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Schwager Raymund: Theologie der Kirche
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Theologie der Kirche
(Manuskript zur Vorlesung (1992))

Autor:Schwager Raymund
Veröffentlichung:
Kategorielehrbehelf
Abstrakt:
Publiziert in:# Das Manuskript ist im Sekretariat Dogmatik des Instituts für Systematische Theologie erhältlich
Datum:2002-06-15

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

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1. Teil: Biblische Grundlage

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Die Kirche geht auf Jesus Christus zurück, dessen Lehren und Wirken sich im Rahmen des Glaubens Israels abspielte. Dieser gründet seinerseits in Abraham, in dem die Völker der Erde gesegnet wurden (Gen 13,14-18; Röm 4,1-25; Gal 3,6-18). Die Ekklesiologie muß deshalb bis ins Alte Testament zurückgehen.

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1.1 Altes Testament

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Der Bund Gottes mit Abraham ging in dessen unmittelbaren Nachkommen weiter und führte zum Bundesschluß am Sinai. Der Bund Gottes zielte folglich zunächst darauf, ein Volk unter den anderen Völkern auszusondern (=heiligen) und zu erwählen. Durch die Befolgung der Gebote sollte es zu einem gerechten und friedvollen Volk und so unter allen Völkern zu einem leuchtenden Zeichen werden.

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Das erwählte Volk hat immer wieder versagt und sich nicht an die Gebote des Bundes gehalten. Vor allem die Propheten haben deshalb das eigene Volk im Namen Gottes hart kritisiert. Sie warfen ihm vor allem drei Untaten vor:

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 (1)Götzendienst (Nachlaufen fremden Göttern)

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(2)Lüge (falsche Lehre, trügerische Berufung auf den Tempel und die Erwählung, falsche Gerichtsurteile,

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 (3)Gewalt (Unterdrückung der Armen und Töten Unschuldiger)

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 (Vgl. R.Schwager, Brauchen wir einen Sündenbock? 58-117.)

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Wegen des dauernden Versagens wurde dem Volk das Gericht angesagt, und zwar in der Form der gewaltsamen Vernichtung. Das globale Gericht ist - nach prophetischer Überzeugung - auch tatsächlich eingetreten, nämlich in der militärisch-politischen Katastrophe von 587 v.Chr, als Jerusalem erobert und der Tempel zerstört wurde.

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Für die Gerichtspropheten war das Gericht aber nicht das letzte Wort Gottes. Sie verkündeten darüber hinaus ein neues Heilshandeln, das darin bestand, daß Gott das vernichtete Volk neu aufrichtete und sammelte.

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Es gibt viele Texte, die von der Sammlung und neuen Sammlung Israels sprechen (vgl. R.Schwager, Brauchen wir einen Sündenbock? 125-129). Einer der deutlichsten Texte findet sich aber beim Propheten Ezechiel, der die Zeit des Untergangs von Jerusalem und das Exil persönlich miterlebt hatte:

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"So spricht Gott, der Herr: Wenn ich die vom Haus Israel aus all den Ländern zusammenführe, in die sie zerstreut sind, dann erweise ich mich an ihnen vor den Augen der Völker als heilig. Sie werden in ihrem Land wohnen, das ich meinem Knecht Jakob gegeben habe. Dort werden sie in Sicherheit leben; sie werden Häuser bauen und Weinberge pflanzen. Sie wohnen in Sicherheit, sobald ich an all ihren Feinden ringsum das Urteil vollstrecke. Dann werden sie erkennen, daß ich, der Herr, ihr Gott bin." (Ez 28,25)

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Dieser Text kann sogar als einer der Schlüsseltexte zum Verständnis des ganzen Alten Testaments betrachtet werden. Er zeigt nämlich, daß die Offenbarung Gottes darin besteht, daß er ein Volk sammelt und ihm neue Lebensmöglichkeiten schenkt. Gott offenbart sich als Herr, und er erweist sich als heilig, indem er das geschlagene und zerstreute Volk neu sammelt. Die Offenbarung ist folglich mehr als die inhaltliche Mitteilung von Wahrheiten, denn zu ihr gehört das Bemühen um die Schaffung eines Volkes.

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Das geschichtliche Werden des Volkes Gottes war ein dramatischer Vorgang mit vielen Formen des Versagens und neuen Anfängen. Äußerlich gesehen lassen sich vor allem 4 große Etappen unterscheiden:

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1) In der Frühzeit war Israel eine ziemlich egalitäre Gesellschaft, ein Bund von Stämmen, in dem charismatische Führer eine große Rolle spielten. In dieser Form konnte Israel aber dem Druck der umliegenden Völker kaum standhalten, weshalb es - trotz kritischer Einwände - wie andere Völker einen König haben wollte (vgl. Sam 8,1-22)

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2) In der zweiten Phase war Israel ein Königreich. Trotz der überragenden Bedeutung Davids entsprach es aber auch in dieser Form nicht dem von Gott gewollten Volk. Nach Salomo spaltete sich das Reich. Die Könige trieben ihre eigenmächtige Politik und ließen sich auf das Machtspiel der umliegenden Reiche (Ägypten, Assur und Babylon) ein. So wurden sie auch zu Opfern dieser Mächte.

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3) Nach dem Exil war Israel eine kleine Provinz in fremden Großreichen (Perser, Ptolemäer, Seleuziden), und es lebte nur als Tempelgemeinde in und um Jerusalem. Aber auch in dieser reduzierten Form blieben die alten Übel, und unter Antiochus IV (175 - 164 v.Chr) wurde der fremde Druck und Einfluß so groß, daß griechische Kulte bis in den Tempel eindrangen ("Greuel des Greuels"). Dagegen erhoben sich die Makkabäer, deren gewaltsamer Aufstand aber keine echte theologische Bedeutung mehr gewann.

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4) In der Auseinandersetzung Israels mit der (überlegenen) griechisch-heidnischen Kultur entstanden die apokalyptischen Erwartungen, die vor allem das Buch Daniel prägen. In diesem Werk wird eine neue Gestalt Israels entworfen, in der die Tempelgemeinde nicht mehr vorkommt. Gott wird gezeichnet als der Höchste, der König der ganz menschlichen Welt. In den Reichen der Erde, die immer böser werden, ist seine Herrschaft allerdings ganz verfinstert. Doch es gibt die "Heiligen des Höchsten", das wahre Israel. Gott zerschlägt plötzlich die irdischen Reiche, und läßt ein neues Reich entstehen, das Reich der "Heiligen des Höchsten", das zu einer Art Weltenberg emporwächst und zum Strahlungszentrum für die ganze Welt wird. (zu den vier Phasen vgl.: N.Lohfink, Der Begriff des Gottesreiches vom Alten Testament her gesehen. In: Unterwegs zur Kirche. Hg.v.J.Schreiner [QD 110] 33-86)

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Das Volk Israel als Volk Gottes konnte keine definitive Gestalt gewinnen, denn alle in der Geschichte versuchten Formen sind wieder zerbrochen. Die Aussonderung blieb problematisch, denn es kam zu einem Schwanken zwischen einem Erstarren in der Absonderung und einem sich preisgebenden Anpassen. - Bei Deuterojesaia zeigt sich allerdings die seltsame Figur eines 'Gottesknechtes' (einzelner und Israel), der gerade als Ausgesonderter mit den Sünden der vielen (untreues Israel und Heidenvölker) beladen wird.

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Jesus knüpfte bei seinem Wirken und mit seiner Botschaft ganz an der Glaubensgeschichte Israels, besonders bei Daniel an (vgl. Lohfink, ebd. 13f). Es traf ihn aber auch das Geschick der Aussonderung, wie es bei Deuterojesaia vorgezeichnet ist.

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1.2 Neues Testament

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Jesus hat nicht nur eine Botschaft verkündet, sondern auch ein Geschick erlitten, das zu seiner Sendung und zu seiner Offenbarung gehört. Sein ganzes Wirken läßt sich am besten als ein Drama in mehreren Akten verstehen:

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1.2.1 Jesus im Heilsdrama

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1. Akt: Jesus ist mit dem Anspruch aufgetreten, daß in seinem Kommen das Reich Gottes am Anbrechen sei. - Mit diesem Reich meinte er nicht eine märchenhafte Verwandlung der Welt, sondern ein neues Volk dank der Bekehrung der Herzen. Rückblickend mußte er allerdings feststellen:

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"Jerusalem, Jerusalem, du tötest die Propheten und steinigst die Boten, die zu dir gesandt sind. Wie oft wollte ich deine Kinder um mich sammeln, so wie eine Henne ihre Küken unter ihre Flügel nimmt; aber ihr habt nicht gewollt." (Lk 13,34)Die ganze Tätigkeit Jesu war darauf ausgerichtet, das zerschlagene und zerstreute Volk neu zu sammeln (vgl. Auswahl der Zwölf als Zeichen der zwölf Stämme). Durch seine Verkündigung wollte er wahrmachen, was die Propheten in ihren messianischen Verheißungen angekündigt hatten: Die neue Gemeinschaft des Friedens und der gerechtigkeit, das Reich der 'Heiligen des Höchsten', die ganz auf den himmlischen Vater vertrauen. In der Bergpredigt lehrte er, wie Menschen handeln müssen, damit die volle gerechtigkeit und der wahre Friede beim Volk einkehren können und dieses so zum Volk Gottes wird.

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Gerhard Lohfink, Wie hat Jesus Gemeinde gewollt; E.Jüngel, Jesus und Paulus, 290-300; W.Trilling, Die Botschaft Jesu (implizite Ekklesiologie); J.Ratzinger, Zur Gemeinschaft gerufen, 19-24.2. Akt: Die Botschaft Jesu wurde zunächst nicht angenommen. Auf die Ablehnung reagierte Jesus mit den Gerichtsworten. Das waren keine Racheworte, sondern Offenbarungsworte, die deutlich machen wollten, welche den Zuhörern noch verborgenen Konsequenzen ihre ablehnende Entscheidung haben werde: Keiner kann an Gott und seiner in Jesus anbrechenden Herrschaft vorbei sein Heil finden. Wer das Angebot der Barmherzigkeit des Vaters verwirft, schließt sich in seine eigene Welt (der Lüge, der Gewalt und der teuflischen Selbstgenügsamkeit) ein, und diese entpuppt sich letztlich als die Welt der Hölle.

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3. Akt: Die Hörer Jesu ließen sich durch die Gerichtsworte nicht aufrütteln, sondern versteiften sich erst recht in ihrer feindlichen Haltung. Es kam zum gewaltsamen Vorgehen gegen ihn, bei dem sich - aus sehr unterschiedlichen Gründen - Juden und Heiden zusammenfanden. Die von Jesus gewollte Sammlung im Namen des himmlischen Vaters führte zunächst zu einer Gegensammlung (Zusammenrottung) gegen ihn. Jener, der das Gericht angesagt hatte, wurde selber gerichtet; Jesus hatte in seinen Gegnern einen satanischen Geist der Lüge und der Gewalt aufgedeckt, und er wurde selber des satanischen Geistes bezichtigt, lügnerisch verurteilt und gewaltsam hingerichtet. Was er bei anderen entlarvt hatte, wurde auf ihn zurückgeschoben, wobei sich bei diesem Abschieben Juden und Heiden zusammenfanden. Jesus wurde so zur Sünde, zum Träger der Sünde und zum Sündenbock gemacht.

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Die weltgeschichtliche Tragweite dieser Gegensammlung kann mittels der Theorie Girards deutlich gemacht werden. Wenn alle menschlichen Gesellschaften letztlich in einer Ausgrenzung von Opfern (und damit Zusammenrottung) gründen, dann deckt das Geschick Jesu die (sündhaften) Fundamente in der Geschichte auf.Jesus als der Verurteilte und Ausgestoßene hat sein bitteres Geschick frei angenommen. Er hat auf Gewalt nicht mit Gegengewalt, sondern mit Fürbitte reagiert, und sich für seine Feinde hingegeben (siehe Abendmahlsworte). - Als Opfer fremder Lüge und Gewalt hat er sich sogar - wie vor allem die nachösterliche Theologie zeigt - mit allen Opfern der Lüge und Gewalt identifiziert.

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"Wenn ich über die Erde erhöht bin, werde ich alle an mich ziehen" (Joh 12,32).Als der von Juden und von Heiden Verworfene hat er die ihn verwerfenden Menschen an sich gezogen und damit die von ihm angezielte Sammlung der Menschen auf neue überraschende Weise in Gang gesetzt.

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4. Akt: Der von den Menschen Verworfene und Gekreuzigte wurde durch den himmlischen Vater auferweckt und zu den Menschen mit einer Botschaft des Friedens zurückgesandt. Der Auferweckte sammelte - durch die Ostererscheinungen - zunächst seine verwirrten und zerstreuten Jünger. Er wurde so zum Zentrum einer neuen Sammlung und zum Eckstein eines neuen Hauses:

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"Der Stein, den die Bauleute verworfen haben, ist zum Eckstein geworden" (Mk 12,10 par; Apg 4,11; 1 Petr 2,4-7).

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5. Akt: Trotz der Erscheinungen des Auferweckten blieben die Jünger zunächst verängstigt. Der Geist von Pfingsten aber stärkte sie und gab ihnen den Freimut, ohne Menschenfurcht vor die Menge zu treten und Jesus in der Öffentlichkeit zu bekennen. So begann eine neue Sammlung (ekklesia) in der Sichtbarkeit und Öffentlichkeit dieser Welt. Die Jünger richteten sich dabei an Menschen aus vielen Ländern. Aus der Sammlung Israels wurde eine Sammlung von Juden und Heiden (vgl. E.Peterson, Kirche aus Juden und Heiden).

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 Zum ganzen Drama Jesu: vgl. R.Schwager, Jesus im Heilsdrama.

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1.2.2 Gründung der Kirche

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Im Alten Testament war die Offenbarung Gottes keine bloße Mitteilung von Wahrheiten, sondern sie zielte auf die Schaffung eines Volkes. Genau das gleiche zeigt sich im Geschick Jesu. Er offenbarte den himmlischen Vater, indem er zugleich Menschen neu sammelte. Diese Sammlung war - wie im AT - kein einmaliger Akt, sondern ein dramatisches Geschehen. Jesu Versuch, Israel zu sammeln, stieß zunächst auf härteste Gegenkräfte, und erst in Überwindung der Gegensammlung und ihrer teuflischen Mächte der Lüge und Gewalt durch Kreuz, Ostern und Pfingsten wurde schrittweise die neue Sammlung, d.h. die Kirche (ekklesia = Versammlung) möglich.

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Die Gründung der Kirche war folglich kein einmaliger Akt, sondern sie entstand aus einem längeren dramatischen Prozeß mit verschiedenen Höhepunkten. Sie entstand aus jenem wunderbaren Geschehen, in dem die Kräfte der Spaltung und Zusammenrottung (Kräfte der Hölle) durch den wahren Geist der Einheit überwunden wurden.

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In der modernen Theologie gibt es sehr viele unterschiedliche Theorien für die Entstehung der Kirche. Dabei wird bald das vorösterliche Wirken Jesu, bald das Kreuz oder Ostern, bald Pfingsten oder das Wirken des Paulus als entscheidend hervorgehoben (vgl. G.Heinz, Das Problem der Kirchenentstehung in der deutschen protestantischen Theologie des 20. Jahrhunderts). Alle diese Theorien sehen etwas Richtiges, die meisten sind aber auch einseitig. Das Wahre in ihnen läßt sich dann aufgreifen und verständlich machen, wenn man die Kirchengründung nicht als ein punktuelles Ereignis, sondern als einen konflikthaften Prozeß oder ein Drama versteht.

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Aus diesem Drama heraus erklärt sich der Übergang von Israel zu einer Kirche aus Juden und Heiden. Jesus richtete sich zunächst nur an Israel. Wegen der Ablehnung seiner Botschaft und seiner Verwerfung, an der sich auch Heiden beteiligten, kam es aber durch Kreuz, Ostern und Pfingsten zu einem neuen, radikalisierten und erweiteren Ansatz für die Sammlung. Der Gekreuzigte starb für alle Menschen, als Auferweckter sandte er die Jünger in die Welt, und an Pfingsten kam der Geist, der die eine Botschaft in vielen Sprachen verstehen ließ.

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E.Peterson, Theologische Traktate, 411-424 (Kirche aus Juden und Heiden); Lehmann, Der Ursprung der Kirche und Jesus Christus. In: Kirche -Ort des Heils, Hg. W.Seidel, 8-23; J.Ratzinger, Zur Gemeinschaft gerufen

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1.2.3 Die Einheit der Kirche

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Wenn das Wirken Jesu - über seine verschiedenen Phasen - auf die Sammlung Israels und der Heiden ( = Kirche) ausgerichtet war, dann ist es leicht zu verstehen, daß die Einheit ein wesentliches, ja das zentrale Merkmal der Kirche ist. Wir finden nun in den neutestamentlichen Schriften tatsächlich viele Bilder und Aussagen von der Einheit.

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1.2.3.1 Bilder der Einheit

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*"Ich (Jesus) bin der gute Hirt. Der gute Hirt gibt sein Leben für die Schafe... Ich kenne die Meinen und die Meinen kennen mich... Ich habe noch andere Schafe, die nicht aus diesem Stall sind; auch sie muß ich führen, und sie werden auf meine Stimme hören; dann wird es nur eine Herde geben und einen Hirten" (Joh 10,11-16).

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*"Ich (Jesus) bin der Weinstock, ihr seid die Rebzweige. Wer in mir bleibt und in wem ich bleibe, der bringt reiche Frucht" (Joh 15,1-8).

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*"Denn wie der Leib eine Einheit ist, doch viele Glieder hat, alle Glieder des Leibes aber, obgleich es viele sind, einen einzigen Leib bilden: so ist es auch mit Christus (1 Kor 12,12)

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*"Laßt euch als lebendige Steine zu einem geistigen Haus aufbauen, zu einer heiligen Priesterschaft" (1 Petr 24)

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*"Denn wir sind Glieder seines Leibes. Darum wird der Mann Mutter und Vater verlassen und sich an seine Frau binden, und die zwei werden ein Fleisch sein. Dies ist ein tiefes Geheimnis, ich beziehe es auf Christus und die Kirche" (Eph 5,30f)

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Das NT gebraucht Bilder von der Viehwirtschaft (Hirt, Schafe), vom Ackerbau (Weinstock und Rebe), von der Anatomie (Leib und Glieder), von der Architektur (Haus und Steine) und vom menschlichen Leben (Ehe), um die Einheit des neuen Volkes zu beschreiben.

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 Besonders zentral ist aber die Aussage des Johannesevangeliums (hohepriesterliches Gebet):

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"Alle sollen eins sein; wie du, Vater, in mir bist und ich in dir bin, sollen auch sie in uns sein, damit die Welt glaubt, daß du mich gesandt hast... Die Herrlichkeit, die du mir gegeben hast, habe ich ihnen gegeben, damit sie eins sind, wie wir eins sind." (Joh 17,21ff)Diese Worte nehmen genau den Gedanken des Ezechiel auf, wonach die Völker oder die Welt an der Einheit der Glaubenden das Wirken Gottes erkennen sollen (Ez 28,25). - Das Neue, das Jesus im Johannesevangelium über Ezechiel hinaus sagt, besteht darin, daß die Einheit des Gottesvolkes nicht bloß die Heiligkeit und das Herrsein Gottes, sondern auch seine dreifaltige Einheit (Vater, Sohn und Geist) offenbart. Der eine Gott, der sich im Leben der versammelten und geeinten Gläubigen offenbart, ist kein Einsiedler. Er ist ein lebendiger Gott in der Einheit von Vater, Sohn und Geist. Diese gemeinschaftliche Einheit verlangt deshalb auch eine kirchliche Einheit, die etwas anderes ist als Uniformität (ein Leib - viele Glieder; ein Geist - viele Gaben und Sprachen; etc.).

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1.2.3.2 Sichtbare Einheit

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Daß der Gedanke der Sammlung und Einheit für das Verständnis der Kirche zentral ist, wird in der Theologie allgemein anerkannt. Die Meinungen gehen aber stark auseinander bezüglich des genaueren Verständnisses dieser Einheit. Vor allem ist umstritten, ob zum Wesen der Kirche eine sichtbare und gesellschaftlich faßbare Einheit gehört oder ob eine innere Verbundenheit im einen Geist genügt. Die katholische und die orthodoxe Theologie (und im gewissen Maße auch die lutherische) halten an der sichtbaren Einheit fest. Dafür sprechen zahlreiche Gründe aus dem Neuen Testament:

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a) Sowohl im Alten Testament wie in der vorösterlichen Verkündigung Jesu ist das Volk, das aus dem Offenbarungsgeschehen heraus sich sammeln soll, eindeutig eine sichtbare und gesellschaftlich faßbare Größe. Soll es zu keinem fundamentalen Bruch innerhalb des Offenbarunsgeschehens kommen, muß folglich auch nachösterliche Sammlung, die Kirche, auf eine sichtbare und gesellschaftlich faßbare Größe zielen.

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b) Die neutestamentlichen Schriften betonen auf vielfache Weise, daß zum wahren Glauben das äußere Bekenntnis gehört:

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"Wer sich nun vor den Menschen zu mir bekennt, zu dem werde auch ich mich vor meinem Vater im Himmel bekennen" (Mt 10,32f par; vgl. Joh 12,37-43; 1 Tim 6,13).

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"Wer mit dem Herzen glaubt und mit dem Mund bekennt, wird gerechtigkeit und Heil erlangen" (Röm 10.10).

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 Vgl. R.Schwager, Theologie des Heiligen Geistes (Manuskript) 17f.

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Ist das öffentliche Bekenntnis für den Glauben wesentlich, dann kann damit nicht irgendein Bekenntnis gemeint sein, sondern nur jenes, in dem alle Glaubenden in ihrem Bekenntnis zu Christus übereinstimmen (kirchliches Bekenntnis als Einheit zwischen jenen, die Christus bekennen).

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c) Der Sammlung durch Gott entspricht in der christlichen Gemeinde die regelmäßige sichtbare Versammlung aller Glaubenden zum Gottesdienst (vgl. Apg 3,46; 1 Kor 10,14-22; 11,17-34).

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d) An der Einheit der Glaubenden soll - vor allem gemäß dem Johannesevangelium - die Welt erkennen, daß es einen heiligen Gott gibt und daß er seinen Sohn gesandt hat. Diese Einheit ist für die Menschen aber nur dann erkennbar, wenn sie auch sichtbar ist.

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e) Paulus, der einerseits sehr stark den pneumatischen Charakter der christlichen Gemeinden hervorhebt (vgl. 1 Kor 12,1-14,30), mißt anderseits der äußeren Einheit eine entscheidende Bedeutung zu. Obwohl er sein Evangelium durch Offenbarung direkt von Christus empfangen hat, macht er vom sichtbaren Handschlag mit den anderen Aposteln abhängig, ob er sich in seinem missionarischen Bemühen nicht geirrt hat.

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"Ich ging hinauf (nach Jerusalem) aufgrund einer Offenbarung, legte der Gemeinde und im besonderen den 'Angesehenen' das Evangelium vor, das ich unter den Heiden verkündige: ich wollte sicher sein, daß ich nicht vergeblich laufe oder gelaufen bin" (Gal 2,2)."Ein Leib und ein Geist, wie euch durch eure Berufung auch eine gemeinsame Hoffnung gegeben ist; ein Herr, ein Glaube, eine Taufe, ein Gott und Vater aller, der über allem und durch alles und in allem ist" (Eph 4,4-6)

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f) Die Apostelgeschichte und die Pastoralbriefe heben öfters hervor, daß es zur großen Aufgabe der Presbyter und Episkopen gehört, in der Lehre der Apostel zu verharren und vor Irrlehrern zu warnen (Apg 20,28-31; 1 Tim 4,1f.16; 5,1; 6,2f; 2 Tim 1,13; 2,14-26; Tit 1,9-2,10). Zu entscheiden, was Irrlehre ist und was zur wahren Lehre der Apostel gehört, ist in besonderer Weise Aufgabe der Vorsteher. Sie haben über die Wahrheit und Einheit der Lehre zu achten.

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Zahlreiche und starke Gründe sprechen folglich dafür, daß nach dem Zeugnis des Neuen Testaments zur Einheit der Kirche auch die sichtbare und gesellschaftlich faßbare Einheit (als Übereinstimmung im Bekenntnis und in der Liebe) gehört.

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1.2.4Heiligkeit und Problematik der sichtbaren Einheit

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Im Alten Testament wird Israel unter den vielen götzendienerischen Völkern als Volk Gottes ausgesondert (geheiligt). Die ganze Geschichte des erwählten Volkes zeigt aber, daß es ständig zu den Völkern zurücktendierte. Bei Daniel erscheint das endzeitliche Volk als die "Heiligen des Höchsten", wobei es aber nicht mehr klar ist, ob dieses Volk noch ein Volk in dieser Weltzeit ist (Apokalyptik).

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Die Heiligung Israels durch die Verkündigung Jesu ist zunächst ebenfalls gescheitert. Erst auf neuer und tieferer Ebene (Kreuz, Ostern, Ausgießung des Geistes) wurde sie realisiert. Aber es blieben Probleme.

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In den paulinischen Briefen werden die Gläubigen einerseits als 'Heilige' angesprochen, anderseits bezeugen diese Briefe aber, daß es in den neuen Gemeinden große Spannungen und viele Rückfälle gab. Wo aber die Heiligung und die Einheit im Geist nicht vollkommen sind und wo man dennoch die äußere Einheit (zur Abwehrung eines weiteren Zerfalls) wahren will, dort muß man notgedrungen anfangen, Menschen auszugrenzen. Bereits die Urgemeinde (vgl. Apg 5,1-11) und Paulus (1 Kor 5,1-13) sahen sich vor dieser Notwendigkeit, die rasch zu einer festen Praxis wurde.

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Jesus hat sich den Ausgestoßenen, den Zöllnern, Besessenen und Sündern zugewandt und ist deshalb selber von Israel ausgestoßen worden. Wenn die Kirche ihrerseits Sünder ausschließt, stellt sich die fundamentale Frage: Fällt sie nicht selber in jene Verhaltensweise zurück, die zur Verwerfung Jesu geführt hat?

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1.2.5 Kirche aus Juden und Heiden

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Jesus hat sich zunächst nur an Israel gewandt. Erst durch Kreuz, Ostern und Pfingsten erfolgte die grundsätzliche Ausweitung auf alle Völker, die in der nachösterlichen Gemeinde nochmals mühsam errungen werden mußte (vgl. Apg 9,32-12,25; 15,1-35; Gal 2,11-21). Paulus verstand sich in besonderer Weise als Apostel der Heiden, und er bestritt energisch, daß das Gesetz Israels die Menschen rechtfertigen könne. Dennoch sah auch er in den Heiden nur "Zweige vom wilden Ölbaum", die in den "edlen Ölbaum" (Israel) "eingepfropft" (Röm 11,13-24) wurden. Der Epheserbrief spricht davon, daß durch den Tod Christi die Trennmauer zwischen Juden und Heiden niedergerissen und beide in einem "einzigen Leib" vereint wurden (Eph 2,11-22). Die Kirche sollte folglich eine Kirche aus Juden und Heiden sein.

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Tatsächlich ist das Judenchristentum aber ziemlich rasch ausgestorben, und die Kirche wurde praktisch zu einer reinen Heidenkirche. Woher kam es, daß der judenchristliche Zweig rasch ausfiel? Gab es eine Ausgrenzung der Judenchristen durch die Heidenchristen?

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2. Teil: Theologische Probleme der Kirchengeschichte

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Die Kirche kann nicht bloß von Texten (NT, Lehren der Konzilien), sondern sie muß vor allem auch von ihrem Leben her verstanden werden. Im AT hatte das Volk Gottes eine sehr bewegte Geschichte, und die neue Sammlung im Geschick Jesu hat sich ebenfalls in einem dramatischen Prozeß vollzogen. Deshalb gehört zur Ekklesiologie auch die Dramatik der Kirchengeschichte, und mindestens jene großen Ereignisse und Krisen sind kurz zu sehen, die direkt das Selbstverständnis der Kirche betreffen.

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2.1 Die Kirche in der Zeit der Verfolgung

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2.1.1 Krise von innen (Gnosis)

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Obwohl die Kirche in den ersten drei Jahrhunderten äußere Verfolgungen durchzustehen hatte, kam die eigentliche Krise von innen, nämlich in der Form der Gnosis. Damit ist jene geistige Strömung gemeint, die jüdische, hellenistische, christliche und vielleicht auch asiatische Elemente in sich vereinigte, stark von einer Erlösungssehnsucht bewegt wurde und kosmologische Spekulationen liebte. Für diese Spekulationen beriefen sich die gnostischen Christen auf geheime Lehren und Überlieferungen der Apostel (über 40 apokryphe Evangelien, über 20 Akten, Briefe und Apokalypsen von Aposteln).

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Die Gnosis hatte im 2.Jahrhundert in vielen christlichen Gemeinden großen Erfolg (Irenäus nennt über zwanzig gnostische Gruppen). Es gibt Vermutungen, wonach bis zur Hälfte der Christen der Gnosis anhingen oder ihr nahestanden. Die Kirche überstand diese tödliche Gefahr vor allem durch folgende Reaktionsweisen:

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1.) Betonung des Amtes, das über die rechte Lehre zu wachen hat, und Ausbildung des 'monarchischen' Episkopats (vgl. Vorlesung: Weihesakrament): jene Gemeinden sind wahre christliche Gemeinden, deren Bischöfe von den umliegenden Bischöfen anerkannt werden. Die andern Gemeinden werden als häretisch ausgegrenzt.

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2.) Betonung der öffentlichen Tradition jener Kirchen, die ihren Ursprung auf Apostel zurückführen konnten (vor allem Rom, weil hier Petrus und Paulus wirkten; aber auch Antiochien, Ephesus etc.), gegen die angeblich geheimen Überlieferungen von Aposteln.

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3.) Festlegung des Kanons des Neuen Testaments: Der Gnostiker Markion hatte als erster einen Kanon festgelegt (gereinigtes Lukasevangelium und Paulusbriefe). Dies führte die Kirche dazu, ausdrücklicher hervorzuheben, welche Schriften sie als Heilige Schrift anerkannte und welche sie als trügerische apostolische Überlieferung ausgrenzte (apokryphe Schriften)

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Die gnostische Krise drohte die Kirche in viele Grüppchen und Sekten zu zerspalten. Die Kirche reagierte darauf, indem sie Strukturelemente (monarchischer Episkopat, Traditionsprinzip, Kanon) deutlicher herausarbeitete und dadurch die auseinanderstrebenden Gemeinden neu sammelte, sich dabei aber des Mechanismus der Ausgrenzung bedienen mußte. Die im AT und im Geschick Jesus Christus begründete Sammlung setzte sich so einerseits fort, anderseits wurde die Ausgrenzung zu einem wesentlichen Element der Kirche. So wurde später die Lehre der Konzilien sehr oft in negativ-ausgrenzender Weise formuliert (Anathema).

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2.1.2Konflikt um Reinheit

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Die christlichen Gemeinden verstanden sich als das neue auserwählte Volk, als eine Gemeinschaft von Heiligen (als Braut Christi [Eph 5], als himmlisches Jerusalem, als neue Eva, als wahre Kirche). Mit all diesen Ausdrücken und Bildern bezeugte man schon in den ersten Jahrhunderten den Glauben an die Vollkommenheit und Heiligkeit der Kirche.

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Gleichzeitig mußte man aber feststellen, daß auch die Gläubigen Sünder blieben und daß es unter ihnen große Sünder gab. Die Frage, wie die Kirche sich diesen gegenüber zu verhalten habe, führte rasch zu Spannungen, denn es gab Gruppen, die glaubten, alles Unreine aus der Kirche ausgrenzen und ausstoßen zu müssen (Montanisten, Enkratiten [vgl. A.Franzen, Kleine Kirchengeschichte, 50f], Schisma von Novatian [ebd.60f]; Streit um die nicht vergebbaren Sünden, Schisma der Donatisten). Die Kirche versuchte in der Frage der Heiligkeit immer einen Mittelweg zu gehen. Einerseits betonte sie stark die Notwendigkeit der Heiligung und der Abkehr von dem sündhaften Treiben der Welt (und damit die Ausgrenzung der gröbsten Sünder). Anderseits schlug sie keine streng asketische Richtung ein und wollte auch den Gefallenen eine neue Chance geben. Alle rigoristischen Strömungen haben sich deshalb früher oder später zu Sekten entwickelt und von ihr getrennt (vgl. auch im Mittelalter: Katharer; radikale Armutsbewegung; Hussiten [Sakramente sündiger Priester sind ungültig]).

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2.2 Konstantinische Wende: Kirche und Staat

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Das Christentum wurde im römischen Reich nicht dauernd, sondern nur sporadisch verfolgt. Allgemeine Verfolgungen gab es 249-251, 257-259 sowie später unter Diokletian, und zwar aus Staatsinteresse. Kaiser Diokletian (284-305), der blutigste Verfolger, war keineswegs ein gottloser und gewalttätiger Mensch. Er hatte die Christen sogar längere Zeit geduldet, und seine eigene Gattin Prisca und seine Tochter Valeria sollen Christinnen gewesen sein. Ihn bewegte aber das große Anliegen, das innerlich bedrohte römische Reich zu erneuern (neue Regierungsform: 2 Augusti und 2 Caesaren). Dazu griff er auf die große Idee aller antiken Reiche zurück: die Einheit des Reiches durch Einheit in der Religion.

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2.2.1 Gewaltsame Einigungsbemühungen im Namen Christi

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Diokletian hatte keinen Erfolg; Konstantin aber griff sein Erbe - wenn auch unter anderem Vorzeichen - auf. Auch er wollte durch die religiöse Einheit die Einheit des Reiches festigen. Gleich nach seinem ersten großen Sieg gegen einen Nebenkaiser (312) beauftragte er eine römische Synode mit dem Fall Caecilian von Karthago (Beginn des Donatismus) (313), und er versuchte, die kirchliche Entscheidung mit Waffengewalt durchzusetzen. Nach seinem Sieg über den letzten Mitkaiser (324) rief er das Konzil von Nicaea zusammen (325) und betraute es mit der Frage des Arius. Auch diesmal versuchte er die kirchlichen Beschlüsse mit staatlicher Gewalt durchzusetzen (Verbannung des Arius und seiner Anhänger). Wie er jedoch merkte, daß die arianische Partei stärker war, als er vermutet hatte, änderte er seine Taktik, aber nicht seine religiös-politische Idee. Er ließ nun Arius frei und wollte dafür die nicänische Partei (mit ihrem Anführer Athanasius) zwingen, sich dem staatlich-religiösen Konsens anzuschließen. Seine Nachfolger handelten ähnlich und verfolgten (angebliche) Ketzer.

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Die staatlich-religiöse Einheit wurde auch durch die Verfolgung der Heiden und der Juden vorangetrieben. Die Christen, die vor kurzem noch verfolgt waren, wurden selber zu Verfolgern (Verbot und Unterdrückung des Heidentums).

92
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"Eine vollständige Umstellung war eingetreten. Man bestimmte aufgrund der staatlichen Gewalt, worin die Rechtgläubigkeit bestehe; man gab den Bischöfen und Priestern, den Kirchen und Bistümern Vorrechte, während man Häretiker und Heiden benachteiligte und strafte. Man wechselte wohl die Religion, nicht aber die Methoden; es waren zwar andere Personen, nicht aber andere Strukturen da. Der Römische Staat verfolgte weiterhin Religionen und Sekten. Der Unterschied bestand lediglich darin, daß man jetzt auf die Mitarbeit der Christen zählte." (Juan Maria Labao, Die Gewalt in der Geschichte der Kirche. In: Internat. Kath. Zeitschrift 9 (1980) 108-123, hier 110; Vgl. Die Kirche angesichts der konstantinischen Wende (WdF 306) Hg. G.Ruhbach.

93
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Aus der religiös-politischen Einheitsvorstellung heraus entstand das meiste, was von heute her gesehen die Kirche belastet: Kreuzzüge, Inquisition (1252 päpstliche Erlaubnis, mittels der Folter gegen Ketzer vorzugehen), Judenverfolgung, Religionskriege, Vergewaltigung neu entdeckter Völker und noch 1864 Verurteilung der Religionsfreiheit (DS 2977/2979).

94
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Diese kurzen Hinweise auf eine lange Geschichte zeigen, daß wir es nicht mit isolierten Mißgriffen und Verfehlungen, sondern mit einem grundsätzlichen Problem zu tun haben: eine archaische Vorstellung von Einheit führte dazu, daß die Kirche sich auf staatliche Gewaltmittel stützen und daß der Staat sich der Kirche zur Festigung seiner Einheit bedienen wollte.

95
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Ergebnis: Es gab eine ganze Tradition in der Kirche und in der Christenheit, die mit dem gleichen Mittel wie heidnische Reiche die Einheit herbeizuführen und zu schützen suchte: Einheit durch gewaltsame Ausgrenzung und Ausstoßung.

96
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2.2.2Unterscheidung zwischen geistlicher Autorität und weltlicher Macht

97
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Trotz massiver Vermengungen von christlicher Religion und weltlicher Macht versuchte die Kirche immer, ihren eigenen spirituellen Anspruch deutlich zu machen.

98
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2.2.2.1 Augustinus und Papst Gelasius I (492-496)

99
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Besonders geschichtsmächtig wurde die Sicht des Augustinus von den beiden 'civitates'. Die 'Stadt Gottes' (Augustinus spricht nicht vom imperium, weil ihm dieser Begriff wohl zu politisch war) ist nicht identisch mit der Kirche auf Erden. Sie beginnt vielmehr im Himmel (Engel), und auf Erden gehören nur jene zu ihr, die Gott von Ewigkeit her zum Heil prädestiniert hat (Kirche seit Abel). Da es auch Nicht-Prädestinierte in der irdischen Kirche gibt, ist diese für Augustinus eine ecclesia mixta (Gleichnis vom Unkraut im vom Weizen). Nur für die künftige himmlische Kirche gilt das Wort des Paulus, gemäß dem sie "ohne Runzel und Makel" ist (Eph 5,27).

100
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Auch die anderen Kirchenväter wußten um den seltsamen Charakter der Kirche und gebrauchten gern das massive Bild von der "keuschen Hure". H.U.v.Balthasar, Die heilige Hure. In: ders., Wer ist die Kirche? (Herder-Bücherei 239) 55-136.

101
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Neben die 'civitas dei', deren Grundprinzip die Gottesliebe ist, stellte Augustinus die 'civitas terrena' (oder diaboli), die auf dem Prinzip der Selbstliebe beruht. Obwohl auch diese 'civitas' nicht mit dem irdischen Staat identisch ist, zeichnete Augustinus von diesem letzteren ein sehr negatives Bild.

102
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In einem seltsamen Gegensatz zu den Grundlinien seines Denkens kam Augustinus in der Auseinandersetzung mit den Donatisten sogar dazu, daß er "die militärische Intervention der staatlichen Gewalt zur Durchsetzung von Entscheidungen der kirchlichen Autorität zuerst akzeptiert(e) und schließlich sogar fordert(e)" (Bouyer, Die Kirche I,46). Diese Theologie des Augustinus hatte gewaltige geschichtliche Folgen, wobei die Grundlinien seines Denkens öfters verschoben wurden.

103
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Auf der Linie des Augustinus (bei gleichzeitiger Neuerung) formulierte Papst Gelasius I. die später so berühmte Lehre von den zwei Gewalten oder Schwertern:

104
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Duo quippe sunt, quibus principaliter mundus hic regitur auctoritas sacrata pontificum et regalis potestas. In quibus tanto gravius est pondus sacerdotum, quanto etiam pro ipsis regibus hominum in divino reddituri sunt examine rationem (Mirbt 85).

105
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Die Unterscheidung zwischen den zwei Reichen, die Augustinus zunächst rein spirituell verstanden (Gottesliebe / Selbstliebe) und erst in zweiter Linie mit der Unterscheidung zwischen Kirche und Staat in Beziehung gesetzt hat, griff Papst Gelasius I. als direkte Unterscheidung zwischen zwei Autoritäten in der Welt (Papst / König) auf, wobei die priesterliche eindeutig der königlichen vorgeordnet wurde.

106
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2.2.2.2 Gregor der Große und das fränkische Reich

107
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Eine weitere Entwicklung zeigt sich bei Papst Gregor dem Großen, der von der augustinischen Idee ausging, daß der heidnische Staat fast ganz pervers ist. Auf diesem Hintergrund sah er den christlich gewordenen Staat fast ausschließlich in seiner Beziehung zum christlichen Glauben und zur Kirche. Durch den Glauben werden die weltlichen Fürsten einerseits gezügelt, anderseits erhalten sie von ihm eine entscheidende Aufgabe gegenüber der Kirche. Sie haben den Frieden und den Glauben der Kirche zu schützen. Der Friede und die Gebete der Kirche geben einerseits dem christlichen Reich die innere geistliche Würde und die Verdienste bei Gott, anderseits steht die weltliche Macht ganz im Dienst der Kirche.

108
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Die augustinischen Ideen in der Form Gregors des Großen wurden im fränkischen Reich Allgemeingut. Die Verbindung zwischen der kirchlichen und weltlichen Macht wurde so eng gesehen, daß man nicht mehr - wie Gelasius I. - von zwei Autoritäten sprach, durch die Gott die Welt regiert, sondern von zwei Schwertern in der Kirche (Christus ist Priester und König zugleich). Die politische Macht wurde als Teil der einen umfassenden Kirche oder der Christenheit verstanden (Ellipse mit 2 Brennpunkten).

109
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2.2.2.3Mittelalter und Reformation

110
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Die Friedensordnung, die der Staat zu garantieren hat, und die "pax Christi" wurden weitgehend identifiziert. Daraus ergab sich ein politischer Anspruch der Päpste, der sich in massiver Weise im Mittelalter zeigte: vom Dictatus papae Gregors VII. (1075) über Innozenz III. bis zur Bulle "Unam sanctam" von Bonifaz VIII. (1302). Gerade dieser Anspruch weckte aber auch Widerstand und führte so langfristig zu einer Trennung von Kirche und Staat.

111
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Der mittelalterliche Kampf zwischen Kaiser und Papst weckte zunächst neue Ideen, nämlich die Vorstellung, daß die politische Autorität von der geistlichen ganz unabhängig ist (Marsilius v.Padua). Dieser Gedanke setzte sich in der Praxis allerdings lange nicht durch, denn selbst zur Zeit der Reformatoren hielt man in beiden getrennten Lagern noch am Grundsatz fest: "cuius regio, eius religio".

112
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2.2.2.4 Neuzeit und Vaticanum II

113
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Die mit Konstantin begonnene Symbiose zwischen Kirche und Staat wurde erst - von staatlicher Seite - durch die französische Revolution (Trennung von Thron und Altar) radikal in Frage gestellt. Während des ganzen 19.Jahrhunderts gab es aber (von staatlicher und kirchlicher Seite) hartnäckige Versuche, die alten Verhältnisse wiederherzustellen, die jedoch mit dem ersten Weltkrieg endgültig scheiterten. Danach gab es noch die Versuche, durch nachchristliche Ideologie 'Reichseinheit' zu schaffen (Faschismus, Nationalsozialismus und Kommunismus).

114
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Durch die Erklärung über die Religionsfreiheit und durch die Konstitution 'Gaudium et spes' (Kirche in der Welt) des zweiten Vatikanischen Konzils hat die katholische Kirche die weltliche Gesellschaft und den Staat als autonome Bereiche anerkannt, die nicht in ihrem Dienst stehen. Dieser Schritt wurde möglich, weil sich der moderne Staat seinerseits als weltanschaulich neutral versteht und als Ziel nur das irdische Gemeinwohl der Bürger hat. Es hat fast zweitausend Jahre gedauert, bis die alte römische (heidnische) Reichsidee (Einheit des Reichs durch Einheit der Religion) ganz zerbrochen ist, und erst aufgrund dieses Zerbrechens wurden die Aussagen von Vaticanum II. möglich.

115
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Erzbischof Lefebvre, der vor allem das Dekret über die Religionsfreiheit bekämpfte, hat zwar recht, wenn er der Kirche diesbezüglich eine Neuerung vorwirft. Aber die Neuerung bestand nur darin, daß ein altes heidnisches Element, das lange Zeit das Leben der Kirche mitgeprägt hatte, ausgeschieden wurde.

116
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Mit der neuen Situation treten allerdings, wie wir später ausführlicher sehen werden, auch ganz neue Probleme auf.

117
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2.3 Papsttum: Einheit und Freiheit der Kirche

118
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2.3.1Aufstieg des Bischofs von Rom

119
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Die Entwicklung des Papsttums ist nicht durch einen einzigen Faktor, sondern nur durch das Zusammenspiel vieler Ursachen zu erklären (Franzen 106-111; K.Schatz, Der päpstliche Primat. Seine Geschichte von den Ursprüngen bis zur Gegenwart). Von besonderer Bedeutung waren:

120
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 a) Die Apostolische Überlieferung:

121
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 Die Kirche Roms konnte sich auf die Lehre der zwei wichtigsten Apostel (Petrus und Paulus) berufen.

122
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 b) Rom als alte Hauptstadt des Reiches:

123
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Daß dieser politische Faktor eine große Rolle spielte, zeigt ein Vergleich mit Konstantinopel, dessen Bischof sofort an Bedeutung gewann, sobald der Kaiser dort residierte.

124
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Canon V des ersten Konzils von Konstantinopel (381) sagt: "Constantinopolitanae civitatis episcopum habere oportet primatus honorem post Romanum episcopum, propterea quod sit nova Roma (Mansi, III,573).

125
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 Noch weiter ging das Konzil von Chalkedon (451):

126
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Kanon 28: "In allem den Bestimmungen der heiligen Väter folgend und in Kenntnisnahme des vorher verlesenen Kanons der 150 gottgeliebten Bischöfe, die sich unter dem großen Theodosius frommen Andenkens, des früheren Kaisers, in der Kaiserstadt Konstantinopel, dem neuen Rom, versammelt haben, bestimmen und beschließen auch wir das gleiche betreffs der Vorrechte der heiligsten Kirche desselben Konstantinopel, des neuen Rom. Denn auch dem Thron des alten Rom haben die Väter, weil jene Stadt Kaiserstadt war, zu Recht die Vorrechte zuerkannt, und von der nämlichen Erwägung bestimmt, haben die 150 gottgeliebten Bischöfe die gleichen Vorrechte dem heiligsten Thron des neuen Rom zuerteilt, indem sie mit Recht urteilten, daß die Stadt, die der Anwesenheit des Kaisers und des Senats gewürdigt ist und die gleichen Vorrechte wie das alte Rom, die Kaiserstadt, genießt, auch im kirchlichen Bereich wie jene verherrlicht werden müsse, indem sie nach ihr die zweite ist." (Stephan O.Horn, Petrou Kathedra, S.224.)

127
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Der Kanon 28 von Chalkedon wurde entscheidend für die Ostkirche. Die römischen Legaten auf dem Konzil lehnten ihn zwar ab, ebenso Leo der Große. Der römische Einspruch setzte sich aber nicht durch, und so bildete sich im 6.Jahrhundert die Pentarchie heraus (Herrschaft der fünf Patriarchate).

128
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 c) Das Fehlen einer politischen Macht in Rom (ab dem 5.Jh.):

129
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Die Stadt Rom hatte noch ein großes Prestige, sie war aber nicht mehr der Sitz einer politischen Macht. Die Bischöfe gewannen so - vor allem in Zeiten der Wirren - auch eine politische Führungsrolle, und sie verteidigten diese gegen Ost-Rom und später gegen die Langobarden. In dieser doppelten Auseinandersetzung verbündete sich Rom mit den Franken, wodurch es zum Kirchenstaat kam, der bis 1870 dauerte.

130
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 d) Berufungsinstanz:

131
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Rom hat den Anspruch erhoben, Berufungsinstanz in Konfliktfällen (Priester mit Bischof oder Bischöfe unter sich) zu sein (vgl. Franzen, 164; 186). Diese Berufungsmöglichkeit wurde sehr oft benützt, und so kam Rom in die Rolle des Schiedsrichters, was ein sehr wichtiges Motiv für die Ausbildung des späteren Primats war.

132
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 e) Hoher theoretischer Anspruch, begrenzte Praxis:

133
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Gelasius I. (492-496), der die Lehre von den zwei Schwertern formuliert hat, begründete auch zum ersten Mal den römischen Anspruch nicht mehr nur mit der kirchlichen Überlieferung, sondern mit Mt 16,16ff:

134
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"Der Vorrang der römischen Kirche wurde nicht durch kirchliche Synoden begründet, sondern sie hat den Primat von Christus erhalten (dann Zitat von Mt 16,16ff).

135
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Diese Interpretation war damals keineswegs selbstverständlich, denn Augustinus hatte gelehrt, daß Christus die Schlüsselgewalt nicht einem Menschen, sondern der ganzen Kirche gegeben habe (vgl. Sermo 295,2; Congar, L'eglise, 58f). Gelasius sprach allerdings nicht vom Vorrang des römischen Bischofs, sondern von dem der römischen Kirche.

136
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Wie begrenzt der Vorrang in Wahrheit verstanden wurde, zeigt sich darin, daß im ersten Jahrtausend die römischen Bischöfe den christlichen Kaisern fast immer sehr große Vollmachten innerhalb der Kirche zuerkannt haben. So wurden z.B. alle ökumenischen Konzilien vom oströmischen Kaiser einberufen und durch seine Beamten geleitet.

137
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Papst Leo II. stimmte auch ohne weiteres dem Beschluß des VI. ökumenischen Konzils (681) zu, durch das Papst Honorius (625-638) als Häretiker verurteilt wurde (Schatz, Der Päpstliche Primat 75).

138
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2.3.2 Trennung von Ostrom

139
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Die gegenseitige Exkommunikation von 1054 war durch viele Faktoren vorbereitet worden (Bouyer, die Kirche, I. 58f; Franzen, 186-188). Unter ihnen sind vor allem zu nennen:

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 a) Unterschiedliche Theologien:

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Der Osten blieb entscheidend vom Neuplatonismus geprägt; im Westen gewann das römische Recht eine große Bedeutung, später kam die Germanisierung hinzu.

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 b) Unterschiedliche Rolle des Kaisers:

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Die Ostkirche war in großer Abhängigkeit vom oströmischen Kaiser (Cäsaropapismus); die römische Bischöfe suchten hingegen ihre Stellung gegen diesen Kaiser zu verteidigen und beugten sich dafür mehr vor den fränkischen und deutschen Kaisern. Die Kaiserkrönung von Karl dem Großen wurde im Osten als Bruch der Einheit des christlichen Reiches gedeutet (Franzen, 153-157).

144
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c) Der Osten anerkannte den wachsenden Anspruch der römischen Kirche und ihrer Bischöfe nie (vgl. Kanon 28 von Chalkedon; Concilium quinisextum).

145
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d) Die zwei Jahrhunderte vor der Trennung zählen zu den 'dunklen Jahrhunderten' (saeculum obscurum), in denen das Papsttum eine Beute rivalisierender römischer Parteien war. Die Beziehungen mit Konstantinopel litten entsprechen darunter.

146
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e) Obwohl der gegenseitige Bannspruch zwischen dem Patriarchen von Konstantinopel und dem päpstlichen Legaten (1054) nicht direkt die beiden Kirchen betraf, kam es seither de facto zu einem Bruch.

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2.3.3 Mittelalterlicher Höhepunkt und neuer Fall des Papsttums

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Mit Gregor VII. (1073-1085) begann eine neue Epoche. Durch seinen 'Dictatus papae' (1075) beanspruchte er, daß der Papst Urheber universalen Rechtes sei und die Vollmacht habe:

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 - neue Gesetze zu erlassen,

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 - Bischöfe abzusetzen und wiedereinzusetzen,

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- über die Rechtmäßigkeit von Synoden und Konzilien zu bestimmen, - Kaiser abzusetzen und

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 - die Untertanen vom Treueeid zu entbinden (Mirbt 146).

153
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Das Papsttum konnte - nach einer langen Periode der Dekadenz - solche Ansprüche stellen, weil starke Reformkräfte hinter ihm standen (z.b. Cluny) (Franzen 176-179), die durch die Stärkung der päpstlichen Stellung die Freiheit der Kirche gegen die Bevormundung durch die politische Macht (Investiturstreit) zu erreichen und so die Kirche zu erneuern hofften. Nicht nur im Osten, sondern auch in der deutschen Reichskirche wurde der päpstliche Anspruch aber als eine völlige Neuerung gewertet. Deswegen kam es zum großen Streit zwischen Kaiser und Papst.

154
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Die mittelalterlichen Päpste begründeten ihren Anspruch normalerweise damit, daß der Papst ratione peccati (wegen der Sünde im politischen Bereich und zum Wohl der Kirche und der Menschen) eine Vollmacht über Kaiser und Könige habe. Es gab aber auch Tendenzen in Richtung einer Theokratie. Das Papsttum gewann zwar den langen Kampf mit den deutschen Kaisern, es war aber ein Pyrrhussieg. Die eigentliche Macht ging bald an Frankreich über, und die Päpste begaben sich - halb gezwungen, halb freiwillig - ins "Exil von Avignon" (1309-1377). Sie wurden den französischen Königen völlig willfährig (Aufhebung der Templer, Politik gegen Deutschland, Kreuzzüge in der Christenwelt, erpresserisches Finanzsystem) (Franzen 212-219; vgl. HdKG III/2, 393).

155
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2.3.4 Schisma und Konziliarismus

156
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Nach der Rückkehr Gregors XI.(1370-78) aus Avignon (1377) und nach seinem baldigen Tod (1378) begann das große abendländische Schisma (1378-1417). 1409 versuchte das Konzil von Pisa, die Trennung zu überwinden, indem es beide Päpste für häretisch erklärte und einen neuen wählte. Da die beiden Abgesetzten aber einen Teil ihres Anhangs bewahren konnten, führte das Konzil zu drei Päpsten:

157
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Erst dem Konzil von Konstanz (1414-18) gelang es dank der energischen Führung durch den deutschen König Sigmund, alle drei Päpste zur Abdankung zu zwingen oder wenigstens ihres Anhanges zu berauben, und einen neuen zu wählen, der sich dann auch durchsetzte (Martin V.).

158
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Um das eigene Vorgehen zu rechtfertigen, erklärte sich das Konzil durch das Dekret "Haec sancta" (NR 433) als höchste Instanz in der Kirche, der auch der Papst zu gehorchen habe. Dann verpflichtete es durch das Dekret "Frequens" die kommenden Päpste zu regelmäßigen Reformkonzilien und erst danach schritt es zur Wahl des neuen Papstes.

159
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Das Konzil von Basel, das gemäß der Verpflichtung von Konstanz 1431 einberufen wurde, geriet bald in Schwierigkeiten mit dem Papst (Eugen IV). Dieser verlegte es gegen den Widerstand der Mehrheit 1437 nach Ferrara (dann Florenz). Darauf schritt die Mehrheit in Basel zur Selbsthilfe und erklärte die Oberhoheit des Konzils über den Papst zum Dogma (1439) (radikaler Konziliarismus). Die Teilnehmer zerstritten sich aber bald, und so ging das Konzil sang- und klanglos unter. Wegen dieses Streites gewann das Papsttum, das eben noch ganz darniederlag, wieder voll die Oberhand.

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2.3.5 Papsttum zwischen Reform und Reformation

161
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Seit dem Mittelalter gab es zahlreiche Reformbewegungen und Reformkräfte, die teils treu zur Kirche standen (z.B.Cluny, Zisterzienser u.a., Franziskus, Dominikus), teils kirchenkritisch waren (Joachim von Fiore, radikale Armutsbewegung, Wyclif, Huss). Das Papsttum schwankte zwischen einer Verhinderung und einer Unterstützung der Reformbewegungen. Vor allem jene Päpste, die den Konziliarismus erfolgreich überwanden, wehrten sich gleichzeitig energisch gegen echten Reformen, obwohl diese im 15. und 16.Jahrhundert besonders dringend waren (totale Verweltlichung des Klerus, vor allem des höheren). Als Luther auftrat, versagten die Päpste erst recht, denn sie verhinderten zunächst das überfällige Reformkonzil und meinten, den Fall des Mönches von Wittenberg nur mit politischen Mittel lösen zu können. Als Folge dieses Verhaltens kam es zur Trennung großer Gebiete von der katholischen Kirche (abendländische Kirchenspaltung).

162
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Mit Verspätung gewannen die katholischen Reformkräfte dennoch Auftrieb (Konzil von Trient, Jesuiten, Kapuziner etc). Auch das Papsttum gewann langsam neue Autorität, weil es sich u.a. als Kraft erwies, die der Unterordnung der Religion unter die Politik (Febronianismus, Josephinismus, Pius V. gegen Napoleon, Manning bei Vaticanum I) langfristig verhindern konnte; vgl. Bouyer, Kirche I, 106-112. Gegenbild: ebd. I, 72-78).

163
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Die katholische Reform hatte allerdings auch ihre großen Grenzen. Sie stützte sich wesentlich auf die kirchliche und päpstliche Autorität, weshalb ihr keine schöpferische und produktive Auseinandersetzung mit den neuen Ideen und neuen Wissenschaften gelang. Durch die Betonung der Autorität verschärfte sie sogar den Konflikt mit der modernen Freiheitsbewegung:

164
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"So kam es zu einer der größten Katastrophen der Kirchengeschichte, zu einem Schisma zwischen Naturwissenschaft und Theologie, noch mehr: zwischen Kirche und neuzeitlicher Kultur. Denn die modernen Naturwissenschaften sind der harte Kern der Neuzeit." (W. Kasper, Der Gott Jesu Christi, 35)

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2.3.6 Kontraproduktive Folgen

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Die Geschichte der Kirche lehrt deutlich, daß es nicht genügt, gute Absichten zu haben. Die Art und Weise, wie Ziele verfolgt werden, zählt ebenso, denn Absichten können leicht kontraproduktive Folgen haben, wie Beispiele deutlich machen:

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a) Im jahrhundertelangen Streit zwischen Monophysiten und Chalkedoniern suchten beide Seiten die wahre Lehre zu retten und der Kaiser bemühte sich mit allen Mittel die Einheit des Reiches und der Kirche zu wahren. Die Folge des zerstörerischen Streites aber war, daß dem Islam der Boden bereitet wurde:

168
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"Die leichte Eroberung der Provinzen, von denen das Christentum seinen Ursprung genommen hatte - Palästina und Syrien - durch die islamischen Heere und in der Folgezeit die ebenso leichte Eroberung Äpyptens und Nordafrikas ist historisch nicht verständlich ohne die innere Entfremdung dieser Provinzen von Byzanz infolge der kaiserlichen Bemühungen um Durchsetzung dogmatischer Orthodoxie, insbesondere um die Annahme der Formel von Chalcedon 451." (Pannenberg, die Bestimmung des Menschen, 109).

169
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b) Die Kreuzzüge verfolgten das Ziel, die das christliche Abendland und die Kirche gegen Ungläubige zu schützen. Tatsächlich trugen sie aber zur Spaltung der Kirche und zur Schwächung des Glaubens bei. So war z.B. der 4. Kreuzzug gar nicht mehr auf das Heilige Land ausgerichtet, sondern endete in der Eroberung von Konstantinopel und in der Errichtung eines lateinischen Königreiches in der oströmischen Stadt (1204-1261). (Franzen 194-199). Diese Erfahrungen weckten einen solchen Haß im christlichen Osten, daß spätere Einigungsversuche zwischen den Kirchen scheitern mußten und daß zur Zeit der größten Bedrohung durch die Türken das Volk in Konstantinopel sagte: 'lieber die Türken als die Lateiner in der Stadt'.

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 Auch für den Glauben hatten die Kreuzzüge negative Folgen:

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"Nur der 1. Kreuzzug war ein (militärischer) Erfolg. Alle weiteren Kämpfe endeten mit Mißerfolgen oder mit schweren Niederlagen der Kreuzfahrer. Das wirkte sich auf die Mentalität der Kreuzfahrer aus. Immer mehr wurden an dem Kreufahrerglauben irre. Die Feudalisierung des Christentums im Gottesstreitertum der Kreuzfahrer, die anfänglich so starke Kraft bewiesen hatte, wurde nun verhängnisvoll. Immer wieder kehren Gedanken wieder wie: Gott kann den Kreuzzug nicht leiten und lenken, ihn nicht befehlen, wenn er uns ins Verhängnis führt. Ein Templer klagte: 'Ein rechter Tor ist also, wer noch den Kampf gegen die Türken sucht, da Gott denen ja alles erlaubt... Gott, der ehemals wachte, schläft jetzt. Mohammed entfaltet seine ganz Kraft und läßt seinen Diener Bibars (Baibards, Sultan von Ägypten) siegreich walten.' Das kam aber einem Irrewerden an Gott und am christlichen Glauben überhaupt gleich. Ein Nachlassen der Bindungen an die Kirche war die deutliche Folge. Auch die Ritterkultur des Abendlandes, die den Gedanken des 'Streites Gottes' zum Mittelpunkt hatte, litt wesentlich unter dem Mißerfolg der Kreuzzugbewegung.Sie war von innen her ausgehöhlt. Das Selbstbewußtsein des Islam aber stieg. Die Idee des Dschihad, des Heiligen Krieges, hatte durch die Erfolge neue Kraft bekommen." Art. Kreuzzug. In: LThK IV, 636 (A.Waas).

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c) Das mittelalterliche Papsttum hat gegen die Kaiser die Freiheit der Kirche verteidigt, dabei aber der Kirche selber geschadet:

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"Indes hat die intensive politische Aktivität, die Gregor entfaltete, um die Christenheit von der Richtigkeit seiner Maßnahme zu überzeugen, entgegen seinen Absichten die letzte und fatalste Wendung in der westlichen Ekklesiologie vorbereitet. Im Bestreben, die kirchliche Autorität von weltlicher Einmischung frei zu halten, hat er, ohne es vorauszusehen oder gar zu beabsichtigen, dazu beigetragen, die kirchliche Autorität in eine weltliche Autorität höherer Ordnung zu verwandeln." (Bouyer, Kirche I, 56; vgl. 59f)

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"Der von Innozenz III. angemeldete theoretische Vorrang der geistlichen Gewalt führte wohl unbeabsichtigt, aber folgerichtig zu ihrer eigenen Säkularisierung. So weit ist es dann auch bei Päpsten wie Alexander VI. und vielleicht noch mehr bei Julius II. wirklich gekommen." (Bouyer, Kirche I, 57)

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Besonders massiv zeigen sich die kontraproduktiven Folgen beim Bemühen Roms, Konzile zu verhindern, um dem Konziliarismus und den gegen Rom gerichteten Reformenbemühungen keinen Boden zu geben:

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"Um die Mitte des 15.Jahrhunderts liegt, kirchengeschichtlich gesehen, der entscheidende Einschnitt zwischen Mittelalter und Neuzeit. Rom hat die Reform verhindert und dafür wenig später die Reformation erhalten." (HdKG III/2, 588)

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d) Besonders schwerwiegende Folgen ergaben sich auch aus der Verquickung zwischen Kirche und staatlicher Macht, denn diese Verquickung führte zu vielen Kriegen unter christlichen Völkern und zur Verfolgung Andersdenkender, was der Glaubwürdigkeit der christlichen Botschaft großen Schaden zufügte. Wegen dieser Verquickung wurde der Glaube schließlich sogar aus der Öffentlichkeit zurückgedrängt.

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"Nachdem im Gefolge der Reformation die Glaubenseinheit und damit die Einheitsgrundlage der bisherigen Gesellschaft zerbrochen war, mußte die ganze Gesellschaftsordnung aus den Fugen geraten. Die Folge waren die Religionskriege des 16./17.Jahrhunderts, die die Gesellschaft an den Rand des Ruins brachten. Das machte deutlich, daß die Religion ihre Integrationsfunktion verloren hatte. Um des Überlebens der Gesellschaft willen mußte man sich unter Absehen von der Religion auf eine neue, alles verbindende und für alle verbindliche Basis besinnen. Um des Friedens willen mußte man die Religion zur Privatsache erklären und als neue Basis des Zusammenlebens die alle Menschen verbindende Vernunft bzw. die vernünftig erkannte Naturordnung, von der man der Meinung war, daß sie gelte,'et etsi Deus non daretur '(H.Grotius). Gott war damit gesellschaftlich funktionslos geworden." (W.Kasper, Der Gott Jesu Christi,S.21).

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Die wenigen Beispiele, die sich leicht vermehren ließen, zeigen wie verheerend es langfristig sein kann, wenn die Kirche versucht, mit problematischen Mittel unmittelbare Interessen durchzusetzen.

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3. Teil: Theologische und lehramtliche Aussagen zur Kirche

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Umfassende theologische Traktate zur Kirche finden sich erst spät, nämlich nach der Reformation. In Entsprechung dazu setzen auch die lehramtlichen Aussagen erst in neuerer Zeit ein.

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3.1 Theologiegeschichte

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3.1.1 Augustinus

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Der Bischof von Hippo unterscheidet zwischen der künftigen und der jetzigen Kirche. Die künftige ist identisch mit allen Prädestinierten, und sie bildet zusammen mit den Engeln die Civitas dei. Die jetzige Kirche ist eine "ecclesia mixta", weil es in ihr auch Sünder gibt und niemand zwischen Prädestinierten und Nicht-Prädestinierten klar unterscheiden kann. Trotz der Sünder ist der Heilige Geist aber das einigende Band auch der irdischen Kirche. Durch die Einigung entsteht der Leib Christi. Augustinus deutet das paulinische Bild vom Leib so radikal, daß er von Christus und der Kirche als einer Person sprechen kann (Christus totus, Christus integer, unus homo, una persona, unus vir) (H.Mühlen, Una mystica persona, 27-40).

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3.1.2 Scholastische Theologie

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Die mittelalterliche Theologie hielt an den zentralen Aussagen des Augustinus fest. Auch sie sprachen von der Kirche als einer Person. Unter der Hand veränderten sich aber die Vorstellungen, wie eine sprachliche Verschiebung deutlich macht. Bis ins frühe Mittelalter bezeichnete der Ausdruck "corpus Christi verum" die Kirche und "corpus Christi mysticum" die Eucharistie. Vom 12.Jahrhundert an war es gerade umgekehrt, nun wird mit 'corpus mysticum' die Kirche und mit 'corpus verum' die Eucharistie bezeichnet.

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 Henri de Lubac, Corpus mysticum. L'Eucharistie et l'Eglise au moyen-áge. Paris 1944.

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Die Kirche wird nicht mehr im wahren Sinne als 'ein Leib' verstanden, sondern eher als eine korporative Größe gesehen. Es entsteht eine Tendenz zur Trennung zwischen der inneren 'mystischen' und der äußeren hierarchischen Einheit.

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Innere Einheit: Christus ist auch der Menschheit nach das Haupt der Kirche, und alle Gnaden fließen durch ihn (gratia capitis) in den Leib der Kirche. Die Lehre von der geschaffenen Gnade gewinnt mehr Aufmerksamkeit als die Lehre vom Heiligen Geist (Congar, L'Eglise... 160, 216, 232ff).

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Äußere Einheit entsteht durch Unterordnung unter die hierarchische Autorität. Wie alle Gnade von Christus her in seinen Leib fließt, so liegen alle äußeren Vollmachten beim Papst.

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Selbst Thomas von Aquin, der die Beziehung zwischen Innen und Außen noch klar sah, förderte durch seine Rede von der 'causa instrumentalis' die Trennung beider Bereiche, denn ein Instrument ist kein lebendiger Ausdruck des Handelnden sondern nur äußerlich mit ihm verbunden.

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In der westlichen Theologie des Mittelalters gab es einen leidenschaftlichen Willen zu einer uniformen Einheit (Christomonismus). Man hatte Angst, die Christenheit sei sonst ein Monstrum mit zwei Häupter. Der Osten dachte hingegen polarer (Kirche als Leib Christi und Geschöpf des Geistes (vgl. Congar, L'Eglise...264-267).

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Im späten Mittelalter entstanden die ersten Traktate über die Kirche, die aber fast nur die Frage der kirchlichen Gewalt (Problematik des Exils von Avignon) behandelten und keine umfassende Ekklesiologie entwarfen.

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3.1.3 Abweichende Ideen im späten Mittelalter

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a) John Wyclif (1330-1384 in England) lehrte in radikaler Weise eine Kirche der Prädestinierten, in der es für die Hierarchie und für kirchlichen Besitz keinen Platz gab. Die Nicht-Prädestinierten gehören nicht zur Kirche und können folglich in ihr auch kein Amt innehaben. Da selbst der Papst ein Nicht-Prädestinierter sein kann, muß man die Amtsträger prüfen.

196
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Zwischen 1377 und 1415 wurde Wyclif etwa achtmal verurteilt (vgl. DS 1121-1139; 1151-1195). Sein Denken war individualistisch, und es tendierte zu einem extremen Moralismus, denn das äußere Verhalten war das einzige Zeichen, ob einer prädestiniert sein konnte oder nicht.

197
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b) Jan Hus (1370-1415) (Prediger in Prag) wurde stark von Wyclif beeinflußt, obwohl er nicht alle seine Ideen teilte und in manchem verschwommen war. Er wurde aber ganz im Sinne des Engländers gedeutet. Er nahm allerdings an, daß auch die Sakramente, die von Nicht-Prädestinierten gespendet werden, gültig sind. Auf dem Konzil von Konstanz ist er - nach einem äußerst problematischen Prozeß - verurteilt und hingerichtet worden (vgl. DS 1201-1230), was in Böhmen zu den grausamen Hussitenkriegen führte.

198
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 Wyclif und Hus warfen in scharfer Form die Frage nach der Heiligkeit der Kirche auf.

199
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3.1.4 Reformation

200
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Auch wenn Luther in seiner Schrift "De captivitate babylonica ecclesiae" die mittelalterliche Kirche und das Sakramentensystem hart kritisierte, blieb er in seinen späteren Schriften nahe beim überlieferten Kirchenverständnis. Ähnliches lehrt auch die Confessio Augustana:

201
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"Es wird auch gelehret, daß alle Zeit musse ein heilige christliche Kirche sein und bleiben, welche ist die Versammlung aller Gläubigen, bei welchen das Evangelium rein gepredigt und die heiligen Sakramente laut des Evangelii gereicht werden. - Dann dies ist genug zu wahrer Einigkeit der christlichen Kirchen, daß da einträchtiglich nach reinem Verstand das Evangelium gepredigt und die Sakrament dem göttlichen Wort gemäß gereicht werden. Und ist nicht not zur wahren Einigkeit der christlichen Kirche, daß allenthalben gleichformige Ceremonien, von den Menschen gesetzt, gehalten werden, wie Paulus spricht zun Ephesern am 4.: Ein Leib, ein Geist, wie ihr berufen seid zu einerlei Hoffnung eures Berufs, ein Herr, ein Glaube, ein Tauf." (Confessio Augustana, Nr. VII)

202
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Die ganze Theologie Luthers war von der Überzeugung geprägt, daß die Gläubigen Sünder bleiben (simul iustus et peccator). Für ihn war es deshalb unmöglich, die Kirche nur als Gemeinschaft der Heiligen zu verstehen. Er sah in ihr eine Größe, die ständig erneuert und reformiert werden muß (ecclesia semper reformanda).

203
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3.1.5 Katholische Reform

204
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a) Bellarmin (gestorben 1621):

205
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 Der berühmte Kontroverstheologe betonte sehr den sichtbaren Charakter der Kirche.

206
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"Unsere Lehre lautet, daß es nur eine Kirche gibt und nicht zwei. Diese eine und wahre Kirche ist die Versammlung jener Menschen, die den gleichen christliche Glauben bekennen, durch die gleichen Sakramente verbunden werden, und unter der Leitung der legitimen Hirten, besonders des römischen Papstes als des einen Stellvertreters Christi auf Erden stehen. Aus dieser Definition läßt sich leicht ablesen, welche Menschen zur Kirche gehören und welche nicht. Die Definition hat nämlich drei Teile: Das Bekenntnis des wahren Glaubens, - die Gemeinschaft der Sakramente, - die Unterwerfung unter den römischen Papst als den legitimen Hirten.

207
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Durch den ersten Teil der Definition werden alle Ungläubigen ausgeschlossen, und zwar sowohl jene, die nie in der Kirche waren, wie die Juden, Türken, Heiden, als auch jene, die zu ihr gehörten, aber sich von ihr getrennt haben, wie die Häretiker und Apostaten.

208
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Durch den zweiten Teil der Definition werden die Katechumenen und die Exkommunizierten ausgenommen, die ersten, weil sie noch nicht zur Gemeinschaft der Sakramente zugelassen sind, die letzteren, weil sie davon ausgeschlossen wurden. Durch den dritten Teil der Definition werden die Schismartiker ausgeschieden, die zwar den Glauben und die Sakramente haben, sich aber dem legitimen Hirten nicht unterwerfen und die deshalb den Glauben draußen bekennen und draußen die Sakramente empfangen. Alle anderen aber gehören zur Kirche, auch wenn sie verurteilenswert, verrucht und gwissenlos sind.

209
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Zwischen unserer Lehre und allen anderen besteht folgender Unterschied: alle anderen verlangen innere Tugenden, damit einer zur Kirche gehöre und sie machen die wahre Kirche zu einer unsichtbaren Größe. Wir aber, auch wenn wir überzeugt sind, daß sich in der Kirche alle Tugenden finden (Glaube, Hoffnung, Liebe und die übrigen), wir meinen dennoch, daß keine innere Tugend nötig ist, damit man von einem irgendwie sagen kann, er sei Teil jener wahren Kirche, von der die Schriften sprechen, sondern daß das äußere Glaubensbekenntnis und jene Gemeinschaft der Sakramente, die mit den Augen wahrgenommen werden kann, genügt. Die Kirche ist nämlich eine so sichtbare und greifbare Vereinigung von Menschen wie die Vereinigung des römischen Volkes, oder des französischen Königreichs oder der Republik Venedig." (R. Bellarmin, controv. IV, lib. III, cap. 2.)

210
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Diese Sicht der Kirche orientierte sich ganz an äußeren Kriterien, und für sie war es wichtig, wer ausgeschlossen wird. In ihr kam dem Papst die entscheidende Rolle zu, denn er hatte für die äußere Einheit zu sorgen.

211
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Trotz dieser Betonung der päpstlichen Rolle wurde Bellarmin aber fast verurteilt, weil er gelehrt hatte, der Papst habe im politischen Bereich nur eine indirekte Vollmacht.

212
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 b) Joh.Adam Möhler (1796-1838) (Tübinger Schule):

213
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Sein Werk "Die Einheit in der Kirche" war der Beginn einer neuen Epoche für die Ekklesiologie. Möhler geht nicht mehr von rechtlichen Betrachtungen aus, sondern sieht die Einheit der Kirche im christlichen Leben begründet, das ständig vom Heiligen Geist bewegt wird und zu einer "liebenden Wechselwirkung" zwischen den Gläubigen führt. Die äußere Kirche wird so als Ausdruck und Darstellung ihres inneren Lebens verstanden und die frühere Dichotomie zwischen beiden Bereichen wird durch ein sakramentales Denken überwunden. Die Hierarchie steht im Dienst des christlichen Lebens.

214
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3.2 Lehramtliche Aussagen bis zum Zweiten Vatikanischen Konzil

215
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3.2.1 Oberhoheit des Konzils über den Papst

216
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Im Dekret "Sacrosancta" (6.April 1415) erklärt das Konzil von Konstanz seine Oberhoheit über jede kirchliche Autorität, auch über die päpstliche (NR 433). Bezüglich der Tragweite dieser konziliaren Entscheidung gibt es jedoch sehr unterschiedliche Positionen:

217
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 (1) Die Dekrete sind ungültig, weil das Konzil damals keinen Papst hatte.

218
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Diese Ansicht entsprach der traditionellen katholischen Positition, die z.B. noch von Denzinger-Schönmetzer geteilt wird, die das entsprechende Dekret nicht in ihre Sammlung aufgenommen haben.

219
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Gegenargument: Wenn das Konzil unrechtmäßig gewesen wäre, wäre auch die Papstwahl ungültig gewesen und damit die Linie der weiteren Päpste. Außerdem hat Martin V. in der letzten Sitzung ausdrücklich das ganze Konzil - wenn auch in allgemeiner Form - bestätigt (papa "omnia gesta in Concilio conciliariter circa materiam fidei" ratificavit) (vgl. DS S.315)

220
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(2) Dekrete sind voll gültig. Das Vaticanum I muß deshalb in ihrem Sinn eingeschränkt werden (H.Küng).

221
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Gegenargument: Es gibt keine größere kirchliche Tradition, die unmittelbar dem Wortlaut von Konstanz entspräche, und ein Konzilstext kann nicht außerhalb eines größeren Kontextes verstanden werden. Das Konzil von Basel, das eindeutig den Konziliarismus dogmatisieren wollte, wurde von der Kirche ausdrücklich verworfen.

222
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 (3) Die Dekrete waren Notstandsdekrete.

223
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Gegenargument und Frage: Konstanz verlangte, daß die Päpste auch kommenden Konzilien gehorchen. - Welche bleibende Bedeutung haben Notstandsdekrete, da alles was in der Geschichte einmal vorgekommen ist, in ähnlicher Form wieder eintreten kann?

224
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(4) Die Kategorien "Über-/ Unterordnung" passen nicht zum Verhältnis Papst-Konzil. Das Konzil von Konstanz verlangt nur dort Gehorsam, wo der Papst sowieso der Tradition gehorchen muß, wenn er nicht häretisch werden will.

225
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 Vgl. H.Schneider, Der Konziliarismus als Problem der neueren Katholischen Theologie.

226
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3.2.2 Einheit und Heilsnotwendigkeit der Kirche

227
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Lehrentscheidung des Konzils von Florenz (1438-1445) im Dekret für die Jakobiten (1442):

228
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"Die heilige römische Kirche, durch das Wort unseres Herrn und Erlösers gegründet, glaubt fest, bekennt und verkündet, daß 'niemand außerhalb der katholischen Kirche, weder Heide' noch Jude noch Ungläubiger oder ein von der Einheit Getrennter - des ewigen Lebens teilhaftig wird, vielmehr dem ewigen Feuer verfällt, das dem Teufel und seinen Engeln bereitet ist, wenn er sich nicht vor dem Tod ihr (der Kirche) anschließt. So viel bedeutet die Einheit des Leibes der Kirche, daß die kirchlichen Sakramente nur denen zum Heil gereichen, die in ihr bleiben, und daß nur ihnen Fasten, Almosen, andere fromme Werke und der Kriegsdienst des Christenlebens den ewigen Lohn erwirbt. 'Mag einer noch so viele Almosen geben, ja selbst sein Blut für den Namen Christi vergießen, so kann er doch nicht gerettet werden, wenn er nicht im Schoß und in der Einheit der katholischen Kirche bleibt" (Fulgentius)." (NR 381). Vgl. Denzinger-Schönmetzer 1351; 875; 1618. Zum größeren geschichtlichen Zusammenhang: Y.Congar, Heilige Kirche, 434-450.

229
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3.2.3 Primat und Unfehlbarkeit des Papstes (Vaticanum I)

230
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NR 436: Argumentation mit der Einheit.

231
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NR 438-440: Christus hat Petrus unmittelbar und direkt den Vorrang der Rechtsbefugnis über die gesamte Kirche gegeben.

232
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Kommentar: Diese Position läßt sich heute (trotz NR 440) exegetisch nicht mehr halten.

233
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NR 441-443: Was Christus eingesetzt hat, mußte nach seiner Anordnung notwendigerweise fortdauern.

234
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 Kommentar: Zur Problematik der Sukzession vgl. Vorlesung zum Weihesakrament.

235
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NR 444-448: Der römische Bischof hat die volle und oberste Gewalt der Rechtsbefugnis (Jurisdiktion) über die ganze Kirche (in Sachen des Glaubens, der Sitten, der Ordnung und der Regierung der Kirche), und zwar als ordentliche, unmittelbare und bischöfliche Rechtsbefugnis.

236
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Kommentar: Da der Papst nach dieser Lehre nicht bloß in Not- und Sondersituationen, sondern auch im Normalfall (ordentliche Rechtsbefugnis) direkt (unmittelbare Rechtsbefugnis) in jede Diözese (bischöfliche Rechtsbefugnis) eingreifen kann, entstand nach dem Vaticanum I die Meinung und Befürchtung, der Papst sei im Prinzip an die Stelle jedes einzelnen Bischofs getreten und diese seien nur noch seine Werkzeuge oder Legaten (vgl. NR 455). Diese Interpretation wurde aber von den deutschen Bischöfen - unter Zustimmung von Pius IX - zurückgewiesen (vgl. NR 455-459). Es wurde allerdings nicht befriedigend geklärt, wie die ordentliche bischöfliche Jurisdiktion des Papstes über die ganze Kirche mit der ordentlichen Jurisdiktion der Ortsbischöfe zu vereinbaren ist.

237
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NR 449-454: Wenn der Papst kraft seines Amtes als Hirt und Lehrer aller Christen eine Lehre in Sachen des Glaubens und der Sitten als von der ganzen Kirche festzuhalten vorlegt, besitzt er aufgrund des göttlichen Beistandes jene Unfehlbarkeit, mit der der göttliche Erlöser seine Kirche bei endgültigen Entscheidungen in Glaubens- und Sittensachen ausgerüstet haben wollte. - Seine endgültigen Entscheidungen sind deshalb aus sich und nicht aufgrund der Zustimmung der Kirche unabänderlich.

238
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Kommentar: (1) Vom Papst wird gesagt, daß ihm ein göttlicher Beistand, aber nicht eine neue Inspiration zukommt (negativ: bewahren vor Irrtum). - (2) Die Unfehlbarkeit bezieht sich nur auf Sachen des Glaubens und der Sitten. - (3) Die Art der Unfehlbarkeit wird mit jener identifiziert, die Christus der Kirche geben wollte. Welcher Art aber die kirchliche Unfehlbarkeit ist, wird nicht näher gesagt. Deshalb bleibt eine wichtige Frage offen (vgl. Problematik der Änderung kirchlicher Lehren) - (4) Die Aussage, daß die Entscheide des Papstes aus sich unabänderlich sind, bezieht sich nur auf die rechtliche Verbindlichkeit. Damit ist nicht gemeint, daß der Papst allein aus sich heraus die Wahrheit finden kann. Er hat den Glauben der Kirche zu befragen. Wie er aber diesen Glauben befragt, hängt nur von ihm ab. Seine Entscheide bedürfen deshalb zu ihrer Rechtsgültigkeit nicht der formalen Zustimmung der Kirche.

239
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3.2.4 Mystici corporis (1943)

240
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Zur Kirche gehört wesentlich die sichtbare Einheit (NR 402), weshalb es keinen Gegensatz zwischen einer pneumatischen Liebes- und einer Rechtskirche geben kann (NR 405). Die Bischöfe leiten im Namen Christi ihre Herde, empfangen aber die Jurisdiktionsgewalt unmittelbar vom Papst (NR 406). Hl. Geist ist die Seele der Kirche, und er wohnt in jenen nicht, die von der Kirche getrennt sind (NR 407).

241
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3.2.5 2.Vatikanisches Konzil

242
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Durch die Erklärung über die Religionsfreiheit nahm die Kirche endgültig Abschied von der seit Konstantin herrschenden Vorstellung, kirchliche Entscheidungen seien unter politischen Umständen, die für die Kirche günstig sind, auch mittels staatlicher Gewalt durchzusetzen. In der Pastoralkonstitution Gaudium et spes wurde ferner die Eigenständigkeit (Autonomie) des gesellschaftlichen und politischen Bereichs gegenüber der Kirche voll anerkannt. In der dogmatischen Konstitution Lumen gentium sprach die Kirche auch zum ersten Mal in zusammenhängender Weise von sich selber.

243
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3.3 Kommentar zu Lumen gentium

244
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Gesamtaufbau: Die Konstitution beginnt nicht mit der streitenden Kirche auf Erden, sondern mit der unsichtbaren, und sie beschreibt das Verhältnis zwischen beiden mittels des Begriffs Sakrament/Mysterium (1. Kapitel). Im zweiten Kapitel, das bewußt vor die Themen 'Hierarchie' (3. Kapitel) und 'Laien' (4. Kapitel) gestellt wurde, werden unter dem Stichwort 'Volk Gottes' jene Eigenschaften der Kirche umschrieben, die allen Gliedern - vorrangig zur Unterscheidung zwischen Amtsträgern und Nichtamtsträgern - gemeinsam zukommen. - Das 5. Kapitel mit dem Thema "Die allgemeine Berufung zur Heiligkeit" wurde ebenfalls bewußt vor das Kapitel über die Ordensleute (6.) gestellt, um festzuhalten, daß diese Berufung für alle Gläubigen gilt und nicht bloß für eine Sondergruppe. - Durch das Kapitel über den "endzeitlichen Charakter der pilgernden Kirche" (7.), das eigens von Papst Johannes XXIII. gewünscht wurde, sollte der dynamische Charakter der irdischen Kirche und das Ausstehen ihrer Vollendung (gegen jeden kirchlichen Triumphalismus) hervorgehoben werden. - Das letzte Kapitel über Maria wurde erst nach einer langen Diskussion angefügt, bei der es darum ging, ob Maria eher im Zusammenhang mit Christus (Streit um den Begriff 'Miterlöserin'!) oder im Zusammenhang mit der Kirche zu sehen ist. Das Konzil hat sich für eine Sicht Mariens im Kontext der Kirche entschieden.

245
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3.3.1 "Das Mysterium der Kirche" (1. Kapitel)

246
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"Die Kirche ist ja in Christus gleichsam das Sakrament, das heißt Zeichen und Werkzeug für die innigste Vereinigung mit Gott wie für die Einheit der ganzen Menschheit" (Nr. 1)

247
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 In dieser 'Definition der Kirche' sind zwei Elemente neu:

248
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(1) Der Begriff 'Sakrament' wird von den Einzelsakramenten auf die ganze Kirche ausgedehnt (vgl. O.Semmelroth, Kirche als Ursakrament [1953]).

249
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(2) In die Beschreibung der Kirche werden nicht bloß die Gläubigen, sondern alle Menschen einbezogen.

250
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In den Nr. 2-4 kommt zur Sprache, wie die Kirche aus dem Wirken der drei göttlichen Personen entspringt und durch Vater, Sohn und Hl.Geist innerlich geeint wird (trinitarische Dimension).

251
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Nr. 5 zeigt, wie der ewige Plan Gottes bezüglich der Kirche in ihrer Gründung durch Christus offenbar wird. Dabei wird diese Gründung nicht als ein isolierter rechtlicher Akt, sondern als ein umfassender Prozeß gesehen, in dem Christus, der himmlische Vater und der Hl.Geist zusammenwirken.

252
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In Nr. 6 und Nr. 7 werden traditionelle Bilder aufgegriffen, wobei dem Bild vom 'Leib Christi' eine besondere Bedeutung zukommt. Im Unterschied zur Enzyklika 'Mystici corperis' wird aber der dynamische Aspekt des hl.Geistes im Leib Christi mehr betont (gegen Christomonismus).

253
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Nr. 8 beschreibt das komplexe Verhältnis zwischen der geheimnisvoll unsichtbaren und der sichtbaren Kirche.

254
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 Dabei sind 3 Punkte von Bedeutung:

255
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(1) Die Beziehung "Hl.Geist-Kirche" wird in Analogie zur Beziehung "Sohn Gottes - menschliche Natur (Christi)" gesehen.

256
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(2) Die von Gott und von Christus gewollte Kirche ist in der römisch-katholischen Kirche 'verwirklicht' (subsistit).

257
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Das Wort 'subsistere' (und nicht 'esse') wurde nach einer langen Diskussion bewußt gewählt, um damit auszudrücken, daß die von Christus gewollte Kirche einerseits zwar in der römischen Kirche tatsächlich gegenwärtig, anderseits aber mit ihr doch nicht total identisch ist. Deshalb können vielfältige Elemente der wahren Kirche auch außerhalb der römisch-katholischen Kirche gefunden werden.(3) Die Kirche ist "zugleich heilig und stets der Reinigung bedürftig".

258
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Auch hier wurde das Wort 'purificare'(reinigen) und nicht 'reformare' (reformieren) bewußt gewählt, um bei aller Nähe zur reformatorischen Position (ecclesia semper reformanda) sich doch deutlich von ihr abzuheben.

259
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3.3.2 "Volk Gottes" (2. Kapitel)

260
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Nr. 9: Die Kirche steht in enger Beziehung zum Volk Israel, an dem abgelesen werden kann, daß Gott nicht isolierte Einzelne, sondern ein Volk berufen hat. Wie Israel ist die Kirche ein messianisches Volk, und zwar in dem Sinne, daß sie eine "unzerstörbare Keimzelle der Einheit, der Hoffnung und des Heils" für die ganze Menschheit und als solche "allen und jedem das sichtbare Sakrament dieser heilbringenden Einheit" ist (vgl. Nr. 1).

261
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 Der Begriff 'messianisch' wird folglich durch den Begriff 'Sakrament' näher gedeutet.

262
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Nr. 10: Das Volk Gottes ist, wie schon Israel zeigt, ein priesterliches Volk. Alle Gläubigen haben am "gemeinsamen Priestertum" teil; dieses unterscheidet sich aber "dem Wesen nach" vom hierarchischen Priestertum, wobei sich der wesentliche Unterschied nur auf das Wesen der Funktion und nicht auf das Wesen des Christseins bezieht. Das priesterliche Volk zeigt sich vor allem in der Teilhabe an den Sakramenten (Nr. 11).

263
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Nr. 12: Das Volk Gottes ist ferner ein prophetisches Volk. Dabei zeigt sich der prophetische Charakter u.a. darin, daß die Gesamtheit der Gläubigen nicht irren kann. Die Unfehlbarkeit ist folglich zunächst eine Eigenschaft des ganzen Volkes, und erst dann des päpstlichen Amtes.

264
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Nr. 13-16: Das Volk Gottes ist schließlich ein allumfassendes (katholisches) Volk. Als solches steht es in keiner Konkurrenz zu den andern Völkern. Es "bezeichnet und fördert" (=Sakrament) vielmehr den "allumfassenden Frieden", und ihm sind alle Menschen auf verschiedene Weise zugeordnet (ganz anders als bei Bellarmin). - Der Gedanke der gestuften Zugehörigkeit ist entscheidend für die ganze Theologie von 'Lumen gentium'. Aus ihm ergibt sich, daß auch solche, die äußerlich nicht zur Kirche gehören, innerlich dennoch auf sie bezogen sind und folglich auch das Heil erlangen können (anders als das Konzil von Florenz und von Trient).

265
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Stufung in der Zugehörigkeit: Katholiken - übrige Christen - Juden - Muslime - Menschen, die Gott in Schatten und Bildern suchen - Atheisten.

266
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3.3.3 "Hierarchische Verfassung der Kirche, insbesondere das Bischofsamt" (3. Kapitel)

267
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Nr. 18-20: Das Amt wird in einer umfassenden Perspektive als Hirtenamt gesehen. Zu ihm gehört:

268
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 (a) eine Sendung von Christus her (Apostel und Nachfolger der Apostel),

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 (b) eine heilige Vollmacht (sacra potestas),

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 (c) die Aufgabe, das Volk zu sammeln und zu leiten.

271
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Nr. 21: Die Fülle des Weihesakraments wird in der Bischofsweihe übertragen.

272
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Diese Lehre hebt sich vom Konzil von Trient ab, für das die Priesterweihe die höchste Stufe des Weihesakraments war. Die unterschiedliche Lehre ergibt sich aus der unterschiedlichen Perspektive, aus der die Weihe gesehen wird. Trient betrachtete das Weihesakrament ganz aus der Perspektive des Meßopfers, und diesbezüglich haben der Priester und der Bischof die gleiche Vollmacht. Das zweite Vatikanische Konzil sah hingegen das Weihesakrament aus einer umfassenderen Perspektive, nämlich aus der des ganzen Hirtenamtes, und diesbezüglich ist klar, daß der Bischof mehr und höhere Vollmachten als der Priester hat.Die Bischofsweihe überträgt mit dem Amt der Heiligung (Weihevollmacht) auch die Ämter der Lehre und der Leitung (Jurisdiktion), die allerdings nur in Übereinstimmung mit dem Papst ausgeübt werden darf.

273
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Damit wird die frühere Trennung zwischen Weihe- und Jurisdiktionsvollmacht überwunden, und die Idee, die Jurisdiktionsvollmacht werde unmittelbar vom Papst verliehen (vgl. Enzyklika 'Mystici corporis'[NR 406]), durch das Konzil abgelehnt.

274
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Nr. 22-24: Alle Bischöfe bilden zusammen mit dem Bischof von Rom ein Kollegium.

275
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Diese Lehre war auf dem Konzil sehr umstritten. Es gab zunächst 3 Tendenzen: eine Minderheit von etwa 200 Bischöfen, die den Gedanken der Kollegialität überhaupt ablehnte; eine weitere etwas größere Minderheit, die für eine minimalistische Kollegialität eintrat; die Mehrheit, die eine umfassende Kollegialität lehren wollte.

276
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Mit minimalistischer Kollegialität war gemeint: Es gibt in der Kirche zwei oberste Träger der vollen Gewalt, nämlich der Papst allein und das Bischofskollegium zusammen mit dem Papst. Der Papst allein hat deshalb immer die uneingeschränkte Vollmacht; wenn es ihm aber gut erscheint, kann er bei wichtigen Fragen das ganze Kollegium der Bischöfe (oder Vertreter der Bischöfe) zur Mitberatung und Mitentscheidung hinzuziehen. Die Vertreter der umfassenden Kollegialität wollten lehren: Die höchste Vollmacht in der Kirche gehört immer dem Bischofskollegium zusammen mit dem Papst. Juristisch gesehen hat dieser zwar auch weiterhin allein uneingeschränkte Vollmacht; bei allen wichtigen Fragen ist er aber - als Haupt des Kollegiums - moralisch verpflichtet, bei der Vorbereitung der Entscheidungen und damit direkt oder indirekt auch bei der Entscheidung selber das Kollegium miteinzubeziehen.

277
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Paul VI trat für eine minimalistisch verstandene Kollegialität ein, weil er einerseits die Minderheit gewinnen wollte, die jede Kollegialität ablehnte, und weil er anderseits auch selber von der Richtigkeit dieser Position überzeugt war. In der "schwarzen Woche" (14.-21.Sept.1964), so genannt, weil sie für sehr viele Bischöfe eine Enttäuschung brachte, setzte sich die Position von Paul VI durch, wie mit letzter Deutlichkeit die berühmte Nota explicativa praevia zum 3. Kapitel zeigt (vgl. zur ganzen Problematik: Primauté et collégialité. Le dossier de Gérard Philips sur la Nota Explicativa Praevia [Lumen gentium, Chap.III]. Présenté p. Jan Grootaers. Leuven 1986). - Auch jene Bischöfe, die für eine umfassende Kollegialität eintraten, stimmten schließlich zu, sei es weil sie keinen Weg sahen, ihre Position durchzusetzen, sei es weil sie merkten, daß die Zeit für einen weiteren Schritt noch nicht reif war. Vor allem die Kommission, die den Text vorbereitete, verfolgte diese schwankende mittlere Position: "Le parti centriste et conciliateur de la Commission doctrinale accepta au contraire certaines ambiguïtés comme 'un moindre mal': son souci étant précisément de 'dédogmatiser' les question les plus brúlantes." (ebd 60).Die ersten beiden Kapitel von Lumen gentium sind im Blick auf ein umfassendes Verständnis der Kollegialität formuliert worden; das 3. Kapitel lehrt hingegen eine minimalistisch verstandene Kollegialität, denn neben dem Kollegium hat auch der Papst allein die "volle, höchste und universale Gewalt über die Kirche, und (er) kann sie immer frei ausüben".

278
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Die Nota explicativ praevia sagt zudem ausdrücklich: "Dem Urteil des Papstes, dem die Sorge für die ganze Herde Christi anvertraut ist, unterliegt es, je nach den im Laufe der Zeit wechselnden Erfordernissen der Kirche die Weise festzulegen, wie diese Sorge tunlich ins Werk gesetzt wird, sei es persönlich, sei es kollegial. Der Papst als höchster Hirte der Kriche kann seine Vollmacht jederzeitnach Gutdünken ausüben, wie es von seinem Amt her gefordert wird."In 'Lumen gentium' gibt es folglich bezüglich der Kollegialität eine starke Spannung zwischen den Kapiteln I und II einerseits und III anderseits.

279
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"Les chapitres I et II de la Constitution 'Lumen gentium' sont plus proches des maximalistes, le chapitre III est davantage du style minimaliste. Le lien entre le chapitre III et les deux précédents n'a d'ailleurs pas été suffisamment établi dans le texte définitif." (ebd. 55; vgl. 58)

280
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Nr. 25: Es gibt verschiedene Grade der Autorität und damit auch der Verpflichtung zum Gehorsam:

281
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(a) dem Spruch eines Bischofs "in Glaubens- und Sittensachen" gebührt ein "religiös begründeter Gehorsam".

282
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(b) dem authentischen Lehramt des Papstes ist, auch wenn er nicht kraft höchster Lehrautorität spricht, "aufrichtige Anhänglichkeit" zu zollen.

283
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(c) Alle Bischöfe zusammen - auch wenn sie räumlich getrennt sind - verkünden, sofern sie "eine bestimmte Lehre übereinstimmend als endgültig verpflichtend vortragen", auf "unfehlbare Weise" die Lehre Christi. Wie eine solche Übereinstimmung - außer in einem Konzil - festgestellt werden kann, bleibt völlig unklar. Deshalb ist diese Aussage eher theoretischer Art.

284
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 (d) Der Lehre eines ökumenischen Konzils ist "mit Glaubensgehorsam" anzuhangen.

285
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(e) Der Papst hat, sofern er als oberster Lehrer der Kirche handelt, das "Charisma der Unfehlbarkeit". Das gleiche Charisma hat die Körperschaft der Bischöfe zusammen mit dem Papst. Diesen Äußerungen kann "die Beistimmung der Kirche niemals fehlen".

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Nr. 26-27: Die ganze Kirche ist in allen rechtmäßigen Ortskirchen wahrhaft anwesend, weshalb diese auch Kirchen heißen. Der einzelne Bischof hat seine Vollmacht als "ordentliche und unmittelbare" direkt von Gott (durch die Weihe), auch wenn deren Vollzug durch den Papst geregelt wird.

287
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 Nr. 28-29: Rolle der Priester und Diakone.

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3.3.4 "Die Laien" (4. Kapitel)

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Die Laien sind notwendig für die Kirche (Nr. 30). Sie werden durch die Taufe dem Volk Gottes eingegliedert, und ihnen ist der "Weltcharakter" besonders eigen (Nr. 31.36). Es gibt eine "wahre Gleichheit" zwischen allen Gliedern der Kirche (Nr. 32), und das Apostolat der Laien ist Teilnahme an der einen Heilssendung der Kirche (und nicht bloß Teilhabe am Apostolat der Hierarchie) (Nr. 33). Sie haben folglich auch Anteil am priesterlichen (Nr. 34), prophetischen (Nr. 35) und königlichen Charakter (Nr. 36) des Volkes Gottes. Im Verhältnis zwischen Hirten und Laien gibt es Rechte und Pflichten auf beiden Seiten, (wobei allerdings die Rechte der Laien äußerst begrenzt bleiben) (Nr. 37).

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3.3.5 "Die allgemeine Berufung zur Heiligkeit in der Kirche" (5. Kapitel)

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Nr. 39: Die Kirche selber ist "unzerstörbar heilig", weil sie von Christus und durch die Gaben des Hl.Geistes geheiligt wurde. Daraus ergibt sich die Berufung aller Gläubigen zur Heiligkeit.

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Früher sprach man vom Stand der Gebote (Laien) und vom Stand der Räte oder der Vollkommenheit (Bischöfe; Ordensleute). Dieser Unterscheidung wird jetzt die allgemeine Berufung zur Heiligkeit vorgeordnet.

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Nr. 40-41: In Entsprechung zur allgemeinen Berufung gilt die Bergpredigt für alle und nicht bloß für die Ordensleute. Innerhalb der allgemeinen Berufung gibt es aber sehr unterschiedliche Gnadengaben (Charismen).

294
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Nr. 42: Das innerste Prinzip der Heiligkeit ist die Liebe, die auch zum Weg der Räte führt.

295
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3.3.6 "Die Ordensleute" (6. Kapitel)

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Nr. 43-45: Das Leben der Ordensleute, die allerdings keinen Zwischenstand zwischen den Klerikern und Laien bilden, wird bestimmt durch die evangelischen Räte und die Gelübde. Das Ordensleben ist ganz der Kirche zugeordnet, und seine Eigenart liegt auf der Ebene des Zeichens. Die kirchliche Hierarchie lenkt das Ordensleben; und der Papst kann die Ordensleute der Jurisdiktion der Ortsbischöfe entziehen (Exemption).

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Nr. 46: Der mit den Gelübden gegebene Verzicht darf der wahren Entfaltung der menschlichen Person nicht entgegenstehen.

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3.3.7 "Der endzeitliche Charakter der pilgernden Kirche und ihre Einheit mit der himmlischen Kirche" (7. Kapitel)

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Nr. 48: In der Kirche als dem "allumfassenden Heilssakrament" (vgl.Nr. 1.9) ist das Ende der Zeiten bereits gegenwärtig und die Erneuerung der Welt hat unwiderruflich begonnen, denn bereits die Kirche auf Erden hat eine "wahre, wenn auch unvollkommene Heiligkeit". Zugleich ist sie aber noch die "pilgernde" Kirche, die in allem die Gestalt dieser Welt trägt, die seufzt und vergehen wird.

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Nr. 49-51: Bis zum Ende der Welt gibt es den Unterschied der "pilgernden Kirche", der Kirche im Reinigungsort und der Kirche der Vollendeten. Trotz dieser Unterschiede bildet die Kirche eine Einheit, die sich konkret im Gebet für die Verstorbenen am Reinigungsort und in der Verehrung der Vollendeten und im Flehen um ihre fürbittende Hilfe zeigt. - Auswüchse in dieser Frömmigkeit sind aber zu vermeiden.

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3.3.8 "Die selige jungfräuliche Gottesmutter Maria im Geheimnis Christi und der Kirche" (8. Kapitel)

302
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Der Text betont zunächst, daß Maria das göttliche Wort nicht nur in ihrem Leib, sondern auch in ihrem Herzen empfangen hat (Nr. 53). Dann spricht er von Maria unter verschiedenen Aspekten:

303
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(a) Maria in der Heilsökonomie: Maria hat ihr empfangendes Ja gesagt und ist deshalb "nicht bloß passiv von Gott benutzt" worden, sondern sie hat "in freiem Glauben und Gehorsam zum Heil der Menschen mitgewirkt" (56), wie auch verschiedene ihrer Taten während des öffentlichen Wirkens Jesu zeigen (Nr. 57-59).

304
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(b) Maria und Christus: Sie ist die erhabene Mutter des göttlichen Erlösers, und als solche hat sie auch eine mütterliche Aufgabe für alle Gläubigen (61-63); Sie ist in einzigartiger Weise die großmütige Gefährtin des Erlösers, denn sie hat in seinem ganzen Heilswerk mitgewirkt (aber nicht Miterlöserin) (61).

305
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(c) Maria und Kirche: In ihrem Glauben, ihrer Liebe und in ihrer Einheit mit Christus ist sie der Typus der Kirche und das Urbild der Jungfrau und Mutter (63). - Die Kirche selber ist - von Maria her gesehen - Mutter und Jungfrau (64). Maria aber ist für die noch pilgernde Kirche zugleich Urbild der Tugend und sie "vereinigt, da sie zuinnerst in die Heilsgeschichte eingegangen ist, gewissermaßen die größten Glaubensgeheimnisse in sich und strahlt sie wider" (65).

306
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(d) Verehrung Marias: Aus den Aufgaben Marias, die über alle Engel und Menschen erhöht wurde, ergibt sich ihre Verehrung (66-67).

307
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(e) Maria und die pilgernde Kirche: Schließlich ist sie ein Zeichen der sichere Hoffnung und des Trostes für das wanderende Gottesvolk (68).

308
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4. Teil: Systematische Ekklesiologie

309
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4.1 Vorbemerkungen

310
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Die Problematik der Kirche ergibt sich aus den Fragen, die die Geschichte und die Spannungen in den neuesten Dokumenten aufwerfen.

311
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Von der heutigen pluralen Welt aus gesehen erscheint die Kirche ganz anders, als sie sich selber versteht. Da jeder Gläubige, der zur Kirche gehört, auch Glied der Weltgesellschaft ist, überschneiden sich in ihm die innere und die äußere Sicht der Kirche. Deshalb gehört es zur systematischen Ekklesiologie, beide Sichten ständig miteinander zu konfrontieren.

312
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4.2 Kirche als "Sakrament der Einheit" (Wurzelsakrament)

313
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Früher hatte man den Begriff Sakrament für die Einzelsakramente reserviert. Spätestens durch das zweite Vatikanische Konzil wurde er aber auf die ganze Kirche ausgedehnt:

314
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"Die Kirche ist ja in Christus gleichsam das Sakrament, das heißt Zeichen und Werkzeug, für die innigste Vereinigung mit Gott wie für die Einheit der ganzen Menschheit" (LG 1)."Gott hat die Versammlung derer, die zu Christus als dem Urheber des Heils und dem Ursprung der Einheit und des Friedens glaubend aufschauen, als seine Kirche zusammengerufen und gestiftet, damit sie allen und jedem das sichtbare Sakrament dieser heilbringenden Einheit sei. Bestimmt zur Verbreitung über alle Länder, tritt sie in die menschliche Geschichte ein und übersteigt doch zugleich Zeiten und Grenzen der Völker" (LG 9; vgl.48).

315
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4.2.1 Innertheologische Begründung

316
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Der sakramentale Ansatz bei der Einheitsfrage hat innertheologisch gesehen eine Reihe von Vorteilen:

317
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a) Die Einheitsproblematik ist zentral für die Kirche, wie folgende Elemente aus der Tradition zeigen:

318
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 *Bibel: Thema der neuen Sammlung

319
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*Leben der Kirche: Ringen um Einheit, allerdings sehr oft im Zusammenhang mit Reichseinheit (z.B. Einsatz politischer Gewaltmittel), was heute eine Unterscheidung zwischen Ziel und Mittel notwendig macht.

320
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 *traditionelle Lehre: Kirche als 'congregatio fidelium'

321
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b) Das sakramentale Verständnis der Einheit hebt sich von einem vorwiegend juristischen Verständnis (Einheit durch Unterordnung unter die Autorität) ab und hat folgende Vorteile:

322
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*Die vertikale (Gott-Mensch) und die horizontale Dimension (Mensch-Mensch) werden in ihrem inneren Zusammenhang gesehen und mit dem zentralen Anliegen der Versöhnung verbunden.

323
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*Die Kirche als Sakrament wird sowohl vertikal (Gott, Christus, Hl.Geist) als auch horizontal (ganze Menschheit) über sich hinausverwiesen und in den unfassenden trinitarischen Heilsplan Gottes und in die Geschichte der ganzen Menschheit eingeordnet.

324
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*Die sakramentale Perspektive, die in der scholastischen Theologie eher statisch war, wird vom Vaticanum II heilsgeschichtlich erweitert: das Volk Gottes lebt in der Zeit und Geschichte und übersteigt diese zugleich (messianisch); es ist die 'unzerstörbare Keimzelle' innerhalb der Menschheitsgeschichte (Nr. 9).

325
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Was der Begriff Sakrament genau bedeutet, muß allerdings noch weiter geklärt werden, und zwar im Zusammenhang sowohl mit Christus, dem Ursakrament, als auch mit den Einzelsakramenten und mit der ganzen Heilsgeschichte. - vgl. zu den Einwände gegen ein sakramentales Verständnis der Kirche: Döring, Grundriß der Ekklesiologie 160ff.

326
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4.2.2 Probleme von außen

327
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Die Menschheit steht heute in einem Prozeß wachsender Kommunikation und damit auch größer Vereinheitlichung. Insofern fügt sich die kirchliche Sicht in eine gesamtmenschheitliche Sicht ein. Daß dabei die Kirche die entscheidende Keimzelle sein soll, stößt jedoch auf entscheidende Schwierigkeiten:

328
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a) Daß eine Religion für die Einheit der Menschen notwendig sein soll, ist heute keineswegs selbstverständlich. In weiten Kreisen herrscht eher die gegenteilige Vorstellung: die Gesellschaft bedürfe für ihre Einheit immer weniger der Religion.

329
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b) Der Anspruch der römisch-katholischen Kirche, Sakrament der Einheit zu sein, steht ferner im Konflikt mit der Tatsache, daß es (1) mehrere Religionen gibt, die einen universalen Anspruch erheben, daß (2) auch die Christen unter sich gespalten sind und (3) daß die Kirche in ihrer Geschichte oft ein Faktor des Streites (Gewalt, Krieg) war.

330
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c) Der entscheidendste Punkt in der modernen Sozialphilosophie und politischen Philosophie liegt darin, daß man in der menschlichen Gesellschaft das Ergebnis eines langen evolutiven Prozesses sieht. Dieser evolutive Prozeß vollzieht sich unabhängig vom Wollen und Planen der einzelnen Menschen (Spontane Organisation [Hayek] oder Selbstorganisation).

331
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4.2.3 Versuche der Vermittlung von innen und außen

332
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(1) Vor allem unter dem Stichwort 'kommunikationstheoretische Ekklesiologie' gab es Versuche, die Kirche von der heutigen Kommunikationstheorie verständlich zu machen:

333
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Vgl. B.Kappenberg, Kommunikationstheorie und Kirche. Grundlagen einer kommunikationstheoretischen Ekklesiologie, Frankfurt a.M. 1981; H.Döring, Grundriß der Ekklesiologie, 136-154; A.Ganoczy, Einführung in die katholische Sakramententheologie, 106-136; P.Hünermann, Sakrament - Figur des Lebens, in: Ankunft Gottes und Handeln des Menschen. Thesen über Kult und Sakrament (QD 77). Freiburg i.Br. 1977, 51-87.Ein kommunikationstheoretischer Ansatz ist grundsätzlich insofern richtig und berechtigt, als es in der Kirche wesentlich um wahrere Kommunikation, um Versöhnung, Vereinigung und Einheit geht. In der konkreten Durchführung lassen die vorliegenden kommunikationstheoretischen Entwürfe aber entscheidende Fragen offen:

334
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Die Verbindung zwischen anthropologischer und theologischer Perspektive bleibt in den entscheidenden Punkten eher äußerlich und assoziativer Art (vgl. Hünermann; Döring).

335
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(2) Vorschlag von Hans Küng (Theologie im Aufbruch, 251-306): Einheit der Völker durch ein neues Weltethos, das aus dem Dialog der Religionen der Welt erwachsen soll. In einen solchen Dialog kann die Kirche zwar nicht ihr ganzes Selbstverständnis einbringen; wohl aber kann dieser Dialog zeigen, daß die Religionen bei der wachsenden Einheit der Menschheit tatsächlich eine Rolle spielen.

336
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(3) Mittels der Theorie R.Girards läßt sich der Zusammenhang zwischen Religionswissenschaft und Kirche vertiefen (vgl. Vorlesung zur Christologie).

337
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4.3 Eucharistische Ekklesiologie

338
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Was mit der Kirche als Sakrament genau gemeint ist, wird durch eine eucharistische Ekklesiologie deutlicher.

339
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4.3.1 These: In der eucharistischen Feier einer Ortskirche ist die ganze Kirche sakramental gegenwärtig.

340
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Die eucharistische Feier ist nicht bloß ein Sakrament neben den andern, sondern in ihr kommt die ganze Kirche zeichenhaft zur Darstellung und wird so in ihr gegenwärtig. - Begründung:

341
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4.3.1.1 Paulus:

342
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Der Leib Christi ist nicht bloß der Leib des historischen und erhöhten Herrn, sondern Paulus meint damit Haupt und Glieder (1 Kor 12,12-31a; Röm 12,4-8). In der Kommunion erhalten die Gläubigen Anteil an diesem ganzen Leib (1 Kor 10,16-17), weshalb dieser Empfang die tiefste Einheit der Gläubigen untereinander begründet. Die Kirche ist folglich weder rein organisatorischer noch rein unsichtbarer, sondern sakramentaler Art, und Paulus kann jede Ortskirche als Kirche bezeichnen.

343
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4.3.1.2 Augustinus:

344
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"Wenn ihr der Leib und die Glieder Christi seid, dann befindet sich euer Geheimnis auf dem Altar des Herrn: ihr empfängt euer Geheimnis. Zu dem, was ihr seid, antwortet ihr: Amen, und antwortend unterschreibt ihr. Du hörst nämlich (bei der Kommunion) das Wort: Leib Christi, und du antwortest: Amen. Sei also Leib Christi, damit dein Amen wahr sei... " (Ep 272/PL 38,124/F; vgl. PL 35,1614.1763; 38,389.1103). - vgl. M.Figura, Das Kirchenverständnis des Hilarius von Poitiers, 335-441.

345
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4.3.1.3 Östliche Väter und Orthodoxe Theologie:

346
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Afanassieff unterscheidet zwei Ekklesiologien, eine qualitative (eucharistische) und eine quantitative (universalistische). Die erstere führt er auf Paulus und Ignatius von Antiochien und die letztere auf Cyprian von Karthago zurück.

347
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Gemäß der eucharistischen Ekklesiologie ist die Fülle der Kirche dort, wo sich eine Gemeinde versammelt und unter dem Vorsitz ihres Bischofs Eucharistie feiert. Die eigentliche Kirche ist deshalb die Ortskirche, und mit dem Ausdruck "Leib Christi" ist sowohl das verwandelte Brot als auch die Ortskirche gemeint. Die Einheit zwischen den verschiedenen Ortsgemeinden geschieht durch die Kommunion und durch einen Liebesbund ohne rechtliche Verpflichtung.

348
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Gemäß der universalistischen Ekklesiologie findet sich die Fülle der Kirche nur in der Gemeinschaft aller Gläubigen auf der ganzen Erde. Die einzelne Ortsgemeinde ist nur Teilkirche und nicht Kirche im vollen Sinn des Wortes. Die Einheit dieser über die ganze Welt zerstreuten Kirche wird innerlich durch den Heiligen Geist gewirkt und gründet äußerlich im Episkopat.

349
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N.Afanassieff, Una sancta. In: Irenikon 36 (1963) 436-475. P.Plank, Die Eucharistieversammlung als Kirche. Zur Entstehung und Entfaltung der eucharistischen Ekklesiologie Nikolaj Afanas'evs.Der Gegensatz zwischen eucharistischer und universalistischer Ekklesiologie ist problematisch (siehe weiter unten). Die eucharistische Ekklesiologie - ohne den Gegensatz zur universalistischen - ist aber in der patristischen und orthodoxen Theologie tatsächlich breit verwurzelt.

350
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4.3.1.4 Zweites Vatikanisches Konzil:

351
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"Sooft das Kreuzesopfer, in dem Christus, unser Osterlamm, dahingegeben wurde (1 Kor 5,7), auf dem Altar gefeiert wird, vollzieht sich das Werk unserer Erlösung. Zugleich wird durch das Sakrament des eucharistischen Brotes die Einheit der Gläubigen, die einen Leib in Christus bilden, dargestellt und verwirklicht (1 Kor 10,17)" (LG 3; vgl.7).Die beiden Dimensionen im Sakramentsbegriff (Vereinigung mit Gott; Vereinigung unter den Menschen [LG 1]), erhalten in der eucharistischen Feier ihre konkrete Darstellung und Verwirklichung (Kreuzesopfer, Einheit der Gläubigen).

352
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"Die Kirche Christi ist wahrhaft in allen rechtmäßigen Ortsgemeinschaften der Gläubigen anwesend, die in der Verbundenheit mit ihren Hirten im Neuen Testament auch selbst Kirchen heißen... In jedweder Altargemeinschaft erscheint unter dem heiligen Dienstamt des Bischofs das Symbol jener Liebe und jener 'Einheit des mystischen Leibes, ohne die es kein Heil geben kann'." (LG 26)

353
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4.3.1.5 Heutige Theologie:

354
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a) J.Ratzinger:

355
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"Fassen wir zusammen, so können wir sagen: Konstruktionsprinzip der ältesten Ekklesiologie ist die eucharistische Versammlung - Kirche ist Communio." (Ratzinger, Theologische Prinzipienlehre, 266; vgl. Ratzinger, Zur Gemeinschaft gerufen, 41.70-88).

356
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 b) Louis Bouyer:

357
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 (Mitglied der offiziellen Dialogkommission 'römisch-katholische und orthodoxe Kirchen'):

358
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"Den eucharistischen Herrn empfangen und sich im wahrhaft vereinen, heißt somit gleichwertig: sich mit allen vereinen, mit denen er es tut oder schon getan hat, ebenso real und unzertrennlich. In diesen sancta, diesen heiligen Dingen kommunizieren heißt mit allen sancti, allen heiligen Personen, die als Glieder der Kirche Glieder Christi sind, eins werden."

359
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 (Kirche II,145).

360
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"Somit ist die örtliche, die Eucharistie feiernde Kirche, in der das gemeinsame eucharistische Leben der Liebe seine Grundlage hat, weit mehr als die sichtbare Gemeinschaft der leiblich Anwesenden: sie ist die Epiphanie einer universalen, einen und einzigen Kirche, die keine leblose Abstraktion, keine unpersönliche Organisation, sondern eine voll lebendige und wirksame, freilich nur dem Glauben zugängliche Kommunion ist, unter allen, die hier und allerorts 'in Christo Jesu' leben. Mit ihnen allen sind wir durch ihn in Kommunion. Sie alle versammelt das Sakrament unsichtbar, aber real bei jeder Feier." (Kirche II, 145).

361
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 c) Weitere Autoren:

362
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T.Schneider, Kirche als Eucharistiegemeinde. In: Kirche - Ort des Heils. Hg. v. W.Seidel; M.Gasteira Garza, La Eucaristia, misterio de communion. Ed.Cristiandad, Madrid 1983.

363
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4.3.1.6 Ökumene:

364
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"Die Eucharistie verwirklicht so die Einheit der christlichen Gemeinde. Sie manifestiert auch die Einheit aller Kirchen, die sie in Wahrheit feiern, und, mehr noch, die Einheit aller Kirchen durch die Jahrhunderte hindurch mit der apostolischen Gemeinde von den Anfängen bis heute." Internationale Kommission für den Theologischen Dialog zwischen der Orthodoxen Kirche und der Römisch-katholischen Kirche, Das Sakrament der Weihe in der sakramentalen Struktur der Kirche (Valamo 1988). In: Orthodoxes Forum 3 (1989) 241-250, hier 246. - Der zitierte Abschnitt wurde von Johannes Paul II. am 5.Juni 1991 in seiner Rede in in der orthodoxen Kathedrale von Bialystok (Polen) wörtlich aufgegriffen (vgl. Osservatore Romano 7.Juni 1991, 5).

365
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4.3.2 Eucharistie und übrige Sakramente

366
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Alle Sakramente sind auf die eucharistische Feier hingeordnet, und alle zusammen bilden den großen Ordo der Sakramente. In diesem Ordo kommen alle wesentlichen Funktionen der Kirche zur Darstellung, wodurch deutlich wird, weshalb die ganze Kirche als Sakrament verstanden werden kann.

367
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4.3.3 "Die universalkirchlichen Strukturen in der eucharistischen Ekklesiologie" (Ratzinger)

368
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Die eucharistisch verstandene Kirche hat zugleich eine universale Struktur (gegen Afanassieff).

369
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4.3.3.1 Gründe

370
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(1)Paulus, der die Lehre vom Leib Christi entfaltete und die Ortskirchen als Kirchen im vollen Sinn ansprach, bemühte sich zugleich um ein sehr intensives Band zwischen den einzelnen Kirche.

371
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(2) Petrus war das Band zwischen der Juden- und der Heidenkirche (Ratzinger, Zur Gemeinschaft berufen, 79).

372
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(3) Im Kolosser- und Epheserbrief wird das Wort 'Kirche' nicht für die Ortsgemeinden, sondern für die Gemeinschaft aller Gläubigen gebraucht.

373
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(4) Von Anfang an entwickelte sich die Praxis eines intensiven Briefverkehrs, und sobald sich das bischöfliche Amt voll herausgebildet hatte, gehörte es zur Bestellung eines Bischofs, daß er von den Nachbarbischöfen anerkannt wurde (vgl. Ignatius von Antiochien).

374
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 (5)Cyprian von Karthago:

375
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"Das Bischofsamt ist nur eines, an dem jeder einzelne in Solidarität mit den andern seinen Anteil hat" (episcopatus unus est, cuius a singulis in solidum pars tenetur). Cyprian, Über die Einheit der Kirche, Nr. 5.(6) Die Praxis der Konzilien und der Aufstieg des Papsttums zeigen auf besonders deutliche Weise, daß die Kirche immer als universale, alle Gläubige umfassende Größe verstanden wurde.

376
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4.3.3.2 Sakramentales Zeichen der universalen Kirche?

377
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Zur eucharistischen Feier gehört der Bischof (oder sein Stellvertreter), der durch die Handauflegung in sein Amt eingeführt und ins Kollegium der Bischöfe aufgenommen wird. In der eucharistischen Feier ist die universale Kirche folglich auf doppelte Weise gegenwärtig: (1) durch den Leib Christi, zu dem alle Gläubigen gehören; (2) durch den Bischof, der Anteil hat am Kollegium der Bischöfe.

378
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Die Bischöfe (Papst, Patriarchen), die in der eucharistischen Feier genannt werden, sind das sichtbare Zeichen für die universale Struktur der Kirche.

379
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4.3.4 Trinitarische Dimension der eucharistischen Ekklesiologie

380
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Das Vaticanum II hebt den trinitarischen Ursprung jener Kirche hervor, die sie als Sakrament beschreibt (LG 1-4). Der Zusammenhang zwischen Trinität und eucharistischer Ekklesiologie wird aber besonders deutlich von der Dialog-Kommission der römisch-katholischen und der orthodoxe Kirche beschrieben:

381
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"Die Eucharistiefeier macht in ihrer Gesamtheit das dreifaltige Geheimnis der Kirche gegenwärtig. Vom Hören des Wortes, das in der Verkündigung des Evangeliums - der apostolischen Ansage des fleischgewordenen Wortes - seinen Höhepunkt hat, geht man über zur Danksagung an den Vater, zum Gedächtnis des Opfers Christi und zur Gemeinschaft um ihn. Dies alles dank dem epikletischen Gebet, welches im Glauben gesprochen wird. Denn in der Eucharistie ist die Epiklese nicht nur eine Wandlungsbitte: sie ist auch ein Gebet um die volle Wirkung der Kommunion aller mit dem Geheimnis, das durch den Sohn geoffenbart ist." Katholisch-orthodoxe Dialog-Kommission, Das Geheimnis der Kirche und der Eucharistie im Licht des Geheimnisses der Heiligen Trinität. In: Una sancta 37 (1982) 334-340, hier 335f.Zur liturgischen Feier gehört wesentlich der Dank an den Vater, die Memoria seiner Heilstaten in Christus und dies alles in der Kraft des Geistes, um dessen erneutes Kommen zugleich gefleht wird (Epiklese) (vgl. Vorlesung zur allgemeinen Sakramentenlehre).

382
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In der trinitarischen Gebetsstruktur wird deutlich, daß die Kirche als Sakrament mit Christus nicht verschmilzt, sondern über sich hinaus auf ihn und auf den trinitarischen Gott verwiesen ist. Dadurch wird nochmals deutlicher, in welcher Weise der dreifaltige Gott die Kirche eint (vgl. LG 4).

383
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4.3.5 Die Gegenwart des Gründungsdramas der Kirche in der eucharistischen Feier

384
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Im biblischen Teil haben wir gesehen, daß die Gründung der Kirche nicht als ein isolierter Akt verstanden werden darf, sondern daß sie aus einem dramatischen Prozeß entsprungen ist, bei dem der himmlische Vater, Christus, der Hl.Geist und die Menschen je auf ihre Weise zusammengewirkt haben. Auch das 2.Vaktikanische Konzil bestätigt grundsätzlich eine solche Sicht (vgl. LG 5; vgl. auch "Katholischer Erwachsenenkatechismus", 259f.) -Die Frage der Gründung der Kirche ist jedoch mehr als eine rein historische Frage:

385
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These:Das Gründungsgeschehen der Kirche wird in der eucharistischen Feier je neu gegenwärtig.

386
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In der theologischen Tradition sprach sich diese Wahrheit vor allem in der Betonung des Opfercharakters der Messe aus. Nach traditioneller Theologie entsprang die Kirche vor allem aus dem Opfertod, und dieser in jeder Messe auf unblutige Weise je neu gegenwärtig gesetzt. Diese Sicht findet sich auch noch in Lumen gentium:

387
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"Sooft das Kreuzesopfer, in dem Christus, unser Osterlamm, dahingegeben wurde (1 Kor 5,7), auf dem Altar gefeiert wird, vollzieht sich das Werk der Erlösung. Zugleich wird durch das Sakrament des eucharistischen Brotes die Einheit der Gläubigen, die einen Leib in Christus bilden, dargestellt und verwirklicht" (1 Kor 10,17) (LG 3).Sowohl das Werk der Erlösung (vgl. Vorlesung zur Erlösungslehre) als auch die Gründung der Kirche sind heute aber umfassender, nämlich als ein Prozeß zu sehen, der das ganze Heilswirken Jesu bis zur Sendung des Geistes umfaßt. Beide Aspekte - Erlösungsgeschehen und Gründungsgeschehen der Kirche - sind auch sachlich identisch. Deshalb wird mit der Gegenwärtigsetzung des Erlösungsgeschehens auch das Gründungsgeschehen der Kirche in der eucharistischen Feier gegenwärtig.

388
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"Die Sakramente der Kirche sind also wirksam dadurch, daß sie das Jesusgeschehen und damit die ursprüngliche Konstitution der Kirche 'wiederholen'." Döring, Grundriss der Ekklesiologie, 146.In der eucharistischen Feier sind alle fünf Akte der Kirchengründung in transformierter Form gegenwärtig.

389
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 Die Liturgie hat deshalb eine dramatische Gestalt.

390
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Vgl. Klaus Schweiggl, Verkörperung der Gnade Gottes. Der 'theodramatische Ansatz' Hans Urs v.Balthasars und Joseph Paschers 'Gestaltlehre' als Ausgangspunkt einer Dramaturgie der Liturgie).

391
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4.3.6 Eucharistische Kirche als alternative Gesellschaft

392
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Wenn die Kirche "für das ganze Menschengeschlecht die unzerstörbare Keimzelle der Einheit, der Hoffnung und des Heils"(LG 9) und "das Sakrament dieser heilbringenden Einheit"(LG 9) ist, dann stellt sich notwendigerweise die Frage, wie sich die Kirche von der menschlichen Gesellschaft unterscheidet, die der wahren Einigung erst noch bedarf.

393
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4.3.6.1 Lehre von den zwei Schwertern

394
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In der Tradition hat man das Verhältnis zwischen Kirche und menschliche Gesellschaft vor allem mit dem Bild von den zwei Schwertern (geistliches und weltliches) umschrieben. Diese Beschreibung ist heute insofern ungenügend, als sowohl die Kirche wie die menschliche Gesellschaft nicht mehr in erster Linie nur von der Autorität her gesehen werden dürfen. Die Lehre von den zwei Schwertern ist auch in einem Kontext entstanden, für den das Gottesgnadentum der weltlichen Herrscher etwas Selbstverständliches war.

395
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4.3.6.2 Zwei Formen der Einheit

396
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Da das zweite Vatikanische Konzil als entscheidendes Element die Einheit hervorhebt, stellt sich die Frage, wie sich die kirchliche Einheit von der Einheit der menschlichen Gesellschaft unterscheidet. Auf diese Frage bietet das Denken René Girards eine ausdrückliche Antwort. Nach ihm gründen alle menschlichen Gesellschaften in einer Struktur der Gewalt, in einem Ausgrenzung- und Ausstoßungsmechanismus (Sündenbockmechanismus); während im Gründungsgeschehen der Kirche genau das Gegenteil geschah: der Ausgestoßene und das Opfer der Gewalt gab sich in gewaltfreier Liebe für seine Feinde hin; der himmlische Vater weckte den Getöteten auf und sandte ihn mit einer Friedensbotschaft den Menschen zurück, und durch das Kommen des Hl.Geistes wurde er zum Zentrum der neuen Gemeinschaft ("Der Stein, den die Bauleute verworfen haben, ist zum Eckstein geworden").

397
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4.3.6.3 Eucharistie: Friede und Integrierung des Ausgestoßenen

398
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Die eucharistische Feier hat die Sinngestalt einer Erinnerungsmahles. Die Gestalt der Erinnerung prägt vor allem den ersten Teil der Feier (bis zum Ende des Vaterunsers), während die Gestalt des Mahls den zweiten Teil bestimmt (Kommunion). Die zentrale Scharnierstelle zwischen beiden Teilen bilden das Gebet um den Frieden, das Angebot des Friedens Christi durch den Vorsteher an die versammelte Gemeinde und der Friedensgruß unter den Anwesenden.

399
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Während die menschliche Gesellschaft in einem Gewalt- und Ausstoßungsmechanismen gründet, lebt die in der eucharistischen Feier sich darstellende Gemeinschaft von der Verzeihung, vom Frieden Christi, von der Einsetzung des Ausgestoßenen als Zentrum der neuen Gemeinschaft durch den himmlischen Vater und von der neue Sammlung in der Kraft des Geistes. Durch das trinitarische Wirken Gottes wurde der Sündenbockmechanismus total umgekehrt; und dieses trinitarische Wirken wird in der Liturgie je neu gegenwärtig.

400
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Die zeichenhafte Grundstruktur der eucharistischen Gemeinschaft ist deshalb die große Alternative zu jeder menschlichen Gesellschaft.

401
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4.3.6.4 Problematik der Exkommunikation

402
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*Die gewaltsame Verfolgung von Abweichenden, wie sie in der Geschichte der Kirche oft vorgekommen ist, widerspricht eindeutig dem, was in der Eucharistie gefeiert wird (vgl. Vaticanum II: Dekret über die Religionsfreiheit).

403
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*Gegen den Geist der Eucharistie ist es auch, wenn viele zweitrangige Lehraussagen mit einem Anathema verbunden werden (vgl. die vielen Kanones von Trient). Die kirchliche Lehre ist in erster Linie positiv zu formulieren.

404
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*Zur Eucharistie gehört es aber, daß diejenigen, die daran teilnehmen, sich selber prüfen.

405
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*Wenn Glieder der Kirche diese Selbstprüfung verweigern und dennoch an der Eucharistie teilnehmen wollen, kann die Notsituation eintreten, daß solche, die Ärgernis geben, zweitweise ausgeschlossen werden müssen.

406
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4.4 Die eine Kirche

407
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Im vorausgehenden Abschnitt haben wir die Kirche als 'Sakrament der Einheit' umschrieben. Daraus ergibt sich, daß die sichtbar-unsichtbare Einheit der Kirche in erster Linie nicht organisatorischer oder moralischer Art (Unterwerfung unter eine Autorität) ist, sondern einensakramentalen Charakter (Eucharistie) hat. Wo ist aber konkret die ein Kirche, die zur Eucharistie gehört und die auch im Credo bekannt wird ("Ich glaube an die eine, heilige, katholische und apostolische Kirche").

408
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4.4.1 Schwierigkeiten bezüglich der Einheit

409
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Die eine Kirche wird bekannt, empirisch gibt es aber viele Kirche. Diese Schwierigkeiten verschärfen sich noch im Blick auf die orthodoxe Kirche, und zwar aus folgenden Gründen:

410
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a) Nach dem zweiten Vatikanischen Konzil ist der Papst "das immerwährende, sichtbare Prinzip und Fundament" der Glaubenseinheit und der Einheit der Kirche (LG 23; vgl. LG 18), und das erste Vatikanische Konzil exkommuniziert sogar jene, die den Primat nicht annehmen. Da die orthodoxen Kirchen dazu nicht bereit sind, wäre auf dieser Ebene die Einheit gebrochen. Zugleich bleibt aber auf der entscheidenden Ebene die Einheit, denn die Eucharistie in den orthodoxen Kirchen wird als gültig anerkannt.

411
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b) Man kann keinen Zeitpunkt in der Geschichte angeben, an der die eine oder die andere Kirche eindeutig von der wahren Tradition abgewichen wäre, und beide Kirchen haben grundsätzlich die gleichen Kriterien für die wahre Kirche (Schrift, Tradition [Konzilien, Theologie der Väter], Sakramente und apostolisches Amt), (was nicht in gleicher Weise für die reformatorischen kirchlichen Gemeinschaften gilt).

412
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c) Da die Bischofsweihen in der orthodoxen Kirche von der katholischen Kirche als gültig anerkannt werden, gibt es auch dort - nach dem Verständnis der Tradition - ein Lehramt, und beide Episkopate beanspruchen, das wahre Lehramt zu sein. Dieses erscheint folglich in sich selber gespalten.

413
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 d) Historisch hatten beide Kirchen Schuld am Auseinanderleben und an der Trennung.

414
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4.4.2 These von der Einheit

415
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Louis Bouyer, ein Konvertit aus der lutherischen Kirche und Mitglied der offiziellen römisch-katholisch/orthodoxen Dialogkommission, stellt sich dem skizzierten Problem, und er findet nur eine Lösung durch die These, "daß die orthodoxe und die katholische Kirche, trotz beiderseitiger heftiger Versuchung zur Trennung, trotz allem gegenteiligem Anschein faktisch und rechtlich eine einzige Kirche bleiben." (Bouyer, Kirche II,371).

416
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Eine solche These wäre völlig unmöglich, wenn man die Einheit der Kirche in erster Linie unter juristischer Perspektive und damit vom Papstamt her verstehen würde. Geht man von einer eucharistisch-sakramentalen Sicht aus, ist sie wohl denkbar. Sie bedarf aber der Begründung.

417
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4.4.3 Gründe für die These von der (dogmatischen-eucharistischen) Einheit der Kirche

418
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a) Neues Testament: Obwohl Petrus gemäß einiger neutestamentlicher Schriften eine große Rolle spielt, gibt es auch eine andere Sicht. So ist z.B. für Paulus die Einheit mit den Säulen in Jerusalem (Petrus, Jakobus, Johannes) zwar wichtig, er sieht in Petrus aber keine übergeordnete Instanz, sondern anerkennt in ihm nur eine der seinen ebenbürtige Sendung (Petrus für die Beschnittenen, Paulus für die Unbeschnittenen [Gal 2,7]), weshalb er Petrus auch offen widerstehen kann, wenn dieser sich ins Unrecht setzt (Gal 2,11f). - Im ersten Petrusbrief bezeichnet sich der Schreiber als Ältester unter anderen (1 Petr 5,1). - Im Matthäusevangelium wird Petrus zwar als Fels bezeichnet, aber gleichzeitig auch als Satan getadelt, der denkt, was Menschen denken (Mt 16,17.23). Petrus ist sogar der einzige, der so hart beurteilt wird, und nach allen vier Evangelien ist er jener, der ausdrücklich den Herrn verleugnet hat. - Im Johannesevangelium wird Petrus zwar der Auftrag gegeben, die Herde zu weiden. Dieser Auftrag ist jedoch mit der dreimaligen Frage nach der größeren Liebe, die an die dreimalige Verleugnung anspielt, verbunden.

419
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Zusammenfassung: Trotz der Sonderstellung des Petrus gibt es keine einlinige Herausstellung seiner Funktion, nach der er uneingeschränkt das Prinzip der Einheit wäre.

420
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b) Erstes Jahrtausend: Obwohl die römische Kirche von Anfang an eine besondere Rolle gespielt hat, war ihr Bischof nie das juristische Oberhaupt der ganzen Kirche. Nur bei den wichtigsten Entscheidungen (ökumenische Konzilien, Anerkennung von Patriarchen) war seine Stellungnahme im Osten mitentscheidend. Die Einheit der Kirche ergab sich durch die Pentarchie, d.h. durch die Leitung und Übereinstimmung der fünf Patriarchen, unter denen der römische als der "primus inter pares" anerkannt wurde, (und durch den Kaiser).

421
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c) Die ostkirchliche Formel "primus inter pares" (Vorrang der Liebe und der Ehre) schließt auch eine gewisse rechtliche Sonderstellung des römischen Bischofs nicht aus. Das Unionskonzil von Florenz, das in allgemeiner Form den Primat (plena potestas) des römischen Bischofs lehrte (DS 1307), zeigt, daß die orthodoxe Kirche bereit sein kann, dem "primus" Sondervollmachten zuzuerkennen, sofern das grundsätzliche "pares" erhalten bleibt, und im Papst nicht eine Instanz über den Bischöfen, sondern ein Bischof mit besonderen Aufgaben gesehen wird.

422
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Am 7.Dezember 1965 wurde der wechselseitige Bann zwischen Rom und Konstantinopel von 1054 durch eine gemeinsame Erklärung von Papst Paul VI und Patriarch Athenagoras aufgehoben. Zum ganzen Punkt: vgl. Ratzinger, Theologische Prinzipienlehre, 214-230.

423
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d) Das Papsttum hatte nicht bloß bei der Spaltung zwischen Ost und West und bei der Reformation eine gewisse Mitschuld, sondern es ist auch heute ein Hindernis für die weitere Ökumene. Die Geschichte zeigt folglich, daß es nicht uneingeschränkt als das "immerwährende und sichtbare Prinzip und Fundament der Glaubenseinheit" angesehen werden kann. In seiner konkreten Existenz finden sich auch Elemente, die genau in die gegenteilige Richtung gewirkt haben und wirken.

424
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e) Das Konzil von Konstanz hat die Oberhoheit des Konzils über den Papst gelehrt (NR 433). Auch wenn man im Konzilsdokument "Haec sancta" nur ein 'Notstandsdekret' sieht, so bleibt doch bestehen, daß das Papsttum sich damals nicht selber aus der Krise (großes Schisma) befreien konnte. Es war nur noch Anlaß der Spaltung und nicht mehr Prinzip und Fundament der Einheit. Erst der Wille der gesamten westlichen Kirche zur Einheit hat das Papsttum wieder funktionsfähig gemachen. Dieses hängt folglich auch vom Willen zur Einheit in der Gesamtkirche ab.

425
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f) Obwohl die Ostkirchen seit 1054 nicht mehr in ausdrücklicher Gemeinschaft mit dem Papst stehen, haben sich in ihnen der Glaube, die Sakramente und das apostolische Amt voll erhalten. Dieses eindrückliche geschichtliche Faktum zeigt, daß die Rolle des Papstums nur eine begrenzte sein kann.

426
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g) Das erste Vatikanische Konzil hat jene exkommuniziert, die den Jurisdiktionsprimat des Papstes (unmittelbare, ordentliche, bischöfliche Vollmacht über die ganze Kirche) nicht annehmen. Da dies bei den Ostkirchen zutrifft, sind sie - aus dieser Sicht - exkommuniziert. Das Zweite Vatikanische Konzil sagt aber, daß sich in ihnen die Kirche Christi aufbaut und wächst(Unitatis redintegratio 15) und daß eine gewisse Gottesdienstgemeinschaft mit ihnen möglich ist, ja ratsam sein kann (Unitatis redintegratio Nr. 15). Es ist aber widersprüchlich, die orthodoxen Kirchen einerseits zu exkommunizieren (Vaticanum I) und anderseits die Gottesdienstgemeinschaft mit ihnen zu bejahen (Vaticanum II)(1). Dieser Widerspruch läßt sich nur lösen, wenn man zwei Ebenen unterscheidet, eine grundsätzlich eucharistisch-sakramental, auf der sich die römisch-katholische und die orthodoxe Kirche als in der einen Kirche Christi treffen (2) und eine mehr rechtliche, auf der eine Spaltung fortbesteht.

427
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h) Folgerung: Da alle Argumente entweder für die dogmatisch-eucharistische Einheit oder gegen eine Überbetonung des Primates sprechen, ergibt sich: Die fundamentale (dogmatische) Einheit, wie sie zu einer eucharistisch verstandene Kirche gehört, ist zwischen der römisch-katholischen und der orthodoxen Kirche gegeben.(3)

428
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4.4.4 Lösung der Probleme in 'Lumen gentium'

429
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Die These von der fundamentalen Einheit der römischen Kirche mit der orthodoxen erlaubt auch, die Spannungen zu lösen, die sich in 'Lumen gentium' finden.

430
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4.4.4.1 Immerwährendes und sichtbares Prinzip und Fundament der Kirche.

431
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In Lumen gentium wird die Kirche einerseits als Sakrament bezeichnet, anderseits wird der Papst als das "immerwährende und sichtbare Prinzip und Fundament" (Nr 18) der Einheit bestimmt. Diese Aussagen harmonieren nicht miteinander. Wird nämlich im Papst eine Größe gesehen, die über den Bischöfen steht, wie es die Formel "immerwährendes und sichtbares Prinzip und Fundament" nahelegt, dann läßt er sich nicht in eine sakramentale Sicht der Kirche integrieren, weil die Papstwahl keine eigene Weihe (Sakrament) zur Folge hat. Wird in ihm hingegen vor allem der Bischof von Rom gesehen, der gegenüber der ganzen Kirche eine besondere Aufgabe und Vollmacht hat, wie es durch die Formel "primus inter pares" angedeutet wird, dann löst sich die Schwierigkeit von selber.

432
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Folgerung: Da ein Konzilstext immer im Licht der ganzen Tradition zu lesen ist, muß auch die Lehre vom Papst im Rahmen der sakramental-eucharistischen Einheit der Kirche verstanden werden, woraus sich die These ergibt:

433
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These:Das eigentliche Prinzip und Fundament der Einheit der Kirche ist die eucharistische Feier, in der die Einheit mit den anderen Ortskirchen dadurch zum Ausdruck kommt, daß jene Bischöfe genannt werden, die diese Einheit symbolisieren und unter ihnen vor allem der Bischof von Rom. Dieser ist foglich nicht als isolierte Person, sondern als jener Bischof, der in allen eucharistischen Feiern zum Zeichen der Einheit genannt wird, sichtbares Fundament der Einheit. (4)

434
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Das erste Vatikanische Konzil ist das Konzil der westlichen Teilkirche (5)

435
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 , dessen Aussagen wegen des Fehlens des östlichen Teiles etwas einseitig geraten sind.

436
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4.4.4.2 Kollegialität und Konziliarität

437
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Die Aussagen von Lumen gentium bezüglich der Kollegialität sind zweideutig. Aus der Perspektive einer eucharistisch-sakramentalen Sicht der Kirche läßt sich die Zweideutigkeit in dem Sinn beheben, daß die Linie, die in den ersten zwei Kapitel von Lumen gentium angelegt ist, gegenüber der minimalem Kollegialität, die das 3. Kapitel nahelegt und die die Nota praevia ausdrücklich lehrt, bevorzugt wird.

438
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Die Aussagen des ersten Vatikanischen Konzils wären von einem späteren Konzil in dem Sinne zu nuancieren, daß die Verpflichtung des Papstes, das Leben der Teilkirchen zu respektieren und eine echte Pluralität zuzulassen, hervorgehoben wird. (6) Er könnte sogar in einem richtig verstandenen Sinn als "primus inter pares" bezeichnet werden. Er ist "primus", insofern er eine Vollmacht hat, die ihn von allen anderen Bischöfen unterscheidet (Konzil von Florenz, Vaticanum I), und er bewegt sich unter gleichen ("inter pares"), insofern er nicht auf einer eigenen Stufe über den Bischöfen steht, sondern gerade als Bischof unter Bischöfen seine Sonderaufgabe hat.

439
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Die Einheit aller Ortskirchen findet ihren deutlichsten Ausdruck in der "Zelebration" der Konzilien (7), auf denen das Kollegium der Bischöfe unter dem Vorsitz des Bischofs von Rom gemeinschaftlich handelt (vgl. Bouyer II, 284-292).

440
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These:Da die Kirchengeschichte zeigt, daß Konzilien nur funktioniert haben, wenn sie entweder von einem Kaiser oder vom Papst geleitet wurden, müßte die Orthodoxe Kirche dem Bischof von Rom mindestens so viele Vollmachten zuerkennen, wie sie früher dem Kaiser zugestanden hat (Einberufung und Leitung von Konzilien, Mitsprache bei der Wahl von Patriarchen).

441
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Von der Kollegialität und Konziliarität her eröffnet sich auch eine echte Perspektive für die Ökumene mit den aus der Reformation hervorgegangenen Kirchen, denn auch der Ökumenische Rat tendiert zu einem allgemeinen Konzil und zu einer Einheit der Kirche auf der Ebene des Gottesdienstes:

442
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"Die Mitgliedskirchen des Ökumenischen Rates der Kirchen, die einander verpflichtet sind, sollten auf die Zeit hinarbeiten, wenn ein wirklich universales Konzil wieder für alle Kirchen sprechen und den Weg in die Zukunft weisen kann." (Uppsala 1968)Der Ökumenische Rat sieht es als Aufgabe an, "die Kirchen aufzurufen zu dem Ziel der sichtbaren Einheit im einen Glauben und der einen eucharistischen Gemeinschaft, die ihren Ausdruck im Gottesdienst und im gemeinsamen Leben in Christus findet, und auf diese Einheit zuzugehen, damit die Welt glaube" (Nairobi 1975).

443
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Das Ziel der Einheit kann allerdings nur durch eine allseitige Bekehrung der Kirchen erreicht werden:

444
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"Tutti portiamo il giogo delle storiche colpe, tutti commettiamo errori. 'Se diciamo anche che siamo senza peccato, inganniamo noi stessi e la verità non è in noi' (1 Gv 1,8). Ovunque è esistito il torto, indipendentemente da quale parte, esso va superato mediante il riconoscimento della propria colpa davanti al Signore e mediante il perdono. Con profondo e sincero dolore lo ammettiamo oggi davanti a Dio, chiedendogli de perdonarci: 'Hòspodi, pomiluj i prosti!" (Johannes Paul II, Rede in der Orthodoxen Kathedrale von Bialystok, 5.Juni 1991 (Osservatore Romano, 7.Juni 1991, 5).

445
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4.5 Die heilige Kirche

446
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Im Credo bekennt sich die Kirche selber als heilig (credo in unam, sanctam, catholicam et apostolicam ecclesiam). Das Bekenntnis zur Heiligkeit der Kirche steht im großen Gegensatz zur Erfahrung der Sünde in der Kirche. Das größte Problem bilden dabei nicht die rein persönlichen Sünden einzelner Glieder der Kirche (auch nicht die der Priester, Bischöfe und Päpste), sondern jenes Sündige, das vom kirchlichen Amt offiziell geduldet, ja oft sogar gefördert und gelehrt wurde (Kreuzzüge, Verfolgung von Häretikern mit dem Schwert, päpstliche Kriege im Namen des Kirchenstaates oder der Familienpolitik, Hexenverbrennungen, Inquisition mit Folter, Judenverfolgungen, Ausbeutung von Menschen durch christliche Regime, Versklavung und Kolonisation fremder Völker - und vor allem das Andauern von Kirchenspaltungen).

447
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In all diesen Punkten hat man zwar früher anders geurteilt, deshalb können auch keine Urteile über die subjektive Schuldhaftigkeit der damaligen Menschen gefällt werden. Aber das Evangelium war zu allen Zeiten für die Kirche normativ. Es stellt sich deshalb die bedrängende Frage, weshalb die Vertreter der Kirche in ihrem amtlichen Handeln während langer Zeit Taten gutheißen konnten, die objektiv sündhaft waren. Wie kann eine Kirche, die solchen Verblendungen verfallen ist, von sich behaupten, sie sei heilig?

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4.5.1 Frühere Antworten

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a) Die Kirche ist heilig, aber die Glieder der Kirche sind sündig.

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Da auch die Sünder, solange sie den Glauben bewahren, Glieder der Kirche (Mystici corporis Nr. 22), beflecken sie die Kirche.

451
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 Kritik dieser Position:

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 (1) Diese Antwort trennt einerseits zu stark zwischen der Kirche und ihren Gliedern.

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(2) Vor allem aber geht sie nicht auf die Problematik der Sünde im amtlichen Handeln der Kirche ein.

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b) Die Kirche ist heilig und sündenlos in ihrem Wesen, aber sündhaft in ihrem geschichtlichen Dasein:

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 Das ist die Position von verschiedene Autoren vor dem zweiten Weltkrieg.

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Kritik: Diese Unterscheidung wurde de facto so verstanden, daß sie zur alten Unterscheidung zurückführte: die Kirche als solche ist heilig, nur in ihrer geschichtlichen Erscheinung, d.h. in ihren einzelnen Glieder ist sie sündhaft.

457
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c) Karl Rahner:(8)

458
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Rahner geht vom Gedanken aus, daß die Kirche nicht über den Köpfen ihrer Glieder existiert, sondern daß sie ganz in ihren Gliedern verwirklicht ist. Daraus folgert er: 1. Weil die sündigen Glieder real zur Kirche gehören, ist die Kirche selber sündig. 2. Die Kirche ist vor allem auch darin sündig, daß die amtlichen Vertreter in ihrem amtlichen Handeln sündigen können. Die Kirche ist folglich in ihrem Erscheinungsbild heilig und sündig zugleich. Aber Heiligkeit und Sünde stehen nicht in gleicher Beziehung zu ihrem Wesen. Die Sünde steht im Widerspruch zu ihr, während die Heiligkeit zu ihrem Wesen gehört.

459
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d) Hans Urs v.Balthasar: (9)

460
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Balthasar verfolgt die Thematik der Sünde in der Kirche vor allem unter dem patristische Thema "Die heilige Hure" (oder "Die keusche Hure"). Dieses eindrückliche Bild wird bei ihm aber nicht näher geklärt.

461
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 e) Zweites Vatikanisches Konzil:

462
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"Die Kirche ist zugleich heilig und stets der Reinigung bedürftig (ecclesia semper purificanda), sie geht immerfort den Weg der Buße und Erneuerung" (LG 8).Wenn die Kirche selber stets der Reinigung bedarf, dann ist vorausgesetzt, daß sie irgendwie sündig ist, auch wenn dies nicht direkt gesagt wird. In LG 11 heißt es ferner, daß die Gläubigen durch ihre Sünden die Kirche "verwunden".

463
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Im "Dekret über den Ökumenismus" (Unitatis redintegratio) wird näher geklärt, in welchen Bereichen die Kirche sündig sein kann:

464
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"...es kam zur Trennung recht großer Gemeinschaften von der vollen Gemeinschaft der katholischen Kirche, oft nicht ohne Schuld der Menschen auf beiden Seiten" (UR 3)."Die Kirche wird auf dem Wege ihrer Pilgerschaft von Christus zu dieser dauernden Erneuerung (renovatio) gerufen, deren sie als menschliche und irdische Einrichtung allzeit bedarf; was also etwa je nach den Umständen und Zeitverhältnissen im sittlichen Leben, in der Kirchenzucht oder auch in der Art der Lehrverkündigung - die vom Glaubensschatz selbst genau unterschieden werden muß - nicht genau genug bewahrt worden ist, muß deshalb zu gegebener Zeit sachgerecht und pflichtgemäß erneuert werden" (UR 6).Gemäß diesen Aussagen bezieht sich die Notwendigkeit der Erneuerung und damit auch die Möglichkeit des Versagens auf folgende Bereiche: 1) das sittliche Leben der Glieder der Kirche; 2) die Kirchenzucht; 3) die Art der Lehrverkündigung, und damit 4) die Mitschuld an Spaltungen.

465
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Durch diese Punkte wird zwar deutlich auf amtliches Versagen hingewiesen; die Tragweite der Problematik wird jedoch durch die vorsichtige Beschreibung eher nochmals verschleiert (z.B. die andauernden Spaltungen in der Kirche oder die enormen Unrechts- und Greueltaten, die aus der Überzeugung heraus begangen wurden, mit Gewaltmitteln die Interessen der Kirche verfechten zu müssen, werden nicht erwähnt).

466
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Obwohl es in Lumen gentium ein ganzes Kapitel zum Thema "Berufung zur Heiligkeit" gibt, wird die Problematik der sündigen Kirche nirgends direkt behandelt, sondern es finden sich nur zerstreute Bemerkungen in verschiedenen Konstitutionen oder Dekreten.

467
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4.5.2 Heiligkeit Christi und Heiligkeit der Kirche

468
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Die Kirche gründet im Wirken und in der Person Jesu Christi, deshalb ist ihre Heiligkeit letztlich auf ihn zurückzuführen.

469
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a) Die Menschheit Christi wird einerseits vom Logos getragen und anderseits vom Hl.Geist gesalbt. Sie hat deshalb in doppelter Weise einen besonderen Anteil an der Heiligkeit Gottes. Diese zeigt sich auch im menschlichen Verhalten Jesu (Hingabe des Lebens für andere, und zwar für Feinde).

470
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b) Zum "Christus totus" gehören sowohl das Haupt wie die Glieder, weshalb auch diese Anteil an der Heiligkeit des Hauptes haben. Diese Anteilhabe zeigt sich auf verschiedene Weise. Jene partizipieren ohne Hindernissse an der Heiligkeit Christi, die bereits in die himmlische Vollendung mit ihm eingegangen sind (allen voran Maria, die als Sündenreine bekannt wird).

471
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c) Wenn im Credo die Kirche als heilig bekannt wird, dann ist damit nicht nur die himmlische, sondern auch die irdische Kirche gemeint. Hier stellt sich jedoch aufgrund der Erfahrung der Kirchengeschichte das große Problem, das wir oben angesprochen haben.

472
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4.5.3 Heiligkeit der irdischen Kirche im Licht der eucharistischen Ekklesiologie

473
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Gemäß der sakramental-eucharistischen Ekklesiologie handelt in der Liturgie der "Christus totus". Die Heiligkeit der Handlung hängt dabei ganz von der Heiligkeit der Handelnden ab, nämlich von Christus und von den Gliedern seines Leibes, sofern sie nicht im eigenen Namen, sondern als "Bezeichnete" handeln

474
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4.5.3.1 These:Die Kirche ist in ihren (sakramental-liturgischen) Grundvollzügen sündenfrei.

475
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4.5.3.2 Argumente:

476
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(1)Da die sakramental-liturgischen Feiern Grundvollzüge der Kirche sind (10), handeln in ihnen einerseits Christus und anderseits die Gläubigen, insofern sie getauft (und geweiht) sind, d.h. insofern sie durch den "Charakter" am Priestertum Christi Anteil haben. Als "Bezeichnete" handeln sie folglich nicht in ihrem eigenen Namen, sondern im Namen Christi und der Kirche. Unter dieser Rücksicht ist ihr Tun frei von Sünde.

477
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(2) Die traditionelle Sakramententheologie hat immer betont, daß die Wirksamkeit der Sakramente nicht von der persönlichen Heiligkeit des Spenders abhängt, sondern daß die kirchlichen Handlungen ex opere operato (kraft des vollzogenen Ritus) wirken. Dies ist nur eine andere Ausdrucksweise dafür, daß die handelnden Gläubigen nicht in eigener Vollmacht, sondern als Bezeichnete und im Namen dessen wirken, auf den sie sich berufen.

478
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(3) Die traditionelle Theologie hat auch betont, daß im Meßopfer das Opfer Christi neu gegenwärtig wird. Diese Sicht haben wir insofern ausgeweitet, als sich ergeben hat, daß das ganze Erlösungs- und Gründungsgeschehen der Kirche in der eucharistischen Eucharistie neu gegenwärtig gesetzt wird. Da dieses Geschehen in Christus ganz sündenfrei ist, muß auch die Feier, in der es gegenwärtig wird, seiner Grundform nach sündenfrei sein.

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4.5.3.3 Unterscheidungen

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Diese Sicht bringt mit sich, daß im Handeln der Kirche und der Gläubigen drei Bereiche zu unterscheiden sind:

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(1)Das sakramentale Handeln, das im Auftrag und in voller Einheit mit Christus geschieht und das sündenfrei ist.

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Unfehlbare Entscheidungen von Konzilien und Päpsten, die auch zur Heiligkeit gehören, müssen deshalb ganz im Rahmen des sakramentalen Handelns gesehen werden, und sie können sich nur auf Wahrheiten beziehen, die zum sakramentalen Handeln gehören.

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(2)Das außersakramentale, amtliche Handeln der Kirche, das im weiteren Sinn auch in der Sendung durch Christus geschieht, das aber doch nicht so mit Christus eins ist, daß die Sünde ausgeschlossen wäre.

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Hier sind subtile Verwechslungen besonders leicht möglich und hier stellt sich deshalb das Hauptproblem. Nur durch die Rückbindung an die liturgische Feier und an das Kollegium der Bischöfe können Amtsträger verhindern, daß ihre persönlichen Vorurteile allzu sehr ihr amtliches Handeln bestimmen.

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(3)Das private Handeln der Gläubigen und der Amtsträger, das ganz von der Sünde geprägt sein kann. Weil dieses Handeln privat ist, läßt es sich im Fall der Sünde auch leichter von der Heiligkeit der Kirche abheben.

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Vgl. ähnliche Unterscheidungen in der Erlösungslehre (Identifizierung Christi mit den Sündern insofern sie Opfer, aber nicht insofern sie Täter sind) und in der Eschatologie (Gericht als Scheidung zwischen Gut und Bös im Menschen).

487
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4.6 Die katholische Kirche

488
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Die Kirche bekennt sich selber als katholisch: Credo in unam, sanctam, catholicam, et apostolicam ecclesiam.

489
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4.6.1 Katholizität und Einheit in der Vielheit

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Durch die Katholizität kommt zum Ausdruck, daß die Kirche alle Völker und Kulturen umfassen soll. Alle Menschen sind deshalb auch auf die Kirche hingeordnet (vgl. LG 13-16)

491
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 Zur Frage der Heilsnotwendigkeit der sichtbaren Kirche und der Taufe: vgl. Vorlesung zur Taufe.

492
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Wegen ihrer Katholizität darf sich die Kirche an keine bestimmte Gestalt (z.B. römische) binden. An Pfingsten haben die vielen versammelten Menschen die Predigt des Petrus je in ihrer Sprache verstanden (Apg 2,5-12), und in der Geschichte der Kirche haben sich zahlreiche Riten und unterschiedliche Kirchenverfassungen herausgebildet, die je ihre Berechtigung haben.

493
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4.6.2 Defiziente Katholizität (das fehlende Judenchristentum)

494
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Die grundlegende Katholizität der Kirche besteht darin, daß sie im Unterschied zum alttestamentlichen Volk Gottes nicht bloß ein Volk, nämlich Israel, umfaßt, sondern Menschen aus allen Völkern - Juden wie Heiden - sammeln will. Der Schritt vom Judentum zum Heidentum geschah nicht problemlos. Im Geschick Jesu ergab er sich durch die Ablehnung seiner Sendung und durch die Allianz von Juden und Heiden gegen ihn. Die nachösterliche Trennung der Kirche vom Judentum war wiederum das Ergebnis eines tiefgehenden Konfliktes. Dennoch gab es am Anfang starke judenchristliche Gemeinden, und die Gemeinde in Jerusalem spielte sogar eine führende Rolle. Wegen der Zerstörung der Stadt im Jahre 70 n.Chr. löste sich diese Gemeinde aber auf und die führende Rolle ging an heidenchristliche Gemeinden, vor allem an die römische über. Das Judenchristentum geriet nun immer mehr an den Rand und löste sich schließlich sogar auf.

495
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Israel wurde von Gott als sein Volk erwählt und diese Erwählung ist unwiderruflich (vgl. Röm 11). Das Fehlen Israels in der Kirche kann deshalb nicht mit dem Fehlen irgendeines anderen Volkes verglichen werden. Bouyer urteilt:

496
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"Wenn dies alles wahr ist - und daran ist nicht zu zweifeln - dann kann das Juden-Christentum keinesfalls als eine nur vorübergehende Phase des Christentums betrachtet werden, die durch ein siegreiches Heiden-Christentum für immer abgelöst worden wäre. Die christliche Synthese ist immer neu anzustreben und wird bis zur Parusie nicht vollendet sein, und sie kann es nur, indem sie in Fühlung bleibt mit ihrer ersten und in gewissem Sinn endgültigen Ausdrucksgestalt, dem Evangelium, in den Kategorien und Formen des Judaismus; ist doch dies die einzige Ausdrucksgestalt, die Christen im ursprünglichen Sinn als inspiriert betrachten können. Daraus folgt, daß das Judenchristentum, wie Paulus es erkannt und verkündet hat, und Petrus es zweifellos schon vor ihm ahnte, zwar nicht die einzige Form von Christentum zu sein braucht, aber dennoch für alle Zeiten seine erzeugende Form bleibt, an der alle Nachfolgenden sich immer wieder als an der Quelle regenerieren müssen." (Bouyer, Kirche II, 387).Bouyer spricht deshalb auch mit Recht von einer "angeborenen Schwäche" und einer "Defizienz" der Kirche (Bouyer, Kirche II,384), und Balthasar redet - Bouyer aufgreifend - von einer "kongenitalen Defizienz" (11) bezüglich der Katholizität der Kirche.

497
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Weil die heidenchristliche Kirche lange Zeit ihre Defizienz nicht erkannt und sich - ausdrücklich gegen Röm 11 - über die Juden erhoben hat, ist sie dem Antisemitismus verfallen. Die Urspaltung zwischen Judenchristentum und Heidenchristentum dürfte die späteren Spaltungen in der Kirche begünstigt haben.

498
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4.7 Die apostolische Kirche

499
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Die Kirche bekennt sich selber als apostolische Kirche: Credo in unam, sanctam, catholicam et apostolicam ecclesiam.

500
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Mit dem Bekenntnis zur Apostolizität ist gemeint, daß die Kirche auf dem Fundament der Apostel und ihrer Lehre, die der Hl.Schrift zeitlich vorausging, aufgebaut ist. Der Epheserbrief sagt diesbezüglich eindeutig:

501
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"Ihr seid auf das Fundament der Apostel und Propheten gebaut; der Schlußstein ist Christus Jesus selbst" (Eph 2,20). (Mit den "Propheten" sind die neutestamentlichen Propheten gemeint.)

502
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Warum braucht die Kirche neben Christus noch ein weiteres Fundament? Mit dieser Frage rühren wir an einen Punkt, der für das ganze Offenbarungs- und Kirchenverständnis von großer Bedeutung ist. Jesus Christus hat selber kein Buch geschrieben, sondern hat seine Botschaft lebendigen Zeugen anvertraut, und der Hl. Geist hat diese in menschliche Herzen eingeschrieben. Der apostolische Charakter der Kirche bringt besonders deutlich zum Ausdruck, daß die christliche Religion - etwa im Unterschied zum Islam - keine Buchreligion ist, obwohl sie auch ein hl. Buch besitzt, sondern daß die Verbindung zwischen dem lebendigen Wort Christi und dem Glauben der Kirche durch das lebendige Zeugnis von Menschen, durch die Apostel, hergestellt wird (Ereignis, nicht toter Buchstabe).

503
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Zur Apostolizität der gesamten Kirche gehört nach dem Verständnis der römisch-katholischen und der orthodoxen Kirche auch die Sukzession im apostolischen Amt, d.h. im bischöflichen Amt.

504
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 Zu dieser Problematik: vgl. Vorlesung zum Sakrament des Ordo.

505
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Anmerkungen:

506
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1. "Besonders seit Leo XIII. haben die Päpste öfters die Gültigkeit der ostkirchlichen Sakramente anerkannt. Dadurch weiß sich die katholische Kirche in engster Weise ("arctissima necessitudine") mit den Ostkirchen verbunden." (LThK. Das Zweite Vatikanische Konzil II, 100)

507
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2. Papst Paul VI und Papst Johnnes Paul II haben die orthodoxen Kirchen als "Schwesterkirchen" bezeichnet (vgl. Rede von Johannes Paul II in der St.Nikolauskirche in Bialystok vom 5.Juni 1991).

508
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3. Auch Kardinal Ratzinger ist der Ansicht, daß nichts, was über die große Tradition und die eucharistische Sicht hinaus geht, dogmatisch notwendig ist. In einem Vortrag von 1976 (Graz), den er als Kardinal wieder veröffentlicht hat, sagte er, zu welchen Folgerungen er selber gekommen ist:

509
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"Rom muß vom Osten nicht mehr an Primatslehre fordern, als auch im ersten Jahrtausend formuliert und gelebt wurde. Wenn Patriarch Athenagoras am 25.7.1967 beim Besuch des Papstes im Phanar diesen als Nachfolger Petri, als den ersten an Ehre unter uns, den Vorsitzer der Liebe, benannte, findet sich im Mund dieses großen Kirchenführers der wesentliche Gehalt der Primatsaussagen des ersten Jahrtausends, und mehr muß Rom nicht verlangen. Die Einigung könnte hier auf der Basis geschehen, daß einerseits der Osten darauf verzichtet, die westliche Entwicklung des zweiten Jahrtausends als häretisch zu bekämpfen und die katholische Kirche in der Gestalt als rechtmäßig und rechtgläubig akzeptiert, die sie in dieser Entwicklung gefunden hat, während umgekehrt der Westen die Kirche des Ostens in der Gestalt, die sie sich bewahrt hat, als rechtgläubig und rechtmäßig anerkennt." (Joseph Kardinal Ratzinger, Theologische Prinzipienlehre (1982), 209. vgl. drs, Das Neue Volk Gottes, 142.

510
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4. Diese dogmatische Wahrheit läßt verschiedene juristische Ausformulierungen zu. Die Lehre Jurisdiktionsprimat in der Formulierung vom Vaticanum I ist eine Extremposition, die dogmatisch gerade noch möglich ist, die aber langfristig der Einheit der Kirche eher schaden als nützen dürfte.

511
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5. Paul VI hat einmal begonnen, die Konzilien in der westlichen Kirche nach der Spaltung vom Osten neu zu zählen und nicht mehr als ökumenische zu bezeichen. Lyon II (1274) zählte er nur noch als "sextum concilium inter generales synodes in occidentale orbe" (AAS 66 [1974] 620; vgl. Bouyer,Kirche II, 413-415).

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6. "Ich bin der Überzeugung, daß das Vaticanum I und das Vaticanum II grundsätzlich auf der theologischen Ebene hier einen erhelichen Spielraum offenlassen zur sinnvollen Selbstbeschränkung des päpstlichen Jurisdiktionsprimats. Der Primat ist nicht - wie manche Interpreten vorgeben, ein Universalepiskopat über die ganze Kirche, der Papst ist nicht einfach der Bischof für die ganze Welt, ein `Superbischof'." K.Lehmann, Grundlinien und Probleme des ökumenischen Petrusdienstes. In: Das Petrusamt. Hg. D.Bader, Freiburg i.Br. 1982, 145.

513
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7. vgl. Ch.Konstantinidis, Autorität in der orthodoxen Kirche. In: Ökum. Rundschau 31(1982) 31-47)

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8. Karl Rahner, Die Kirche der Sünder. Erstmals in: Die Stimmen der Zeit 140 [1947] 163-177, sowie in: Schriften zur Theologie, Bd. VI, 301-320.

515
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9. H.U.v.Balthasar, Wer ist die Kirche?

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10. Vgl. K.Rahner, Kirche und Sakramente (QD 10), Freiburg i.Br. 1960.

517
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11. H.U.v.Balthasar, Die Absolutheit des Christentums und die Katholizität der Kirche. In: Absolutheit des Christentums, Hg.v. W.Kasper (QD 79) 137-147.

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