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Sandler Willibald: Leben von der Vollendung her. Eschatologische Hoffnung für diese Welt
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Leben von der Vollendung her. Eschatologische Hoffnung für diese Welt

Autor:Sandler Willibald
Veröffentlichung:
Kategorieartikel
Abstrakt:
Publiziert in:
Datum:2020-12-09

Inhalt

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1. Letzte Dinge – letzte Fragen

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Traditionell ist Eschatologie (von griechisch: Eschaton = das Letzte) die Lehre von den letzten Dingen. Gemeint sind damit der Tod und das, was gemäß christlichem Glauben danach kommt. Was diese letzten Dinge näherhin sind, macht das traditionell katholische eschatologische Schema deutlich.

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Schema der traditionellen katholischen Eschatologie

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Gemäß diesem Vorstellungsschema trennt sich im Tod die Seele vom menschlichen Leib und kommt in das individuelle Gericht. Von dort gibt es drei Ausgänge: Himmel, Fegefeuer oder Hölle. Nach dem Ende der Welt kommt es zur Auferstehung der Toten, wobei alle Menschen einen neuen, unsterblichen Leib erhalten. Damit kommen Sie in ein zweites Gericht – das Weltgericht. Wer nach dem individuellen Gericht in den Himmel oder in die Hölle kam, wird in diesem Urteil bestätigt. Wer im Fegefeuer war, kommt – nach mittlerweile abgeschlossener Reinigung – in den Himmel.

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Zu diesen letzten Dingen: Tod, Seele und Leib, individuelles Gericht und Weltgericht, Himmel, Hölle und Fegefeuer gibt es viele Fragen. Theologische Fragen zielen auf die Vernunftgemäßheit eschatologischer Vorstellungsmodelle als in sich widerspruchsfrei (konsistent) und übereinstimmend (kohärent) mit unserem philosophischen und weltanschaulichen Verstehen von Zeit und Raum, mit den Naturwissenschaften und vor allem mit den biblischen Grundlagen. Die naive Zeitvorstellung des traditionellen Modells – mit einem nach irdischen Zeitmaßstäben bemessenen Zwischenzustand zwischen Tod, individuellem Gericht und Weltgericht wurde hinterfragt. Auch im Vergleich mit der Bibel hat man Widersprüche festgestellt. So ist biblisch nie von zwei jenseitigen Gerichten die Rede.1 Solche Schwierigkeiten haben zu einer radikalen Reform des traditionellen eschatologischen Modells im 20. Jahrhundert geführt. Wenn Zeit, wie wir sie kennen, eine Bestimmung unserer irdischen Welt ist, dann fallen Menschen mit ihrem Tod aus dieser Zeit heraus. Muss man dann nicht annehmen, dass es zwischen individuellem Gericht und Weltgericht keine Zeitspanne mehr gibt? Von daher hat die Vorstellung einer Auferstehung im Tod weite Verbreitung gefunden.2

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Bei solchen letzten Fragen kann man unterscheiden zwischen Neugierdefragen und existenziell relevanten Fragen. Ein biblisches Beispiel für eine Neugierdefrage ist die Frage der Jünger, ob der auferstandene Jesus, der ihnen gerade erschien, in dieser Zeit das Reich Gottes für Israel wiederherstellen wird. Jesus antwortete:

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Euch steht es nicht zu, Zeiten und Fristen zu erfahren,
die der Vater in seiner Macht festgesetzt hat.
Aber ihr werdet Kraft empfangen,
wenn der Heilige Geist auf euch herabkommen wird;
und ihr werdet meine Zeugen sein in Jerusalem und in ganz Judäa und Samarien
und bis an die Grenzen der Erde.“ (Apg 1,7)3
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Damit wird deutlich: Ein Wissen um Zeiten und Fristen spielt auch gar keine Rolle. Entscheidend ist, dass die Jünger bereits jetzt mit der Kraft des Heiligen Geistes ausgestattet sind. Und entscheidend ist, dass man jederzeit mit der Stunde des eschatologischen Gerichts rechnet, und dass man demgemäß wachsam lebt (vgl. Mk 13,34–37; Mt 24,42; 25,13). Von daher lässt sich „ein Prinzip zur Hermeneutik eschatologischer Aussagen“4 formulieren, mit dem man unterscheiden kann, welche Art von eschatologischen Fragen für uns überhaupt sinnvoll beantwortbar ist: nämlich solche und nur solche, die einen Ausschlag dafür geben, wie wir hier und jetzt leben sollen – in Glauben, Hoffnung und Liebe –, so dass wir das ewige Leben erlangen können.

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2. Fünf eschatologische Lebensprinzipien

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Was müssen wir an „letzten Dingen“ wissen, um hier und jetzt richtig für die Ewigkeit zu leben? Das können keine komplizierten Wahrheiten sein, die nur FachtheologInnen verstehen. Ich möchte dazu fünf ganz einfache Prinzipien benennen.

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1. Dieses Leben ist nicht alles.

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2. Alles Gute, das wir in diesem Leben gesät haben, bleibt für die Ewigkeit.

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3. Allein die Liebe zählt.

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4. Alles ist Gabe.

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5. Es gibt ein Gericht.

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2.1 Dieses Leben ist nicht alles

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Ob mit dem Tod alles aus ist oder nicht, macht für die Einschätzung der Menschen, Dinge und Ereignisse, mit denen wir in unserem Leben zu tun haben, einen großen Unterschied. Das bedeutet nicht automatisch, dass für Atheisten ohne Glauben an Gott und ewiges Leben unmoralischerweise „alles erlaubt ist“ (Dostojewskij). Und es bedeutet auch nicht, dass gläubige Christen automatisch im Blick auf die Ewigkeit leben. Wir alle, ob Christen oder nicht, neigen dazu, unsere Sterblichkeit zu vergessen und zu leben, als lebten wir ewig. Wie ein fanatischer Spieler, der an einem geselligen Abend vergisst, dass die Spielsteine gleich weggeräumt werden und das Festmahl serviert wird. Christlich betrachtet ist dieses Leben ein Durchgang. Es ist Vorbereitung auf ein neues Leben, welches das eigentliche „Leben in Fülle“ ist.5 Und zwar so, dass gerade deshalb unser Leben hier und jetzt von höchster Bedeutung ist: nicht dass wir um jeden Preis überleben, denn das schafft letztlich keiner, sondern wie wir leben, zählt. Auch wenn es am Gesellschaftsabend unerheblich ist, wer beim Spielen gewinnt, hängt doch viel davon ab, wie wir spielen. Vom „Spiel des Lebens“ hier und jetzt hängt unsere Ewigkeit ab.

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2.2 Alles Gute, das wir in diesem Leben gesät haben, bleibt für die Ewigkeit

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Das Zweite Vatikanische Konzil hat dieses Prinzip der Hoffnung eindrucksvoll formuliert:

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„Den Zeitpunkt der Vollendung der Erde und der Menschheit kennen wir nicht (vgl. Apg 1,7), und auch die Weise wissen wir nicht, wie das Universum umgestaltet werden soll.
Es vergeht zwar die Gestalt dieser Welt, die durch die Sünde mißgestaltet ist, (vgl. 1 Kor 7,31 [...]) aber wir werden belehrt, daß Gott eine neue Wohnstätte und eine neue Erde bereitet, auf der die gerechtigkeit wohnt (vgl. 2 Kor 5,2; 2 Petr 3,13), deren Seligkeit jede Sehnsucht nach Frieden in den Herzen der Menschen erfüllt und übertrifft (vgl. 1 Kor 2,9; Offb 21,4-5).
Der Tod wird besiegt sein, die Kinder Gottes werden in Christus auferweckt werden, und was in Schwachheit und Verweslichkeit gesät wurde, wird sich mit Unverweslichkeit bekleiden (vgl. 1 Kor 15,42.53).
Die Liebe wird bleiben wie das, was sie einst getan hat (vgl. 1 Kor 13,8; 3,14), und die ganze Schöpfung, die Gott um des Menschen willen schuf, wird von der Knechtschaft der Vergänglichkeit befreit sein (vgl. Röm 8,19-21).
Zwar werden wir gemahnt, daß es dem Menschen nichts nützt, wenn er die ganze Welt gewinnt, sich selbst jedoch ins Verderben bringt (vgl. Lk 9,25); dennoch darf die Erwartung der neuen Erde die Sorge für die Gestaltung dieser Erde nicht abschwächen, auf der uns der wachsende Leib der neuen Menschenfamilie eine umrißhafte Vorstellung von der künftigen Welt geben kann, sondern muß sie im Gegenteil ermutigen. Obschon der irdische Fortschritt eindeutig vom Wachstum des Reiches Christi zu unterscheiden ist, so hat er doch große Bedeutung für das Reich Gottes, insofern er zu einer besseren Ordnung der menschlichen Gesellschaft beitragen kann.
Alle guten Erträgnisse der Natur und unserer Bemühungen nämlich, die Güter menschlicher Würde, brüderlicher Gemeinschaft und Freiheit, müssen im Geist des Herrn und gemäß seinem Gebot auf Erden gemehrt werden; dann werden wir sie wiederfinden, gereinigt von jedem Makel, lichtvoll und verklärt, dann nämlich, wenn Christus dem Vater „ein ewiges, allumfassendes Reich übergeben wird: das Reich der Wahrheit und des Lebens, das Reich der Heiligkeit und der Gnade, das Reich der gerechtigkeit, der Liebe und des Friedens.“6
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Damit ist eine alles durchdringende christliche Hoffnung grundgelegt. Alles wahrhaft Gute bleibt für die Ewigkeit, und zwar nicht nur, wie es ist, sondern: „lichtvoll und verklärt“, also in einer transformierten – gereinigten und vollendeten – Weise. Damit weist das Konzil auf eine starke Mitte zwischen den Straßengräben von Weltflucht und Weltvergötzung. Begründet wird ein Glaube, der der Erde treu ist, ohne dies durch Seitenblicke auf die Vergänglichkeit von allem zu relativieren. Nur was wir hier mit Gottes Hilfe säen, werden wir für die Ewigkeit ernten. So können wir säen in unerschütterlicher Zuversicht, dass die Ernte kommen wird ohne durch Misserfolge oder durch böswillige Zerstörung unseres Werks in dieser Welt frustriert zu werden.

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„Die mit Tränen säen, werden mit Jubel ernten.
Sie gehen, ja gehen und weinen und tragen zur Aussaat den Samen.
Sie kommen, ja kommen mit Jubel und bringen ihre Garben.“ (Ps 126,5–6)
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2.3 Allein die Liebe zählt

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Aber worin besteht nun eigentlich das Gute, das wir einst „wiederfinden [werden], gereinigt von jedem Makel, lichtvoll und verklärt“? Der Konzilstext gibt eine klare, biblisch begründete Antwort: „Die Liebe wird bleiben wie das, was sie einst getan hat.“ Das ist eine Weisheit, so schlicht, dass sie von einfachen Menschen erkannt und von Klugen leicht übersehen wird: Am Ende, rückblickend in unserer Todesstunde, wird von unserem Leben nur eines zählen: die Liebe; was aus Liebe dankbar empfangen haben und was wir liebend getan haben. Alles andere wird zurückbleiben und den Weg alles Irdischen gehen.

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Liebe aber setzt voraus, dass wir mit den Dingen und Wesen dieser Welt auf Tuchfühlung gehen. Liebe ist leibhaftig. Sie bezieht sich nicht nur auf die „schöne Seele“, sondern auch auf den Körper, der diese Schönheit kongenial aufscheinen lässt. Liebe sagt: „Du wirst nicht sterben“ (Gabriel Marcel). Dabei meint sie mit dem Du mehr als die „Idee“ des Guten und Schönen, die im Geliebten aufscheint. Liebe zielt auf eine vollkommene Wiedergewinnung, die einen transformierten Leib, befreit von Sterblichkeit, mit enthält. Liebe zielt auf leibhaftige Auferstehung.

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2.4 Alles ist Gabe

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Alles ist Gabe: Nicht nur meine Gaben und Begabungen sind mir gegeben, sondern mein ganzes Sein in Freiheit. „Danke, dass du mich mir gibst“, dürfen wir zu Gott beten. Damit wird das Zweite erst möglich: „Danke, dass du dich mir gibst“. Das Geheimnis von Gottes Schöpfung und Offenbarung ist eine doppelte Selbstgabe: Freigesetztsein zu einem freien Selbersein und göttliche Selbstgabe an die solcherart freigesetzte Person. Damit sind Bezogenheit und Unterschiedenheit, Nähe und Distanz gleichermaßen von Gott gegeben – eine Distanz, die nicht alleinlässt, und eine Nähe, die nicht vereinnahmt. So ist alles, was wir sind, Gabe. Und Liebe ist die Gabe aller Gaben.

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Solcherart mit göttlicher Liebe beschenkt, sind wir freigesetzt, Liebe mit eigener Liebe zu beantworten. Dass allein die Liebe zählt,7 gilt nicht nur vom außerordentlich Liebenswerten, sondern von allem, was ist, allein schon dadurch, dass es ist – dadurch, dass es geschaffen und das heißt: durch Gottes doppelte Selbstgabe gegeben ist.8

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Aber wird durch solche Perspektive die bittere Realität des Bösen und des Hässlichen, von Gewalt und Lüge nicht verdrängt? Im Gegenteil. Es ist die ermächtigende Gabe und Aufgabe der zur Freiheit freigesetzten Geschöpfe, die liebende Selbstgabe mit eigener Liebe zu beantworten. Diese Gabe und Aufgabe kann auch verweigert werden – nicht nur gegenüber dem göttlichen Geber, sondern gegenüber anderen Menschen und der ganzen Schöpfung, die durch ihr geschaffenes Sein Gottes Liebe widerspiegeln und mit denen sich Christus, der Mittler aller Schöpfung, identifiziert hat. Wo solche Verweigerung geschieht, wird die höchste Gabe des Menschen nicht nur geschwächt, sondern in ihr Gegenteil verkehrt: Corruptio optimi pessima — Die Pervertierung des Allerbesten (des zum Allerbesten Berufenen) ist das Allerschlimmste.9 Je tiefer in einem Menschen die Fähigkeit, sich liebend auf Andere und anderes einzulassen, durch einen gottgeschenkten Gnaden-Kairos freigesetzt wird,10 desto zerstörerischer wirkt sich deren Verweigerung auf den Verweigerer selbst und auf andere aus: durch die Zurückweisung von Liebe oder schlimmer noch durch Pervertierung in einen Missbrauch der Liebe.

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Von daher wird auch dieses vierte Prinzip, dass alles Gabe ist, zum eschatologischen Prinzip: Am Ende wird alles davon abhängen, ob und inwieweit wir in jedem Augenblick, in jedem Ereignis und in jeder Tat unseres Lebens im jeweils Begegnenden Gottes Gabe empfangen und – dadurch begabt – das Unsrige wie uns selber gegeben haben.

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Das dankbare Wissen darum, dass alles Gabe ist, schützt uns vor Hochmut. Denn:

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„Was hast du, das du nicht empfangen hättest?
Wenn du es aber empfangen hast,
warum rühmst du dich, als hättest du es nicht empfangen?“ (1 Kor 4,7).
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Und das dankbare Bewusstsein, dass alles Gabe ist, kann uns selbst in Verlust und Scheitern noch aufrichten. Das bezeugt der sprichwörtliche Ijob, nachdem er Schlag auf Schlag alles verloren hatte:

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„Da stand Ijob auf, zerriss sein Gewand, schor sich das Haupt,
fiel auf die Erde, betete an und sprach:
Nackt kam ich hervor aus dem Schoß meiner Mutter;
nackt kehre ich dahin zurück.
Der HERR hat gegeben, der HERR hat genommen;
gelobt sei der Name des HERRN.“ (Ijob 1,20–21)
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2.5 Es gibt ein Gericht

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Einst wird uns Gott mit der Wahrheit unseres ganzen Lebens – von jedem Augenblick, jeder Begegnung mit jedem Menschen und mit jedem Stück Wirklichkeit – konfrontieren. Gemäß biblischer Verheißung wird das in der eschatologischen Begegnung mit dem gekreuzigten und Auferstandenen Christus geschehen, der vom Himmel herabgestiegen ist bis hinunter in die Abgründe unserer Welt, um sich mit allen Geschöpfen, vornehmlich den Ärmsten und Verachteten, zu vereinigen, so dass er einst sagen wird: „Ich war hungrig, und ihr habt mir (nichts) zu essen gegeben ...“ (Mt 25,35.42).11 In diesem Weltgericht werden wir alle erkennen, dass das Gericht schon längst stattgefunden hat: in jenen verborgenen Gnadenmomenten (biblisch: Kairoi) unserer gegenwärtigen Lebenszeit, in denen eine bestimmte Begegnung mit einem Menschen oder mit irgendeiner geschöpflichen Wirklichkeit (nicht zuletzt: mit uns selbst) uns meinte, – so dass wir wie der barmherzige Samariter dazu befähigt und berufen waren, uns zu geben. Wer in einem solchen Kairos gibt, wie ihm/ihr gegeben wurde, wird daraus nicht ärmer, sondern reicher hervorgehen. Denn dann schließt sich der gott-menschliche Kreis von Geben und Empfangen, so dass Gottes Gnade jedes Maß sprengend überfließen kann:

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 Gebt, dann wird auch euch gegeben werden!

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Ein gutes, volles, gehäuftes, überfließendes Maß wird man euch in den Schoß legen;

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denn nach dem Maß, mit dem ihr messt, wird auch euch zugemessen werden.

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„Gebt, dann wird auch euch gegeben werden!
Ein gutes, volles, gehäuftes, überfließendes Maß
wird man euch in den Schoß legen;
denn nach dem Maß, mit dem ihr messt,
wird auch euch zugemessen werden.“ (Lk 6,38)
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Diese überfließende Fruchtbarkeit unseres von Gott her glückenden Tuns, die uns während unseres Lebens größtenteils verborgen ist, werden wir im Jüngsten Gericht erkennen. Wir werden in die Augen ungekannter Menschen schauen, die dadurch aufgerichtet wurden; und wir werden bislang unbemerkte Dinge und Ereignisse der Welt sehen, die dadurch heller aufgestrahlt sind. So werden wir den Herrn und Weltenrichter, der sich mit jedem Menschen und jedem Stück Wirklichkeit identifiziert hat, fragen: „Wann haben wir dich fremd gesehen und aufgenommen ...?“ (Mt 25,38) Die Freude über diese unerwartete Fruchtbarkeit, in der liebenden Verbindung mit Menschen, Dingen und Ereignissen der Welt, wird unser Lohn sein, wie ihn das Gleichnis von den Talenten verheißt: „Komm, nimm teil am Freudenfest deines Herrn!“ (Mt 25,21.23)

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Wer aber in einem der vielen Gnaden-Kairoi des vergangenen Lebens das dankbare Annehmen und antwortende Geben des Gegebenen verweigerte, hat sich dadurch von Gott, der Welt und von sich selbst abgeschnitten und fruchtlos gemacht. Wir werden erkennen, wie wir dadurch Menschen verletzt, Teile der Schöpfung geschädigt und dadurch Christus, den Mittler aller Schöpfung, von Neuem gekreuzigt haben.12 Wir werden sehen, wie durch unsere Verweigerung – dort wo wir aus Liebe hätten handeln können – an einer Stelle der Schöpfung Gottes Liebe verdunkelt wurde. Etwas Schönes ist unbeachtet, ein Lächeln unerwidert, eine Bitte unerhört, eine Träne ungetrocknet geblieben.13

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Auf diese Weise ist das Jüngste Gericht die eschatologische Konfrontation mit der Wahrheit des eigenen Lebens, vermittelt durch die Person Jesu Christi, dem Mittler aller Schöpfung (Kol 1,16–17), der sich mit jedem Menschen und mit aller Schöpfung identifiziert hat: „Was ihr einem meiner geringsten Brüder und Schwester (nicht) getan habt, das habt ihr mir (nicht) getan.“ Durch die Begegnung des mit allen sich Identifizierenden wird das Jüngste Gericht ein Begegnungsgeschehen mit jedem Menschen und jedem Stück Schöpfung, mit dem wir während unseres Lebens direkt oder auch nur indirekt – durch Auswirkungen unseres guten oder bösen Tuns oder Unterlassens – zu tun hatten, und zwar eine Begegnung mit allen in Christus. Dieses „In Christus“ ist Mitte und Fundament, Anfang und Ende des ganzen Gerichtsgeschehens. Am Anfang steht die nunmehr unverstellte Erfahrung einer unfassbaren Liebe, die uns von Schöpfung an bejaht hat und die uns retten, vollenden, in die himmlische Herrlichkeit aufnehmen will. Diese aber ist mehr als ein individuelles Erleben, sie umfasst alles: die ganze in Christus verwandelte Schöpfung und auch diese von Anfang an. So wird in die Innigkeit des von Gott erfahrenen Geliebtseins meine ganze heilvolle und heillose Lebensgeschichte mit hineingenommen: jede geglückte und jede missglückte Begegnung mit jedem Menschen und mit jedem Stück Schöpfung, wo ich mich als Übeltäter verschuldet habe und wo ich selbst zum Opfer geworden bin; und all dies nicht nur direkt, sondern auch in jeder noch so fernen indirekten Auswirkung. Alles wird neu aufgerollt, rekapituliert,14 und im Licht der alles durchdringenden Liebe Gottes gereinigt, transformiert, auf Versöhnung hin geöffnet. Dabei steigern sich die Intensität von Gottes Liebe und die Extensität des alles einbeziehenden Ausgriffs auf die ganze Schöpfung gegenseitig: Je mehr uns Gottes Liebe durchglüht, desto heftiger wird unser Schmerz über jeden Ausfall unserer Liebe, den wir während unseres Lebens verschuldet hatten: das heißt, wo wir lieben konnten und diese gottgegebene Möglichkeit zum Schaden von Menschen, Schöpfung und uns selber verweigerten.

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Gericht und Rettung in gegenseitiger Steigerung

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So müssen wir uns das Fegefeuer als ein Feuer der Liebesreue vorstellen, die in dem Maß brennender wird, als wir uns von Gottes verwandelnder Liebe erfassen lassen. Ein solches Feuer ist heftiger als jede äußerlich zugefügte Qual. Und es dient nicht dazu, uns zu strafen und zu quälen, sondern uns himmelsfähig zu machen. Das Johannesevangelium bringt das präzise zum Ausdruck:

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„[...] Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt gesandt, damit er die Welt richtet,
sondern damit die Welt durch ihn gerettet wird.“ (Joh 3,17)
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Das heißt aber gerade nicht, dass Christus nicht Richter wäre.

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„Um zu richten, [ist er] in diese Welt gekommen:
damit die Blinden sehend und die Sehenden blind werden“ (Joh 9,39).
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Aber nicht Gericht, Verurteilung, Verdammnis ist das Ziel, sondern Rettung. Das eigentliche Ziel von Jesu Wirken – in Israel vor 2000 Jahren, vermittelt durch den Heiligen Geist in der Zeit der Kirche und als eschatologischer Weltenrichter am Ende der Zeiten – ist Rettung und Erlösung. Dem entspricht der Kern seines öffentlichen Wirkens: die Offenbarung und Zuwendung der göttlichen Liebe. Diese setzt frei und nötigt gerade so zur Entscheidung: für oder aber gegen den sich offenbarenden Gott. Letzteres bedeutet Selbstgericht, in dem sich Liebesverweigerung mit Freiheitsverlust („Freiheit zur Unfreiheit“) zur Verstockung verbindet,15 so dass Jesu liebend-rettendes Handeln die Möglichkeit einer gesteigerten Verweigerung oder Verstockung erst freisetzt:

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„Um zu richten, bin ich in diese Welt gekommen,
damit die Blinden sehend und die Sehenden blind werden“ (nochmals Joh 9,39).
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Steht also die Rettung im Dienst des Gerichts, so dass Jesus doch primär Richter und nicht Retter ist? Es wäre so, wenn Jesus nicht die frei verschuldete Verstockung von Menschen mit einer nochmals radikalisierten Zuwendung – in einer immer mehr entmächtigten Weise, sich identifizierend mit den Wehrlosen der Welt – beantworten würde, auf einem Kreuz-Weg kritischer Solidarität, der auf seinen Kreuzestod hinausläuft.16 Dank Christi Erlösung durch das Kreuz – als der für uns nur assymptotisch erahnbare Endpunkt von Jesu kenotischem Abstieg in die Abgründe der gefallenen Welt – behält in der dramatischen gegenseitigen Steigerung von Liebe und Gericht das Moment der rettenden Liebe die Oberhand. Auch das durch Jesu Liebeshandeln provozierte Selbstgericht der Menschen ist nicht Gottes letztes Wort, sondern wird durch seine unverwüstliche Treue, mit der er den verlorenen Schafen nachgeht und das Leben für sie gibt (Joh 10,11), immer wieder aufgebrochen. Gott will, dass alle Menschen gerettet werden (1 Tim 2,4), und Jesu Selbsthingabe für uns Sünder bis ans Kreuz steht für die göttliche Kraft dieses Willens. Und zwar so, dass diese Rettung und Erlösung doch nie anders denn als Freiheitsgeschehen erfolgt: in einem von uns frei zuzulassenden Prozess einer inneren Wandlung auf Liebe hin, verbunden mit einer wachsenden Einsicht in die zum Teil grausame Wahrheit unseres Lebens, die wir wiederum nur durch die Erfahrung von Christi grenzenloser Bejahung unserer selbst auszuhalten vermögen. Wenn wir nicht mehr an uns zu glauben vermögen, glaubt doch er an uns. Wenn wir uns selbst verdammen wollten, weil wir die Wahrheit unserer Schuld, der wir in ihm begegnen, nicht ertragen, richtet er uns auf. So ist sein Richten.

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Ansatzweise zeigt sich diese Dramatik von Liebe und Gericht (die allein eine Erlösung in Freiheit ermöglicht) bereits im Wirken Jesu mit seinen Aposteln:

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„Als er [Jesus] seine Rede beendet hatte, sagte er zu Simon:
Fahr hinaus, wo es tief ist, und werft eure Netze zum Fang aus!
5 Simon antwortete ihm:
Meister, wir haben die ganze Nacht gearbeitet und nichts gefangen.
Doch auf dein Wort hin werde ich die Netze auswerfen.
6 Das taten sie und sie fingen eine große Menge Fische;
ihre Netze aber drohten zu reißen.
7 Und sie gaben ihren Gefährten im anderen Boot ein Zeichen,
sie sollten kommen und ihnen helfen.
Sie kamen und füllten beide Boote, sodass sie fast versanken.
8 Als Simon Petrus das sah, fiel er Jesus zu Füßen und sagte:
Geh weg von mir; denn ich bin ein sündiger Mensch, Herr!
9 Denn Schrecken hatte ihn und alle seine Begleiter ergriffen
über den Fang der Fische, den sie gemacht hatten;
10 ebenso auch Jakobus und Johannes, die Söhne des Zebedäus, die mit Simon zusammenarbeiteten.
Da sagte Jesus zu Simon:
Fürchte dich nicht! Von jetzt an wirst du Menschen fangen.
11 Und sie zogen die Boote an Land, verließen alles und folgten ihm nach.“ (Lk 5,4–11)
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Der wunderbare Fischfang öffnet den Aposteln einen Blick in Gottes Herrlichkeit, und zwar mitten in dieser Welt. Was ist schöner für Fischer als ein großartiger Fischfang? Dennoch sind die Jünger nicht (nur) beglückt, sondern (zugleich) erschüttert. Im aufstrahlenden göttlichen Licht sehen sie die Schatten ihres eigenen Lebens in unerträglicher Weise.17 So bittet Petrus Jesus, ihn zu verlassen. Jesus aber lässt ihn und die anderen Apostel nicht fallen, sondern richtet sie auf. Dieses Aufrichten gehört zu seinem Gericht, welches als Selbstgericht unweigerlich ergeht, wo Gottes Herrlichkeit in Schönheit und Wahrhaftigkeit aufstrahlt.

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Analog zu dieser Episode am Beginn von Jesu Weg mit seinen Aposteln müssen wir uns das eschatologische Gericht vorstellen: So wie Jesus nicht mit einer Gerichtspredigt zu seinen Jüngern kam, sondern sie Gottes überströmende Herrlichkeit schauen ließ, so wird es im Jüngsten Gericht sein. Und doch geschieht Gericht: als Selbstgericht von jenen, die das Licht, das auch noch die verborgensten Schatten des eigenen Lebens freilegt, nicht aushalten können.18 Hier zeigt sich, dass die Korrektur im Gerichtsverständnis vom gefürchteten Gericht des Weltenrichters hin zu einem bloßen Selbstgericht, wie sie in der jüngeren Populärtheologie vertreten wird, noch unzulänglich ist, um die Angst vor dem Jüngsten Gericht wirklich zu überwinden. Der Gedanke, dass Gott von sich aus niemanden in die Hölle wirft, sondern dass in die Hölle nur kommt, wer es selber will – und wer sollte das den wollen? – entschärft die Problematik des Gerichts nicht wirklich. Wenn Menschen mit der dunklen Wahrheit ihres Seins konfrontiert werden, ist Selbstverdammnis die eigentliche Gefahr. Dass Christus über uns nicht richtet, hilft uns hier nicht weiter. Es braucht ihn, der aktiv richtet: indem er aufrichtet, wie er es mit den Aposteln getan hat.

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Aber dieses Richten als Aufrichten ist keinesfalls harmlos. Es ist kein billiger Trost, kein Augen-Zudrücken und Durchwinken. Wenn wir uns also der unerträglichen dunklen Wahrheit unseres Lebens entziehen wollen, konfrontiert er uns damit. So ist er Retter und Richter in einem, indem er zugleich Wahrheit und Liebe vertritt – in einer Dramatik, die beides miteinander steigert. Das ist ein Feuer des Gerichts, dessen Brennen wir kaum zu überschätzen vermögen, und nur ein solches Gericht kann Menschen so verwandeln, dass sie himmelsfähig werden: dass sie Gott – in seiner Liebe und Wahrheit – auszuhalten vermögen, und so, dass die Opfer der Geschichte ihre Täter auszuhalten vermögen, wenn sie mit ihnen das ewige Leben teilen können sollen. Versöhnung und Vergebung nicht mit zusammengebissenen Zähnen, sondern in einer schattenlosen Freude: Das ist nur möglich, wenn die Transformation der Sünder, der Täter auf Liebe und Wahrhaftigkeit hin weit radikaler ist, als wir uns das vorzustellen vermögen.

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3. Das vergessene Jüngste Gericht

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Es gibt also ein Gericht, und es muss ein Gericht geben, wenn Himmel wirklich Himmel sein soll, anstatt angesichts der ewigen Gemeinschaft unvollständig erlöster Opfer und Täter nicht zur Hölle zu mutieren.19 Dieses nach unserer Aufzählung fünfte eschatologisch-praktische Prinzip wird in den heutigen Großkirchen meist zu wenig beachtet. Es muss neu eingeschärft werden, und zwar richtig: als ein Gericht, das – fern von aller vergeltenden Strafgerechtigkeit – keinen Gegensatz zur göttlichen Liebe bedeutet, sondern deren innere Konsequenz ist. Weil die göttliche Liebe uns innerlich verwandelt und weil wir mit dieser gesteigerten Liebe die Wahrheit unseres Lebens erkennen – in der Begegnung mit jenen Menschen und Dingen der Welt, die wir durch Lieblosigkeit verletzt haben –, deshalb bedeutet die größere Liebe das härtere Gericht.

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Dabei liegt es fern, in der christlichen Verkündigung das Rad zurückzudrehen und zu den früheren Höllenpredigten zurückzukehren. Nicht um Hölle geht es – mit der für sie spezifischen Irreversibilität eines Abgeschnittenseins von Gott –, sondern um Gericht und Fegefeuer, mit dem Ziel einer vollkommenen Transformation auf Heil hin. Ich teile die Auffassung Hans Urs von Balthasars und Karl Rahners, dass wir für jeden Menschen hoffen dürfen, ja müssen.20 Aber um welchen Preis? Es ist der Preis der Selbsthingabe Jesu ans Kreuz. Und es ist zugleich der Preis einer radikalen Transformation, eines unvorstellbar peinvollen „der Sünde Sterbens“ (vgl. Röm 6,6–12), das jeder Mensch im Jüngsten Gericht und dem damit verbundenen Fegefeuer nachholen muss, soweit er es nicht schon in diesem Leben vollzogen hat. Denn Christus ist für uns gestorben, nicht damit wir nicht mehr sterben müssten, sondern:

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„Einer ist für alle gestorben, also sind alle gestorben.
Er ist aber für alle gestorben, damit die Lebenden nicht mehr für sich leben,
sondern für den, der für sie starb und auferweckt wurde.“ (2 Kor 5,14–15)
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Was Gottes Liebe und Gericht betrifft, hat die christliche Verkündigung der Großkirchen im vergangenen Jahrhundert einen radikalen Wandel vollzogen. Dass es ein Gericht gibt, war unseren Vorfahren weit mehr vertraut als uns. Verkündigt wurde allerdings großenteils ein strafender Gott und Jesus Christus vornehmlich als strenger Weltenrichter. Man hat die Angst vor der Hölle und vor Gott geschürt, damit die Menschen das Rechte tun und das Böse unterlassen.

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Im letzten Drittel des Zwanzigsten Jahrhundert kam es hier zu einer Wende: Seit dieser Zeit haben Christen in den Großkirchen vorrangig einen liebenden und vergebenden Gott vermittelt bekommen: nicht mehr einen Gott, der ein Sühneopfer zur Vergebung der Sünden verlangte, sondern der bedingungslos vergebende barmherzige Vater aus dem Gleichnis vom verlorenen Sohn.

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„Er ist jetzt bei Gott“: Die religiöse Überzeugung, dass Verstorbene zu Gott gehen, ist zwar geblieben, aber mit einer ganz anderen Bedeutung. Früher war dieses Zu-Gott-Gehen Anlass zur Sorge. Katholiken ließen Seelenmessen lesen, weil Zu-Gott-Gehen Gericht bedeutete. Wer heute sagt oder hört, dass eine Verstorbene bei Gott ist, versteht dies meist ausschließlich als Tröstung: Dort wird sie es besser haben und mit ihren Lieben zusammen sein.

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Das ist ja auch richtig, aber unbeachtet bleibt dabei meist die Bedingung einer radikalen inneren Wandlung. Ohne sie kann ein Mensch den Himmel – als innerstes Durchdrungensein von Gottes Liebe – nicht aushalten. Ohne eine solche Wandlung würde der Himmel eines ewigen Zusammenseins mit den (mehr oder weniger) Lieben zu jener Hölle ausarten, von der Jean Paul Sartre treffend sagte: „Die Hölle, das sind die anderen“.21

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Es gibt ein Gericht! Und zwar nicht trotz der Liebe Gottes, sondern weil die Gottes Liebe so groß ist, dass sie jeden Menschen retten kann. Retten nicht gegen den eigenen Willen, sondern als Freiheitsprozess, als frei vollzogener Prozess einer inneren Wandlung, in der wir „von der Liebe geleitet, die Wahrheit bezeugen und in allem auf ihn [Christus] hin wachsen“ (Eph 4,15). Dass es ein Gericht gibt, ist primär nicht Drohbotschaft, sondern Frohbotschaft. Denn es besagt, dass auch jene, die dieses Wachstum in wichtigen Bereichen während ihres Lebens nicht vollzogen haben, dank Christi Erlösung dennoch ihr Ziel erreichen können, wenn auch in einer für uns nur schwer vorstellbaren Weise. Theologisch schwer vorstellbar ist dies deshalb, weil man dabei nicht in den Mythos einer jenseitigen Nachgeschichte nach dem Tod verfallen darf.22 Der Tod ist das Ende des Pilgerstandes, gemäß einer kirchlichen Lehre, die Karl Rahner in seiner frühen Theologie des Todes unmissverständlich in Erinnerung gerufen hat.23 Was in diesem Leben nicht vollzogen wurde, kann nach dem Tod nicht nachgeholt werden. Aber wie sollen sich die widersprüchlichen Linien von Liebe und Hass, von Schaf-Sein und Bock-Sein (in der Metaphorik der Weltgerichtsrede, Mt 25,39–46), die in den meisten menschlichen Lebensgeschichten bis zum Tod unabgeglichen blieben, auf einen gemeinsamen Nenner bringen lassen? Das geht nicht von selber. Es muss das Werk eines göttlichen Richters sein. Aber wie sollen wir uns den Einsatz dieses eschatologischen Richters vorstellen? Zwischen den theologischen Straßengräben eines Richters, der über die verstorbenen Sünder ohne deren Zutun den Stab bricht und eines Selbstgerichts, bei dem jeder selbst entscheidet, ob er/sie in den Himmel oder in die Hölle will, so dass ein Richter nicht mehr nötig wäre,24 öffnet sich ein schmaler, starker Mittelweg einer Vorstellung Jesu als Richters, der sich mit jedem Menschen und mit jedem Geschöpf identifiziert hat, ihnen in ihrem Täter- und auch in ihrem Opfersein gleichzeitig geworden ist, und so die verknoteten Fäden von Heils- und Unheilsexistenz aufgreifen und neu zusammenfügen kann – in einem Gericht, das den zu Richtenden in diesen Gerichtsprozess zutiefst einbindet – sodass alles Schlechte im Licht des geglückten Guten umgewertet werden kann, bis zuletzt alles Unabgeglichene um die Mitte Christi zu einer durch und durch heilvollen Gestalt geworden ist: vollkommen versöhnt und himmelsfähig.

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So lässt sich eine universale Heilshoffnung mit unserer unaufschiebbaren Heilsverantwortung in diesem Leben verbinden. Es gibt ein Gericht, und das ist auch Warnung, denn es besagt, dass wir mit allem, was wir an uns möglicher Liebe in diesem Leben verfehlt haben, nochmals konfrontiert werden – so wie Paulus es beschreibt:

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„Das Werk eines jeden wird offenbar werden;
denn der Tag wird es sichtbar machen, weil er sich mit Feuer offenbart.
Und wie das Werk eines jeden beschaffen ist, wird das Feuer prüfen.
Hält das Werk stand, das er aufgebaut hat, so empfängt er Lohn.
Brennt es nieder, dann muss er den Verlust tragen.
Er selbst aber wird gerettet werden, doch so wie durch Feuer hindurch.

Wisst ihr nicht, dass ihr Gottes Tempel seid und der Geist Gottes in euch wohnt? Wer den Tempel Gottes zerstört, den wird Gott zerstören.
Denn Gottes Tempel ist heilig und der seid ihr.“ (1 Kor 3,13–16)
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Das Jüngste Gericht ist hier beschrieben als ein Niederbrennen, das allerdings nicht der Vernichtung, sondern der Rettung dient. Der Mensch, der sein Leben zum Teil mit falschem Material auf einem nicht tragfähigen Grund errichtet hat, wird auseinandergenommen, zerschlagen25, aber mit dem erlösenden Ziel, von Gott her, mit Jesus Christus als Mitte und Eckstein26 neu zusammengesetzt zu werden: Transformation und Rekapitulation von Grund auf.27

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Drei Argumente lassen sich nennen, warum es besser ist, diesen Prozess einer radikalen Transformation auf Gottes Liebe hin bereits während dieses Lebens zu vollziehen, soweit uns Gott die Möglichkeit dazu eröffnet:

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1. Wenn wir im Jüngsten Gericht als Täter mit unseren Opfern konfrontiert werden – in einer wachsenden Liebe, die uns von Christus her durchglüht – dann werden wir immer mehr einen Wunsch haben: zurückzukehren und gut zu machen, was wir verschuldet haben, soweit wir es nur irgendwie können. Das aber wird im Jüngsten Gericht nicht mehr möglich sein. Es wird kein Zurück in ein irdisches Leben geben. Hier und jetzt aber haben wir noch Möglichkeiten, uns für Wiedergutmachung einzusetzen. Der unbekehrte Mensch wird diese Möglichkeit fürchten, der durch die Liebe Christi gewandelte Mensch wird sie aus der Kraft seiner Liebesreue ersehnen. Tätige Versöhnung ist ihm kein Müssen, sondern ein Dürfen, wo Gott ihm Möglichkeiten dafür eröffnet.28

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2. Wer sich bereits in diesem Leben tiefer auf Gottes Liebe einlässt – was stets nur möglich ist im Maße der Gnade, die Gott dazu gibt, einer Gnade, um die man bitten kann – wird früher oder später auch das läuternde Feuer dieser Liebe erfahren: wie Petrus, der Jesus bat: „Geh weg von mir, ich bin ein sündiger Mensch“29. Dieses irdische Fegefeuer der Liebesreue ist aber im Vergleich zum jenseitigen Gericht abgemildert. Wenn es zu hart wird, kann ich sozusagen aufstehen und einen Kaffee trinken gehen. Die Bedingungen unseres irdischen Seins in Leib, Zeit und Raum dämpfen die Intensität einer Begegnung mit der Wahrheit unseres Lebens:

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„Jetzt schauen wir in einen Spiegel und sehen nur rätselhafte Umrisse,
dann aber schauen wir von Angesicht zu Angesicht.
Jetzt ist mein Erkennen Stückwerk,
dann aber werde ich durch und durch erkennen,
so wie ich auch durch und durch erkannt worden bin.
“ (1 Kor 13,12)
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Dieses „durch und durch Erkennen“ ist nicht einfach nur schön ist. Solange wir noch im Prozess der Wandlung sind, ist es schwer auszuhalten.

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3. Die ersten beiden Gründe warnen uns. In gewisser Hinsicht sind sie Drohung. Der dritte Grund lockt, er ist Frohbotschaft: Die zwei Wege, die wir im Leben immer wieder vor uns haben – Leben und Tod, Segen und Fluch (Dtn 30,19; Ps 1), sind wie Sommer- und Winterweg auf einer Bergwanderung hinauf zu einer Almhütte. Der Winterweg verläuft flacher und nahe der Talsohle, so dass er leichter begangen werden kann, auch bei Schnee im Winter. Aber er ist weniger schön und auch länger. Und zuletzt muss man die erforderliche Höhe doch nachholen. Der Sommerweg beginnt steil, aber er ist sonniger, mit besserer Aussicht und insgesamt schöner. Wer in seinem Leben „der Liebe nachjagt“ (1 Kor 14,1), hat gewiss nicht ein bequemeres Leben. Unnötige Sorgen fallen zwar weg, aber im Mitgefühl für die Menschen und die ganze Schöpfung teilt man das Leiden Christi. Aber: Weil man Gott in allem sucht und nicht ausschließt, ist man Gott näher, auch wenn man das oft nicht spürt. Menschen, die konsequent den „Sommerweg“ wählen, sind der göttlichen Liebe, Schönheit und Wahrheit näher. Auch wenn das manchmal schwer zu ertragen ist, werden sie nicht tauschen wollen mit dem Winterweg, der im Schatten verläuft, – auch dann nicht, wenn der untere Weg nicht automatisch in die Hölle führt, sondern – im Tod – einen steilen, uns nicht näher bekannten Aufstieg findet: „wie durch Feuer hindurch“30. Wie schon während des Lebens kann dieser Ausweg nicht ohne die Gnade Gottes gegangen werden, aber – ganz aus der Gnade Gottes – muss er gegangen werden, um das himmlische Ziel zu erreichen.

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All das muss über die Wahrheit eines eschatologischen Gerichts eingesehen und gesagt werden. Priester und Bischöfe, ReligionslehrerInnen, TheologInnen und nicht zuletzt jeder Christ als Glied des allgemeinen Priestertums müssen diese Wahrheit sich und anderen neu in Erinnerung rufen. Wer darum weiß und nicht davor warnt, wird das beim Jüngsten Gericht im Angesicht Jesu und im Angesicht von ungewarnt gebliebenen Menschen selber zu verantworten haben. Das ist ein Teil des Szenarios des Jüngsten Gerichts: Jene, die um die Wahrheit des Gerichts wussten, werden von den anderen, die dem Feuer der Liebesreue ausgesetzt sind, gefragt werden: „Warum habt ihr uns nie darauf hingewiesen, dass uns das erwartet. Hätten wir es gewusst, dann hätten wir in unserem Leben andere Prioritäten gesetzt.“ So trifft die christlichen Verkündiger, und das ist letztlich jeder Christ, der um die Wahrheit des Gerichts weiß, das Wächterwort an den Propheten Ezechiel:

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„Menschensohn, ich habe dich dem Haus Israel als Wächter gegeben.
Wenn du ein Wort aus meinem Mund hörst, musst du sie vor mir warnen.
Wenn ich zu einem Schuldigen sage: Du musst sterben!
und wenn du ihn nicht warnst und nicht redest,
um den Schuldigen von seinem schuldhaften Weg abzubringen,
damit er am Leben bleibt,
dann wird dieser Schuldige seiner Sünde wegen sterben;
sein Blut aber fordere ich aus deiner Hand zurück.
Du aber, wenn du einen Schuldigen warnst
und er sich nicht abwendet von seiner Schuld und seinem schuldhaften Weg,
dann wird dieser seiner Sünde wegen sterben;
du aber hast dein Leben gerettet.
Und wenn ein Gerechter sein rechtschaffenes Leben aufgibt und Unrecht tut
und ich ihn zu Fall bringe, so wird dieser sterben.
Weil du ihn nicht gewarnt hast, wird er seiner Sünde wegen sterben
und an seine gerechten Taten, die er getan hat, wird man nicht mehr denken.
Sein Blut aber fordere ich aus deiner Hand zurück.
Du aber, wenn du einen Gerechten davor warnst zu sündigen
und dieser sündigt nicht,
dann wird er am Leben bleiben, weil er gewarnt wurde,
du aber hast dein Leben gerettet.“ (Ez 3,17–21)
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Dank der Erlösung durch Jesus Christus darf dieser Text in der Anwendung auf christliche VerkündigerInnen modiziert werden: „Du musst sterben“ bezieht sich weder auf den irdischen noch auf den ewigen Tod der Hölle, sondern auf die Tode der Liebesreue in der zweifachen Begegnung mit der Liebe Gottes (die von Christus her uns verwandelnd auf uns übergreift) und der Wahrheit des eigenen Lebens (in der Begegnung mit den Verletzten der Geschichte, an denen wir schuldig geworden sind).

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4. Hoffen für alle – und für alles

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Es gibt also ein Gericht. Und untrennbar davon gibt es das Purgatorium, das Fegefeuer, den Reinigungsweg einer sich steigernden Liebesreue in der doppelten Begegnung mit dem Gott der Liebe und der Wahrheit unseres Lebens. Nur durch diese richtende, weil aufrichtende Transformation unserer selbst können auch all die guten Dinge und Erfahrungen unseres Lebens und unserer Welt – selber transformiert – für die Ewigkeit wiedergewonnen worden.

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„Dann werden wir sie wiederfinden,
gereinigt von jedem Makel, lichtvoll und verklärt“31
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– nicht nur unsere Werke, sondern all die Menschen (unsere „Lieben“ und „weniger Lieben“) und Dinge dieser Welt, einschließlich unser selbst. Billiger ist die großartige Hoffnungsvision aus dem Zweiten Vatikanischen Konzil nicht einzulösen.

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4.1 Hoffen für jeden Menschen

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Hoffen können wir so für jeden Menschen, einschließlich uns selber, – und zwar nicht aufgrund unserer natürlichen Wandlungsfähigkeit zum Besseren. Denn „groß ist der Tag des Herrn und voll Schrecken. Wer kann ihn ertragen?“ (Joel 2,11) – nicht obwohl, sondern weil Gott die reinste Liebe ist. Nicht im Blick auf unsere wandlungsfähige Natur können wir für jeden Menschen hoffen, sondern im Blick auf Jesus Christus, der durch sein Leben und Sterben den Grund gelegt hat für eine umfassende Identifikation, Stellvertretung und Versöhnung mit allen Menschen: mit den Tätern vor den Opfern und den Opfern vor den Tätern.32

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4.2 Hoffen für die Opfer der Geschichte – und für die Täter!

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Hoffen können wir so selbst für die misshandeltsten Opfer dieser Welt, bis zu den Hingeschlachteten im Holocaust und in den Genoziden unserer Geschichte, wo Menschen ohne eigenes Verschulden, allein aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einem Volk oder einer Gruppe, im Kollektiv vergast oder erschossen und verscharrt wurden. Wie kann es jemals gerechtigkeit geben, wenn solch himmelschreiendes Unrecht ungesühnt bleibt? Aber welche Sühne soll hier überhaupt noch möglich sein? Sind im Namen der gerechtigkeit – um einem letzten, grausamen Zynismus des akzeptierten Unrechts zu entkommen – sogar Atheisten genötigt, Gott, Freiheit und Unsterblichkeit zu postulieren, – nur damit es eine Hölle für die Täter des Holocaust gibt?33 Und selbst wenn es diese Hölle gibt: Was ist den Opfern dieser menschengemachten Höllen wirklich geholfen, wenn sie ihre Peiniger in alle Ewigkeit gequält vor sich sehen?

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Man würde ja diesen Infernalismus, der dem modernen Trostbild vom lieben Gott und von Allversöhnung Hohn spricht, und der nun von unerwarteter Seite auftaucht – nicht bei Traditionalisten und Evangelikalen, sondern von Seiten politischer Theologie, aus einem an sich berechtigten im Gedenken an die Opfer der Geschichte – gerne loswerden. Aber lässt sich das positive Gegenbild einer universalen Versöhnung von Opfern und Tätern ohne neuerlichen Zynismus durchhalten, wenn diese Allversöhnung darauf hinausläuft, dass die Holocaust-Opfer ihren Tätern vergeben müssen, um selber in die himmlische Herrlichkeit kommen zu können? Wie kann man die ungewollt zynische Konsequenz vermeiden, dass jene, die ihren unschuldigen Opfern grausamst den irdischen Tod zufügten, sie nun auch noch in den ewigen Tod trieben, weil sie ihren maßlos grausamen Tätern nicht vergeben können und ihnen deshalb die himmlische Herrlichkeit verwehrt bleibt?

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Solchem ungewolltem Zynismus, der ausgerechnet den misshandeltsten Opfern eine übermenschliche Vergebungs- und Versöhnungsbereitschaft auferlegt, entkommt man dann, wenn man sich den Prozess der eschatologischen Versöhnung mit jener unüberbietbaren Härte eines Liebesgerichts vorstellt, wie sie im dritten Kapitel beschrieben wurde. Es gibt ein Ressentiment der Opfer, das uns anstößig erscheint:

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„Wie lange zögerst du noch, Herr, du Heiliger und Wahrhaftiger, Gericht zu halten und unser Blut an den Bewohnern der Erde zu rächen?“ (Offb 6,10)
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Aber es würde den gangbaren Prozess menschlicher Versöhnung vereiteln, wenn man solches Ressentiment moralisierend mit einem General-Tabu belegte. Nicht nur von der Traumatherapie her weiß man, dass traumatisierte Opfer mit ihren Tätern wieder in inneren Kontakt kommen müssen, und dass Zorn, Hass und Bitterkeit, die in einem solchen Prozess aufbrechen, nicht unterdrückt werden dürfen, sondern in erträglichen Maßen zuzulassen und so zu verarbeiten sind.34 Am Ende werden die Tränen getrocknet werden (Offb 7,17) – auch die Tränen von Zorn und Hass über ein mutwillig zerstörtes eigenes Leben. Aber auf dem Weg dorthin muss auch das Ressentiment seinen Platz haben. Dieser Realismus ist den biblischen Fluchpsalmen, die dem Zorn der Entrechteten Raum geben, zugute zu halten.

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Diesem Anliegen wird unsere Vorstellung eines Gerichts aus freigesetzter Liebesreue gerecht.35 Es gibt nichts Härteres, das ein Opfer seinem Täter wünschen kann, als dass dieser mit einem aus Liebe sich verfeinernden Gewissen mit der zerstörerischen Wahrheit seines ehemaligen Tuns konfrontiert wird. Im Unterschied zu einem bloß rächenden Strafgericht zwingt Gott dieses Feuer der Liebesreue den Tätern nicht einfach von außen auf, sondern wirbt darum, dass sie sich in Freiheit auf diesen Reinigungsprozess einlassen. Würden sie dies nicht, bliebe ihnen nur die Verewigung eines unerlösten Zustandes, durch eine endgültige Ablehnung des Rettungsangebots Gottes. Und das wäre definitiv die Hölle. So gibt es ein Ressentiment, wo die Opfer ihren Tätern das göttliche Gericht an den Hals wünschen und sie so gerade nicht in die Hölle schicken, sondern davor bewahren wollen.36 Und dies durchaus in einem Interesse der eigenen Heilung. Denn dass die Täter unversöhnt in der Hölle braten, kann ihren Opfern allenfalls eine bittere Genugtuung vermitteln, aber keine Heilung und keine gerechtigkeit.37

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Aus dieser Perspektive ergibt sich, dass jene Opfer, die noch unversöhnt den Tätern gerechtigkeit an den Hals wünschen, nur hoffen können, dass die Täter nicht die Hölle wählen, sondern sich auf diesen höchst peinvollen Prozess ihrer inneren Reinigung einlassen. Dass ebendies der Weg ist, auf dem die Täter innerlich verwandelt werden, so dass Versöhnung und Heil für sie möglich wird, bleibt zunächst außerhalb des Interesses von vergeltungsbedürftigen Opfern. Aber eben dazu führt dieser Prozess, den sie doch selber für die an ihnen schuldigen Täter wünschen. Und so werden die Opfer im Verlauf der Wandlung des Täters selber gewandelt. Es ist ein Prozess des Gerichts, der zugleich ein Prozess der gegenseitigen Versöhnung ist, vermittelt durch Jesus Christus, der als Erlöser in Identifizierung mit jedem Opfer der Geschichte zu dieser Rolle des Mittlers und Versöhners befähigt wurde. Auch die Opfer sind frei, sich auf diesen Prozess einzulassen, – einen Prozess, an dem vorbei tatsächlich kein ewiges Heil für sie möglich ist. Aber diese Entscheidung wird ihnen leicht gemacht. Denn es ist ebendieser Prozess, der ihre Peiniger in maximaler Weise mit der Wahrheit des von ihnen verschuldeten Unheils konfrontiert.

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Werden die gequälten, selbst noch unversöhnten Opfer im Verlaufe dieses Prozesses – im steten Blick auf die peinvolle innere Wandlung ihrer Täter – auch selber zur Versöhnung befähigt? Auch das können wir nicht einfach behaupten, schon gar nicht fordern, wohl aber erhoffen, – mit einer Hoffnung, die im christlichen Mysterium der Erlösung ein starkes Fundament hat.

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4.3 Hoffen für alle anderen und Fürchten für sich selber

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Für jeden Menschen hoffen und für sich selber fürchten: Mit diesem alten kirchlichen Prinzip, das wir existenzialistisch zugespitzt bei Sören Kierkegaard finden,38 hat Hans Urs von Balthasar zwischen fahrlässiger Heilszuversicht und Höllenangst einen spannungsreichen Mittelweg beschrieben, bis an die Grenze zum Paradox.39 Damit dieses Prinzip der Hoffnung für alle und Furcht für sich selber nicht eine Gerichtsangst bis hin zur Selbstverdammnis befördert, sollte man dieses Prinzip folgendermaßen modifizieren: Wenn wir allein auf uns selbst schauen, auf unser Sünden und auf unsere schwache Kraft zum Guten, könnten wir für uns – wie auch für andere – nur fürchten. Wenn wir aber auf Christus und auf das Kreuz schauen, das uns offenbart, wie weit Jesus gegangen ist, um selbst den verlorensten Sünder zu retten, dann können wir für uns wie auch für jeden anderen hoffen.

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Diese Zuversicht im Blick auf das Gekreuzigten schließt aber ein Fürchten um uns selber nicht aus. Denn das Kreuz ist ja kein Erlösungsautomatismus, sondern der Schlüssel dafür, dass Jesus, der sich auf jeden Menschen – Opfer oder Täter – aufs Tiefste eingelassen hat, das Gefängnis unserer sündig-erbsündigen Abgeschnittenheit (von Gott, von Mitmenschen, Welt und uns selbst) immer wieder aufbrechen kann. Das aber bedeutet, dass wir, die wir uns früher schon gegen Gott und das Gute festgelegt haben, in eine neue Entscheidungssituation versetzt werden, wo wir unser früheres sündiges Nein durch ein tieferes und umfassenderes Ja außer Kraft setzen können. Erlösung ist immer zugleich Befreiung zu einem aktiven Mitwirken mit Jesu Erlösungstat. Diesen Kairos40 (d.h. diese Heilssituation) kann ich aus meiner freigesetzten Freiheit heraus nutzen, aber auch verfehlen. Alles hängt nun daran, dass ich mich in dieser prekären Situation von der Gnade Gottes, die mir diesen Kairos eröffnet hat, tragen lasse. So ergibt sich eine unauflösbare Spannung von Gottes Heilsmacht und eigener freier Heilsverantwortung. Paulus hat diesen spannungsvollen Zusammenhang in nur scheinbar widersprüchlichen Aussagen präzise ausgedrückt:

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„Darum, meine Geliebten, [...]: Wirkt mit Furcht und Zittern euer Heil!
13 Denn Gott ist es, der in euch das Wollen und das Vollbringen bewirkt
zu seinem Wohlgefallen.“ (Phil 2,12–13)
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Die beiden Verse scheinen sich auszuschließen: Wenn Gott unser Wollen und Vollbringen wirkt, warum soll man sich dann noch fürchten? Antwort: Weil Gott eben unser Wollen und Vollbringen wirkt. Das heißt er überwältigt unser Wollen und Vollbringen nicht, sondern setzt es frei, so dass es nun an uns liegt, ob wir mit diesem Wirken Gottes mitwirken. Und dieses Wirken Gottes besteht in der Menschwerdung und der Selbstentmächtigung Jesu bis ans Kreuz, wie Paulus im unmittelbar vorausgehenden Text betont:

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Er war Gott gleich, hielt aber nicht daran fest, Gott gleich zu sein,
sondern er entäußerte sich und wurde wie ein Sklave und den Menschen gleich.
Sein Leben war das eines Menschen;
er erniedrigte sich und war gehorsam bis zum Tod, bis zum Tod am Kreuz.
Darum hat ihn Gott über alle erhöht
und ihm den Namen verliehen, der größer ist als alle Namen ...“
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Dieser Abstieg, diese Kenose oder Selbstentmächtigung „bis zum Tod am Kreuz“ dient einer Freisetzung der sündig fixierten Menschen zu einer neuen Freiheit, mit Gott als anerkannter Mitte aufzuleben:

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„... damit alle im Himmel, auf der Erde und unter der Erde
ihr Knie beugen vor dem Namen Jesu jeder Mund
und jeder Mund bekennt:
Jesus Christus ist der Herr zur Ehre Gottes, des Vaters.“ (Phil 2,10–11)
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Auf dieser heilsgeschichtlichen Grundlage können Menschen erlöst werden, indem sie dazu befreit werden, das Angebot der Erlösung zu vollziehen: im jeweiligen Kairos in dieser Zeit, wo sich jene Grundentscheidung anbahnt, die am Jüngsten Gericht bestätigt wird.41

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Darum, meine Geliebten, [...]:
Wirkt mit Furcht und Zittern euer Heil!
13 Denn Gott ist es, der in euch das Wollen und das Vollbringen bewirkt
zu seinem Wohlgefallen.“ (Phil 2,12–13)
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Das ist die biblische Begründung des Prinzips: Für jeden Menschen hoffen und für sich selber fürchten.

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4.4 Gott sei Dank ist das Jüngste Gericht nicht nur Selbstgericht

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Von dieser Doppelaussage hat die durchschnittliche frühere Verkündigung nur den ersten Teil übernommen und die durchschnittliche heutige Verkündigung nur den zweiten Teil. Um die rechte Balance wiederzugewinnen, müssen wir uns von der Verkündigung Jesu in den Evangelien leiten lassen. Hier hat die Frohbotschaft einen eindeutigen Vorrang vor der Drohbotschaft. Das ist ein wichtiger Unterschied von Jesu Verkündigung vom Gottesreich gegenüber Johannes dem Täufer und auch den von Jesus zitierten Texten im Alten Testament. Während der Täufer vor der Axt, die bereits an die Wurzel gelegt ist, warnte,42 verkündete Jesus das nahe gekommene Gottesreich, das Umkehr und Glauben nicht voraussetzt, sondern ermöglicht.43 Und in seiner Ankündigung eines „Gnadenjahres des Herrn“ ließ er den „Tag der Vergeltung unseres Gottes“ aus dem zitierten Jesajatext weg.44

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Aber dort, wo Jesu Heilsangebot die Menschen erreichte und diese ihre Gnadenchance (den Kairos) notorisch zurückwiesen, drohte Jesus mit harten Konsequenzen. Jesus hat die Gerichtsworte nicht einfach weggelassen, sondern sie auf den Kontext einer verweigerten Gnadenchance fokussiert. So ist die Endphase von Jesu Verkündigung ganz mit Gerichtsgleichnissen unterlegt.45

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Die Wende von einem strafenden zu einem liebenden Gott in der Verkündigung des 20. Jahrhunderts war von einer Wende in der Vorstellung vom eschatologischen Gericht begleitet. Stellte man sich früher einen strafenden Gott vor, der über die Menschen richtet, so ging man nun davon aus, dass Gott ohnehin will, dass alle Menschen gerettet werden. Sollte es doch noch zu einem ewigen Unheil des Menschen kommen, dann nur dadurch, dass der Mensch selber die Hölle wählt. Gott wäre dann jener, der das unablässige Sträuben eines Menschen gegen seine Gnadenangebote letztlich mit dem furchtbaren Wort beantwortet: „Dein Wille geschehe“.46

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Die moderne Wende vom Strafgericht zum Selbstgericht ist ebenso mitzuvollziehen wie die Wende vom primär strafenden zum liebenden Gott. Allerdings muss auch hier die Wahrheit des Gerichts berücksichtigt werden. Stellt man sich diesen Prozess einer wachsenden Liebe vor, mit der der Mensch die bittere Wahrheit seines schuldigen Lebens anschaut, muss man sich fragen, wie ein Mensch das noch aushalten soll. Müsste es einem dann nicht mindestens so gehen wie dem Petrus im Evangelium, der nach der eigentlich beglückenden Gotteserfahrung eines wunderbaren Fischfangs zu Jesus sagt: „Geh weg von mir, ich bin ein Sünder!“ (Lk 5,8)?47

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Im letzten Buch des Alten Testaments heißt es vom Jüngsten Gericht:

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„Doch wer erträgt den Tag, an dem er kommt?
Wer kann bestehen, wenn er erscheint?
Denn er ist wie das Feuer des Schmelzers und wie die Lauge der Walker. Er setzt sich, um das Silber zu schmelzen und zu reinigen:
Er reinigt die Söhne Levis, er läutert sie wie Gold und Silber.“ (Mal 3,2–3)
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Es ist seine Liebe, die uns durchdringt wie das Feuer im Schmelzofen und wie die Lauge im Waschtrog;48 mit dem Ziel, dass alles weggebrannt ist, was Widerstand gegen Gott, das Gute und die Wahrheit ist. Gottes himmlische Liebe ist für einen unversöhnten Menschen so, als würde man eine Spannung von 100.000 Volt durch einen Draht hindurchjagen, der noch einen größeren elektrischen Widerstand in sich hat. Er würde verglühen. Wenn hingegen aller Widerstand gegen Gott, das Gute und die Wahrheit überwunden ist, kann sich die himmlische Herrlichkeit zwischen Mensch und Gott, Mensch und Mitmensch, Mensch und Welt in einer neuen Schöpfung entfalten, die der Macht des Todes nichts verdankt.

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Aber solange noch „Widerstand“ da ist, ist Gottes Liebe schwer zu ertragen. So kehrt sich die moderne Zuversicht auf ein bloßes Selbstgericht in ihr Gegenteil. Wäre das Jüngste Gericht nur Selbstgericht, wäre zu befürchten, dass nicht nur der schlimmste Sünder, sondern jeder Mensch, auch ich selber einst vor der göttlichen Liebe, die mich verwandeln will, zurückwiche und für mich lieber eine unverwandelte Ewigkeit wählte. Das aber wäre die Hölle.

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Deshalb ist es Frohbotschaft und nicht Drohbotschaft, dass das Jüngste Gericht nicht nur Selbstgericht ist. Wenn wir, wie einst Petrus, ausrufen „Geh weg von mir, ich bin ein Sünder“, wird Christus, wie einst Petrus, auch uns nicht fallen lassen. Wir können zuversichtlich sein, dass Gott den „Starkstrom“ seiner Liebe behutsam ansetzen wird, – so, wie wir ihn gerade noch ertragen können. Aber dennoch gilt: An der radikalen Reinigung kommt niemand vorbei. Das ist kein göttlicher Rigorismus, sondern liegt in der Natur der Sache: Der Himmel kann nur für jene Menschen Himmel sein, die zuvor himmelsfähig geworden sind.

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4.5 „Ökologische“ Hoffnung für jedes Geschöpf und für die ganze Welt

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Eine Schlagseite der christlichen Theologie und Verkündigung in der Neuzeit ist ihre ausgeprägte Anthropozentrik. Im Unterschied dazu hat die Bibel das Heil nicht nur der Menschen sondern der ganzen Schöpfung im Blick. Man denke an die Rede Gottes an den zornigen Jona, mit der das gleichnamige biblische Buch endet:

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„Du hast Mitleid mit einem Rizinusstrauch,
für den du nicht gearbeitet und den du nicht großgezogen hast.
Über Nacht war er da, über Nacht ist er eingegangen.
Soll ich da nicht Mitleid haben mit Ninive, der großen Stadt,
in der mehr als hundertzwanzigtausend Menschen leben,
die zwischen rechts und links nicht unterscheiden können
und außerdem so viel Vieh?“ (Jona 4,10–11).
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Oder neutestamentlich der Missionsauftrag am Ende des Markusevangeliums:

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„Geht hinaus in die ganze Welt
und verkündet das Evangelium der ganzen Schöpfung!“ (Mk 16,15)
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Auch die Eschatologie und der christliche Jenseitsglaube der Neuzeit bis zur Gegenwart sind weithin auf das Heil bloß der Menschen verengt. Scheinbar ganz selbstverständlich konzentriert sich der unser Jenseitsglaube auf die Hoffnung, nach dem Tod „in den Himmel zu kommen“. Der Mensch stirbt, lässt die Welt zurück und findet sein Heil in Gott und – verbunden mit Gott – bei den Mitmenschen, die ihm/ihr vorausgegangen sind oder nachfolgen. Was aber ist mit der Welt, die zurückbleibt? Diese wird irgendwann untergehen. Aber keine Sorge! Zugleich mit der leiblichen Auferstehung wird Gott eine neue Welt erschaffen, in vollkommener Schönheit und frei von der Geisel des Todes. So sieht die auch heute noch verbreitete eschatologische Vorstellung aus.

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Gewiss: Die Hoffnung auf Auferstehung und auf eine neue Schöpfung ist ein Vorzug christlichen Glaubens gegenüber rein geistigen Jenseitsvorstellungen, wie sie für die Gnosis und den Platonismus charakteristisch sind. Aber es bleibt die Frage: Wird die alte Schöpfung in die neue Schöpfung verwandelt oder durch die neue Schöpfung ersetzt? Gilt das Zweite, dann besteht streng genommen keine Hoffnung für diese Welt. Sie wird restlos untergehen, und an ihre Stelle wird etwas vollkommeneres Neues treten. Nur die Menschen behalten durch den Tod und das Gericht hindurch ihre Identität, wie durch die (aus diesem Grund unaufgebbare) christliche Lehre von der Unsterblichkeit der Seele sichergestellt ist. Die Menschen werden in der himmlischen Vollendung dieselben, nicht bloß die Gleichen sein.

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Diese Einengung eschatologischer Heilsvorstellungen auf den Menschen blieb durch die Wandlungen eschatologischer Vorstellungen in der neueren Theologie weitgehend unverändert. Wie bereits eingangs angesprochen, hat sich seit dem 20. Jahrhundert die Eschatologie weitgehend von der naiven Zeitvorstellung früherer Jenseitsmodelle verabschiedet und der Vorstellung einer Auferstehung im Tod angenähert. Wenn man dieses (im Grunde sehr anspruchsvolle) Denkmodell nicht theologisch ganz genau differenziert, läuft es auf die populäre Vorstellung hinaus, dass die Verstorbenen bereits leiblich auferstanden in einer neuen Schöpfung leben, während wir in dieser todgeweihten Welt weiter unser Dasein fristen.49 Aber das ist doch nur möglich, wenn die verstorbenen Auferstandenen in einer anderen Welt leben, die von unserer numerisch verschieden ist. Die Vorstellung, dass die alte in die neue Schöpfung transformiert und auf diese Weise „erlöst“ wird, erscheint mit dieser (trügerisch vereinfachten) Vorstellung von einer Auferstehung im Tod in einem noch höheren Maße unvereinbar als mit dem traditionellen eschatologischen Modell, bei dem eine Transformation der untergegangenen Welt in eine neue Schöpfung zwar noch denkbar ist, aber – als ein Geschehen erst nach dem Weltuntergang und dem zweiten Gericht – auf den „Nimmerleinstag“ verschoben ist. Für eine lebendige christliche Spiritualität konnte sich eine eschatologische Schöpfungshoffnung so bestenfalls durch glückliche Inkonsequenz auswirken.

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Dann aber hat die wunderbare Hoffnung für die gesamte Schöpfung, wie sie das Zweite Vatikanum zum Ausdruck bringt,50 keine ausreichende Grundlage in unseren leitenden Jenseitsvorstellungen. Diese Hoffnung besagte ja, dass wir „alle guten Erträgnisse der Natur und unserer Bemühungen .... wiederfinden [werden], gereinigt von jedem Makel, lichtvoll und verklärt“. Das bedeutet Transformation und nicht Ersetzung durch etwas anderes. Und solcherart zielt diese Hoffnung auf eine Erlösung, die nicht nur den Menschen, sondern der ganzen Welt gilt. Es entspricht einem Zeichen der Zeit, dass wir diese ökologische Vollendungshoffnung nicht nur für die Menschen sondern für unseren ganzen Lebensraum (= „oikos“) wiedergewinnen. Um diese Hoffnung einzulösen, müssen wir neu auf biblische Grundlagen zurückgreifen:

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5. Die Revolution des christlichen Verständnisses von Auferstehung

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5.1 Nicht wir kommen zu Christus, sondern Christus kommt zu uns: in der Parusie

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Bemerkenswerterweise drückt das Glaubensbekenntnis die christliche Vollendungshoffnung nicht auf die gewohnte Weise aus, dass wir in den Himmel kommen, sondern umgekehrt, dass Christus zu uns kommt: „Von dort wird er kommen, zu richten die Lebenden und die Toten“.51 Die „Auferstehung der Toten und das ewige Leben“ ergeben sich erst aus diesem Ereignis der Wiederkunft oder Parusie Christi.

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Alles hängt also von der Wiederkunft Christi ab, die auch in der Eucharistie als „Geheimnis des Glaubens“ unmittelbar nach den Wandlungsworten eine zentrale Stelle einnimmt:

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„Deinen Tod, o Herr, verkünden wir,
und deine Auferstehung preisen wir,
bis du kommst in Herrlichkeit
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Die Wiederkunft Christi – biblisch „auf den Wolken des Himmels“ (Mt 24,30; Mk 14,62) – zählt allerdings für unser heutiges, an den Naturwissenschaften orientiertes Denken zu den am schwersten nachvollziehbaren Glaubensinhalten. Da fällt es leichter, die ganze Eschatologie auf den – naturwissenschaftlich unzugänglichen – Bereich jenseits des Todes zu verlagern. Dies geschieht allerdings um den Preis, dass unsere Welt aus unserer Jenseitshoffnung herausfällt.

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Um den biblischen, dogmatischen und liturgischen Vollendungsglauben ohne anthropozentrische Verkürzung wiederzugewinnen, ist es unvermeidlich, die ganze Welt von Christus her neu zu verstehen und diese Transformation auch gegenüber naturwissenschaftlichen Vorstellungen zu verantworten. Das wird zu den zentralen Aufgaben einer kosmischen Eschatologie im ökologisch sensibilisierten 21. Jahrhundert gehören. Auch dazu ist es nötig, die biblische Eschatologie unverkürzt wiederzugewinnen.

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5.2 Jenseitsvorstellungen zur Zeit Jesu: Frühjüdische Apokalyptik

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Mit seiner Verkündigung konnte Jesus an eschatologische Vorstellungen im Judentum anschließen, die die ganze Schöpfung im Blick hatten. Damals dominierte eine Apokalyptik, die sich eine messianische Erneuerung innerhalb dieser zerrütteten Welt (durch einen vollkommen gerechten, königlichen „Sohn Davids“) nicht mehr vorstellen konnte und mit einer radikalen Zerstörung und Neuerschaffung der gesamten Welt rechnete: Gott wird den alten Äon (das heißt: die alte Welt mit ihren zeitlichen, räumlichen und politischen Ordnungen) vernichten und durch einen neuen Äon ersetzen. Dann wird Gott seinen Messias vom Himmel her schicken, die verstorbenen Gerechten werden leiblich auferstehen und es wird eine vollkommen gerechte Weltordnung geben, die den Tod nicht kennt.52

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Johannes der Täufer verkündete, dass dieser radikale Einschnitt unmittelbar bevorsteht: „Schon ist die Axt an die Wurzel gelegt ...“ (Mt 3,10; Lk 3,9). Wenig später verkündete Jesus, dass das Reich Gottes (wörtlich: die Königsherrschaft der Himmel; nach Matthäus: das Himmelreich) unmittelbar bevorsteht.53 Das konnte nur apokalyptisch verstanden werden, Weltuntergang inklusive.

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5.3 „Das Himmelreich ist jetzt schon und doch noch nicht da“ – Ein sanfter Übergang zwischen den Äonen

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Allerdings setzte Jesus andere Akzente als Johannes: Er begann mit einer Heilsbotschaft ohne Gerichtsworte. Den Anbruch des Gottesreiches verglich er mit einem gewaltlosen Naturgeschehen. Jesus setzte nicht auf Schreckensbilder von Blitz und Axt, sondern auf Wachstumsgleichnisse: „Mit dem Himmelreich ist es wie mit einem Mann, der guten Samen auf seinen Acker säte ...“ (Mt 13,24).

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Jesus knüpfte an den zeitgenössischen Vorstellungen der jüdischen Apokalyptik an; aber er verlagerte die Aufmerksamkeit vom kommenden radikalen Einschnitt – mit Weltuntergang und Weltschöpfung – auf sanfte Anfänge des Neuen, die sich bereits gegenwärtig abzeichnen. Ähnlich, wie es schon bei Jesaja anklingt:

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„Siehe, nun mache ich etwas Neues.
Schon sprießt es, merkt ihr es nicht?
Ja, ich lege einen Weg an durch die Wüste und Flüsse durchs Ödland.“ (Jes 43,19)
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Dabei lässt Jesus die Umkehrforderung des Täufers nicht fallen, aber er stellt sie auf eine neue Grundlage:

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„Die Zeit [der Kairos] ist erfüllt.
Das Reich Gottes ist nahe [gekommen].
[Deshalb:] Kehrt um und glaubt an das Evangelium.“ (Mk 1,15)54
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Alles beginnt nun mit einem grundlosen Gnadengeschenk, einem „Gnadenjahr des Herrn“ (Lk 4,19), das Gott allen Menschen, Bösen wie Guten bereitet. Das ist ihr Kairos, ihre Gnadenchance.55 Dadurch können sie umkehren. Durch die Begegnung mit Jesus, dem Mittler dieser göttlichen Gnadenzeit, erhalten sie zur Umkehr Kraft und Orientierung. Sie wissen nun auch, wohin sie umkehren56 sollen, indem sie Jesus nachfolgen. Und weil sie auf diese Weise umkehren können (und auch die Notwendigkeit dazu einsehen), deshalb müssen sie es auch.

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Mit diesem „erfüllten Kairos“ (Mk 1,15) hat gemäß Jesu Botschaft der neue Äon, die neue Schöpfung bereits mitten in der alten begonnen: verborgen, aber doch wirksam, wie von Gott ausgestreute Samenkörner (Mk 4, Mt 13). Dämonen werden ausgetrieben (Lk 11,20), „Blinde sehen wieder, Lahme gehen und Aussätzige werden rein; Taube hören, Tote stehen auf und Armen wird das Evangelium verkündet“ (Lk 7,22). Mit diesen von Jesus genannten Zeichen für das anbrechende Gottesreich hat sich zwar die neue Schöpfung noch nicht restlos durchgesetzt; denn Dämonen kehren zurück (Lk 11,26), Geheilte werden wieder krank und Auferweckte werden neu mit dem Tod bedroht (Joh 12,10). Aber diese Machttaten sind wirksame Zeichen, Realsymbole, oder in biblischer Sprache: Samenkörner des Gottesreichs. Wo sie auf guten Boden fallen, beginnt bereits jetzt die eschatologische Transformation, die dann, zum Weltgericht am Ende der Zeiten, vollendet wird. „Dann werden wir sie wiedergewinnen ...“57.

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So stellt Jesus mit seiner Verkündigung die eschatologische Hoffnung vom Kopf auf die Füße: Seine Jünger und NachfolgerInnen lehrt er, nicht nur auf die Vollendung hin, sondern von der Vollendung her zu leben.

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5.4 Die Revolution der christlichen Auferstehungserfahrung

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Der Glaube an eine Auferstehung der Toten ist nicht erst durch das Christentum entstanden. Dass Tote leiblich auferweckt werden, ist spätestens seit dem Buch Daniel Bestandteil der apokalyptischen Hoffnung im Judentum.58 Zur Zeit Jesu war es nur mehr die Minderheit der Sadduzäer, die nicht an eine leibliche Auferstehung glaubten. Dennoch sorgte Jesu Ankündigung, dass er demnächst getötet und am dritten Tag auferstehen werde, für Irritationen bei den Jüngern:

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„Doch die Zwölf verstanden das alles nicht; der Sinn der Worte war ihnen verschlossen, und sie begriffen nicht, was er sagte“ (Lk 18,33).
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Der Grund ihres Nichtverstehens – obwohl der Glaube an eine leibliche Auferstehung den damaligen Juden geläufig war – lag wohl darin, dass man sich die Auferstehung der Toten erst nach dem Untergang dieser Welt vorstellen konnte. Sollte also demnächst, unmittelbar nach dem gewaltsamen Tod Jesu, die Apokalypse eintreten und die Welt untergehen?

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Ab Ostern bezeugten die Jünger Jesu, dass sie dem auferstandenen Jesus begegnet waren. Trotz des im Judentum verbreiteten Glaubens an die Auferstehung konnte dieses Zeugnis nur als verrückt gewertet werden. Setzte es doch gemäß dem apokalyptischen Auferstehungsglauben voraus, dass zuvor die Welt untergegangen wäre. Und das war ja ganz offensichtlich nicht eingetreten. Dass ein Mensch vorweg aufersteht, während die alte Welt (der alte Äon) noch weitergeht, sprengte alle vorhandenen Kategorien. Eine solche Behauptung setzte die Vorstellung voraus, dass der neue Äon bereits angefangen hat, bevor der alte Äon zu Ende gegangen ist. Eine solche Überlappung der Äonen war unvorstellbar. Sie entsprach aber bereits der Verkündigung Jesu von einem keimhaften Anbrechen des Gottesreichs mitten in dieser alten Welt: „Wenn ich aber die Dämonen durch den Finger Gottes austreibe, dann ist das Reich Gottes schon zu euch gekommen“ (Lk 11,20).

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5.5 Auferstehung als Anfang einer neuen Schöpfung

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Von den ersten Christen und den neutestamentlichen Autoren wurde die bereits in dieser Weltzeit erfolgte Auferstehung Jesu zwar als einmaliges Geschehen begriffen, das aber deshalb nicht aus der Welt herausfiel, sondern einen maßgeblichen Einfluss auf die Menschheit und die ganze Welt hat. Man begriff den auferstandenen Christus als bereits erfolgten Anfang einer neuen Schöpfung. Diese neue Schöpfung stellt für den christlichen Auferstehungsglauben keine isolierte „Hinterwelt“ dar, sondern wirkt sich vermittelt durch den Heiligen Geist transformierend auf diese Welt aus.

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„Wenn also jemand in Christus ist, dann ist er eine neue Schöpfung:
Das Alte ist vergangen, Neues ist geworden.“ (2 Kor 5,17)
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Ausgewählten Urchristen war Jesus als Auferstandener erschienen, und das gab ihrem Glauben und Leben eine Zuversicht, die die Welt erstaunte. Aus den zuvor verängstigten Jüngern wurden mutige Zeugen. Die Ausgießung des Heiligen Geistes, der einer Vielzahl von Christen den Glauben an den auferstandenen Jesus Christus von innen her erschloss, bewirkte in ihnen einen erstaunlichen Freimut zum öffentlichen Bekenntnis. Todesdrohungen konnten sie nicht mehr einschüchtern, und sie bezeugten Christus bis zum Martyrium, ohne deshalb fanatisch zu werden. Aus Auferstehungserfahrungen wurden nach Pfingsten Erfahrungen des Heiligen Geistes, die mit der unbeugsamen Hoffnung, die sie vermittelten, eine Auferstehungserfahrung im weiten Sinne waren. Solche Erfahrungen, die von Christen durch die ganze Kirchengeschichte hindurch bis in die Gegenwart gemacht wurden, bestehen nicht nur aus subjektiven Erlebnissen, sondern werden auch sakramental vergegenwärtigt. In ihnen kehrt sich die gewohnte Wirkrichtung von Ereignissen in der Zeit um. Die eschatologische Vollendung bricht zeichenhaft in der Gegenwart durch, und zwar nicht hinter dieser Welt, sondern zuinnerst in dieser Schöpfung. Auf diese Weise ist es Christen gegeben, nicht nur zuversichtlich hoffend auf die Vollendung hin, sondern von der Vollendung her zu leben; und zwar nicht nur in schönen und heilvollen Erfahrungen, sondern unter Umständen mitten in der Bedrängnis. So heißt es von Stephanus unmittelbar vor seiner Steinigung:

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„Als sie das hörten, waren sie aufs äußerste über ihn empört
und knirschten mit den Zähnen gegen ihn.
Er aber, erfüllt vom Heiligen Geist, blickte zum Himmel empor,
sah die Herrlichkeit Gottes und Jesus zur Rechten Gottes stehen und rief:
Siehe, ich sehe den Himmel offen
und den Menschensohn zur Rechten Gottes stehen.“ (Apg 7,55–56)
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Eine wörtliche Übersetzung erschließt uns hier ein bemerkenswertes Detail:

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„Seiend aber voll Heiligen Geistes, starrend in den Himmel,
sah er Gottes Herrlichkeit und Jesus stehend zur Rechten Gottes“59
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Das heißt, Stephanus starrte nicht über die Köpfe seiner Gegner hinweg, sondern ihm ging die Herrlichkeit Gottes auf, während er die ihn bedrohenden Menschen anschaute. Nicht über oder hinter dieser Welt, sondern mitten in der Welt offenbart sich die Herrlichkeit Gottes in seiner neuen Schöpfung. Allein aus dem Stephanustext wäre ein so weitreichender Schluss vielleicht überzogen. Aber das Muster wiederholt sich in vielen Situationen bis hin zu gegenwärtigen Erfahrungen. Ein starkes Beispiel dafür gab uns der Jesuit Alfred Delp, der wegen seines gewaltlosen Widerstandes gegen den Nationalsozialismus gefangengesetzt und zum Tod durch Erhängen verurteilt wurde. Aus dem Gefängnis erreichte uns folgendes Glaubenszeugnis, das er mit gefesselten Händen geschrieben hatte:

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„Diese Woche war in vieler Hinsicht sehr bewegt. Drei von uns sind den Weg gegangen, der als bittere Möglichkeit vor uns allen steht und von dem uns nur Gottes Wunder trennen und bewahren können. Innerlich habe ich viel mit dem Herrgott zu tun und zu fragen und dranzugeben. Das eine ist mir so klar und spürbar wie selten: die Welt ist Gottes so voll. Aus allen Poren der Dinge quillt er gleichsam uns entgegen. Wir aber sind oft blind. Wir bleiben in den schönen und in den bösen Stunden hängen und erleben sie nicht durch bis an den Brunnenpunkt, an dem sie aus Gott herausströmen. Das gilt [...] für alles Schöne und auch für das Elend. In allem will Gott Begegnung feiern und fragt und will die anbetende, hingebende Antwort. Die Kunst und der Auftrag ist nun dieser, aus diesen Einsichten und Gnaden dauerndes Bewusstsein und dauernde Haltung zu machen, bzw. werden zu lassen. Dann wird das Leben frei in der Freiheit, die wir oft gesucht haben.“60
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6. Die Welt neu von der Auferstehung her verstehen

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6.1 Ein kraftlos reduzierter Osterglaube

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Die Auferstehung Jesu Christi ist der Schlüssel für einen kraftvollen Glauben, der das eigene Leben und die Wahrnehmung der Welt komplett verwandelt. Für Paulus und andere Zeugen des Neuen Testaments hat die Auferstehung diese Schlüsselbedeutung. Diese zentrale Bedeutung der Auferstehung scheint im Glauben der Kirche – in Schrift, Credo und Liturgie – zwar auf, aber leider bleibt sie in großen Teilen der Verkündigung und bei vielen Glaubenden weitgehend unentfaltet und wirkungslos. Unter frommen Worten und Gesten gärt der unbeantwortete Zweifel: Was hilft es den vielen, die gestorben sind ohne auferstanden zu sein, und was hilft es uns, die wir in dieser todgeweihten Welt unser Dasein fristen, dass ein Einziger dem Tod entrissen wurde? So bleibt es bei der vagen Hoffnung, dass irgendwann, am sprichwörtlichen Nimmerleinstag, dank der Auferstehung Christi auch wir und die Unsrigen auferstehen werden. Damit aber fällt der christliche Auferstehungsglaube zurück auf das Niveau der apokalyptischen Auferstehungshoffnung zur Zeit Jesu, nur mit dem weiter schwächenden Unterschied, dass uns nach zweitausend Jahren jede Naherwartung restlos abhanden gekommen ist. Worin das Besondere eines authentischen christlichen Auferstehungsglaubens besteht, zeigt uns das Johannesevangelium in einem Dialog zwischen Jesus und Marta, der Schwester des vier Tage zuvor verstorbenen Lazarus:

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„Als Marta hörte, dass Jesus komme, ging sie ihm entgegen,
Maria aber blieb im Haus sitzen.
Marta sagte zu Jesus:
Herr, wärst du hier gewesen, dann wäre mein Bruder nicht gestorben.
Aber auch jetzt weiß ich:
Alles, worum du Gott bittest, wird Gott dir geben.
Jesus sagte zu ihr:
Dein Bruder wird auferstehen.
Marta sagte zu ihm:
Ich weiß, dass er auferstehen wird bei der Auferstehung am Jüngsten Tag.
Jesus sagte zu ihr:
Ich bin die Auferstehung und das Leben.
Wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er stirbt,
und jeder, der lebt und an mich glaubt, wird auf ewig nicht sterben. Glaubst du das?
Marta sagte zu ihm:
Ja, Herr, ich glaube, dass du der Christus bist,
der Sohn Gottes, der in die Welt kommen soll.“ (Joh 11,20–27)
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„Ich weiß, dass er auferstehen wird bei der Auferstehung am Jüngsten Tag“ – Auf dieser Stufe ist der Auferstehungsglaube vieler Christen steckengeblieben. Das ist eine vage, ungefähre Hoffnung, die das Leben und die gegenwärtige Welt nicht verändern kann. Mit dem Johannesevangelium sagt Jesus auch zu uns heute:

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„Ich bin die Auferstehung und das Leben.
Wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er stirbt,
und jeder, der lebt und an mich glaubt, wird auf ewig nicht sterben.
Glaubst du das?“
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Können wir darauf antworten, wie es Marta tat?

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6.2 Ein neues Verständnis der Schöpfung von der Auferstehung her

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Über Predigt – mit der Aufforderung, einen unverkürzten Auferstehungsglauben zu wagen – hinaus geht es in diesem Aufsatz um eine Theologie und näherhin Eschatologie, die Hindernisse auf dem Weg zu einem solchen Glauben wegräumt. Hier gilt es zu berücksichtigen: Der Glaube, dass Christus auferstanden ist, wie wir ihn mit der Ostkirche im Ostergruß ausdrücken – „Christus ist auferstanden“ – „Er ist wahrhaft Auferstanden“ –, fällt aus unserem üblichen Weltverständnis heraus. Deshalb droht er wirkungslos zu bleiben, wenn wir nicht bereit sind, die ganze Schöpfung derart neu zu verstehen, dass das Ereignis der Auferstehung und der bereits begonnenen neuen Schöpfung jene Bedeutung entfalten kann, die ihr zusteht. Vom Ereignis der Auferstehung her müssen wir den christlichen Schöpfungsglauben neu durchdeklinieren. Das ist die Aufgabe einer zeitgemäßen dogmatischen Theologie.

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Zu begreifen ist, dass Gott seine Schöpfung von Anfang an auf eine neue Schöpfung hin angelegt hat, die vom Fluch der Sünde und des Todes frei ist, so dass sie von diesen destruktiven Mächten nicht mehr erfasst werden kann. Diese Doppelperspektive auf eine alte und eine neue Schöpfung ist bereits im ersten Satz der Bibel angelegt: „Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde.“ Himmel und Erde stehen dabei nicht nur für „alles“; und der Himmel steht nicht nur für das viele in der Schöpfung, das uns gegenwärtig noch verborgen ist, sondern auch für jenes unausgeschöpfte Potenzial von Gottes Schöpfung, von dem her am Ende das neue Jerusalem, also die neue Schöpfung, herabkommen wird (Offb 21,10).

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Und im Garten Eden, wie ihn die zweite Schöpfungserzählung beschreibt, steht der Baum des Lebens für das unbeachtet gebliebene Potenzial einer neuen Schöpfung. Die biblische Weisheit wird den Baum des Lebens mit der Tora gleichsetzen (Sir 24,12–25), und alttestamentliche Visionen von einer neuen Schöpfung beschreiben, wie von den Bäumen des Lebens (nun im Plural) nicht nur Nahrung, sondern auch Heilung für alle ausgeht (Ez 47,12). Die Johannesoffenbarung wird dies am Ende der Bibel aufgreifen (Offb 22,2).

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Wie soeben an zwei kleinen Beispielen verdeutlicht, kann und muss das ganze biblische und christlich-theologische Schöpfungsverständnis von der Auferstehung als Durchbruch einer neuen Schöpfung in der alten her neu und tiefer verstanden werden.

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6.3 Die neue Schöpfung in der alten entdecken

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Biblisches Schöpfungsverständnis führt uns in das Mysterium ein, dass Gott zugleich in und über der Welt ist, transzendent und weltimmanent,61 – und zwar so, dass das eine (in direkter Proportionalität) mit dem anderen sich steigert. Gott ist derart transzendent, dass sein In-Sein in der Welt den Eigenstand der Welt nicht begrenzt, sondern begründet. Von daher ergibt sich die mystisch erfahrbare Einsicht (wie wir sie oben bei Alfred Delp gesehen haben), dass alles was ist, im Innersten von Gott getragen ist, so dass, wie Augustinus sagt, Gott uns innerlich ist als wir uns selbst. Das gilt für jeden Menschen und für jedes Stück Schöpfung. So sind wir Gottes Ebenbild derart, dass andere in unserem Innersten die Herrlichkeit Gottes aufstrahlen sehen können – eine Herrlichkeit, die, in unüberbietbarer gegenseitiger Steigerung, zugleich in und über uns ist. Und durch das In-Sein in Christus, dem Mittler aller Schöpfung, können wir eine solche Gottebenbildlichkeit für alles Geschaffene annehmen. Alles was ist, ist dadurch, dass es ist, befähigt, Ort der Selbstoffenbarung Gottes zu sein, – so, dass es nicht nur wie eine Hohlform auf einen transzendenten Gott hin durchleuchtet, sondern als es selber die Herrlichkeit Gottes aufleuchten lässt.

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Diese Einsicht ist nun vom Mysterium der Auferstehung Christi als Beginn der neuen Schöpfung her so weiterzuverfolgen, dass in Christus im tiefsten Wurzelgrund von allem, was ist, dessen eschatologische Wirklichkeit als neue Schöpfung bereits durchleuchtet. Wem durch Gott im Heiligen Geist ein Blick in diese tiefste, hier noch unentfaltete und vielfach entstellte Wahrheit eröffnet wird, der kann bei geschärfter Wahrnehmung des Nicht-sein-Sollenden nur noch staunend feststellen: „Wie bist du schön!“ So wird es möglich, jene Liebe zu leben, von der wir Kapitel 2.2 feststellten, dass es letztlich allein auf sie ankommt, – eine Liebe, die wir nicht leisten, wohl aber erbitten können. Wie Paulus sein Hohelied der Liebe abschloss: „Jagt der Liebe nach!“ (1 Kor 14,1).

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Manchmal wird uns diese übernatürliche Liebe als ein Zeichen der neuen Schöpfung mitten in der alten geschenkt: als empfangene oder auch als selbst gelebte. Das ist dann eine Vorschattung der neuen Schöpfung mitten in der alten, des ewigen Lebens mitten in der Vergänglichkeit, von Verklärung unter Umständen mitten in der Trostlosigkeit. Wie es die drei Apostel mit Jesus auf dem Berg der Verklärung erfuhren; und wie ihnen ist es auch uns nicht gegeben, dort Hütten zu bauen. Wir müssen wieder hinunter in die Durchschnittlichkeit eines Lebens, in dem wir ständig an unsere Grenzen stoßen, wo wir wie alle mit Wasser kochen müssen und nicht auf dem Wasser gehen, sondern nur mühsam waten oder schwimmen können. Aber von den Taborstunden können wir die erfahrene Verheißung eines ewigen Lebens mitnehmen. Durch solche Auferstehungserfahrungen der neuen Schöpfung mitten in der alten werden wir befähigt, nicht nur auf die Vollendung hin, sondern von der Vollendung her zu leben.

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Literatur

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Bibeltexte werden, wenn nicht anders angegeben, nach der neuen Einheitsübersetzung von 2017 zitiert. Hervorhebungen innerhalb von Bibeltexten sind durchwegs vom Autor eingefügt.

175
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Balthasar, Hans Urs von:

176
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—   Theodramatik. Band II: Die Personen des Spiels. Teil 1: Der Mensch in Gott. Einsiedeln 1976.

177
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—   Theodramatik. Band IV: Das Endspiel. Einsiedeln 1983.

178
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—   Was dürfen wir hoffen? (Kriterien 75). Einsiedeln 1986.

179
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Delp, Alfred: Gesammelte Schriften. Philosophische Schriften Bd. 4. Frankfurt/M. 1985.

180
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Dostojewski, Fjodor:

181
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—   Aufzeichnungen aus dem Kellerloch, Übersetzung: Swetlana Geier, Stuttgart: Reclam 1986.

182
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—   Der Traum eines lächerlichen Menschen und andere Erzählungen, Berlin: Insel 2002.

183
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Fuchs, Ottmar: Das Jüngste Gericht. Hoffnung auf gerechtigkeit. Regensburg 2007.

184
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Kehl, Medard: Und Gott sah, dass es gut war. Eine Theologie der Schöpfung. Freiburg–Basel–Wien 2006.

185
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Kleeberg, Florian: Bleibend unversöhnt – universal erlöst? Eine Relecture von römisch-katholischen Konzepten zur Frage der Allversöhnungshoffnung im Gespräch mit psychotraumatologischen Ansätzen, Münster 2016.

186
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Lüke,Ulrich: Auferstehung – Im Tod? Am jüngsten Tag? In: Hans Kessler (Hg.), Auferstehung der Toten. Ein Hoffnungsentwurf im Blick heutiger Wissenschaften, Darmstadt 2004, 234–251.

187
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Niewiadomski, Józef: Hoffnung im Gericht. Soteriologische Impulse für eine dogmatische Eschatologie. In: ZKTh 114 (1992), 113–126.

188
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Nitsche, Bernhard: Eschatologie als dramatische Nach-Geschichte? In: Ders. (Hg.), Von der Communio zur kommunikativen Theologie (Festschrift für B. J. Hilberath). Münster 2008, 99–109.

189
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Rahner, Karl:

190
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—   Das christliche Verständnis der Erlösung, in: Ders., Sämtliche Werke 30, 346–358.

191
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—   Exkurs: Zur Theologie des Todes, in: Ders., Sämtliche Werke, Band 9: Maria, Mutter des Herrn. Studien zur Mariologie, Freiburg i. Brsg. 2004, 348–392.

192
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—   Theologische Prinzipien der Hermeneutik eschatologischer Aussagen, in: ders., Sämtliche Werke 12. Menschsein und Menschwerdung Gottes, Freiburg,/Br. 2005, 489–510.

193
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Sandler, Willibald:

194
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—   Alles was ist, gründet in Gott. Eine theologische Meditation. S. Paganini, J. Panhofer (Hg.), Schöpfung – Evolution – Verantwortung. Vorträge der 11. Innsbrucker Theologischen Sommertage 2010. Innsbruck, 94–112.

195
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—   „Denn sie wissen, was sie tun“? Freiheit, Heilsverantwortung und Erlösbarkeit des Menschen bei Raymund Schwager und Karl Rahner, in: Niewiadomski, Józef (Hg.), Das Drama der Freiheit im Disput, Freiburg i. Br.: Herder 2017, 116-149, online: https://www.uibk.ac.at/theol/leseraum/texte/1141.html

196
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—   Die gesprengten Fesseln des Todes, Wie wir durch das Kreuz erlöst sind. Kevelaer 2011; im Innsbrucker Theologischen Leseraum: http://theol.uibk.ac.at/itl/900.html.

197
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—   Kairos und Parusie. Kairos als Ereignis des in Christus angekommenen und angenommenen Gottes. In: ZkTh 136 (2014), 10-31.

198
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—   Offenbarung im Angesicht des Untergangs. Das unverzichtbar Apokalyptische im christlichen Glauben, in: M. Datterl, W. Guggenberger, C. Paganini (Hg.) Welt am Abgrund. Zukunft zwischen Bedrohung und Vision (theologische trends 29), 109–128.

199
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—   Und einen Kairos zum Steinesammeln (Koh 3). Gnade als gottgeschenkte Zeit für Frieden, gerechtigkeit und Versöhnung, in: M. Datterl, W. Guggenberger, C. Paganini (Hg.) Friede – Gnade – gerechtigkeit. Im Spannungsfeld zwischen Institutionen und persönlichem Engagement, Innsbruck 2020, sowie online: http://theol.uibk.ac.at/itl/1301.html (Publikation in Vorbereitung).

200
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Sartre, Jean Paul: Geschlossene Gesellschaft. Reinbek 422005, 59.

201
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Schoonenberg, Piet: Theologie der Sünde. Ein Theologischer Versuch, Einsiedeln 1966.

202
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Tück, Jan Heiner:

203
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—   Gottes Augapfel. Bruchstücke zu einer Theologie nach Auschwitz. Freiburg i. Br. 2016.

204
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—   Inkarnierte Feindesliebe. Der Messias Israels und die Hoffnung auf Versöhnung, in: H. Hoping / J. H. Tück (Hg.), Streitfall Christologie. Vergewisserungen nach der Shoah (QD 214). Freiburg – Basel – Wien 2005, 216–258.

205
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—   Versöhnung zwischen Tätern und Opfern? Ein soteriologischer Versuch angesichts der Shoah, in: Theologie und Glaube 89 (1999) 364–381.

206
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Wohlmuth, Josef: Mysterium der Verwandlung. Eine Eschatologie aus katholischer Perspektive im Gespräch mit jüdischem Denken der Gegenwart. Paderborn 2005.

207
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Wright, Nicholas Thomas: Von Hoffnung überrascht. Was die Bibel zu Auferstehung und ewigem Leben sagt. Neukirchen-Vluyn 2011.

208
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Anmerkungen

209
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1 Vgl. Balthasar, Theodramatik IV, 325–337.

210
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2 Vgl. den Überblick in Wohlmuth, Mysterium der Verwandlung, 168–187. Auf differenziert-kritische Weise entfaltet dieses Konzept Lüke, Auferstehung – Im Tod.

211
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3 Wenn nicht anders angegeben, sind biblische Texte nach der revidierten Einheitsübersetzung von 2016 zitiert. Hervorhebungen in biblischen Texten sind ausnahmslos von mir eingefügt.

212
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4 Vgl. Rahner, Theologische Prinzipien der Hermeneutik eschatologischer Aussagen.

213
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5 ... zu dessen Erschließung für uns Gott in Jesus Christus Mensch geworden ist. Vgl. Joh 10,10, wo Jesus von sich sagt: „Ich bin gekommen, damit sie das Leben haben und es in Fülle haben“.

214
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6 Gaudium et Spes, Art. 39. Hervorhebungen W.S.

215
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7 Siehe oben, Kapitel 2.3.

216
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8 Das ist die schöpfungstheologische Grundlage der mittelalterlichen Transzendentalienlehre: „Ens et verum / bonum / pulchrum convertuntur“ — Alles was ist, ist allein dadurch, dass es ist, wahr(-haftig), gut und schön. Dies der leitende Gedanke von Hans Urs von Balthasars Theologischer Ästhetik „Herrlichkeit“. Vgl. dazu rückblickend und in Richtung einer dramatischen Theologie weiterführend in: Balthasar, Theodramatik II/1, 20–30.

217
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9 Es handelt sich dabei um einen alten Spruch, der sich bis ins 17. Jahrhundert zurückverfolgen lässt und dessen Herkunft ungeklärt ist.

218
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10 Zum Kairos als Ereignis von Gnade vgl. Sandler, Kairos und Parusie, sowie ders., Und einen Kairos zum Steinesammeln.

219
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11 Bemerkenswert am Weltgerichtsgleichnis ist, dass es zwar zwei Gruppen – Böcke und Schafe – gibt, aber alle sind unterschiedslos Fragende. Auch die Christen, die doch das Gleichnis kennen müssten, sagen nicht: „Ich weiß schon, in den Bedürftigen bist du mir begegnet“, sondern sind wie alle anderen überrascht und überwältigt, wo und in wem und was ihnen/uns Jesus begegnet sein wird. Das ist nachvollziehbar, weil wir ja nicht allen Bedürftigen jederzeit helfen können, allein damit wir Jesus nicht auslassen. So etwas zu fordern, wäre Moralismus (ein Aufladen schwerer Lasten, die nicht einmal die tragen können, die es einfordern; vgl. Lk 11,46), und es wäre keine echte Nächstenliebe, die doch darin besteht, dass man sich dem anderen um Seiner selbst willen zuwendet und nicht bloß um Gottes Willen. Eine Alternative zu diesem Moralismus eröffnet das Gleichnis vom barmherzigen Samariter. Als der Samariter den unter die Räuber Gefallenen sieht, geht er nicht schnell vorbei, sondern lässt sich weiter auf ihn ein. Dadurch wird er von einem übernatürliches Mitgefühl erfüllt („esplanchnísthê“: Lk 10,33), und aus dieser Gnadenkraft heraus setzt er die richtigen Schritte, ohne den Hilfebedürftigen moralisch zu verpflichten oder sich auf Dauer an ihn zu binden. All das geschieht in einer spontanen Kooperation mit einem göttlichen Gnadenwirken und so in der Weise eines Charismas, einer Gabe des Heiligen Geistes, dessen Spezialität es ist, anonym in Menschen zu wirken: sich selbst so zurücknehmend, dass ein unvermitteltes Band der Liebe zum Bedürftigen möglich wird, ohne dass sich ein egoistisches Heilsinteresse dazwischenschieben könnte. So ergibt sich aus Mt 25 und Lk 11: Im Letzten werden wir allen alle anonyme Christen gewesen sein.

220
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12 Vgl. Hebr 6,4–6: „Denn es ist unmöglich, jene, die einmal erleuchtet worden sind, die von der himmlischen Gabe genossen und Anteil am Heiligen Geist empfangen haben, 5 die das gute Wort Gottes und die Kräfte der kommenden Weltzeit gekostet haben, 6 dann aber abgefallen sind, erneut zur Umkehr zu bringen; da sie den Sohn Gottes noch einmal für sich ans Kreuz schlagen und zum Gespött machen.“ – Hier steht der Vorwurf eines erneuten Kreuzigen Christi im Kontext von einem verfehlten Kairos.

221
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13 Diese Einsicht weckt einen Reueschmerz im Menschen, der durch Gottes Begegnung mit Liebe erfüllt und zugleich mit der Wahrheit seines Lebens konfrontiert wird. Dies gilt auch dann, wenn der unter Christi Gericht stehende Mensch zugleich erkennt, dass Gott – oft vermittelt durch andere Geschöpfe – diesen Ausfall mittels späteret Gnadenereignisse kompensieren konnte.

222
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14 Vergleiche die christologisch ausgerichtete Rekapitulationslehre von Irenäus von Lyon, die hier eschatologisch weitergeführt wird. Zur Rekapitulations-Christologie von Irenäus von Lyon vgl. einführend: Kehl, Und Gott sah, dass es gut war, 168–173.

223
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15 Vgl. dazu Piet Schoonenberg: „Der steife Nacken und das verhärtete oder unbeschnittene Herz sind die ausdrucksvollsten Bezeichnungen, die das Alte Testament für die sündige Gesinnung kennt; manchmal faßt es beide zusammen (Dtn 10,16; 2 Chr 36,13), und nach Christus wird Stephanus die Sprache der Propheten wiederaufnehmen, wenn er seinen Volksgenossen zuruft: ‚Ihr Halsstarrigen, Unbeschnittenen an Herz und Ohren‘ (Apg 7,51)“ (Schoonenberg, Theologie der Sünde. Ein Theologischer Versuch, Einsiedeln 1966, 20).

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16 Vgl. dazu Sandler, Die gesprengten Fesseln des Todes, 76–87.

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17 Ähnlich schon Jes 6,5: „Weh mir, ich bin verloren. Denn ich bin ein Mann mit unreinen Lippen und lebe mitten in einem Volk mit unreinen Lippen, und meine Augen haben den König, den Herrn der Heere, gesehen.“

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18 Was Lukas erzählt, reflektiert der Evangelist Johannes: „Denn darin besteht das Gericht: Das Licht kam in die Welt, doch die Menschen liebten die Finsternis mehr als das Licht; denn ihre Taten waren böse. Jeder, der Böses tut, hasst das Licht und kommt nicht zum Licht, damit seine Taten nicht aufgedeckt werden.“ (Joh 3,19–20)

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19 Vgl. Jean Paul Sartres Drama „Geschlossene Gesellschaft“, mit dem berühmten Spitzensatz: „Ein Rost ist gar nicht nötig, die Hölle, das sind die andern“ (Sartre, Geschlossene Gesellschaft, 59).

228
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20 „Die Hoffnung aber auf eine Allerlösung ist dem Christen nicht verboten“ (Rahner, Das christliche Verständnis der Erlösung, 354). Ähnlich, mit biblischer Begründung, Hans Urs von Balthasar in Theodramatik IV, 253–256.

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21 Siehe die vorletzte Fußnote.

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22 Vgl. dazu Nitsche, Eschatologie als dramatische Nach-Geschichte?

231
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23 Vgl. Karl Rahners Kapitel „Tod als Ende des Pilgerstandes“ in ders., Zur Theologie des Todes, 360–363. erstmals publiziert: 1957.

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24 Für einen Mittelweg zwischen diesen Extremen hat sich Hans Urs von Balthasar eingesetzt: vgl. ders., Theodramatik IV, 243–264; 293.

233
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25 Vgl. das Gerichtswort in Mt 24,48–51 (par Lk 12,46): „Wenn aber der Knecht böse ist und in seinem Herzen sagt: Mein Herr verspätet sich! und anfängt, seine Mitknechte zu schlagen, und mit Zechern isst und trinkt, wird der Herr jenes Knechtes an einem Tag kommen, an dem er es nicht erwartet, und zu einer Stunde, die er nicht kennt; und der Herr wird ihn in Stücke hauen (dichotomései) und ihm seinen Platz unter den Heuchlern zuweisen.“ – Man fragt sich unwillkürlich, wie der Herr jemanden, den er gerade in Stücke gehaut hat, noch irgendwo einen Platz zuweisen kann. Hier legt sich die Deutung nahe, dass der Übeltäter auseinandergenommen wird (durch Konfrontation mit der verdrängten Wahrheit: vgl. „seinen Platz unter den Heuchlern zuweisen“, so dass sein Werk „niederbrennt“ [1 Kor 3,15]), um dann auf heilvolle Weise neu zusammengesetzt zu werden.

234
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26 Vgl. Mk 12,10par; Apg 4,11.

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27 Siehe oben, Anm. 14.

236
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28Fjodor Dostojewskij hat diese Einsicht in seiner phantastischen Erzählung „Traum eines lächerlichen Menschen“ (1877) literarisch verarbeitet. Sie handelt von einem am Lebenssinn verzweifelnden Menschen, der auf dem Heimweg an einem im Elend verzweifelnden achtjährigen Mädchen vorbeiläuft. Zu Hause erschießt er sich und erlebt sich in der Folge als Verderber einer schuldlosen Menschheit auf einem fernen Stern. Selbstmord und phantastische Sündenfallgeschichte erweisen sich in der Folge als ein Traum, der eine Läuterung des verzweifelten Mannes bewirkt. Die Erzählung endet mit den Worten: „Jenes kleine Mädchen aber habe ich aufgesucht ... Und jetzt gehe ich! Jetzt gehe ich.“ (Dostojewskij, Der Traum eines lächerlichen Menschen).
Einen ähnlichen Ausbruch von Reue, aufgrund einer selbstverschuldeten schweren Kränkung gegenüber der jungen Prostituierten Lisa beschreibt Dostojewskij in seinem früheren Roman „Aufzeichnungen aus dem Kellerloch“ (1864): „Im nächsten Augenblick fuhr ich wie ein Wahnsinniger in meine Kleider, warf mir das erste beste über, was mir unter die Hände kam, und stürzte atemlos ihr nach. Sie konnte noch keine zweihundert Schritte gegangen sein, als ich auf die Straße hinauslief“ (Dostojewskij; Aufzeichnungen aus dem Kellerloch ,142). Hier scheitert das Bemühen: „Lisa habe ich nie mehr wiedergesehen und auch nie mehr etwas von ihr gehört“ (Ebd. 143). Es ist zu spät, der Kairos bleibt verfehlt und der Protagonist bleibt in seiner Hölle (seinem „Kellerloch“) gefangen. Später hat Dostojewskij dann die Möglichkeit einer Erlösung, verbunden mit tätiger Reue, literarisch entfaltet: im „Traum eines lächerlichen Menschen“ und im Roman Schuld und Sühne mit der Erlöserfigur einer Prostituierten, die auch Lisa heißt.

237
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29 Siehe oben, Seite .

238
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30 Siehe oben, Seite .

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31 Gaudium et Spes 39, vgl. dazu oben, Kapitel 2.2.

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32 Zu der im folgenden Kapitel behandelten eschatologischen Versöhnung von Opfern und Tätern und der dazu 1999 von Jan Heiner Tück angestoßenen Debatte vgl.: Tück, Versöhnung zwischen Tätern und Opfern (1999), sowie schon früher: Niewiadomski, Hoffnung im Gericht (1992) und aus der Perspektive der dramatischen Theologie: Sandler, Denn sie wissen, was sie tun.

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33 Zu diesem neuen Infernalismus vgl. Tück, Inkarnierte Feindesliebe, 216–217.

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34 Nach der amerikanischen Psychiaterin Judith Lewis Herman geht es therapeutisch darum, das Gewaltopfer darin zu unterstützen, dass es seine Rachephantasien in einen gerechten Zorn verwandeln kann: „Mag die Rachephantasie im ersten Moment eine vordergründige Erleichterung schaffen, ist sie als dauerhafte Haltung gänzlich ungeeignet, da sie dazu führen kann, dass sich die ausgeprägten posttraumatischen Symptome beim Traumatisierten eher verschlimmern als verbessern. Dagegen ‚muß das Opfer akzeptieren lernen, daß die Abrechnung mit dem Täter nicht möglich ist.‘ Gleichzeitig bedarf es eines geschützten Rahmens – beispielsweise das therapeutische Setting oder seine Umwelt –, um seinen aufgestauten Ärger und seine unbändige Wut herauszulassen. Darin lokalisiert Herman die Chance, dass sich beides ‚in gerechten Zorn‘ [verwandelt]. Dadurch wird es dem Opfer möglich, sich aus dem Gefängnis seiner Rachephantasien zu befreien, in denen er allein der Täter war. Mit der Preisgabe der Rachephantasie gibt der Betroffene jedoch keinesfalls sein gerechtigkeitsstreben auf, obgleich er erkennt, dass gerechtigkeit nicht durch Gewaltanwendung vollstreckt werden kann“ (Kleeberg, Bleibend unversöhnt – universal erlöst, 314–315).

243
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35 Ähnlich bei Fuchs, Das Jüngste Gericht, 115–116; 133–137. Fuchs spricht von Reueschmerz und bestimmt ihn als Leiden an unserer Schuld im Angesicht Gottes: „Das Leiden an unserer Schuld, an dem, wo wir anderen Menschen nicht gerecht geworden sind, ihnen Leid zugefügt haben, wird gerade in diesen Händen Gottes intensiv erlebbar sein“ (ebd. 116).

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36 Vgl. dazu Röm 12,17–20: „Vergeltet niemandem Böses mit Bösem! Seid allen Menschen gegenüber auf Gutes bedacht! Soweit es euch möglich ist, haltet mit allen Menschen Frieden! Übt nicht selbst Vergeltung, Geliebte, sondern lasst Raum für das Zorngericht Gottes; denn es steht geschrieben: Mein ist die Vergeltung, ich werde vergelten, spricht der Herr. Vielmehr: Wenn dein Feind Hunger hat, gib ihm zu essen, wenn er Durst hat, gib ihm zu trinken; tust du das, dann sammelst du glühende Kohlen auf sein Haupt.“ Ottmar Fuchs bemerkt dazu: „Die Aussicht auf die Rache Gottes verhindert nicht nur die Gewalt, sondern ermöglicht in ihrem Rücken die Feindesliebe, genauer Taten der Feindesliebe [...]“ (Fuchs, Das Jüngste Gericht, 113).

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37 Dies wird auch von der Psychotraumatologie bestätigt. Vgl. oben, Anm. 34.

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38  „Ich bin in meinem Leben nie so weit gewesen und komme wohl nie weiter als bis zu dem ‚Furcht-und-Zittern‘-Punkt, daß es buchstäblich mir ganz gewiß ist, daß jeder andere mit Leichtigkeit selig wird — bloß ich nicht. Den andern zu sagen: ...ihr seid ewig verloren — das vermag ich nicht. Für mich bleibt die Sache beständig die: die andern alle, die werden schon selig, das ist sicher genug — nur mit mir mag es seine Mißlichkeit haben.“ Kierkegaard, zitiert nach Balthasar, Was dürfen wir hoffen, 71 sowie ders, Theodramatik IV, 266.

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39 Balthasar zitiert dazu die Mystikerin Adrienne von Speyr, die insbesondere seine Eschatologie stark geprägt hat: „Die Wahrheit ist nicht einfach ein Entweder-Oder: entweder ist jemand in der Hölle oder niemand. Beides ist ein Teilausdruck der totalen Wahrheit. So hat auch Ignatius ein Recht, seine Höllenbetrachtung zu machen und machen zu lassen ... Die Wahrheit besteht aus einer Summe von Teilwahrheiten, und jede dieser Teilwahrheiten muß ganz ausgedrückt, ganz durchdacht und durchlebt werden. Man erreicht die Wahrheit nicht, wenn man nur einen Teil zeigt und den andern zudeckt. In jeder Perspektive muß das Ganze sich ausdrücken.“ Adriennc von Speyr, Kreuz und Hölle, Bd. II, Einsiedeln 1972, 85-86, zitiert nach Balthasar, Was dürfen wir hoffen, 56.

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40 Zum Kairos vgl. oben, Anm. 10.

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41 Vgl. dazu die Weltgerichtsrede (Mt 25,31–46) und dazu oben ...###

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42 Vgl. Mt 3,17 par Lk 3,9.

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43 Vgl. Mk 1,15: „Die Zeit ist erfüllt, das Reich Gottes ist nahe. [Deshalb:] Kehrt um und glaubt an das Evangelium!“ (Hervorhebung und Einfügung in Klammern: W.S.)

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44 Vgl. Lk 4,18–19 mit Jes 61,2–3.

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45 Vor allem in den Gerichtsreden von Mt 24,3–25,46.

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46 „Jeder, der möchte, kommt hinein. Seid darum unbesorgt. Am Ende gibt es nur zwei Arten von Menschen: die, die zu Gott sagen: „Dein Wille geschehe“, und die, zu denen Gott am Ende sagt: „dein Wille geschehe.“ Clives Staples Lewis, Die große Scheidung. Oder: Zwischen Himmel und Hölle (Kriterien 47). Einsiedeln 112008, 78.

255
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47 Vgl. oben, S. .

256
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48 So lautet die Übersetzung in der alten Einheitsübersetzung.

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49 Der Fehler dieser populären Version einer Auferstehung im Tod besteht darin, dass durch das „während“ durch die Hintertür wieder ein Diesseits und Jenseits übergreifendes einheitliches Zeitmaß hineingeschmuggelt wird, das doch durch zuvor mit dem Konzept einer Auferstehung im Tod (bzw. vorausgesetzt einer jenseitigen Nicht-Zeit oder Anders-Zeit) zurückgewiesen wurde. Es ist eben sehr schwer, sich wirklich konsequent ein Sein vorzustellen, die unsere Raum- und Zeitkategorien, die unser ganzes Denken prägen, sprengen.

258
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50 Siehe oben, Kapitel 2.2.

259
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51 Eine letztlich weltflüchtige Richtungsumkehr der urchristlichen Parusieerwartung („Christus kommt zu uns“) in die Hoffnung, einst in den Himmel zu kommen, wird vom anglikanischen Theologen N. T. Wright kritisiert. Vgl. ders., Von Hoffnung überrascht.

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52 Vgl. Sandler, Offenbarung im Angesicht des Untergangs.

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53 Nach Matthäus ist die Verkündigung des Täufers und Jesu gleichlautend: „Kehrt um! Denn das Himmelreich ist nahe“ (Mt 3,2 = Mt 4,17).

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54 Einfügungen: W.S.

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55 Zum Kairos vgl. oben, Anm. 10.

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56 In Mk 1,15 steht für Umkehren das griechische Wort metanoein, was wörtlich bedeutet: den Nous (d.h. Einsicht, Verstand, Gesinnung) in eine andere Richtung ausrichten. Um einem solchen Aufruf folgen zu können, muss man wissen, wohin die Neuausrichtung gehen soll. Und es braucht die Kraft, eine solche Neuausrichtung vollziehen zu können. Beides gibt Jesus vorausgehend zu seiner Aufforderung durch den Gnaden-Kairos, den er als gekommen nicht nur proklamiert, sondern in der Begegnung mit ihm in Wort, Tat und durch sein Sein erfahrbar macht.

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57 Gaudium et Spes 39. S.o. Kapitel 2.2.

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58 Vgl. Dan 12,2: „Von denen, die im Land des Staubes schlafen, werden viele erwachen, die einen zum ewigen Leben, die anderen zur Schmach, zu ewigem Abscheu.“ Vgl. Sandler, Offenbarung im Angesicht des Untergangs.

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59 Wörtliche Übersetzung nach dem Münchener Neuen Testament, Düsseldorf 1980. Urtext: „atenísas eis ton ouranón“.

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60Delp, Gesammelte Schriften IV, 26.

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61 Vgl. dazu Sandler, Alles was ist, gründet in Gott.

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