Projekte
Restaurierung und Konservierung
Formenbau und Abgusstechnik (lfd)
Ein Arbeitsgebiet der Restaurierungswerkstätte des Institutes ist das Anfertigen von Gussformen zur Reproduktion antiker Originale. Vom Original muss zuerst eine erste Abformung erstellt werden. Diese Gussform (Matrize), also eine Negativform des Objektes, bestand früher selbst aus Gips, wird heute allerdings zumeist aus Silikon gefertigt, welches sich als elastisches Material besser von den abzugießenden Originalen lösen lässt. Die Matrize kann je nach Form des abzugießenden Objektes aus einem oder mehreren Teilen bestehen. Mithilfe dieser Formen werden die Repliken aus Gips oder Kunstharz angefertigt. Dem Gussmaterial können dabei Farbpigmente, Metallpulver, Steinmehl oder Marmorsand beigemengt werden, um dem antiken Original optisch weitestgehend nahe zu kommen. Der letzte Arbeitsgang besteht aus der Abarbeitung der Gussnähte und einer exakten farblichen Retusche.
Silikongussform eines Eroskopfes
Kunstharzabguss des Eroskopfes
Restauratorische und konservatorische Betreuung der Sammlung (lfd)
Der Großteil der Abgüsse im Archäologische Universitätsmuseum wurde aus Gips hergestellt. Die Vorteile des Materials liegen in seiner einfachen Bearbeitung im nassen Zustand. Gips ist somit ein idealer Werkstoff zur Herstellung von originalgetreuen 1:1 Kopien, allerdings auch sehr zerbrechlich. Aufgrund der hohen Besucherfrequenz im Museum sind daher Beschädigungen nicht immer vermeidbar und so gehört auch die Klebung und Wiederherstellung zer- bzw. abgebrochener Teile von Abgüssen zu den Aufgaben der Innsbrucker Restaurierungswerkstatt.
2014: Beschädigter Flügel des Adlers; Ganymed von Zeus als Adler entführt (Inv. Nr. I0306/1895)
2018: Beschädigte Büste des römischen Kaisers Nero (Inv. Nr. I0570/1997)
Geschichte der materialimitierenden Fassung von Abgüssen (2016 - 2019)
Einem Aspekt, der wie kein anderer sowohl Argumente für Bewunderung und Ablehnung von Gipsabgüssen gleichermaßen in sich vereint, wurde bislang wenig kaum Aufmerksamkeit geschenkt, nämlich der Oberflächenbehandlung der Gipse. So wurden diese zunächst weiß belassen um frei von jedwedem Reiz und allen Makeln und Entstellungen an der Oberfläche wie zufälligen Materialfehlern, historischen Erhaltungsspuren, Oxidierung oder Patina die Aufmerksamkeit der Betrachter auf die reine plastische Form zu lenken. Die blanke, weiße Farbe des strukturlosen Gipses symbolisierte so Wahrheit, Echtheit und Authentizität schlechthin, und der Abguss kam so zeitweise der Qualität des Marmors nahezu gleich bzw. konnte sogar im Urteil und der Bewertung mancher Zeitgenossen ein fragmentiertes Originalwerk übertreffen.
Materialimitierende (Marmorieren, Bronzieren) sowie freie farbige Fassung von Abgüssen im Archäologischen Universitätsmuseum (Inv. Nr. I 0053, I 0093, I 0525)
Aufgrund mehrerer z.T. sehr unterschiedlicher, aber sich auch gegenseitig bedingender Faktoren setzte erst im 19. Jahrhundert eine Veränderung in der Akzeptanz von Gipsabgüssen und damit einhergehend die Frage nach ihrer möglichen Bemalung ein. Authentizität und Originalität gewannen sowohl in künstlerischer als auch materieller Hinsicht an Bedeutung. Die Echtheit des historischen Materials trat in den Vordergrund und Materialtreue wurde zum Qualitätsmerkmal. Das, was man bislang an Abgüssen geschätzt und gelobt hatte, kehrte sich in der Argumentation um. Gerade der Umstand, dass bei einem Abguss alle optischen Effekte, die gliedernden und akzentuierenden Besonderheiten in der Oberfläche eines originalen Kunstwerks ausgeschaltet waren, spielte nun in der zunehmenden Kritik an Gipsabgüssen gegen Ende des 19. Jahrhunderts eine große Rolle. Die kalte, kreidige und stumpfe Oberfläche des Gipses, in der die Einzelformen verschwimmen würden, wurde als Beeinträchtigung für den Gesamteindruck gesehen, der die Betrachtung erschweren würde. Der Abguss würde zwar die Form des Originals wiedergeben, gerade die Oberfläche, ob transparenter Marmor oder reflektierende Bronze, dabei aber völlig unterschlagen. Gipsabguss-Sammlungen wurden despektierlich als „Schreckenskammern der weißen Gespenster“ bezeichnet.
Dies führte nun zu Versuchen der Nachahmung des Materials der Originale, also der mehr oder weniger freien farbigen Wiederherstellung und Angleichung von Abgüssen an ihre steinernen, insbesondere aber bronzenen Originale durch ihre vollständige Bemalung. Die Rechtmäßigkeit solcher Tätigkeiten wurde in Kreisen von Archäologen und Kunsthistorikern insbesondere um die Mitte des 19. Jahrhunderts und bis in die ersten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts hin intensiv, überaus kontrovers und emotional diskutiert.
Erstellung einer materialimitierenden Farbfassung an einem Abguss im Archäologischen Universitätsmuseum
Während andere Abguss-Sammlungen die Oberflächen ihrer Gipsabgüsse weiß belassen hat, besteht in Innsbruck seit über 60 Jahren die Tradition, die Abgüsse nicht nur in ihrer Form, sondern auch in ihrer Oberflächenbeschaffenheit und Farbigkeit möglichst genau den antiken Originalen anzunähern. Bei der Großplastik wird die Oberfläche an Marmor oder Bronze angeglichen, die Objekte der Kleinkunst werden je nach Vorlage versilbert, vergoldet, bronziert oder marmoriert. Als Muster dafür dienen Farbbilder aus dem Fotoarchiv des Instituts sowie in den einzelnen Museen vor den Originalen angefertigte Aquarellskizzen. Die Innsbruck Sammlung steht bis heute weiterhin in dieser Tradition – auch Neuzugänge werden seither mit einer Farbfassung versehen – und wurde somit zu einem, je nach Sichtweise, innovativen oder abschreckenden Beispiel der Oberflächenhandlung von Abgüssen.
Publikation:
Müller Florian M., Weißer Gips – farbiger Gips? Zur Geschichte materialimitierender Farbfassungen von Abgüssen nach antiken Bildwerken, in: Graepler Daniel, Ruppel Jorun (Hrsg.), Weiß wie Gips? Die Behandlung der Oberflächen von Gipsabgüssen. Wissenschaftliche Fachtagung. Archäologisches Institut und Sammlung der Gipsabgüsse Göttingen, 13.–15. Oktober 2016, Göttinger Studien zur Mediterranen Archäologie 10 (Rahden 2019) 127–160.
Vorträge:
Müller Florian M., Das Konzept der materialimitierenden Farbfassung in der Abguss-Sammlung der Universität Innsbruck
Weiß wie Gips? Die Behandlung der Oberflächen von Gipsabgüssen, Universität Göttingen (13.–15.10.2016)
Müller Florian M., „Schreckenskammern der weißen Gespenster“ – Zur Frage materialimitierender Farbfassungen von Abgüssen nach antiken Bildwerken
Die Sprache wissenschaftlicher Objekte – Interdisziplinäre Perspektiven auf die materielle Kultur in den Wissenschaften, Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt (23.–24.9.2019)
Presse:
Müller Florian M., Alte Figuren in neuem Glanz, Newsroom der Universität Innsbruck, 28.18.2017.