht seit letztem Jahr an dem von Prof. Dirk Meyer geleiteten Institut für Molekularbiologie der Universität Innsbruck. Die gebürtige Norwegerin hat in England studiert und ihre Ausbildung am Max-Planck-Institut für Molekulare Genetik in Berlin und am Department of Biochemistry der University of California fortgesetzt. In Innsbruck leitet sie eine eigene Arbeitsgruppe, mit der sie die Forschungen am Hedgehog-Signalweg weiterführt. Denn noch ist die Frage offen, über welche anderen Mechanismen Zellen die Dosis von Signalproteinen interpretieren.

(cf)