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Hasitschka Martin: Reiter auf weißem Pferd: Ein kriegerisches Christusbild in der Apokalypse ?
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Reiter auf weißem Pferd: Ein kriegerisches Christusbild in der Apokalypse ?
(Arbeitskreis zum Fakultätstag 2002: Theologie treiben in Zeiten des Krieges)

Autor:Hasitschka Martin, Huber Konrad
Veröffentlichung:
Kategoriekommentar
Abstrakt:
Publiziert in:# Beitrag am Fakultätstag 2002: Theologie treiben in Zeiten des Krieges
Datum:2002-05-07

Inhalt

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Erster Teil (M. Hasitschka)

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In Offb 19,11-21 tritt erneut und zum letzten Mal „das Tier" auf. Dass es sich dabei um eine Chiffre für irdische und politische Macht handelt, ist daran zu erkennen, dass johannes zusammen mit dem Tier die Könige der Erde sieht. Die Absicht des Tieres besteht darin, „den Krieg (polemos) zu machen / führen (poie)" mit Christus. Zwei „Heere" (strateuma) stehen einander gegenüber: Die vom Tier und den Königen der Erde angeführte Heeresmacht und das himmlische Heer, das Jesus nachfolgt. Ein seltsam ungleicher Kampf zeichnet sich ab: irdische Mächte gegen himmlische.

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Als Begleiter des Tieres erscheint erneut und gleichfalls zum letzten Mal der „Falschprophet". johannes ruft seinen Lesern die zwei Hauptaspekte der bisherigen Wirksamkeit / Tätigkeit des Falschpropheten in Erinnerung: (a) Er hat Zeichen getan vor dem Tier und er hat (b) Menschen getäuscht / in die Irre geführt (plana), jene nämlich, die das „Kennzeichen" (charagma) des Tieres empfangen haben und seinem Bild (eikn) gehuldigt haben (proskyne).

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Im ersten Teil des Arbeitskreises werden zwei Schritte unternommen: (1) ein exegetischer Schritt zurück zu Offb 13, wo zum ersten Mal das Tier und der Falschprophet begegnen, und (2) ein historischer Schritt, der in die Situation der Christen von Westkleinasien am Ende des 1. Jh. führt. Bei diesen beiden Schritten kann vielleicht auch der eine oder andere Zündfunke überspringen, der die Apokalypse zu einem brennend aktuellen Text macht.

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1. Offb 13 - das Tier und der falsche Prophet

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Der Vision von Offb 13 geht voraus der Krieg (polemos) im Himmel zwischen Michael und seinen Engeln und dem Drachen / Teufel und seinen Engeln. Der Drache wird „geworfen", hinausgeworfen aus dem Himmel (12,7-9). Seine Macht ist im Grunde schon gebrochen. Er hat nur noch begrenzte Zeit, auf Erden zu wirken. Er, der den Krieg im Himmel verloren hat, führt / macht (poie) nun Krieg (polemos) mit den Christen (12,17). Was dies heißt, wird in Offb 13 und den folgenden Kapiteln veranschaulicht.

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Textausschnitte aus der ersten Hälfte von Offb 13:

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1 Und ich sah aus dem Meer ein Tier heraufsteigend,

habend zehn Hörner und sieben Häupter,

und auf seinen Hörnern zehn Diademe und auf seinen Häuptern Namen der Lästerung.
2 Und das Tier, das ich sah, war gleich einem Panther, und seine Füße wie (die) eines Bären und sein Mund wie (der) Mund eines Löwen.

Und (es) gab ihm der Drache seine Macht und seinen Thron und große Vollmacht.
3 ... Und es staunte die ganze Erde hinter dem Tier (her),
4 und sie huldigten dem Drachen, weil er gab die Vollmacht dem Tier,

und sie huldigten dem Tier sagend:

Wer (ist) gleich dem Tier, und wer kann Krieg führen mit ihm?
7 Und gegeben wurde ihm, zu machen Krieg mit den Heiligen und sie zu besiegen,

und gegeben wurde ihm Vollmacht über jeden Stamm und (jedes) Volk und (jede) Zunge und (jede) Völkerschaft.
8 Und huldigen werden ihm alle Wohnenden auf der Erde ...
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13,1-2
Das Tier (thrion) mit 10 Hörnern und 7 Häuptern wird durch den Drachen / Teufel inthronisiert und verkörpert dessen Wesen und Wirken (vgl. 12,3: der Drache hat 7 Häupter und 10 Hörner). johannes und die Christen empfinden das gesamte Verhalten des Tieres zutiefst als „(Gottes-)Lästerung" (blasphmia - siehe auch 12,5-6).

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13,3b-4
Ein Schlüsselthema der Vision ist die mit Staunen (thaumaz) verbundene Huldigung (proskyne) der ganzen Erde vor dem Tier und dem Drachen. Dass es sich um kultisch-religiöse Verehrung handelt, zeigt auch der aus zwei rhetorischen Fragen bestehende kleine „Hymnus". Die erste Frage („Wer ist gleich dem Tier?") bildet einen Kontrast z.B. zu Ex 15,11 („Wer ist dir gleich unter den Göttern, JHWH?") oder zur Namensbedeutung von Michael (= Wer ist wie Gott?). Die zweite Frage („Wer kann Krieg führen mit ihm?") führt zu dem Thema, das im Text von Offb 19,11-21 eine wichtige Rolle spielt. Es enthält das zum Substantiv „Krieg" (polemos) gehörende Verbum „Krieg führen" (poleme - vgl. 17,14; 19,11).

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13,7
Im Anschluss an diesen sog. „Hymnus" konfrontiert der Text mit der Aussage, dass das Tier dazu in der Lage ist „Krieg zu machen" mit den Heiligen (= Christen) und sie zu „besiegen" (nika). Die Wendung „Krieg machen" (poie polemos) ist dieselbe wie in 12,17 und 19,19.

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Das Tier besitzt auch weltweite Vollmacht (über jeden Stamm, jedes Volk, jede Zunge, jede Völkerschaft). Diese erschreckende Aussage steht in seltsamem Kontrast zu Hoffnungsvisionen der Apokalypse von der Rettung durch Christus in weltweiter Dimension (Stamm, Volk, Zunge, Völkerschaft - 5,9; 7,9).

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13,8
Der Gedanke der universalen Vollmacht des Tieres ist verknüpft mit der Vorstellung weltweiter Huldigung (wieder verwendet johannes das Verbum proskyne huldigen / anbeten).

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Das kurz zuvor (13,3b-4) und jetzt erneut genannte Thema der Anbetung des Tieres weist auf das zentrale Problem hin, mit dem die Christen konfrontiert werden. Für sie ist klar, dass Anbetung Gott allein gebührt - und Christus. Es ist aber nicht ungefährlich, die Anbetung des Tieres zu verweigern.

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In Offb 13 erscheint noch ein zweites Tier. In Offb 19,20 (vgl. 20,10) wird es „Falschprophet / Lügenprophet" (pseudoprophts) bezeichnet.

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Textausschnitte aus der zweiten Hälfte von Offb 13:

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12 ...und es macht, dass die Erde und die auf ihr Wohnenden huldigen dem Tier, dem ersten, ...
13 Und es macht große Zeichen, so dass es auch macht Feuer aus dem Himmel herabsteigen auf die Erde vor den Menschen,
14 und es verführt die Wohnenden auf der Erde durch die Zeichen, die ihm gegeben wurden, (sie) zu machen vor dem Tier,

sagend den Wohnenden auf der Erde, zu machen ein Bild dem Tier ...
16 Und es macht, dass alle, die Kleinen und die Großen und die Reichen und die Armen und die Freien und die Sklaven, sich geben ein Kennzeichen auf ihre rechte Hand oder auf ihre Stirn,
17 und dass niemand kaufen oder verkaufen kann, außer dem, der das Kennzeichen hat, den Namen des Tieres oder die Zahl seines Namens.
18 Hier ist die Weisheit (nötig). Wer Verstand hat, berechne die Zahl des Tieres!

(Die) Zahl eines Menschen nämlich ist sie, und seine Zahl (ist) sechshundertsechsundsechzig.
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13,12:
Das Wirken des zweiten Tieres (= des Falschpropheten) besteht in der Propaganda für das erste Tier und zielt darauf ab, weltweit Menschen zur Huldigung / Anbetung (proskyne) des ersten Tieres zu bewegen (vgl. 13,3b-4 und 13,8!).

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13,13-14:
Es ist diesem Tier „gegeben", „große Zeichen (smeion)" zu „machen" (vgl. 1 Kön 18,38; 2 Kön 1,10.12 [„Feuer aus dem Himmel" - Elija]; Mk 13,22; Mt 14,24; 2 Thess 2,9). Durch diese verführt / täuscht / betrügt es (plana - ein wichtiges Verbum in Offb, vgl. 19,20 sowie 12,9; 20,3.8.10 [der Teufel als Verführer]) die Erdenbewohner. Die Verführung gipfelt darin, dass diese dazu gebracht werden, dem ersten Tier ein „Bild" zu errichten. Der Begriff Bild / Götterbild (eikn) wird in Offb nur im Zusammenhang mit dem Tier verwendet.

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13,16-17a:
Die Anbetung des Tieres prägt das gesamte öffentliche Leben. Am Marktgeschehen kann nur teilnehmen, wer das Kennzeichen (charagma) des Tieres hat. Darunter ist ein Stempel oder ein eingeritztes / eingebranntes Mal oder eine Art Tätowierung (wie z.B. bei Sklaven) zu verstehen.

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Es handelt sich jedenfalls um ein Gegenbild zur Besiegelung (sphragis) der an Christus Glaubenden (vgl. 7,3-4; 14,1). Diese Besiegelung ist Ausdruck der Zugehörigkeit zu Gott.

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Die Einprägung des Kennzeichens (charagma) hingegen ist Zeichen der Zugehörigkeit zum Tier und der Unterordnung unter seine Herrschaft. Wer sich dem Tier widersetzt und nicht bereit ist, das Kennzeichen zu tragen, wird aus Grundvollzügen des öffentlichen Lebens („kaufen oder verkaufen") ausgeschlossen.

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13,17b-18:
johannes bringt folgende Gleichsetzung: Das Kennzeichen des Tieres = der Name des Tieres = die Zahl des Namens des Tieres = die Zahl des Tieres = Zahl eines Menschen (!) = 666. Diese Zahl hat in der Auslegungsgeschichte zu vielen Spekulationen Anlass gegeben.

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Vielfach begnügt man sich mit einem Lösungsvorschlag im Sinne der Gematrie (Deutung von Wörtern mit Hilfe des Zahlenwertes ihrer Buchstaben). Dabei wird folgende Interpretation vorgeschlagen: 666 = rsq @wrn = neron qesar = Kaiser Nero.

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Irenäus (AdvHaer V 28,2) schlägt eine symbolisch-theologische Deutung vor. Er betrachtet die Zahl 666 als Rekapitulation des gesamten Abfalls von Gott (von Anfang der Welt an). Im Grunde aber ist schon für Irenäus eine sichere Aufschlüsselung der geheimnisvollen Zahl nicht mehr möglich (AdvHaer V 30,3 [um 180 n.Chr. verfasst]).

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Wenn in 13,18 betont wird, dass es sich um die Zahl eines Menschen handelt, klingt auch mit: Es ist nur ein Mensch (und nicht Gott).

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Die Vorstellung vom ersten Tier in Offb 13 ist verwurzelt in der Vision von den vier Weltreichen in Dan 7. Die dort beschriebenen vier Tiergestalten (Löwe, Bär, Panther mit vier Häuptern, Ungeheuer mit zehn Hörnern) sind Sinnbilder für vier aufeinanderfolgende Weltreiche: neubabylonisches, medisches, persisches und hellenistisches Reich. Dieses wird unter Antiochus IV. Epiphanes, 175-164 v.Chr. für Israel zu einer Schreckensherrschaft. In dieser Zeit lebt der anonyme Verfasser des Danielbuches.

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Das „Tier" in Offb 13 vereinigt in sich die Merkmale der vier Tiere in Dan 7. Die 7 Häupter bilden die Summe aller Tierhäupter in Dan 7; wie die vierte Tiergestalt in Dan 7 hat auch das Tier an unserer Stelle 10 Hörner. Besondere Ähnlichkeit zwischen dem 4. Tier in Dan 7 und dem Tier in Offb 13 zeigt sich in der Gotteslästerung (Dan 7,8.20.25) und im Krieg mit den an Gott Glaubenden (Dan 7,21).

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Man darf annehmen, dass das Bild vom Tier für johannes und die Christengemeinden von damals eine deutliche Anspielung an das römische Imperium war. Dieses vereinigt in sich gleichsam die vier Weltreiche des Danielbuches.

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Das Bild vom zweiten Tier bzw. Falschpropheten ist verwurzelt vor allem in Mk 13,6.22 (und synoptische Parallelen). Der Gedanke, dass der Falschprophet Menschen dazu bringt, das Bild des Tieres anzubeten, erinnert auch an Dan 3, die Erzählung von den drei Männern im Feuerofen, die damit beginnt, dass Nebukadnezar eine goldene Statue (eikn - Götterbild oder Herrscherbild?) errichten lässt und die Bevölkerung zur Anbetung dieses Standbildes zwingt (Dan 3,1-7).

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Man wird auch an den Bericht des Plinius d. Jüngeren an Kaiser Trajan (um 112 n.Chr.) erinnert (Epistulae X 96), der vom Verfahren gegen die Christen handelt. Der Statthalter Plinius lässt jene Christen frei, die bereit sind, die heidnischen Götter anzurufen, vor dem Standbild des Kaisers sowie vor den Götterbildern Weihrauch und Wein zu opfern und darüber hinaus Christus zu lästern. Ob man so ein Verfahren bereits in der Zeit Domitians (81-96 - Zeit der Abfassung von Offb) voraussetzen kann, ist allerdings fraglich.

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Die beiden Tiere führen zum Thema Herrscher- und Kaiserkult.

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Im Alten Orient und in Ägypten war das Königtum seit jeher von einer religiösen Aura umgeben. Der Herrscher galt als Sohn oder Beauftragter einer Gottheit.

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Den Hintergrund für den Herrscherkult in der griechischen und römischen Antike bilden verschiedene Formen des Personenkultes (profane sowie kultische Verehrung lebender oder verstorbener Persönlichkeiten, speziell von Wohltätern und Heroen).

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  • Alexander d.Gr. (356-323 v.Chr.) wird bei seinem Besuch des Orakelheiligtums des Zeus-Ammon in der Oase Siwa in der Libyschen Wüste (331) vom Orakelpriester als „Sohn des Zeus (= Ammon)" angeredet. Er ist Vorläufer des hellenistisch-römischen Herrscherkultes.
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  • Die das Reich des Alexander übernehmenden Diadochen und Seleukiden lassen sich göttliche Huldigung gefallen und erstreben sie. Dies zeigt sich schon in den Beinamen der Herrscher, z.B. Ptolemäus I. Soter (= der „Retter"), Antiochus IV. Epiphanes (der als Gott „Erschienene").
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  • Julius Cäsar ( 44 v.Chr.) erfährt bereits zu Lebzeiten kultische Ehrungen (z.B. in Ephesus). Eine postmortale Divinisierung (consecratio / apotheisis) erfolgt 42 v.Chr. Er wird als „Divus Julius" unter die Staatsgötter aufgenommen. 29 v.Chr. wird ihm ein Tempel auf dem Forum Romanum errichtet.
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  • Octavian (31 v. - 14 n.Chr.) erhält 27 v.Chr. durch den Senat den Beinamen „Augustus" (der Erhabene, Ehrwürdige - von den Griechen mit sebastos übersetzt).
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  • Domitian (81-96 n.Chr.) gebrauchte bei amtlichen Rundschreiben die Eingangsformel: „Unser Herr und Gott (Dominus et Deus noster) befiehlt, dass folgendes geschieht". Es wurde auch Brauch, ihn mündlich wie schriftlich nur so anzureden. In Ephesus entsteht zu seinen Lebzeiten ein Kaisertempel, der ihm und dem flavischen Herrscherhaus gewidmet ist.
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  • Ausdrucksformen des Herrscherkultes sind vor allem Opfer und Gebete (primär „für" den Kaiser), Bilder (Statuen, Portraits auf Münzen), Tempel mit Priesterschaft und Kult, Feste.
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  • Der Kaiserkult dient vor allem politischen Zwecken. Er ist ein Kult neben zahlreichen anderen religiösen Kulten (Zeus, Dionysos, Apollon, Artemis ...) in den Provinzen und tritt nicht in Konkurrenz zu ihnen. Im Sinne von H.-J. Klauck kann er als „institutionelle Metapher" bezeichnet werden. „Er bündelte die Loyalität gegenüber dem römischen Reich und gab ihr eine feste Ausrichtung. Mit seiner Symbolik bildet er zugleich das Gefüge der Macht selbst ab, in dem Herrscher und Untertanen ihren festen Platz hatten" (Klauck, Religiöse Umwelt 72).
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  • Hinsichtlich der Gefahr, die der Kaiser- und Götzenkult für Christen darstellt, kann man mit H.-J. Klauck unterscheiden zwischen „hartem" und „weichem" Kult.
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Die „harte" Form des Kaiserkultes deutet sich an im Brief des Statthalters Plinius d. J. an Kaiser Trajan (Epistulae X 96 - 112 n.Chr.). Christen werden gezwungen, die heidnischen Götter anzurufen, vor dem Standbild des Kaisers sowie vor den Götterbildern Weihrauch und Wein zu opfern und darüber hinaus Christus zu lästern. Die Gefahr beim „harten" Kaiserkult ist jene der Verfolgung.

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Die - subtilere - Gefahr beim „weichen" Kult liegt in der Versuchung, die vom Imperium und seiner Götterwelt ausgeht, in der Versuchung, sich an gegebene politische, wirtschaftliche, kulturelle und religiöse Verhältnisse anzugleichen.

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Das Tier und mit ihm der Falschprophet sind Chiffre für innerweltlich sich verabsolutierende politische, ökonomische und kulturelle Systeme sowie Bild für religiösen Synkretismus (Götzenkult). Unter dem Vorwand des Guten, nämlich der faszinierenden ökonomischen Möglichkeiten, der politischen Sicherheit und der weltanschaulichen Toleranz verführt das Tier mit Hilfe des Falschpropheten die Menschen. Es erhebt messianischen Anspruch. Die Verführung gipfelt in der Anbetung.

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Die zentrale Frage für johannes ist jedoch: Wem gebührt wirklich Anbetung?

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2.Situation der christlichen Gemeinden Westkleinasiens gegen Ende des 1. Jh.

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  • Christen (nicht nur in Palästina, sondern auch in Kleinasien) stehen noch unter dem Eindruck der Katastrophe des Jahres 70, der erschütternden Ereignisse der Zerstörung Jerusalems und des Tempels durch die römische Militärmacht (Titus).
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Dies ist vermutlich auch ein Grund, warum gerade die Vier-Tiere-Vision von Dan 7 in Offb 13 aufgenommen wird. Zerstörung bzw. Entweihung des Tempels und der Stadt Jerusalem ereignete sich schon früher in der Geschichte Israels, und zwar unter der Herrschaft des ersten Tieres von Dan 7 (der babylonische König Nebukadnezar erobert 587 v.Chr. Jerusalem und zerstört den Tempel) und unter der Herrschaft des vierten Tieres (Antiochus IV. richtet 167 v.Chr. im Tempel von Jerusalem den „Greuel der Verwüstung" an [Dan 9,27; 11,31; 12,11; vgl. Mk 13,14; Mt 24,15]).
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Nun wurde unter der Herrschaft des Tieres von Offb 13, das die Tiergestalten von Dan 7 in sich vereint, erneut und endgültig Jerusalem und der Tempel zerstört.
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  • Die Christengemeinden sind marginale Gruppen in Groß- und Weltstädten wie Ephesus oder Pergamon. Die Christen sitzen „zwischen den Stühlen" - sie gehören nicht mehr richtig zum Heidentum und auch nicht zum Judentum.
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  • Einblick in ihre Lebensverhältnisse, ihre Bemühungen aber auch Gefährdungen geben vor allem die 7 Sendschreiben.
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Zwei spezielle Gefährdungen des Christusglaubens seien herausgegriffen:

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(a) Gefahr, im Glauben schwach zu werden angesichts der Verfolgung um Jesu willen,

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(b) Gefahr, im Christusglauben schwach zu werden angesichts von Verführung.

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Zu (a) - Im Sendschreiben an die Gemeinde von Pergamon erfahren wir vom gewaltsamen Tod des Christuszeugen Antipas (2,13). Dieses Martyrium ist bereits ein Vorzeichen ein erstes bedrohliches Signal. Christsein / Bekenntnis zu Christus ist nicht ungefährlich. Das Tier kann zum Raubtier werden.

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Zu (b) - In den Briefen an die Gemeinden von Ephesus, Pergamon und Thyatira erhalten wir Nachricht von verschiedenen Teilgruppen innerhalb der Gemeinden. Sie werden als Nikolaiten bezeichnet, als jene, die an der Lehre des Bileam festhalten oder als Anhänger der Prophetin Isebel (2,6.14-15.20).

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Was diesen Gruppen (bei allen unterschiedlichen Akzenten) gemeinsam ist: Sie suchen nach einem Weg, sich mit dem römischen Götter- und Kaiserkult zu arrangieren. Sie versuchen, angepasst zu bleiben an den kulturellen und religiösen Pluralismus ihrer Umwelt (kultische Verehrung verschiedener Gottheiten sowie Ehrerbietung gegenüber dem irdischen Herrscher) bei gleichzeitiger Wahrung christlicher Identität. Eine liberale Position gegenüber heidnischen Kulten bringt Vorteile im Alltagsleben (Teilnahme an kultischen Mählern hat auch soziale und gesellschaftliche Bedeutung - beachte: Vereinswesen - Berufsgruppen - Zusammenkünfte verbunden mit religiösen Zeremonien). Im Grunde vertreten diese Gruppen die Auffassung, dass Christsein vereinbar ist mit heidnischer Lebens- und Kultpraxis, konkret mit dem Essen von Götzenopferfleisch. Bileam und Isebel sind überdies biblische Decknamen, die an Israels Gefährdung erinnern, vom JHWH-Glauben abzufallen.

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Diese Gruppen sind für johannes ein anderes Signal: Christsein ist nicht unangefochten. Es besteht die Gefahr, der Faszination des Heidentums zu erliegen.

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Die Christen (damals) erfahren das Tier einerseits als Raubtier, das seine Macht bei der Tempelzerstörung und bei der Tötung des Antipas demonstriert hat, anderseits als den faszinierenden und blendenden Verführer, der seine (subtile) Macht in der Verführungskunst erweist.

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Müssen die Christen vor dem Tier zittern? - Erliegen sie dem Zwang, es anzubeten?

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Vor diesem Hintergrund ist die die Vision vom Reiter auf weißem Pferd in Offb 19,11-21 zu lesen - eine Ermutigung von Christus her.

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Zweiter Teil (K. Huber)

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Mit Offb 19,11-21 begegnet neben der Vison des Menschensohnes inmitten seiner Gemeinden (Offb 1,9-20) und der Vision des Lammes beim Thron Gottes (Offb 4-5) eine dritte große Christusvision innerhalb der Apokalypse, die in vielerlei Hinsicht verbunden ist mit den beiden vorhergehenden Christusvisionen und insgesamt durch eine Fülle von Anspielungen und Rückverweisen auf Vorausgehendes gekennzeichnet ist. Christus wird in dieser Vision als ein Sitzender, als Reiter auf einem weißen Pferd geschaut.

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Diese Christusvision steht am Beginn einer letzten Reihe von Visionen, die im endgültigen Gericht und der Vernichtung der gottwidrigen Mächte und im Ausblick auf den neuen Himmel und die neue Erde sowie auf das himmlische Jerusalem gipfeln. Viele sprechen für Offb 19,11-21 von einer Gerichtsvision, von der Vision der Wiederkunft des (Parusie-) Christus als eines siegreichen Weltrichters, der zum endgültigen Gericht über die gottfeindlichen Mächte in die eschatologische Auseinandersetzung zieht.

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Auch für die Christusvision in Offb 19,11-21 gilt, dass sie im Grunde Hoffnungbild für die Christen angesichts der Verführung / Bedrohung der Welt durch das „Tier" und die mit ihm verbündeten Mächte sein will. Aber besteht dieses Hoffnungsbild für die Christen darin, dass hier ein kriegerischer Christus gezeichnet ist, der blutig in die Schlacht zieht und unbarmherzig Rache nimmt? Auf den ersten Blick ist von Kriegführen die Rede, von Schwert, einem blutgetränkten Gewand, von Reitern, Pferden, ja ganzen Heerscharen, die einander gegenüber stehen, und vom Schlagen und vom Getötetwerden durch das Schwert. Wie kriegerisch ist aber das hier gezeichnete Christusbild? Ist es tatsächlich kriegerisch?

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1. Der Text und seine Struktur

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11 Und ich sah den Himmel geöffnet,

und siehe, ein weißes Pferd,

und der Sitzende auf ihm genannt werdend (der) Treue und (der) Wahrhaftige,

und in Gerechtigkeit richtet er

und führt er Krieg.
12 Seine Augen aber wie eine Flamme von Feuer,

und auf seinem Haupt viele Diademe,

habend einen Namen geschrieben,

den niemand kennt, außer er selbst,
13 und bekleidet mit einem Mantel, getaucht in Blut,

und genannt ist sein Name: das Wort Gottes.
14 Und die Heere im Himmel folgten ihm auf weißen Pferden,

bekleidet mit Byssusgewand, weißem, reinem.
15 Und aus seinem Mund geht heraus ein scharfes Schwert,

damit er mit ihm schlage die Völker,

und er wird weiden sie mit eisernem Stab

und er tritt die Kelter des Weines des leidenschaftlichen Zornes Gottes, des Allherrschers,
16 und er hat auf dem Mantel und auf seinem Schenkel einen Namen geschrieben:

König (der) Könige und Herr (der) Herren.
17 Und ich sah einen Engel stehend in der Sonne,

und er rief mit großer Stimme sagend allen Vögeln, den fliegenden hoch am Himmel:

Auf!

Versammelt euch zum großen Mahl Gottes,
18 damit ihr freßt Fleisch von Königen und Fleisch von Heerführern und Fleisch von Starken und Fleisch von Pferden und den Sitzenden auf ihnen und Fleisch von Freien und Sklaven und Kleinen und Großen.
19 Und ich sah das Tier und die Könige der Erde und ihre Heere versammelt,

zu führen den Krieg mit dem Sitzenden auf dem Pferd und mit seinem Heer.
20 Und ergriffen wurde das Tier und mit ihm der Falschprophet,

der getan habend die Zeichen vor ihm,

mit denen er täuschte die genommen habend das Kennzeichen des Tieres

und gehuldigt habend seinem Abbild;

lebendig wurden geworfen die beiden in den See von Feuer, brennend von Schwefel.
21 Und die übrigen wurden getötet mit dem Schwert des Sitzenden auf dem Pferd,

dem herausgehenden aus seinem Mund,

und alle Vögel wurden gesättigt von ihrem Fleisch.
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Die Perikope lässt sich in drei Teile gliedern, wobei es sich im Grunde um drei aufeinanderfolgende Visionen handelt, die jeweils mit „und ich sah" (V. 11.17.19) eingeleitet werden, die aber insgesamt in einen Geschehenszusammenhang gestellt sind.

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In einem ersten Abschnitt wird in den Versen 11-16 Christus als Reiter auf einem weißen Pferd eingeführt, gefolgt von den himmlischen Heeren. Ähnlich wie in der Menschensohnvision in 1,9-20 werden dabei Einzelzüge seiner Gestalt beschrieben (Augen, Haupt, Bekleidung, Mund), wobei auch hier die Gesamtbeschreibung zunächst mit einer äußeren „Requisite" (weißes Pferd) einsetzt und erst dann auf die Gestalt selbst hinlenkt. Anders als etwa in 4,1 oder 11,19; 15,5 wird jetzt der Himmel vollständig geöffnet geschaut. Auffallend häufig begegnen hier im Zusammenhang mit der Christusbeschreibung verschiedene Namensbezeichnungen: „der Treue und der Wahrhaftige" (V. 11), „das Wort Gottes" (V. 13) und „König der Könige und Herr der Herren" (V. 16). Dazu kommt noch der Name, „den niemand kennt, außer er selber" in V. 12, eine Formulierung, die entsprechend Rätsel für die Deutung aufgibt.

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Ein zweiter, vorerst unvermittelt anschließender Abschnitt in den Versen 17-18 hat die Einladung an die Vögel des Himmels zum Leichenschmaus zum Inhalt.

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Der dritte Teil der Vision spricht in den Versen 19-21 vom Aufmarsch des Tieres und der Könige der Erde samt ihrer Heere gegen den Reiter und das himmlische Heer und von deren Vernichtung. Die abschließende Bemerkung, dass alle Vögel gesättigt wurden von deren Fleisch, stellt die Verbindung zum mittleren Teil her und lässt die dortige Ankündigung Wirklichkeit werden.

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2. Einzelne Elemente der Christusvision

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In Vers 11 wird Christus als Sitzender, als Reiter auf einem weißen Pferd eingeführt (vgl. V. 19.21). Das Pferd gilt als kriegerisches (sonst in Offb) und als königliches (z.B. Est 6,8-11) Reittier. Entsprechend ist der auf ihm Sitzende in seiner hoheitsvollen, königlichen Position charakterisiert, es legt sich aber auch die Konnotation von kriegerischer Aktivität nahe. Manche sehen im Bild vom Pferd auch eine endzeitliche Überbietung von Sach 9,9-10 (in Sach 9,9 ist der König Israels demütig reitend auf einem Esel angekündigt; in V. 10 die Ausrottung des Krieges angekündigt).

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Die weiße Farbe ist Symbol himmlischer Reinheit, göttlicher Heiligkeit und auch Symbol des Sieges. Durch die Farbe des Pferdes wird der Reiter von vornherein mit dem Bereich Gottes in Beziehung gebracht, ähnlich wie dann in V. 14 die Heere im Himmel, die ihm ebenfalls auf weißen Pferden folgen und außerdem noch mit weißen, reinen Gewändern bekleidet sind. In Anlehnung an 17,14, wo die Christen an der Seite des Krieg führenden Lammes stehen, sind auch hier in 19,14 die Christen in der Heilsvollendung gemeint. Zu erinnern ist an die Vision der Schar der Vollendeten in Offb 7, die ebenfalls weiße Gewänder tragen und von denen es in 7,14 heißt, dass sie ihre Gewänder gewaschen und im Blut des Lammes weiß gemacht haben.

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Von einem Reiter auf einem weißen Pferd ist in Offb auch in 6,1-2 im Zusammenhang mit der Öffnung des ersten Siegels durch das Lamm die Rede. Die Öffnung der ersten vier Siegel löst nacheinander das Herbeirufen der vier so genannten apokalyptischen Reiter aus. Während der zweite, dritte und vierte Reiter klar negativ als Krieg, Hungersnot und Tod zu deuten sind (sie bewirken Plagen und Nöte), bleibt das für den ersten Reiter, der auf einem weißen Pferd kommt, schwer zu bestimmen, nachdem ihm nicht ausdrücklich eine negative Funktion zugeordnet wird. Von daher stellt sich die Frage, ob bereits dieser Reiter in Offb 6 in einem positiven Sinn zu verstehen ist (in Vorausdeutung auf den Reiter in Offb 19,11-21 als Christusgestelt; als Verkörperung des endzeitlichen Handelns Gottes; als den Sieg des Evangeliums usw.) oder wie die drei anderen negativ zu deuten ist (als Krieg; als zeitgeschichtlicher Hinweis auf die Parther; als bewusste Konterkarierung des Christus von Offb 19).

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Im weiteren wird in Offb 19,11 vom Reiter gesagt, dass er in Gerechtigkeit richtet und Krieg führt. Die Gerichtsfunktion des Parusiechristus wird von Anfang an unterstrichen und auch in der Folge durch mehrere Bilder zum Ausdruck gebracht (Augen; scharfes Schwert; Keltertreten). Mit dem Richten ist eine hervorragende Funktion des Herrschenden, des Königs angesprochen (Recht schaffen), die im Alten Testament als besondere Aktivität gerade von Gott ausgesagt wird. Man hat den Eindruck, dass die Rede vom Kriegführen als Präzisierung und Folge des Richtens zu verstehen ist. Neben der heilschaffenden Gerechtigkeit steht gleichzeitig die (befremdend) drohende Richterfunktion. Auch das Kriegführen gehört zum ureigenen Tätigkeitsbereich des Königs.

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In Offb wird meist vom Kriegführen gottfeindlicher Mächte gesprochen (11,7; 12,17; 13,7; 17,14). Offb 12,7 spricht davon, dass Michael im Himmel gegen den Drachen kämpft. Dass Christus „Krieg führt" (poleme) findet sich bereits vorher ausgesagt in Offb 2,16, wo den Anhängern der Lehre des Bileam und der Nikolaiten eine entsprechende Ankündigung gemacht wird, dort mit dem Zusatz: „ich werde Krieg führen mit ihnen mit dem Schwert meines Mundes" (das Bild vom Schwert begegnet bereits beim Menschensohnähnlichen). Während sich dort der Kampf gegen innergemeindliche Irrlehrer richtet, ist er hier nach außen gerichtet. Die zahlreichen Entsprechungen lassen jedoch auch für Offb 19 die innergemeindliche Gegnergruppe nicht vollständig aus dem Blick geraten.

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Vers 12 spricht von Augen wie eine Flamme von Feuer. Auch dieses Element ist bereits vom Menschensohn in Offb 1,14 (vgl. 2,18) ausgesagt (die beiden Christusvisionen hängen also eng zusammen). Das Bild ist entlehnt aus der Vision vom Engelfürsten in Dan 10,5-6. Die dort geschaute Gestalt hat ebenso Augen wie Feuerfackeln. Mit diesem Bild scheint entweder an jene Bildelemente angeknüpft zu sein, die diese Gestalt als aus dem Bereich Gottes kommend vorstellen wollen, oder aber wiederum die Richterfunktion des Reiters angesprochen zu sein (die Augen dessen, der unbestechlich richtet).

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Die vielen Diademe auf seinem Haupt unterstreichen die königliche, herrscherliche Stellung. Im Unterschied zum Drachen (12,3) und zum Tier (13,1) sind die Diademe hier zahlenmäßig nicht beschränkt: Christus kommt ihnen gegenüber tatsächlich herrscherliche Stellung zu, und zwar in unermesslicher Überlegenheit.

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Was in Vers 13 die Bekleidung mit einem Mantel, getaucht in Blut, angeht, so ist das sicherlich eines jener Elemente der Vision, das stark an ein kriegerisches Christusbild denken lässt. Die Deutung diese Bildes ist umstritten. Das beginnt bereits bei der textkritischen Situation, zumal Lesarten anstelle von „getaucht" den Ausdruck „bespritzt" lesen.

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Im Wesentlichen handelt es sich um zwei Deutungen: Die einen sehen in dem Bild eine direkte Anspielung an Jes 63,1-6, wo ebenfalls von roten Kleidern die Rede ist, die durch das Keltertreten im Zorngericht Gottes gegen die Völker bespritzt werden: „Ihr Saft [der Saft der Trauben] spritzte auf meine Kleider und ich besudelte mein ganzes Gewand." Von da aus wird auch das Kommen des Christus als blutige Kampfaktion gelesen und verstanden und Christus als göttlicher Krieger gesehen. Das Bild vom Treten der Kelter begegnet dann ausdrücklich in V. 15 als Anspielung an Jes 63 und gleichzeitig als Wiederaufnahme von Offb 14,19-20.

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Das in Blut getauchte Gewand - so die andere, wohl zutreffendere Deutungsmöglichkeit - verweist nicht auf das Blut der Feinde Christi (eine Schlacht hat noch gar nicht stattgefunden), auch nicht auf das Blut der Märtyrer, wie andere meinen, sondern verweist vielmehr auf das Blut Christi selbst, so dass von daher ein wesentliches Argument für ein kriegerisches Christusbild - der blutgetränkte Krieger, der siegreich aus der Schlacht, in der er alle Feinde niedergemetzelt hat, zurückkehrt - von vornherein in eine andere Richtung weist. Sieht man das Bild als einen Verweis auf den (blutigen) Tod Christi am Kreuz, dann ergibt sich eine direkte (semantisch wirksame) Parallele zur Vision des Lammes in Offb 5, das in ähnlich kontarstvoller Darstellung „wie geschlachtet" vor dem Thron Gottes „steht" und in dessen Blut die Menschen bereits für Gott erworben sind (das Bild vom Lamm [Ohnmacht] und vom Reiter [königliche Herrschaft] ergänzen einander; vgl. das Lamm und der Löwe aus dem Stamm Juda in Offb 5). Damit ist daran erinnert, dass Christus am Kreuz bereits gesiegt hat, der Sieg ihm also nicht mehr zu nehmen ist. Wenn hier schon mit der Metaphorik eines Kriegers und des Krieges gearbeitet wird, dann erscheint Christus von Anfang an als siegreicher Krieger infolge seines bereits errungenen Sieges am Kreuz, dann wird dem kriegerisch-gewaltsamen Entgegentreten die gewaltfrei-ohnmächtige Lebenshingabe entgegengestellt.

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Auch das scharfe Schwert aus seinem Mund in Vers 15 muss nicht von vornherein an Christus als einen messianischen Krieger denken lassen, sondern meint zuallererst die Wirkmacht und im Bild der Schärfe die richtende, Gerechtigkeit ausübende Funktion seines Wortes. Das Wortgeschehen spielt insgesamt in der Christusvision eine wichtige Rolle (vgl. auch die Bezeichnung mit „das Wort Gottes"). Darin liegt nicht zuletzt auch ein wichtiges Verbindungselement hin zu den beiden anderen Christusvisionen. Das Bild vom aus dem Mund ragenden Schwert begegnet bereits bei der Vision des Menschensohnähnlichen in Offb 1,16 (ein scharfes, zweischneidiges Schwert; vgl. 2,12).

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Der alttestamentliche Hintergrund für das Bild vom Schwert ist in Jes 11,4 bzw. 49,2 zu suchen; beides messianisch ausgerichtete Texte. In Jes 11, wo vom Spross aus der Wurzel Isais die Rede ist, wird gerade auch die Richterfunktion, die Gerechtigkeit schaffende Funktion dieser Verheißungsgestalt unterstrichen („er wird die Geringen richten in Gerechtigkeit"; vgl. Offb 19,11). In der Folge begegnet in Jes 11 auch das Bild vom „Schlagen mit dem Stab seines Mundes und töten mit dem Hauch seiner Lippen" (11,4; vgl. Offb 19,15.21). Es ist das Schwert aus dem Mund und damit allein das Wort des herrschaftsvollen Christus, durch das am Ende auch in Offb 19,21 alle „übrigen" getötet werden.

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Mit der Formulierung in Offb 19,15er wird sie weiden mit eisernem Stab" ist ein mehr oder weniger direktes Zitat der Septuagintaversion von Ps 2,9 (ebenfalls ein messianisch ausgerichteter Text) gegeben (der masoretische Text spricht hier von „zerschmettern", in LXX mit poimain [abweiden, zerstören] wiedergegeben). Eine derartige Ankündigung findet sich schon in Offb 2,27 (ausgesagt als Zusage für denjenigen, der überwindet [Teilhabe an der Herrschermacht Christi]) und in Offb 12,5 (ausgesagt vom Kind, das die Frau geboren hat). Mit poimain ist erneut an die Funktion eines Herrschers / Königs angespielt. Manche denken dabei wieder an die Gerichtsfunktion des Christus an den Heidenvölkern. Als Hirte schlechthin gilt Gott. Mit Blick auf Jes 11,4 kann der Stab in Verbindung gebracht werden mit dem Wort, das aus seinem Mund kommt.

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Ganz sicher als Gerichtsmetapher zu verstehen ist das Keltertreten, von dem bereits im Zusammenhang mit dem Menschensohn in Offb 14,19f die Rede ist (vgl. Jes 63,2-5; Klgl 1,15; Joel 4,13). Hier wird das Bild von der Weinkelter (14,19) mit dem Bild vom Zornesbecher Gottes (14,10; 16,19) vermischt. In der strafenden Vollstreckung des Gerichts steht Christus wiederum an der Stelle Gottes.

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Die Bedeutung der Namen, die im Laufe der Schilderung an mehreren Stellen Christus zugeschrieben werden, unterstreicht, was in den metaphorisch gebrauchten Einzelbildelementen zum Ausdruck kommt. In ihnen kommt auf ein Wort gebracht die Wesenhaftigkeit des Bezeichneten zum Ausdruck (im Kontrast dazu stehen die gotteslästerlichen Namen des Tieres und der Hure Babylon; 13,1; 17,3.5).

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Als erstes wird in Vers 11 davon gesprochen, dass der Reiter der Treue und der Wahrhaftige genannt wird. In dieser Zweiheit begegnen die Ausdrücke im Griechischen nur noch in 3 Makk 2,11, dort als Gottesprädikat. Im Hebräischen begegnen beide Begriffe in Jer 42,5 als Gottesprädikate. „Treu" ist Gottesprädikat auch in Jes 65,16. Mit H. Giesen liegt nahe, auch hier in Offb 19,11 an die Übertragung eines Gottesprädikats zu denken. In Offb 3,14 wird Christus als treu und gerecht bezeichnet. Wahrscheinlich klingt darin auch die Gerichtsthematik, aber auch der Gedanke der Bundestreue mit an.

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Auf ähnliche Weise wird in der Bezeichnung König der Könige und Herr der Herren in Vers 16 nicht einfach nur die Machtfülle des Christus unterstrichen, sondern auf ihn direkt ein Gottestitel übertragen (vgl. Dtn 10,17; Ps 136,2f 2 Makk 13,4; 3 Makk 5,35; äthHen 9,4) - sachlich zusammenhängend mit Offb 5,12. Schon vorher wird eine derartige Titulierung vorgenommen, und zwar ebenfalls im Zusammenhang mit dem Krieg gegen das Lamm in Offb 17,14: „Sie werden mit dem Lamm Krieg führen und das Lamm wird sie besiegen, denn Herr der Herren ist es und König der Könige und die mit ihm sind Berufene und Auserwählte und Treue".

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Vers 12 spricht in eigentümlicher Spannung zu den vergleichsweise vielen hier genannten Namen von einem Namen, den niemand kennt, außer er selbst. Während die einen darin die Unbesiegbarkeit des Parusiechristus zum Ausdruck gebracht sehen, da das Nicht-Kennen eines Namens auch einschließt, dass man keine Macht über ihn gewinnen kann, sehen andere darin einen Hinweis, dass das wahre Wesen des Christus und der ihm angemessene Name erst am Ende offenbar werden wird, und denken dabei letztlich an den Jahwe-Namen selbst (ein unbekannter Name begegnet schon in 2,17; 3,12).

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Als zentraler und singulärer Name des Reiters wird in Vers 13 die Bezeichnung mit „das Wort Gottes" genannt. Damit ist das Höchste umschrieben, was sich im Grunde sagen lässt, insofern es das Verhältnis Christi zu Gott zum Ausdruck bringt. Analog zu johanneischer Denkweise (Joh 1,1.14) ist an die Person gewordene Mitteilung, Offenbarung Gottes zu denken (ob darin eine Parallele zu Weish 18,14-16 gegeben ist, ist fraglich).

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Die Würdenamen bestimmen Christus insgesamt als personhafte unermessliche Macht des göttlichen Wortes, das zugleich Gerechtigkeit herstellt und richtet. In Verbindung mit dem Schwert aus dem Mund erfüllt sich in der Erscheinung der Person, deren Name Wort Gottes ist, das eschatologische Wirksamwerden der Macht des richtenden Wortes Gottes.

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3. Der Kampf ist schon entschieden

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Der Mittelteil der Vision, wo, bevor es noch zu irgendeiner Kampfhandlung kommt, bereits durch einen Engel die Vögel des Himmels aufgefordert werden, das Fleisch von Königen, Heerführern, Kriegern usw. zu fressen, macht klar, dass eine mögliche Auseinandersetzung im Grunde längst entschieden ist, der Ausgang klar, der Sieg vorausgesetzt ist.

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Die Schilderung der Christusgestalt macht das ebenfalls von Anfang an klar. Es wird eine siegreiche, uneingeschränkt souveräne, königliche und machtvolle, ja göttliche Gestalt in entsprechender Siegerpose gezeichnet.

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4. Die Vernichtung geschieht von Gott her

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Dass der Kampf im Grunde bereits zu Ende ist, bevor er begonnen hat, unterstreichen auch die folgenden Verse 19-20. Wenn sich auch die Könige der Erde samt ihren Heeren zusammen mit dem Tier formieren, um gegen Christus und die Seinen Krieg zu führen, bleibt es dennoch nur bei dem Versuch der Gegner und kommt es doch nicht zu einer Kampfesschilderung, geschweige denn zu einer eigentlichen Kampfhandlung auf Seiten Christi. Es fehlt eine detaillierte Vernichtungsaktion des Messias, eine Messiasschlacht. Wie von unsichtbarer Hand - die Formulierung ist passivisch und wohl als Passivum divinum zu deuten - werden die beiden Tiere (vgl. Offb 13) gepackt und in den Feuersee geworfen. Dass hier das Tier von Offb 13 auf den Plan tritt und mit ihm der Falschprophet genannt ist, macht deutlich, dass das eigentlich drängende Gegenüber nicht die Militärmacht Roms ist, sondern seine Verführungskraft für die Christen.

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5. Die Vernichtung geschieht durch das Wort

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Wenn am Ende in Vers 21 dennoch vom Töten durch das Schwert aus dem Mund die Rede ist, dann muss klar bleiben, dass damit keine Kriegswaffe bzw. Gewalt zum Einsatz kommt, sondern dem ganzen Heer der Gegner eigentlich nur das Wort Christi bzw. Christus selbst, der Treue und Gerechte, das Person gewordenen Wort Gottes, entgegenstellt ist. An ihm kommen die Gegner zu Fall und gehen zu Grunde.

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Schon im innergemeindlichen Konflikt mit Isebel und den Nikolaiten wird das Wort Christi bzw. sein Zeugnis zum entscheidenden Kriterium der Auseinandersetzung, so auch hier beim Kampf zwischen Christus und dem Pseudopropheten das Wort Gottes. Der Seher ist getragen von der Überzeugung der Kraft der Worte Christi, seiner Botschaft, seines Evangeliums, das für ihn in Gott selbst seinen Ursprung hat (vgl. Offb 1,1).

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In allen drei Christusvisionen spielt das Wortgeschehen eine wichtige Rolle (Schwert und Anrede der Gemeinde; Buch und dessen Öffnung; Schwert und der Name des Reiters).

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Viele sehen in der Offenbarung des johannes die Kriegsrolle der Christen. Mit R. Bauckham muss jedoch gesagt werden, dass sich zwar reichlich militärische, kriegerische Terminologie findet, diese aber in einem nicht-kriegerischen Sinn transformiert wird. Die entscheidende Schlacht gegen das Böse hat bereits stattgefunden. Jetzt geht es darum, durch Zeugnis und Leiden zu widerstehen. Der Sieg ist ein Sieg des Wortes. Christus wird den Menschen groß vor Augen gestellt und wird dadurch zur Motivation für die Christen.

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