Pilzesammlerinnen und -sammler wurden heuer vor allem im Frühsommer und im Herbst in den heimischen Wäldern fündig. Martin Kirchmair war vor allem von der Fülle an Steinpilzen begeistert. Aber auch andere bekannte Speisepilze wie Eierschwammerl oder Parasol wurden von den Pilzinteressierten gesammelt. Dabei wachsen in den heimischen Wäldern viel mehr als nur die bekannten Sorten, auch wenn nicht alle für den Verzehr geeignet sind. „Etwa 5.000 Sorten von Großpilzen, ab einer Höhe von etwa einem Zentimeter, wurden bereits allein in Tirol beschrieben. Jährlich erweitert sich dieses Spektrum und neue Funde kommen hinzu. Weltweit sind bereits bis zu 200.000 Pilzarten bekannt, wobei Schätzungen etwa 10 Millionen vermuten“, beschreibt der Mikrobiologe die Vielfalt der Pilze weltweit und in Tirol, die vor allem in Mischwäldern besonders groß ist. Beim Sammeln ist darauf zu achten, dass das von der Tiroler Pilzschutzverordnung vorgeschriebene Limit von zwei Kilogramm pro Person eingehalten wird.
Erscheinungsbild
Der Purpurröhrling, der falsche Satansröhrling, der Faltentintling, Scheidenstreifling oder der Mohrenkopf sind nur einige der klingenden Namen von Pilzen, die in Tirol zu finden sind. Dass aus einigen der Pilze auch eine herbstliche Mahlzeit wird, ist nicht das Hauptinteresse von Kirchmair. Ihn fasziniert vielmehr das riesige Spektrum an unterschiedlichen Formen, Farben und Gerüchen. „Pilze sind einfach wunderschöne Organismen!“ Der Pilzexperte erklärt, dass derselbe Pilz von dem Zeitpunkt an, an dem er aus der Erde schlüpft, bis hin zu seinem Verfall unterschiedliche Stadien durchläuft, in denen sich auch sein Erscheinungsbild maßgeblich verändert. „Sich bei der Bestimmung von unbekannten Pilzen auf Pilzbücher zu verlassen ist leider nicht ratsam. Zu wenig eindeutig sind die abgebildeten Pilze und zu variabel das tatsächliche Erscheinungsbild der Organismen im Wald“, verdeutlicht der Wissenschaftler. „Pilzbücher sind immer nur so gut wie der Sammler selbst.“ Als Faustregel empfiehlt Kirchmair, nur jene Pilze zu essen, die auch eindeutig erkannt werden. Als Experte wird Kirchmair auch von Ärzten, Kliniken und der Vergiftungszentrale zur Identifikation von Pilzresten, die zu einer möglichen Vergiftung geführt haben, hinzugezogen. „Leider kommt es immer wieder vor, dass ein Knollenblätterpilz oder andere, auch weniger giftige Pilze, verspeist werden. Hier ist es wichtig, sofort alle notwendigen Schritte einzuleiten, um die Patientinnen und Patienten zu therapieren“, verdeutlicht Kirchmair. Die Beliebtheit von Steinpilzen und Eierschwammerln hat nicht zuletzt damit zu tun, dass sie zu den am besten schmeckenden Pilzen gehören. „Auch als Kenner der Pilze lerne ich immer noch dazu. Um Sorten eindeutig zu identifizieren, ist es notwendig, die variablen Erscheinungsbilder desselben Pilzes zu studieren“, so Kirchmair.
Mit allen Sinnen
Nicht alle Pilze sind geschmacklich interessant, haben aber ein umso schöneres Erscheinungsbild. „Pilzsorten zu bestimmen macht mir große Freude, vor allem, weil man dabei alle seine Sinne schärfen kann“, erzählt der Mikrobiologe. Nur mit einem geschulten Auge erkennt der Experte die oft minimalen Unterschiede zwischen den Merkmalen. Um sicher zu gehen, ist es auch notwendig, die Festigkeit des Fruchtkörpers zu überprüfen. Erstaunlicherweise sind viele Pilze aber auch noch an einer weiteren charakteristischen Eigenschaft eindeutig erkennbar – dem Geruch. Der charakteristische Duft spezifischer Pilzsorten hilft maßgeblich bei der Bestimmung. „Einer meiner Lieblingsdüfte steigt den Sammlerinnen und Sammlern in die Nase, wenn man am Goldfuchsigen Dickfuß riecht. Der unverkennbare Geruch einer Dampflokomotive oder eines heißen Bügeleisens ist ein eindeutiges Erkennungsmerkmal in der Welt der Pilze. Wieder andere riechen nach Marzipan, Mehl oder nach Schmierseife“, schmunzelt Kirchmair. Die Organismen selbst wollen damit weniger die menschliche Nase beeindrucken, als vielmehr Tiere anlocken oder Fressfeinde fernhalten. „Über die Düfte werden Botenstoffe ausgesendet, die den Tieren spezifische Signale vermitteln. Die unter der Erde wachsenden Trüffel müssen beispielsweise von Wildschweinen gefressen werden, damit sich ihre Sporen über deren Losung im Wald verteilt und sich ein neues Pilzmyzel entwickeln kann. Der intensive Brunftgeruch lockt vor allem Bachen an, die mit ihrer feinen Nase den Pilz finden, ihn ausgraben und fressen“, so der Experte. Geruch, Geschmack und Haptik sind wichtige Parameter, um sich in der vielfältigen Welt der Pilze zu orientieren. So wird nicht nur das Sammeln im Wald, sondern auch die anschließende Bestimmung zu einem Erlebnis für alle Sinne.
Über Pilze lernen
Martin Kirchmair möchte sein Wissen über Pilze nicht nur mit Studierenden und Kolleginnen und Kollegen, sondern auch mit interessierten Tirolerinnen und Tirolern teilen. Im Rahmen von geführten Waldspaziergängen und offenen Pilzberatungen geben der Wissenschaftler und sein Team vom Pilzverein Tirol den Menschen viele wertvolle Tipps rund um das Thema Pilze. „Diese Organismen sind so charismatisch, dass man den Teilnehmenden nicht nur Wissenswertes über Pilze, sondern auch viel über die biologie allgemein vermitteln kann“, so Kirchmair. Von der Kunde der Böden und der Wälder bis hin zum Schutz der Habitate und Ökosysteme lernen die Teilnehmenden viel Neues. „Die Vielzahl an Pilzen in Tirol ist so groß, dass wir bei einer gemeinsamen Pilzsuche im Wald innerhalb von zwei Stunden bereits über 100 Sorten gesammelt haben. Die Anzahl der Suchenden erhöht auch die Chance, neue Arten oder Raritäten zu entdecken“, ist der Experte begeistert. Die gut besuchten Pilzführungen werden auch in der nächsten Saison wieder angeboten. „Es ist mir ein Anliegen, das an der Universität gesammelte Wissen über diese großartigen Organismen auch an die interessierte Bevölkerung weiterzugeben.“ Der Steinpilz, das Eierschwammerl und der Parasol schmecken hervorragend. Aber erst der bewusste Waldspaziergang macht dem Wandernden die unglaubliche Vielzahl an Pilzen bewusst. Auch wenn viele davon keine Speisepilze sind, so sind sie doch sehr schön zu betrachten.
Dieser Artikel ist in der aktuellen Ausgabe des Magazins „wissenswert“ erschienen. Eine digitale Version ist hier zu finden (PDF).