Dem Winzigkleinen auf der Spur: Nanopartikel in Badeseen
Sie sind fast überall enthalten: In Kosmetik, Kleidung und Verpackungen stecken Nanopartikel, die letztlich in unseren Gewässern, auch in den Badeseen, landen. Ein internationales Team unter Beteiligung der Universität Innsbruck untersucht nun die Auswirkungen von Nanomaterialien auf das Ökosystem See.
In Sonnencremes oder sport-Funktionskleidung ist mehr enthalten, als das freie Auge sehen kann: Kleinstteilchen, sogenannte Nanopartikel, sind zwar auf den ersten Blick unsichtbar, landen aber in unseren Ökosystemen. Diese Nanopartikel sind winzig, ihr Durchmesser beträgt weniger als 100 Nanometer – ein menschliches Haar ist 1000 Mal dicker. Nanopartikel sind fester Bestandteil vieler Produkte, die in unserem Alltag selbstverständlich sind: Sie gelangen über die Körperpflege oder die Wäsche in Kläranlagen und von dort in unsere Gewässer. Was aber ist auf dem Weg dorthin mit den Nanopartikeln passiert? Wie haben sich die Kleinstteilchen verändert und was bedeutet das für unsere Umwelt und unsere Gesundheit? Mit diesen Fragen beschäftigen sich Forscherinnen und Forscher des Forschungsinstituts für Limnologie der Universität Innsbruck am Mondsee und internationale Partner im Rahmen des Projekts „FENOMENO“. Der Mondsee ist auch jenes Gewässer, an dem die Forscherinnen und Forscher die Auswirkungen von Nanopartikeln direkt untersuchen.
Gefahren von Nanomaterialien
„Von Nanomaterialien gehen, wie von anderen Materialien auch, potenzielle Gefahren aus. Wir möchten aber nicht mahnen, sondern aufklären. Das Projektziel ist, auf rationaler, wissenschaftlich abgesicherter Basis entscheiden zu können, welche Nanomaterialien sicher sind“, sagt Holger Schönherr, Koordinator des Projekts. „Der Mondsee bietet sich als Forschungsfeld für Nanopartikel an. Er ist einer von wenigen Seen, bei dem das gereinigte Wasser direkt in den See rückgeführt wird. Chemische und ökologische Untersuchungen von Nanopartikeln in natürlichen Systemen, die mehrere trophische Niveaus des Ökosystems berücksichtigen, sind Neuland in der Forschung“, erklärt Josef Wanzenböck vom Forschungsinstitut für Limnologie der Universität Innsbruck. Er ist als Fischbiologe der österreichische Projektleiter und gemeinsam mit der Forschungsgruppenleiterin Dunja Lamatsch für die Arbeiten am Mondsee zuständig.
Das Projekt soll den Verbleib und die Auswirkungen von Nanopartikeln auf die aquatische Nahrungskette aufklären, um die Risiken der Nutzung von Nanoteilchen für Mensch und Umwelt abschätzen zu können. Dazu werden zwei Ansätze verfolgt: Versucht wird zum einen, den Weg von Silber- und Titandioxid-Nanopartikeln in einer natürlichen Nahrungskette (Algen – Wasserflöhe – Friedfische – Raubfische) im Mondsee nachzuverfolgen. Dazu entnehmen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Universität Innsbruck dem Mondsee an verschiedenen Stellen Proben von Wasser, Algen, Wasserflöhen, Fried- und Raubfischen. Zum anderen werden parallel dazu im Labor gezielt die einzelnen Glieder dieser Nahrungskette untersucht. In einem ersten Schritt werden Silber- und Titandioxid-Nanopartikel verwendet, die eine Modellkläranlage passiert haben. Mit hochempfindlicher Element-Massenspektrometrie und hochauflösender Mikroskopie wird an der Universität Siegen und im Fraunhofer-Institut analysiert, wie sich diese Nanopartikel verändert haben. Im Labor wird getestet, wie Algen die Nanopartikel aufnehmen. Im nächsten Schritt der Nahrungskette wird der Einfluss der Nanopartikel auf Wasserflöhe (Daphnien) analysiert. Wasserflöhe sind Schlüsselorganismen in der aquatischen Nahrungskette, da sie einerseits Algen fressen und andererseits von Friedfischen gefressen werden. In verschiedenen Testreihen wird erforscht, welche Effekte diese Nanopartikel auf das Verhalten der Wasserflöhe, auf ihre Bewegungen, die Herzschlagrate, den Fortpflanzungserfolg und weitere Kriterien haben. Die Bewegungen der Wasserflöhe können automatisch verfolgt und ausgewertet werden. Auf diese Weise sollen die Wasserflöhe als Biosensoren für Nanopartikel im Gewässer dienen. Die mikroskopischen Techniken und Verhaltensexperimente erlauben es, die Aufnahme der Nanopartikel durch die Wasserflöhe und den Verbleib der Kleinstteilchen festzustellen. Die Projektmitarbeiterinnen und –mitarbeiter der portugiesischen Universität Aveiro werden die biologischen Effekte der Nanopartikel in den Algen, Wasserflöhen und Fischen auf molekularer und biochemischer Ebene untersuchen.
Europäisches Projekt
FENOMENO ist ein europäisches Projekt im Rahmen des SIINN ERA-NET Programms (http://www.siinn.eu), das unter Leitung der Universität Siegen (Deutschland) mit dem Forschungsinstitut für Limnologie der Universität Innsbruck am Mondsee (Österreich), dem Fraunhofer-Institut IME (Deutschland) sowie der Universität Aveiro (Portugal) durchgeführt wird. Nationaler Geldgeber für den österreichischen Teil ist die Forschungsförderungsgesellschaft (FFG). Die Projektdauer von FENOMENO ist auf 36 Monate angelegt, die Fördersumme beträgt mehr als EUR 1,1 Millionen. Durch die Beteiligung von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus den Bereichen Biologie, Chemie, Informatik und Ethik werden interdisziplinäre Forschungsergebnisse ermöglicht.