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Gefahr gebannt – Universität Innsbruck
Wildbachsperren
Wildbachsperre Bretterwandgraben in Tirol.

Gefahr gebannt

Menschen, Infrastruktur und Siedlungsraum vor Naturgefahren zu schützen, ist eine der Aufgaben von Robert Hofmann, Professor am Institut für Infrastruktur am Arbeitsbereich Geotechnik und Tunnelbau.

Muren, Wildbäche, Steinschläge, Überschwemmungen oder Hangrutschungen – Robert Hofmann arbeitet gemeinsam mit seinem Team und in Kooperation mit der Wildbach- und Lawinenverbauung, Agentur für Bevölkerungsschutz-Südtirol, der ÖBB und der ASFINAG daran, Siedlungsräume und Infrastruktur vor Naturgefahren wie Massenbewegungen zu sichern. Vor seiner Berufung an die Uni Innsbruck hat sich der Wissenschaftler als Ziviltechniker mit Schutzbauwerken beschäftigt. Basierend auf seinen umfangreichen Erfahrungen in der Praxis ist ihm die Verbindung zwischen den theoretischen Berechnungen, Modellversuchen, Messungen und den Beobachtungen in der Natur besonders wichtig. Dämme, Wildbachsperren, Steinschlag- und Lawinenschutz oder die Sicherung von Massenbewegungen sind Gegenstand seiner Forschungen an der Uni Innsbruck.

Wildbäche zähmen

Um zu verhindern, dass sich Wildbäche weiter in die Bachsohle eingraben und damit auch die Hänge ins Rutschen kommen, sollen sogenannte Wildbachsperren helfen. „Diese, meist aus Beton hergestellten Querbauwerke in Wildbächen, sollen genau diese Bewegungen stoppen oder reduzieren. Als Murbrecher oder Konsolidierungssperren sind sie ein wichtiges Instrument, um Menschen vor diesen Gefahren zu schützen“, erläutert Hofmann. Berechnungen deuten in der Theorie darauf hin, dass der enorme Erd- und Wasserdruck auf die Bauwerke diese langfristig schädigen wird. „Die Beobachtungen in der Natur widersprechen den Berechnungen auf dem Papier. Wenn der Druck von Boden und Wasser tatsächlich so groß wäre, wie das die Berechnungen zeigen, dann wären viele Bauwerke schon eingestürzt. Diese Diskrepanz zwischen Theorie und den tatsächlichen Beobachtungen in der Natur, werden wir genauer untersuchen“ so Hofmann. Je höher der Druck auf die Bauwerke, umso weiter müssen sie auch in die Hänge eingebunden werden, um sie zu stabilisieren. Zu große seitliche Einschnitte in den Hang führen aber zu einem erhöhten Risiko, dass gerade in rutschgefährdeten Bereichen eine Massenbewegung entsteht. Gerade im Bauzustand sind somit die Gefahren für die Arbeiterinnen und Arbeiter, aber auch die Gefahr einer Massenbewegung besonders groß. Hofmann und sein Team arbeiten deshalb daran, den Druck auf die Bauwerke besser zu berechnen, um die Notwendigkeit des Einschneidens in die Böschung zu minimieren. Dazu werden die Wildbachsperren mit Porenwasserdruckgebern und Erddruckmessgebern instrumentiert. „Diese Messungen führen wir derzeit an unterschiedlichen Standorten in Tirol durch. Es ist wichtig, die Einwirkungen auf diese Schutzbauwerke zu kennen, damit man sie standsicher dimensionieren kann und um die Notwendigkeit des Einschneidens in die Böschung zu minimieren“, so Hofmann. „Im Lattenbach befindet sich der ‚Friedhof der Wildbachsperren‘. Über 30 Sperren wurden bei Murgängen zerstört. Bei der Entwicklung neuer Bauwerke sollen unsere neuen Berechnungen berücksichtigt werden“, betont der Wissenschaftler. Ziel der Forschungen ist es, mithilfe der Berechnungen, standsichere und wirtschaftlichere Bauwerke, die über einen längeren Zeitraum die enormen Beanspruchungen schadlos überstehen sollen, zu entwickeln. So wird nicht nur das Eingaben des Baches in die Sohle reduziert, sondern auch die Kriechbewegung des Hanges aufgehalten.

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Wildbachsperren sollen das Eingraben des Baches in den Boden, aber uach das Rutschen von Hängen verhindern, wie hier am Schlickerbach in Tirol. (Bild: Robert Hofmann)

Brückenschlag

Die Verbindung von Wissenschaft und Praxis ist dem Ziviltechniker ein großes Anliegen. Neben den unterschiedlichen Druckeinwirkungen auf Wildbachsperren arbeiten Hofmann und sein Team auch daran, beispielsweise Sturzbahnen von Felsstürzen genauer zu berechnen und auch so neue Schutzbauwerke zu entwickeln. „Wir untersuchen, wie weit Auslaufbereiche reichen müssen und wie groß die Drücke auf Schutzbauwerke wie Dämme oder Stahlbetonbauwerke sein werden“, verdeutlicht der Wissenschaftler, der unter anderem an Berechnungen von Schutzbauwerken in Tirol, nach Felsstürzen, beteiligt war. Neben der Wahl des geeigneten Ortes für eine solche Maßnahme, Berechnungen für die Transportzone und Auslaufbereiche, ist auch der Vergleich zwischen Modellversuch, der Berechnung und der Beobachtung in der Natur wichtig. „Auch hier sind die Beobachtungen eine wesentliche Ergänzung zur Theorie. Für Parameterstudien arbeiten wir aber auch mit Modellversuchen, um Schutzdämme bestmöglich zu dimensionieren“, so Hofmann. So geschehen auch im Jahr 1999 nach dem Steinschlag am Eiblschrofen in Schwaz. Robert Hofmann war damals schon für die Beratung zur Errichtung des Schutzdamms im Einsatz. „Die Möglichkeiten zur Bemessung solcher Schutzbauwerke sind heute ganz andere. Mithilfe einer Schussanlage können Steinschlagschutznetze oder Dämme in einem Eins-zu-eins-Versuch überprüft werden. Diese aufwändige Möglichkeit haben wir aber nur selten“, erläutert der Experte, der normalerweise auf Modellversuche angewiesen ist. „In über 200 Modellversuchen haben wir untersucht, wie hoch das Freibord von der Blockoberkante bis zur Dammkrone sein muss, damit der Block bei dem Steinschlag den Schutzdamm nicht überspringt. Zudem haben wir auch die maximale Neigung berechnet, damit ein Damm auch nicht zur Sprungschanze wird“, erläutert der Wissenschaftler. Basierend auf den Ergebnissen hat Hofmann ein Diagramm entwickelt, mit dem eine einfache und schnelle Ermittlung der Eindringtiefe von Blöcken in unterschiedliche Dammtypen ermittelt werden kann. Mit der Entwicklung von Ö-Norm-Regeln für Wildbachsperren, Steinschlag und Lawinen nimmt Österreich eine Vorreiterrolle im Bereich der Naturgefahren ein.

Wandernde Hänge

Mit den Klimaveränderungen beobachtet Hofmann auch eine Zunahme an Massenbewegungen. „Der Motor von Massenbewegungen ist oft das im Schuttstrom vorhandene Wasser“, so Hofmann. Ein heikles Beispiel zur raschen Stabilisierung eines sich bewegenden Hanges ist die Kerschbaumsiedlung in Navis. „82 Häuser haben sich mit dem Hang etwa vier Zentimeter pro Jahr nach unten bewegt. Die unterschiedlichen Geschwindigkeiten von zwei Schuttzungen haben zu Schäden an den Häusern geführt“, erläutert der Experte. Mithilfe von 50 Brunnen ist es den Beteiligten gelungen, das Wasser auszuleiten und den Wasserdruck abzubauen, die Bewegung deutlich zu reduzieren und so den Hang zu stabilisieren. „Durch die Notwendigkeit rasch zu handeln und durch fehlende Theorien ist es schwierig, die Wirksamkeit der Maßnahmen schon vorab abzuschätzen. Mit unseren Forschungen und Erfahrungen möchten wir helfen, Prognosen in Zukunft genauer gestalten zu können“, so Hofmann. Der Einsatz von Brunnen hat sich auch in einer Notsituation beim Gschliefgraben am Traunsee bewährt, wo eine sich schnell bewegende Massenbewegung Häuser am Seeufer bedroht hat. Eine neue Erosionsanlage zur Untersuchung von Materialtransport soll zukünftig die Forschungen im Labor ergänzen. „Mit der neuen Anlage wird es möglich, verschiedene Böden zu untersuchen, um die Veränderungen des Materials und die Dichte zu messen Gerade im Hochwasserschutz in Tirol ist Erosion ein zentrales Thema. So könnten wir zukünftig auch dazu beitragen, ein einfaches Kriterium für Erosionsstabilität zu entwickeln“, verdeutlicht der Wissenschaftler. Dieses Wissen gibt der Experte auch gerne an seine Studierenden weiter, die ihn bei seinen Forschungen unterstützen. Mit dem Ziel die Menschen zu sichern, arbeitet Robert Hofmann in Kooperation mit unterschiedlichen Partnern aus der Praxis ständig daran, Problemstellungen mit Konstruktionen zu bearbeiten und Siedlungsräume und Infrastruktur zu sichern.

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Erd- und Schuttstrom, Gschliefgraben, Oberösterreich. (Bild: Robert Hofmann)

Der Beitrag ist in der aktuellen Ausgabe des Forschungsmagazins der Universität Innsbruck erschienen.

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