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Auf den Radikalpazifisten im Vatikan ist Verlass. Immer wenn ein Krieg - oder gar ein Weltkrieg - droht, schaltet Papst Johannes Paul II. sich ein. Er wirbt für Frieden auf der Basis von gerechtigkeit, gegen militärische Vergeltung. Unter all den »Global Players« in der Champions League der Weltpolitik (von Bush bis Putin) ist der Papst aus Polen der Einzige, der radikal den politischen Pazifismus verficht.
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Das war schon Anfang der 90er Jahre der Fall, beim Golfkrieg der UN, ausgeführt vornehmlich von den Militärs der USA. gegen den aggressiven irakischen Diktator Saddam Hussein. Und es ist heute erneut zu beobachten. Im Krieg der globalen »Allianz gegen den Terror« unter Führung der Vereinigten Staaten gegen das Terrornetz Al Queida des aggressiven Fundamentalisten Osama Bin Laden sowie gegen das afghanische Taliban-Regime vertritt der Papst - beharrlich, laut und aller Welt zum Trotz - den Pazifismus.
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Dieser Pazifismus entspringt nicht irgendeiner pontifikalen Laune. Geschweige denn einem antiwestlichen oder antiamerikanischen-Sentiment. Nein, die konfliktfreudige Friedenslinie liegt in der persönlichen Theologie sowie in der persönlichen Lebensgeschichte von Papst Wojtyla begründet.
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Theologisch: Wer diesen Papst verstehen möchte, kommt beim Lesen seiner Krakauer Vorlesungen und vatikanischen Enzykliken nicht umhin, wahrzunehmen, wie konsequent dieser zeitgenössische theologische Denker am ersten der Zehn Gebote festhält. »Ich bin Jahwe, dein Gott, der dich aus Ägypten herausgeführt hat. aus dem Sklavenhaus. Du wirst neben mir keine anderen Götter haben« (Exodus 20 und Deuteronomium 5).
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Daraus resultiert bei Papst Wojtyla die Kritik an den politischen Machthabern und ihren Machtideologien. Ein Wort wie der von US- Präsident George W. Bush nach den Mordtaten vom 11.9. vorübergehend verwendete Begriff »Infinite Justice«, »unbegrenzte gerechtigkeit«, als Motto für den Antiterrorkrieg erscheint dem Papst (im Verein mit hellsichtigen Juden und Muslimen) als eine grobe Gotteslästerung - weil allein Gott, dem Allmächtigen, die »Infinite Justice« zukommt, von der Präsident Bush unbedacht daherschwadronierte.
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Des Papstes knallhartes Eintreten für das, was er unter einer »Kultur für das Leben« versteht. wurzelt in Wojtylas scharfkantigem Glauben an Gott, »den Schöpfer aller sichtbaren und unsichtbaren Dinge«, wie dies im Credo der Kirchen feierlich bekannt wird.
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Hier liegt die theologische Wurzel für seinen konsequenten Kampf gegen Geburtenkontrolle und Empfängnisverhütung; gegen Abtreibung; gegen jegliche soziale, wirtschaftliche und kulturelle Ausbeutung und Ungerechtigkeit (außer in den Kirchenstrukturen); gegen jeglichen Krieg; gegen die Machtansprüche der Biotechnologen und gegen die Vertreter der Lehre vom so genannten »Gnadentod« (Euthanasie) für Kranke im Endstadium.
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Leidvoll »durchgekämpft« zu dieser Glaubens-Entschiedenheit hat sich der junge
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Mann Wojtyla - Jahrgang 1920 - in den sechs langen Leidensjahren Polens unter der hit- lerdeutschen Barbarei von 1939 bis 1945. Es ist heutigen Deutschen, zumal Menschen der jungen Generation, zumeist nicht klar, was Hitlerdeutschland gegen Polen verübte: die systematische Ausrottung der polnischen Intelligenz. einschließlich der Priester.
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Damals stieß Karol Wojtyla auf das Buch eines - als »düster« geltenden - spanischen Mystikers aus dem Karmeliterorden. Das Werk mit dem Titel »Die dunkle Nacht der Seele« des Heiligen Johannes vom Kreuz (1542-1591) passte auf die Geistesnot im gequälten Polen. Der Mystiker-Appell, sich neben Christus an die Front zu stellen, aller Verzweiflung zum Trotze, verfing und wurde zur Lebensdevise des jungen Theologen.
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Wenn es um Gott und Christus geht, akzeptiert auch der alt gewordene Papst Karol Wojtyla - aus Wadowice, nahe Auschwitz - niemals ein liberales Wenn und Aber.
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Die Radikalität seines Pazifismus bringt den Papst aktuell in Schwierigkeiten. Insbesondere die US- Bischöfe, angeführt von Kardinal Edward Egan von New York, betonen öffentlich das Recht auf Verteidigung sowie die »Lehre vom gerechten Krieg«. Ihr Lautsprecher im Vatikan ist der dem Opus Dei zugehörige Vatikansprecher Joaquin Navarro-Valls. Er fiel dem pazifistischen Papst öffentlich - und von der Weltpresse breit zitiert - in den Rücken. Innerhalb der römischen Kurie fightet Kardinalstaatssekretär Angelo Sodano gegen den Pazifismus seines Chefs. Sodano kennt die US-Politik intimst, denn er wirkte jahrelang als Nuntius in Chile sowie als Papstdiplomat in den USA. Kardinal Sodano gilt als persönlicher Freund des ehemaligen US-Präsidenten George Bush senior und von dessen Sohn, dem derzeitigen US-Präsidenten Bush junior.
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Eine dritte Fraktion mischt sich ein in den Vatikan-internen Kampf gegen die unbedingte Friedenslinie des Papstes. Sie orientiert sich weniger an dem »jesuanischen Pazifismus« von Johannes Paul II. als an einer taktisch und politisch reflektierten Haltung der »Weltklugheit«. Für sie steht beispielsweise der Tübinger Theologieprofessor und schwäbische Kurienkardinal Walter Kasper.
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Er kritisiert moderat den Papst. Würde die Kirchenspitze die Lehre von der gerechten Verteidigung aufgeben, so würde sie für jeden Feind oder terroristischen Angreifer als ‚Waschlappen und Weichei', kalkulierbar. Deshalb dürfe von einem pragmatischen, theologisch durchdachten Verhältnis zu Krieg und militärischer (Gegen-)Gewalt nicht voreilig abgegangen werden. Die Lehre vom gerechten Krieg werde noch gebraucht, wenn Rom weiterhin mit »politischem Pazifismus« in der Politik mitmischen wolle.
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Und der Papst? Er hält an seinem Pazifismus fest. Und an seiner Sorge für die Muslime und Christen in Nahost. einschließlich der von der US-Regierung verfemten »Schurkenstaaten« Libyen und Irak.
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