Selten war ein Videospiel so ‚meta‘ wie das 2013 erschienene ‚The Stanley Parable‘ und erzielte damit auch noch breiten Erfolg. Alles steht Kopf, nichts ist wie gewohnt und selbst dem Erzähler ist nicht zu trauen. ‚The Stanley Parable‘ regt auf satirische Weise zum Hinterfragen der Konventionen des Mediums an, weshalb die Forschungsgruppe Game Studies am 28.03.2023 zu einer interaktiven Spielung der selbstironisch ‚Ultra Deluxe‘ betitelten Version des Spieles unter lautstarker Beteiligung des Publikums einlud. Im Anschluss an die Spielung, die Louise Fuller (Institut für Psychologie) leitete, diskutierte diese zusammen mit Gernot Howanitz (Institut für Slawistik), Magdalena Leichter (Institut für Vergleichende Literaturwissenschaft), Felix Tenhaef (Institut für Kunstgeschichte) und Tobias Unterhuber (Institut für Germanistik) unter der Moderation von Franziska Ascher (Institut für Germanistik) über die Besonderheiten des Spiels.
Howanitz widmete sich zwei Ebenen der Narration, nämlich der sehr präsenten Erzählstimme und dem sogenannten ‚environmental storytelling’: Der Raum in ‚The Stanley Parable‘ erzählt nämlich eine Geschichte bzw. sogar mehrere Geschichten. Dies ist in fast jedem Computerspiel der Fall, aber ‚The Stanley Parable‘ präsentiert der Spielerin oder dem Spieler immer wieder unmögliche Räume, etwa im wahrsten Sinne des Wortes endlose Korridore oder Zimmerfluchten, in denen die Spielfigur immer wieder am Ausgangspunkt landet. Der Raum in diesem Spiel ist also unausweichlich. Dies betrifft sogar den Erzähler, der zunächst allwissend und allmächtig auftritt; allerdings stellen wir beim Spielen sehr schnell fest, dass er gegen den Raum und das Spielsystem keine Chance hat.
Für Leichter stellt ‚The Stanley Parable‘ in seiner Struktur einen begehbaren Hypertext dar, der Aufmerksamkeit auf sein eigenes Funktionieren lenkt. Somit werden Spieler:innen von einer semantischen Ebene auf eine strukturelle Ebene geführt, die ein Bespielen der Spielstrukturen an sich erlaubt, wenn die Spieler:innen sich dem Hypertext, dessen Mechaniken und Ziele bewusst werden. Es ist ein Spielen um das Finden der möglichen Geschichten und Spielmechaniken, wodurch der spielerische Umgang mit den Strukturen zum Inhalt des Spiels wird.
Tenhaef wiederum machte das Argument stark, dass diese Meta-Reflexionen dem Spiel seit der ersten Veröffentlichung als Mod des Spiels „Half Life“ immer schon eingeschrieben war und somit auch produktionsästhetisch die eigene Verfasstheit Thema von Beginn an Thema war. In diesen sich immer weitertreibenden Meta-Schleifen scheint auch kein Ausbrechen aus dem Rahmen der Narration möglich, denn jedes Ende des Spieles ist diesem Eingeschrieben, jede Reflexion schon angelegt und Momente der Verweigerung müssen unter Kraftanstrengung gefunden werden.
Abschließend argumentierte Unterhuber, dass ein Ausbrechen aus „The Stanley Parable“ letztlich gar nicht möglich sei, denn selbst die Entscheidung das Spiel nicht zu spielen führt nur dazu, dass nach fünf Jahren ein Achievement freigespielt wird, dass das Ignorieren des Spiels mit einer Trophäe belohnt. Nicht einmal im Moment der Verweigerung wird den Spieler:innen ein Ausbrechen aus der Struktur erlaubt.
Im Anschluss gab es noch spannende Diskussionen mit Fragen und Anregungen aus dem Publikum, die weitere Blickwinkel auf die zuvor aufgeworfenen Punkte boten und neue Ansätze zur Analyse des Spiels boten. Die Forschungsgruppe möchte sich hiermit noch bei dem Publikum für die rege Diskussion und dem Forschungsschwerpunkt „Kulturelle Begegnungen – Kulturelle Konflikte“ für die finanzielle Unterstützung bedanken. Nachdem das Interesse am Licht-Spiel-haus alle Erwartungen übertroffen hat, ist die dritte Ausgabe bereits in Planung.
(Franziska Ascher, Gernot Howanitz und Dejan Lukovic)