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Wandinger Nikolaus: Mörder und Ehebrecher im Herzen?
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Mörder und Ehebrecher im Herzen?
(Gedanken zum 6. Sonntag im Jahreskreis (LJ A))

Autor:Wandinger Nikolaus
Veröffentlichung:
Kategoriepredigt
Abstrakt:
Publiziert in:
Datum:2011-02-14

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

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Lesungen: Sir 15,15-20; (1 Kor 2,6-10); Mt 5,17-25.27-28.33-34a.37

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Liebe Gläubige,

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was ist denn das für ein Jesus, der uns da heute begegnet? Ist uns ganz wohl bei dem, was er da sagt? Er setzt sich massiv für das Gesetz ein und warnt davor, auch nur das kleinste Gebot aufzuheben; er verlangt, dass seine Jünger und Jüngerinnen weitaus gerechter als die Pharisäer sind. Wenn aber irgendetwas, so waren die Pharisäer fromme und auf Punkt und Komma gesetzestreue Leute. Und schließlich wird hier die Moral rigoros verschärft: nicht nur Mord und Ehebruch sind strafbar, sondern schon Zorn und der lüsterne Blick.

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Also mal ehrlich, liebe Gläubige: wer hat nicht schon mal eine Wut gehabt auf einen anderen? Wer hat nicht schon einmal einen anderen einen Trottel, Deppen, Idioten genannt? Und wer von uns Männern kann ernsthaft behaupten, noch nie eine Frau lüstern angesehen zu haben? Und, liebe Damen, wer von Ihnen hat nicht auch schon mal umgekehrt dasselbe getan? Würden wir also nicht jämmerlich scheitern an Jesu Maßstab?

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Oder ist Jesu Maßstab unmenschlich? Die Psychologen erklären uns, dass man für Gefühle nichts kann. Kann man jemanden für seine Gefühlsregungen verurteilen? Ist da nicht das Alte Testament mit seinen klaren Geboten viel menschlicher? Auch die Lesung heute sagt doch: Mensch, entscheide dich; du bist frei. Aber nicht bezüglich der Gedanken und Gefühle, sondern bezüglich der Taten. Für’s bloße Fühlen und Schauen schon jemanden verurteilen; wohin führt denn das?

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Doch schauen wir mal auf Jesu Verhalten: wie ist er umgegangen mit den Ehebrecherinnen, wie mit den Mördern, denen er begegnet ist; die ihn selber umbrachten? Da war doch kein Moralisierer und Verurteiler am Werk. Versuchen wir also seine heutigen Worte im Einklang mit dem, was er sonst getan und gesagt hat, zu verstehen.

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Fangen wir mit seiner Betonung des Gesetzes und seiner Warnung vor der Moral der Pharisäer an: Ja, sie waren fromme und gesetzesfürchtige Menschen, diese Pharisäer. Aber sie hatten einen ganz speziellen Umgang mit dem Gesetz: einen haarspalterischen, kleinkarierten Umgang. Punkt und Komma des Gesetzes waren ihnen wichtiger als die dahinterstehende Absicht. Gegen diese Haltung, die den Buchstaben vor den Inhalt und das Gesetz vor den Menschen stellt, hat Jesus immer wieder polemisiert. Und er hat erläutert, was er als ganzen Inhalt des Gesetzes versteht: Er ist für ihn letztlich zusammengefasst in zwei Sätzen: „Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit all deinen Gedanken.“ Und: „Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.“ (Mt 22,27.39b) Davon darf man nichts aufheben. Diese beiden sind gleich wichtig, sagt Jesus, und das bedeutet auch: diese beiden können sich nicht widersprechen. Die Angst, man müsse aus Liebe zu Gott einem anderen Menschen oder sich selber die Liebe verweigern, ist unbegründet. Sie missversteht Gott. Sie fasst Gott auf als einen Konkurrenten des Menschen. Gott ist aber kein Konkurrent des Menschen. Vielmehr kann man sagen: Wir lieben Gott, gerade indem wir unsere Nächsten lieben wie uns selbst. Deshalb gibt es da keine Konkurrenz. Was es natürlich schon gibt, sind unsere menschlichen Begrenztheiten, zeitlicher und örtlicher Art etc. Manchmal muss ich mich entscheiden: Gönne ich mir heute eine Auszeit? Setze ich mich für andere ein? Verbringe ich Zeit im Gebet? Nicht immer geht alles zugleich: aber nicht die Liebe zu Gott, zu den Nächsten oder zu mir stehen in Konkurrenz, sondern nur die verschiedenen Weisen, sie zu leben. Wir müssen immer wieder die Frage beantworten, was jetzt gerade dran ist.

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Und weil diese Frage oft recht schwierig ist, machen wir es uns manchmal zu einfach und fangen an, ähnlich wie die Pharisäer, haarspalterisch zu werden, um uns noch gut dastehen zu lassen. „Richtig gelogen habe ich ja nicht; wenn der andere das falsch interpretiert, ist das ja sein Problem.“ „Ich wäre ja schon in die Kirche gegangen, aber der Busfahrplan ist heute so ungünstig.“ „Ich weiß schon, dass mir das nicht gut tut, aber so schlimm wird’s schon nicht sein.“ So oder ähnlich heben wir die Gebote auf – wie die Pharisäer. Und die Kirche selbst? Ja, sie setzt auch oft den Buchstaben vor den Sinn des Gesetzes, viele müssen das leidvoll erfahren. Und da fährt Jesus uns, seiner Kirche, in die Parade.

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Wie ist das aber nun mit der Wut und dem geilen Blick? Bekommen wir die so einfach weg? Ist es so leicht, wie die Lesung meint, dass wir uns nur dagegen entscheiden müssen? Nein, ist es nicht. Die Psychologen haben Recht, wenn sie sagen: ein Gefühl ist einfach da, man kann es nicht wegzaubern; und wenn man es unterdrückt und sich nicht eingesteht, macht es das schlimmer und nicht besser, denn ein Gefühl, das ich mir selbst nicht eingestehe, gewinnt die Kontrolle über mich; eines, dessen ich mir bewusst bin, kann ich kontrollieren. Wir bringen nicht jeden um, auf den wir eine Wut haben; und wir schlafen auch nicht mit allen, die uns sexuell anziehen – ob nun verheiratet oder nicht. Und das ist auch gut so, Jesus will es bestimmt nicht ändern.

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Aber, er möchte uns auf etwas aufmerksam machen. Er sagt einmal: Das Problem, ist nicht das äußere Böse, sondern das im menschlichen Herzen: „Denn aus dem Herzen kommen böse Gedanken, Mord, Ehebruch, Unzucht, Diebstahl, falsche Zeugenaussagen und Verleumdungen. Das ist es, was den Menschen unrein macht“ (Mt 15,19-20a). Das heißt also: der Ehebrecher, der tatsächlich den Ehebruch begeht, und ich, der ich vielleicht eine Frau nur lüstern anschaue: wir unterscheiden uns im äußeren Tun. Und das bedeutet, dass glücklicherweise die äußeren Folgen andere sind. Aber wenn es darum geht, wie es in meinem Herzen aussieht, wie ich vor Gott dastehe, dann stehe ich nicht besser da als der Ehebrecher. Dann bin ich ein Ehebrecher im Herzen. Und genauso ist es beim Zorn und beim Mord: Gott sei Dank bringe ich nicht jeden um, auf den ich eine Wut habe. Aber ist das ein hinreichender Grund, um mich über Mörder erhaben zu fühlen, mich als besseren Menschen zu sehen, sie gar als gottlos abzuhaken? So sehr uns das gegen den Strich gehen mag: Jesus verneint diese Frage entschieden und betont: im Herzen sind wir gleich.

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Wenn wir aber nun sehen, wie Jesus mit Ehebrecherinnen und Mördern umgegangen ist, dann sollte uns das nicht niedergeschlagen machen und zur Selbstablehnung führen. Er ist ihnen ja gnädig begegnet. Er hat ihnen ja vergeben. Er hat ihnen ja zugesagt, dass Gott auch sie liebt; und im heutigen Evangelium mit schärfsten Worten verurteilt, dass man jemand als gottlos bezeichnet. Es sollte uns demütig machen; es sollte unseren Umgang mit denen, die auch äußerlich schuldig geworden sind, ändern. Wir sind nicht die besseren Menschen! Wir haben vielleicht nur mehr Glück gehabt: durch eine Erziehung, die uns hilft, unsere Gefühle nicht gleich auszuleben; durch ein soziales und kirchliches Umfeld, das uns hindert, manche Dinge zu tun. Oft genug funktioniert das ja doch nicht; und dann haben wir Angst vor der sozialen und kirchlichen Ächtung; ja wir ächten uns selbst, lehnen uns ab und beginnen uns selber zu hassen.

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Würden wir Jesu Umgang mit dem Gesetz wirklich leben, hätten wir das nicht nötig. Wir müssten unsere Fehler und Sünden nicht pharisäisch (oder auch psychologisch) kleinreden und verniedlichen; wir könnten sie zutiefst ernst nehmen, bedauern und mit der Gnade Gottes daran arbeiten. Und doch wäre die Folge nicht Verdammung – durch uns selbst oder durch andere –, sondern ein viel gnädigerer Umgang mit uns selbst und mit allen sündigen Menschen. Ich habe es dann nicht nötig, irgendein Gebot aufzuheben; ich kann mich realistisch als Sünder betrachten und mich dennoch geborgen wissen in einem Gott, der mich liebt unter allen Umständen. Wer gottlos ist – das können wir nicht feststellen, das weiß nur Gott allein. Und von Gott aus ist niemand Gott-los, Gott geht ja allen nach bis ins Letzte, bis in den Tod seines Sohnes.

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So groß ist seine Liebe zu uns. Lassen wir uns immer tiefer hineinziehen in diese Liebe, dass wir so das ganze Gesetz erfüllen können, auch wenn wir Sünder und Sünderinnen bleiben.

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