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Niewiadomski Jozef: Gott, um des Menschen willen lieben ..
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Gott, um des Menschen willen lieben ..
(Eine Predigt zum 31. Sonntag im Jahreskreis, Lesejahr B)

Autor:Niewiadomski Jozef
Veröffentlichung:
Kategoriepredigt
Abstrakt:
Publiziert in:
Datum:2012-11-05

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

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Eine Predigt zum 31. Sonntag im Jahreskreis, Lesejahr B: Dtn 6,2-6; Mk12,28-34; gehalten am 4. November 2012 in der Jesuitenkirche.

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Zwei Kurzgeschichten zum Doppelgebot der Gottes- und Nächstenliebe. Zuerst eine alte rabbinische Story. Eines Tages lud Abraham einen Bettler zum Essen ein. Als dann im Zelt das Tischgebet gesprochen wurde, da begann der Mann Gott zu verfluchten. Zur Rede gestellt, erklärte der Bettler, er könne es nicht ertragen, Gottes Namen auch nur zu hören. Abraham zeigte sich empört. Empört warf er auch seinen Gast - den Gotteslästerer - aus dem Zelt hinaus. Als er dann abends betete, sagte Gott zu ihm: „Dieser Mann, den du heute geladen hast, hat mich fünfzig Jahre lang verflucht und mir geschmäht. Und ich? Ich habe ihm jeden Tag den Segen geschenkt und ihm doch zu essen gegeben. Konntest Du dich nicht wenigstens während einer Mahlzeit mit ihm abfinden...?”

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Und dann eine Geschichte über den preußischen König Friedrich Wilhelm. Aufbrausend! Das war er wohl. Berüchtigt waren auch seine Eskapaden. Allein ging er durch die Straßen Berlins spazieren. Mit einem Stock in der Hand! Lief ihm etwas über die Leber, gefiel ihm einer der Vorübergehenden nicht, so zögerte er nicht. König Friedrich Wilhelm von Preußen griff nach seinem Stock und schlug das arme Opfer. Kein Wunder, dass die Leute sich davonmachten, sobald sie den König von Weitem kommen sahen. Eines Tages schaffte es ein Mann nicht sich zu verstecken. „Hey Du... da, wohin gehst du?” Der Mann begann zu zittern. „In dieses haus hier, Eure Majestät!” „Ist das dein haus?” „Nein, Eure Majestät.” „Das haus deines Freundes?” „Nein, Eure Majestät.” „Warum gehst du dann hinein?” Der Mann bekam mit der Angst zu tun, der König könnte ihn für einen Einbrecher halten. Also platzte er mit der Wahrheit heraus: „UM Eurer Majestät aus dem Wege zu gehen!” „Warum wolltest du mir aus dem Wege gehen?” „Weil ich vor eurer Majestät Angst habe.” Da wurde der König zornig. Er packte den armen Mann bei der Schulter, schüttelte ihn heftig und schrie: „Wie kannst du es wagen, Angst vor mir zu haben. Ich bin doch dein König und dein Herr. Lieben sollst du mich! Hast du gehört? Liebe mich, du Schuft. Du sollst mich lieben!” Und er schlug den armen Mann mit seinem Stock.

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Liebe Schwestern und Brüder, Du sollst den Herrn, deinen Gott lieben aus ganzem Herzen. Ja, du sollst ihn fürchten. Und du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst! Leichter gesagt als getan. Viele, allzu viele Menschen verbinden heutzutage mit diesem fordernden Gott doch nur Bilder und Assoziationen, die aus unserer Geschichte über den preußischen König stammen könnten. Weil sie am tiefsten Abgrund ihrer Seele Angst vor Gott haben, gehen sie ihm aus dem Weg, wo sie nur können. Und sie gehen ihm aus dem weg, verstecken sich in erst bester Behausung, weil sie selber oder auch die Ihrigen mit solchen Abrahams konfrontiert wurden: mit Menschen, die zwar selber Gott fürchten und lieben, die aber gerade deswegen jeden Kritiker, gar den Zweifler, vom Gotteslästerer schon ganz zu schweigen aus ihrer Mitte vertreiben: Anathema sit! Menschen gehen Gott aus dem weg nicht zuletzt aber auch deswgen, weil sie in ihrem Leben mit Gott liebenden Menschen konfrontiert wurden, die wie der preußische König ihre eigenen Launen und Gelüste und auch ihre Angst an ihren Mitmenschen ausgelebt haben. Und den Stock, mit dem sie die Menschen schlugen, als Rute Gottes ausgegeben haben. Kein Wunder, dass viele Zeitgenossen unter Gott sich nur noch einen solchen eingebildeten preußischen König vorstellen können: einen König, der zwar für Ordnung sorgen möchte, diese Ordnung aber mit Gewalt und Menschenverachtung erkauft. Und der dazu noch die Untertanenliebe auf Befehlt verordnet.

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„Nein! Von einem solchen Gott habe ich die Schnauze voll” - sagen viele. „Um der Qualität des Lebens willen, meines Lebens und auch des Lebens meiner Mitmenschen, um der Qualität des Lebens willen gehe ich diesem Gott aus dem weg. Und auch seinen Gläubigen, den vielen Fundis, die ihre Mitmenschen zwar zum Essen einladen würden, ihren Mitmenschen zwar Nächstenliebe zeigen wollen, deswegen auch Caritas auf ihren Bannen schreiben, die aber beim ersten Anzeichen von fehlender Frömmigkeit, vom Zweifel oder auch Zynismus, den Menschen vor die Tür setzen. Weil sie die Religionskritiker und Gotteslästerer nicht ertragen...”

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„Nein! Das stimmt nicht. Das sind doch bloß Zerrbilder” - möchten wir ausrufen. „Zerrbilder, die zwar den cantus firmus: die Melodienführung in unserer öffentlichen Diskussion über Religion bestimmen, die aber der Wahrheit nicht entsprechen.” Wir, die wir uns zum Gottesdienst versammelt haben und darunter leiden, dass unsere Kultur nur Zerrbilder von Gott zu pflegen scheint, weil wir halt davon überzeugt sind, dass die Bindung an Gott doch der beste Garant der Humanität in unserer Welt sei. Dass ohne den Transzendenzbezug die Humanität mittelfristig zur Bestialität verkommt. Dass eine Kultur, die sich von Gott verabschiedet, über kurz oder lang sich auch vom Menschen verabschieden wird: weil der Mensch selber nicht die Maßstäbe hat, an denen er den Grad der Humanität bestimmen kann, weil er vor sich selber

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geschützt werden muss! Damit er nicht zur entfesselten Bestie wird. Wir, die Gläubigen, Menschen, die Gott und den Nächsten und auch sich selber zu lieben suchten, würden - angesichts der immer wieder ausbrechenden Kulturkämpfe - doch hin und wieder am liebsten zum Stock greifen und wie der Friedrich Wilhelm in unserer Geschichte, den vor Gott und der Kirchen fliehenden modernen Menschen am liebsten versohlen. Immer und immer wieder ertappen wir uns, ertappt sich auch die „offizielle Kirche” beim Zweifel, ob denn die „preußischen Methoden” doch nicht den besseren Evangelisierungsweg abgeben würden, als jene Wege und Umwege, die man in der nachkonziliaren Kirche eingeschlagen hat, wo es doch heißt: „Der Mensch ist der Weg der Kirche”.

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Uns allen, gerade uns, die wir uns zum Gottesdienst versammeln erscheint Gott bei dieser Eucharistiefeier - genauso wie er dem betenden Abraham erschienen ist - und mahnt uns mit Worten, die nur auf den ersten Blick harmlos zu sein scheinen. „Seit es Menschen auf der Welt gibt, ertrage ich Zweifler und Kritiker und auch Gotteslästerer, lasse gar meine Sonne über Gerechte und Ungerechte aufgehen, meinen Föhn über Religionskritiker und die Apologeten der Religion hinwegblasen und auch meinen Regen über Gerechte und Sünder - also auch über euch - regnen. Mehr noch: ich habe mich euch und euren Händen überlassen - ausgeliefert - und oft auch erfahren müssen, dass ihr auch schlägt, dass ihr ausgrenzt, dass ihr in meinem Namen Menschen an den Pranger stellt. Nicht, weil ihr bös seid, sondern, weil ihr Angst habt, Angst vor einer Welt ohne Gott. Weil also euer Vertrauen in meine Liebe brüchig ist. Euch primär, nicht denen die draußen vor der Tür sind und Angst vor mir zu haben scheinen, lege ich ans Herz: Ihr dürft mich lieben und euer Vertrauen auf mich setzen. Nicht auf eure Kleingläubigkeit. Nicht die Angst vor einer Welt ohne Gott sei für euch leitend, sondern die Liebe. Liebe, mit der ich euch geliebt habe und mit der ihr mich lieben sollt. Ihr sollt mich lieben gerade um jener Menschen willen, die Angst vor mir zu haben scheinen und mir deswegen auch aus dem Weg gehen. Ihr sollt mich lieben und vor mir lernen, dass ich auch solche Menschen ertrage, dass ich auf für solche Menschen da bin, dass ich ihnen nicht bei jeder Gelegenheit an die Pelle rücke, sie aber genauso wie euch - die Braven und Frommen - begleite. Ihr alle habt doch etwas gemeinsam: die Angst. Ihr, die Angst vor einer Welt ohne Gott, sie - die Anderen - die Angst vor Gott selber. Nur - das sollt ihr schon wissen - ist die Angst kein Prädikat Gottes. Deswegen kann ich mir den Luxus leisten, alle zu lieben, vorbehaltlos zu lieben. Weil ich ja keine Angst habe.” So spricht Gott zu uns in dieser Eucharistiefeier. So stärkt er unser Vertrauen in seine Liebe, eine Liebe, die alles vermag. Alles, nur eines nicht: sie vermag nicht die Liebe mit Gewalt einzuimpfen. Das wäre ja die Quadratur des Kreises. In einem jeden von uns steckt etwas von dem Abraham aus der rabbinischen Geschichte und etwas vom König Friedrich Wilhelm. Ein jeder von uns wird aber auch von Gott geliebt, geliebt gerade so wie er ist. Haben wir also keine Angst. Lassen wir uns von ihm lieben. Vorbehaltlos lieben. Dann werden auch wir liebenswürdiger werden. Schlicht und einfach deswegen, weil wir etwas von unserer Angst verlieren und Geduld geschenkt bekommen: Geduld mit uns selber, Geduld mit unseren Mitmenschen und auch Geduld mit unserer Welt.

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