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Sandler Willibald: Christentum als große Erzählung
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Christentum als große Erzählung
(Anstöße für eine narrative Theologie)

Autor:Sandler Willibald
Veröffentlichung:
Kategorieartikel
Abstrakt:
Publiziert in:Sandler, Willibald: Christentum als große Erzählung. Anstöße für eine narrative Theologie, in: Religion - Literatur - Künste. Ein Dialog (Im Kontext 14). Hg. Peter Tschuggnall, Anif/Salzburg: Müller-Speiser 2002, 523-538.
Datum:2002-12-17

Inhalt

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[Zum Aufsatz] (1) Vor nunmehr siebzehn Jahren proklamierte Lyotard das Ende der großen Erzählungen: (2) Traditionell sei die Gesellschaft durch Leitideen zusammengehalten worden, die als "große Erzählungen" von der Mehrzahl der Bürger geteilt wurden. Die ironische Spitze von Lyotards Behauptung bestand darin, daß er die gegenteilige Auffassung, wonach nicht irgendwelche Traditionen, sondern rationale Vernunftgründe die Gesellschaft zusammenhalten, selber als große Erzählung qualifizierte. (3) Und diese habe ihre einheitsstiftende Kraft verloren.

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Was bedeutet es, wenn man vor diesem Hintergrund das Christentum als eine große Erzählung bezeichnet? Erstens wird dieses damit in eine konstitutive Beziehung zum Erzählen gesetzt, - scheinbar mit einem Vorbehalt gegen die Möglichkeit einer rationalen Glaubensbegründung. Zweitens sieht sich eine solche Zuordnung mit Lyotards Behauptung konfrontiert, daß es mit den großen Erzählungen vorbei sei.

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So ist es kein Wunder, daß der Text des französischen Postmodernen die Theologen nicht gerade zur Rede vom Christentum als großer Erzählung ermunterte. (4) Doch die damit angezielte Sache beschäftigt die Theologie schon seit längerem.

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"Es darf wieder erzählt werden". Die narrative Theologie der 70er Jahre

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Für die deutschsprachige Theologie geht diese Faszination auf die 70er-Jahre zurück, genauer auf das Jahr 1973. Damals veröffentlichte die Zeitschrift Concilium zwei Plädoyers für eine neue Art, Theologie zu treiben. Das Stichwort lieferte der Linguist Harald Weinrich, als er in seinem Aufsatz "Narrative Theologie" dem Erzählen die lange verkannte Schlüsselbedeutung für die Theologie zurückgeben wollte. (5) Die biblischen Texte seien hauptsächlich Erzähltexte, bei denen die Frage, ob Fiktum oder Faktum, nachgeordnet sei. Christentum sei einem fortgesetzten Prozeß der Logisierung ausgesetzt gewesen, wodurch ein "Verlust narrativer Unschuld" resultierte. Indem sich die moderne Theologie auf geschichtliche Faktizitätsfragen fixierte, habe sie sich einem Rückzugsgefecht ausgeliefert, in dem sie nur verlieren könne. Die eigentlich bedeutsamen, narrativen Gehalte seien dabei vernachlässigt worden.

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Im selben Heft widmete sich der Münsteraner Fundamentaltheologe Johann Baptist Metz dem gleichen Anliegen mit einer "kleinen Apologie des Erzählens". (6) Er tat dies auf eine theologisch differenziertere Weise vor dem Hintergrund seiner politischen Theologie. Theologie müsse sich wesentlich für die Opfer der Geschichte engagieren und in einer "gefährlichen Erinnerung" deren zerstörte Hoffnungen wachhalten. Gefährlich sei dieses Erinnern, weil es nicht nur vor der Gleichgültigkeit des Nicht-mehr-Drandenkens bewahre, sondern auch Widerstand leiste gegen die Verrechnung vergangenen Leids in eine Siegergeschichte. Begriffliche Einordnung und damit vorschnelle Entschärfung des Leidensstachels droht aber nicht nur von politischen Ideologien her, sondern auch durch abstrakt-begrifflich dominierte theologische Systeme. Zwar muß Theologie die Botschaft von der in Christus bereits gegenwärtig wirksamen Erlösung im Angesicht der Opfer zur Sprache bringen, aber angesichts von deren unabgegoltenen Hoffnungen kann die Rede von objektiver Erlösung die praktisch anstehende Leidverarbeitung nur zynisch beruhigen. Wie soll Theologie also ohne Nivellierung zugleich Leid und Erlösung benennen? Hier bringt Metz als Ausweg das Erzählen von Opfer- und Heilsgeschichten ins Spiel. (7) Während Begriffssysteme beruhigen, stacheln Geschichten an: zur Umkehr, zur Nachfolge Jesu, zum Einsatz für die Opfer. Theologie müsse die kritisch-befreiende Kraft des Erzählens wiederbeleben.

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Das alles war von Metz programmatisch gemeint. Obwohl differenzierter als Weinrichs Polemik, die in unvermittelten Gegensätzen verharrte, (8) blieben die Ansätze von Metz nur Skizze. Der Appell war zwar deutlich genug, um ein schwelendes Unbehagen an begrifflich erstarrter Theologie zu bündeln, aber doch nicht so konkret, daß sich die Geister an ihm geschieden hätten. So wurde der Hornstoß narrativer Theologie von unterschiedlichsten theologischen Richtungen fortgesetzt. (9) Das dadurch entstehende Konzert war zwar laut genug, daß sich die "narrative Theologie" nicht mehr überhören ließ, aber auch so dissonant, daß man von einer neuen theologischen Denkform(10) ernsthaft nicht reden mochte. Nach einer Flut von Publikationen zur narrativen Theologie wurde es nach kaum zehn Jahren merklich stiller, und die ernsthaftesten Vertreter des Anliegens hatten sich vom Leitbegriff "narrative Theologie" bereits distanziert. (11)

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Und dennoch: Die Sache lebt weiter

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Dennoch ist die narrative Theologie nicht so vorbei, wie ein oberflächlicher Blick vermuten ließe. (12) Dies wird sichtbar, wenn man mehr auf die Sache als auf das Schlagwort achtet und wenn man über die Grenzen der deutschen Sprache sowie der Theologie überhaupt hinausblickt. Aber bleiben wir noch einen Augenblick im deutschsprachigen Raum. Dort ist - mit größerer Nähe zur angloamerikanischen Philosophie und völlig getrennt von der bisher beschriebenen narrativen Theologie - das Werk des protestantischen Theologen Dietrich Ritschl aus Heidelberg zu nennen, der in seiner theologischen Methodologie den "Stories" eine Schlüsselrolle zuerkennt.(13)

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Im angloamerikanischen Raum reicht die theologische Wertschätzung der "Story" bis weit vor die 70er Jahre zurück (14) und hält bis heute an. Allerdings liegen dort die Akzente anders. Weniger das kritische Potential von Erzählungen als deren identitätsstiftende Funktion für die einzelnen Glaubenden und für die Kirche steht im Mittelpunkt. Wichtigster Repräsentant für eine "Story-Theologie" ist der methodistische Theologe Stanley Hauerwas von der Duke-University in Durham. Er verficht die These, daß eine christliche Ethik sich nur innerhalb einer bestehenden Gemeinschaft - der Kirche - verankern läßt. Und diese erhalte ihre Identität dadurch, daß sich ihre Mitglieder als Teil einer gemeinsamen erzählten Geschichte verstehen: der Erzählung von Gottes Beziehung zu den Geschöpfen.(15)

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Hauerwas bezieht sich dabei auf den englischen, in Amerika lehrenden Philosophen Aleister MacIntyre, der die Bedeutung der Story in der Moralphilosophie herausgearbeitet hat. (16) Nach MacIntyre gründen moralische Überzeugungen einer Gesellschaft in ihren gemeinsamen Erzählungen, welche einen Zusammenhang herstellen zwischen deskriptiven und normativen Gehalten. (17) Gehen diese Erzählungen verloren, dann werden die herrschenden moralischen Normen mitsamt ihren Begründungsversuchen haltlos. Und eben darin bestehe die Misere, die den heutigen endlosen ethischen Kontroversen zugrundeliegt. Eine Überwindung dieser Krise sei nur möglich durch eine Rückkehr zu überschaubaren Erzählgemeinschaften.(18) MacIntyres Diagnose ähnelt in manchem Lyotards These vom Ende der großen Erzählungen, wenngleich er völlig gegensätzliche Folgerungen daraus zieht.

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Die narrative Qualifikation von Identität ist auch Thema der philosophischen Hermeneutik. Hier hat vor allem Paul Ricoeur seine Metapherntheorie konsequent zu einer Theorie des Erzählens (19) und zu einer Theorie der Subjektivität (20) weitergeführt. Eine Re-Etablierung des Narrativen gegenüber traditionskritischen Rationalitätskonzepten ist überdies fächerübergreifend Gegenstand von Mythentheorien. (21)

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In thematischer Nähe zur philosophischen Hermeneutik haben sich narrative Ansätze in die Grundlagenforschung der Geschichtswissenschaften fortgesetzt. (22) Darüber hinaus gewinnen im Umfeld der Naturwissenschaften infolge einer zunehmenden Berücksichtigung irreversibler Prozesse geschichtliche und erzählende Momente an Bedeutung. (23) Kosmologie und Evolutionstheorien erzählen Geschichten über das Werden höherer Komplexitätsstufen. In der Psychologie und insbesondere in der Psychoanalyse ist schon seit langem ein Abrücken von Mensch-Maschine-Modellen und ein zunehmendes Interesse an der Biographie der Klienten zu beobachten.

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Dieses die verschiedenen Wissenschaftsdiszplinen übergreifende Interesse am Topos Erzählung bildet eine Herausforderung für die Theologie, die noch immer nicht genügend wahrgenommen wird. Um ihr zu gerecht zu werden, kann man am Anliegen der früheren narrativen Theologie anknüpfen. Doch ist dazu der Erzählbegriff schärfer zu reflektieren.

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Ein Begriff von Erzählung, der als theologische Grundkategorie dient, enthält gegenüber einem literarischen Erzählbegriff bedeutende Verschiebungen und Erweiterungen:

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> von Erzählungen, bei denen aktueller Erzähler, literarischer Erzähler und erzählte Wirklichkeit unterschieden sind, zu identitätsartikulierenden und _konstituierenden Selbst-Erzählungen: es geht um meine Story, mit der ich meine Identität für mich und andere artikuliere und damit verwirkliche; und es geht um unsere Story, d.h. die Story unserer Gemeinschaft, z.B. von uns Christen; (24)

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> von der schriftlich gefaßten Erzählung über die Praxis spontanen Erzählens hin zu konzeptionellen Erzählungen: Stories, welche die persönliche oder gemeinschaftliche Identität artikulieren, liegen nicht notwendig als ausgeführte Erzählung vor, sondern als stories, die erzählt werden können; (25)

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> von abgeschlossenen Erzählungen zu Stories, die "im Werden" und nach vorne offen sind: Ich befinde mich mitten in meiner Geschichte oder innerhalb der Geschichte der Gemeinschaft als deren Teil ich mich verstehe; (26)

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> von Einzelerzählungen zu einer übergeordneten Gesamt-, Meta- oder Masterstory, die sich aus der Gesamtheit der Einzelstories ergibt, die es zu einer gemeinschaftlich-geschichtlichen Wirklichkeit verfügbar sind; (27)

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> von einer deskriptiven Vergangenheitsausrichtung zu einer normativen Zukunftsorientierung: Das aktuelle Handeln schreibt nicht nur die eigene Story weiter, sondern wird auch auch durch das in der eigenen Story enthaltene Selbstverständnis bestimmt; (28)

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> von der fiktiven Erzählung zur "wahren" Geschichte, welche geschichtlich-gemeinschaftliche Wirklichkeiten artikuliert, wirksam macht und damit überhaupt erst "ver-wirklicht". (29)

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Diese Verschiebungen und Erweiterungen werden in narrativen Theologien meistens unterschätzt. Es wird übergangen, daß sie voraussetzungsreich und zum Teil hochproblematisch sind. Zum Beispiel: Welcher Art ist die Wirklichkeit einer Metastory? Ist die Eindeutigkeit der verschiedenen Erzählungen soweit gesichert, daß sinnvoll von einer Metastory gesprochen werden kann? Wenn die Metastory einer Gemeinschaft durch die sie betreffenden Erzählungen ihrer Mitglieder konstituiert wird, dann ist mit Widersprüchen und Konflikten zwischen diesen Einzelerzählungen zu rechnen, sodaß die Eindeutigkeit einer Metastory höchst fragwürdig wird.(30)

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Es ist nicht möglich, die angesprochenen Fragen hier systematisch aufzuarbeiten. Anstelledessen wähle ich eine mehr narrative Vorgangsweise. In einer Skizze zur Bedeutung des Erzählens für den biblischen und kirchlichen Glaubensvollzug werde ich einige Aspekte anführen, die mir in herkömmlichen narrativen Theologien vernachlässigt erscheinen. Daran kann dann eine kritische Auseinandersetzung mit narrativen Theologien und die Diskussion einiger relevanter Sachfragen anschließen.

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Dramatisches Erzählen in Bibel und Kirche

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Im Alten Testament versteht sich das Volk Israel ganz von den Heilsinitiativen Gottes her. Durch die fortlaufende Erinnerung an Gottes Heilstaten erhält es seine Identität durch die Geschichte hindurch. Und diese Erinnerung wird in erzählender Form begangen. So ist es ein zentraler Auftrag an die Israeliten, die Geschichten von der Befreiung durch Gott ihren Kindern weiterzuerzählen und in deren Erfahrungswelt zu verankern. (31) Durch diese identitätsstiftenden Erzählungen erhalten sich geschichtliche Kontinuität und gemeinschaftliche Homogenität.

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Diese narrativ vollzogene Tradition ist kein starres Bewahren, sondern ein lebendiger Prozeß. Das Weitererzählen geschieht in neuen Kontexten, angesichts neuer Erfahrungen und Herausforderungen. Und für diese bilden die Erzählungen einen sinnstiftenden Rahmen. Die Erzählungen leiten so zu einem angemessenen Verhalten an, und dadurch wird die narrative Tradition in neue Ereignisse hinein fortgesetzt. Gelebter Glaube und Moral sind auf diese Weise narrativ begründet. Die aus diesem narrativen Kontext heraus bestandenen (oder nicht bestandenen) Ereignisse bilden zugleich den Stoff für ein aktuelles Weiterschreiben der Geschichte Israels: Sie werden im Lichte der bisherigen Erzählungen narrativ-deutend verarbeitet. (32) Durch die Assimilation neuer geschichtlicher Ereignisse wird das ursprüngliche Erzählgut nicht nur erweitert, sondern auch modifiziert. Und diese nach vorne hin offene Gesamtheit dieses Erzählprozesses wird von Israel als geschichtliche Selbsterschließung Gottes begriffen: Gott führt sein Volk durch die Geschichte und tut sich so immer mehr Menschen in immer tieferer Weise kund.

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Dieser Erzählprozeß verläuft keineswegs bruchlos kontinuierlich. Immer wieder prallen gegensätzliche Deutungen aufeinander. Bestimmte Deutelinien erweisen sich später als Irrwege. Sie werden dann aber nicht einfach ausgeschieden, sondern bereichern als Irrtums- und Bekehrungserzählungen die Gesamtgeschichte.

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Wie später noch deutlicher werden wird, (33) kommt gerade den Bekehrungsgeschichten eine Schlüsselbedeutung zu. Sie halten den Erzählprozeß offen, da sie die Vorläufigkeit des jeweils aktuellen Erzählstandes einmahnen: So wie frühere Positionen korrigiert werden mußten, so ist damit zu rechnen, daß sich auch die jetztige Sichtweise einer späteren Korrektur wird unterziehen müssen. Diese Wegkorrekturen und Bekehrungen sind niemals totale Brüche. Insbesondere können sie an Bekehrungstraditionen anknüpfen.

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Durch die Verschriftlichung wird dieser Erzählprozeß noch verbindlicher. Narrativ gedeutete Erfahrungen können durch Aufnahme in den liturgischen Kanon zu Schlüsseltexten für das Selbstverständnis Israels werden. Verschriftlichung bedeutet nicht notwendig Erstarrung. Vielmehr setzt sich der dramatische Konflikt um die richtige Geschichte in einem Ringen zwischen konkurrierenden Texten und Textinterpretationen fort.

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In den Erzählstrom werden auch nichtnarrative Momente eingebunden. Erzählungen machen Gegenstände auf geschichtliche Ereignisse hin bedeutsam.(34) Gesetze und Glaubensformeln lassen sich begreifen als normative Verdichtungen von Erzählungen.(35)

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Dieser vielfasrige Erzählstrang setzt sich im Neuen Testament fort. Allerdings verschärft sich hier die Einsicht, daß der Prozeß des Weiter- und Umerzählens nicht beliebig nach vorne offen ist. (36)

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Die Erzählungen von Tod und Auferstehung Jesu Christi greifen auf das Ende der Geschichte und auf den verbindlichen Abschluß aller Erzählungen voraus. Die apokalyptischen Texte des Neuen Testaments sind nur die narrative Entfaltung dieses eschatologischen Vorgriffs.

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Es liegt auch in dieser Konsequenz (und ist also nicht das Resultat frühkatholischer Verzerrungen), daß die Kirche in den folgenden Jahrhunderten die Abgeschlossenheit der Offenbarung im Christusereignis zunehmend betont und von daher den Interpretationsspielraum des christlichen Erzählprozesses durch Dogmen beschränkt. Auch damit ist der narrative Prozeß nicht notwendig zur Reproduktion erstarrt. Allerdings ist der Spannungsbogen zwischen Zukunftsoffenheit und Rückgebundenheit an konstitutive Ereignisse ("Gründungsgeschichten") nun im Vergleich zum Judentum anders geformt. (37) Gewiß hat die Theologiegeschichte mit ihrem harten Ringen um konsensfähige Glaubensformeln und dafür geeignete Begriffe das spontane, unbeschwerte Erzählen von Gottes Taten im Leben der Kirche belastet.(38) Aber die dogmatischen Formulierungen können auch begriffen werden als resultierende Verdichtungen dramatischer Klärungsprozesse, die für spätere Weitererzählung verbindliche Orientierungshilfen darstellen. - So verbleiben sie trotzt der Einbuße ihrer narrativen Form in einem vitalen Bezug zu den aktuellen Erzählversuchen. Ohne solche "Leitplanken" wäre ein Erzählprozeß, der den überschaubaren Rahmen von "Erzählgemeinschaften" längst gesprengt hat, (39) schon lange in eine Vielzahl unverbundener Erzählstränge zerfallen.

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Narrative Aporien bei Metz und Hauerwas

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Blicken wir ausgehend von dieser Skizze zurück auf die Akzente, die Metz und Hauerwas in ihren Story-Theologien setzen. Metz arbeitet vor allem die wirklichkeitsverändernde Kraft heraus, die in Erzählungen liegt. Programmatisch ist für ihn die chassidische Anekdote von dem Rabbi, der vom Tanzen seines Großvaters so leidenschaftlich erzählte, daß er - davon mitgerissen - selber zum Tanze aufsprang und so seine Lähmung überwand. (40) Diese praktische Dimension führt Metz zum zweiten Schwerpunkt weiter: die gefährliche Erinnerung. Erzählung steht im Dienst einer politischen Theologie, welche sich als kritisches Ferment gegen die herrschenden bürgerlichen Ideologien (mit Individualismus, Leistungsdenken und Fortschrittsoptimismus) begreift. Ihnen gegenüber rufen Erzählungen die gefährliche Erinnerung an jene Opfer wach, die im Prozeß der gesellschaftlichen Entwicklung auf der Strecke blieben.

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Die narrative Theologie von Metz teilt damit die Problematik einer jeden primär kritischen Theorie: Sie befindet sich in einer indirekten Abhängigkeit von jenem Denken, deren Kritik sie sich verschrieben hat. Mit dem Zerfall des bürgerlichen Denkens - den etwa Lyotards These vom Ende der großen Erzählungen impliziert - droht die politisch-narrative Theologie selber überflüssig zu werden. Demgegenüber läßt sich narrative Theologie stärker in affirmativer Richtung entfalten. Wie deutlich wurde, vermag Erzählung Gesellschaft nicht nur zu kritisieren, sondern auch zu begründen. Dieser Aspekt kommt bei Metz zu kurz.

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Die bei Metz vernachlässigte narrative Grundlegung von Gemeinschaft und Kirche spielt bei Hauerwas eine zentrale Rolle. Demgegenüber fällt bei diesem die von Metz betonte kritische Funktion von Erzählungen weitgehend aus. Solch gegensätzliche Folgerungen aus ähnlichen narrativen Voraussetzungen (41) werfen ein fragwürdiges Licht auf den Geltungsanspruch von narrativer Theologie insgesamt. (42) Spiegelt eine Theologie, die mehr auf die Kraft des Erzählens als auf die Luzidität von Argumenten setzt, im Resultat nur die unhinterfragten Voraussetzungen der Theologen, welche sich christlicher Stories bedienen? Wurden Erzählungen nicht immer schon zum willfährigen Instrument von Ideologien gemacht? Verliert also eine narrative Theologie, welche Erzählungen an die Stelle von Argumenten setzt, nicht jeden Schutz davor, selber ideologisch zu werden? Jedenfalls kann sich narrative Theologie nicht vor der Wahrheitsfrage drücken, indem sie Erzählung gegen Argument ausspielt. (43)

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Die entscheidende Frage, welche sowohl bei Metz als auch bei Hauerwas zu kurz kommt, lautet: Nach welchen Kriterien wird der Streit zwischen konkurrierenden Erzählungen (bzw. Deutungen von Erzählungen) entschieden? Verfolgen wir die Frage anhand der Präferenzen der beiden Theologen: Metz erzählt das Christentum als eine Geschichte von subversiv-gefährlichen Erinnerungen und adressiert diese Geschichte primär an die säkulare heutige Welt. Hauerwas versteht das Christentum als Programm der Selbstheiligung durch Angleichung an die Geschichte Gottes und beschränkt den Adressatenkreis der Erzählung in einer grundsätzlichen Zurückweisung eines ethischen Universalismus auf die durch diese Erzählung konstituierte Kirche. Mit welchen Mitteln kann dieser Konflikt ausgetragen werden?(44)

39
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Metz bewertet Erzählungen nach ihrer kritischen Kraft, ohne die Legitimation dieses Kriteriums zu überprüfen. Er nimmt zwar zur Kenntnis, daß Geschichten nicht automatisch kritisch sind, sondern auch zur Beschwichtigung und Entlastung dienen können.(45) Wodurch aber ist die Bevorzugung gerade der kritischen Erzählungen für die systematische Theologie legitimiert?(46) Wenn - wie Metz nahelegt - diese Bewertung zur "schützenden" Aufgabe der argumentierenden gegenüber der erzählenden Theologie gehört, (47) dann droht die Erzählung doch wieder zur nachträglichen Veranschaulichung argumentativer Theologie entwertet zu werden, - eine Option, die Metz vehement zurückweist.(48) - Oder das Kriterium der kritischen Kraft wird aus einer anderen, umfassenderen Erzählung gewonnen, - etwa der von Lyotard thematisierten großen Erzählung der Emanzipation, wonach alle Menschen auf dem Weg sind, zu eigenverantwortlichen Subjekten der Geschichte zu werden. Damit aber würde die christliche Erzählung von einer anderen, maßgeblicheren Erzählung (des Humanismus, der Emanzipation) konditioniert. (49)

40
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Wenn man im Streit um die Deutung der Erzählung den Rückgriff auf Kriterien außerhalb der Erzählung (entweder 'traditionsfreier' Vernunft oder einer anderen, umfassenderen Referenzerzählung) wegen der unakzeptablen Konsequenzen unterläßt, dann scheint nur mehr die Alternative der Argumentationsverweigerung zu bleiben. In diese Richtung verläuft der Weg, den Hauerwas beschreitet: Gemeinschaft wird durch eine bestimmtes Set von Erzählungen und durch eine bestimmte Deutungsweise dieser Erzählungen (beides zusammengefaßt: durch eine Metaerzählung) konstituiert. Wenn jemand diese Erzählungen und Deutungsweisen nicht teilt, dann ist er damit eo ipso nicht mehr Teil der Gemeinschaft. Wenn er nicht mehr Glied der Gemeinschaft ist, gehört er aber auch nicht mehr zu den eigentlichen Adressaten dieser Erzählung. (50)

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Auf diesem Weg bleibt eine Story-Theologie zwar sich selbst treu, verzichtet aber zugleich auf den Anspruch einer universalen Kommunikabilität. Die anderen, die sich der Leiterzählung nicht anschließen wollen, werden allenfalls als Bekehrungskandidaten ernstgenommen, nicht aber mit ihren kritischen Einwänden. Wegen dieser Konsequenzen wurde die Story-Theologie mit dem Etikett einer Sektenmentalität versehen. (51) Ist diese Folgerung zwangsläufig?

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Ein Ausweg: Christentum als große Erzählung

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Um die Aporie zu überwinden, muß erstens die Dramatik von Erzählprozessen ernstgenommen werden. Wie in der Skizze ausgeführt, sind individuelle und gemeinschaftliche Identitäten nicht durch harmonische Erzählfolgen, sondern viel eher durch spannungsreiche Erzählprozesse geprägt. Von daher verbietet es sich zweitens, Erzählen und Argumentieren gegeneinander auszuspielen. In der Konfrontation zwischen widerstreitenden oder widersprüchlich interpretierten Erzählungen verfließen die Grenzen zwischen Erzählen, Interpretieren und Argumentieren: Es wird mittels Erzählungen argumentiert.

44
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Stößt eine Erzählung (oder eine bestimmte Deutung einer Erzählung) auf unvereinbar scheinende Gegenerzählungen oder Gegeninterpretationen, dann kann sie versuchen, im Rahmen der eigenen Erzähltradition Anteile freizulegen, welche die eigene Position auch dem Gegner verständlich und akzeptabel erscheinen läßt. Ein solches Bemühen bleibt einerseits der eigenen Erzähltradition treu (indem sie auf eine vertiefte Aneignung der eigenen Erzähltradition zielt) und ist dennoch gegenüber anderen Positionen lernbereit (indem sie zugleich auf eine Erweiterung der eigenen Erzähltradition zielt). Diese Vorgehensweise liegt jenseits der Alternativen einer Preisgabe der eigenen Erzähltradition zugunsten übergeordneter Prinzipien oder Erzählungen (dem oben genannte einen Straßengraben) und eines Rückzugs auf die Partikularität der eigenen Erzähltradition in Ignoranz von kritischen Einwänden dagegen (des oben genannten anderen Straßengrabens).

45
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Die Grenzen dieser Vorgehensweise werden bestimmt von der Weite und Assimilationskraft einer Erzähltradition. Der von vielen als anstößig empfundene Universalitäts-, Wahrheits- und Absolutheitsanspruch des Christentums läßt sich im Rahmen der hier verfolgten Überlegungen reinterpretieren als Anspruch einer universalen Weite und Assimilationskraft. (52) Die christliche Erzähltradition zielt auf die Aneignung von "allem Wahren und Guten". Dabei kommt der oben bereits angesprochenen charakteristischen Spannung zwischen Abgeschlossenheit und Offenheit eine Schlüsselrolle zu:(53) Sie bedeutet hier, daß das Christentum im Kontakt mit echten neuen Einsichten außerchristlicher Herkunft dieselben in ihre eigene Erzähltradition zu integrieren sucht, und die christliche Zuversicht, daß damit die eigene Tradition (die narrativ verstehbare Identität des Christlichen) nicht verfremdet, sondern authentischer wahrgenommen wird. Eine solche zuversichtliche Grundannahme bedeutet dann (und nur dann) eine echte Dialogfähigkeit und Lernbereitschaft (als Offenheit dafür, daß nichtchristliche Gesprächspartner Aspekte einbringen können, die gegenüber der eigenen Tradition zugleich berechtigt und neu sind), wenn unterschieden werden kann zwischen der Erzähltradition an sich und der Erzähltradition, wie sie von den Christen/der Kirche bereits erfaßt wurde. Dieser Unterschied ist durch die Annahme gesichert, daß die christliche Erzählung in ihrem Wesen Erzählung Gottes - d.h. nicht nur Erzählung über Gott, sondern Erzählung von Gott als dem eigentlichen Autor - ist, die von den Christen im Verlaufe der Geschichte zwar immer tiefer, doch nie restlos erfaßt wird.

46
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Kehren wir von da aus zur Eingangsfrage zurück: Christentum als große Erzählung? Nach dem hier skizzierten Konzept tendiert das Christentum darauf hin, universale Erzählung zu werden, wobei dieses Streben wesentlich das Bekenntnis beinhaltet, daß diese Universalität noch nicht verwirklicht ist.(54) Wegen dieses eschatologischen Vorbehaltes verfällt ein "Christentum als große Erzählung" auch nicht der Kritik Lyotards, der den großen Erzählungen Totalitarismus vorwirft. Im Gegenteil: Die Anerkennung, daß eine universale Erzählung nicht in der Macht der Menschen und ihrer Ideologien steht, ist letztlich der einzige Schutz vor den Lockungen ideologischer Universalitätsversprechen. Denn die Sehnsucht nach Universalität und Absolutheit ist dem Menschen zutiefst eingeschrieben. Christentum als eschatologische große Erzählung bewahrt die Menschen davor, die eschatologische Stelle der universalen Erfüllung selbst ausfüllen zu wollen. (55) Der Anspruch von der Abgeschlossenheit der Offenbarung, von der Vorwegnahme der Vollendung der Welt in Christus, nimmt diese Offenheit nicht zurück, sondern hält sie aufrecht, denn er besagt, daß die erhoffte Universalität und Vollendung tatsächlich in der Reichweite der Selbstoffenbarung des Gottes Jesu Christi steht, und daß wir deshalb nicht "auf einen anderen Erlöser warten" müssen. (56)

47
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Wie aber steht es mit Lyotards Proklamation eines "Endes der großen Erzählungen"? Vorausgesetzt, die Diagnose ist richtig, läßt sie unterschiedliche Bewertungen zu. Lyotard begrüßt das Ende der Erzählungen als Ende der systemimmanenten Gewalt. Aber der Verlust universal verbindender Plausibilitäten bedeutet nicht schon automatisch den eschatologischen Frieden. Eher bezeichnet er ein apokalyptisches Szenario, in dem die Widerstandskräfte gegen grassierende Gewalt zusammengebrochen sind und ein Kampf aller gegen alle droht. Nur in der Anerkennung, "daß einer Herr ist" (57) verbunden mit der Überzeugung, daß dieses Herren Reich "nicht von dieser Welt" ist, (58) läßt sich weltimmanent eine gewaltlose An-Archie verwirklichen. Um diese Anerkennung geht es dem Christentum als eschatologisch angezielte große Erzählung. In weltimmanenter Perspektive verhält es sich damit kritisch gegen die Anmaßung großer Erzählungen, - auch in den eigenen Reihen, d.h. es verfügt über ein selbstkritisches Potential gegenüber ständig drohenden Selbstverabsolutierungen. (59) So verstanden steht die These vom Christentum als große Erzählung nicht in Gegensatz, sondern in Kontinuität zu Lyotards Plädoyer für ein Ende der großen Erzählungen.

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Dennoch bleiben Differenzen. Gewiß ist eine Erzählung, die sich unter einen eschatologischen Vorbehalt stellt, und die selbstkritisch unterscheidet zwischen dem eigenen unvollkommenen Erzählstand und der uneingeholten idealen Erzählung des göttlichen Autors, in ihren Verkettungen weniger gewaltsam als eine ideologisch geschlossene Erzählung. Dennoch versucht sie, disparate Erzähltraditionen miteinander zu vermitteln und setzt diese so unter Druck. Dies würde Lyotard wohl als einen unberechtigten Angriff auf die Autonomie der favorisierten kleinen Erzählungen bewerten. Und Metz würde bei einem Verständnis des Christentums als großer Erzählung vermutlich befürchten, daß damit jene Verblüffungsfestigkeit(60) zurückzukehren droht, die er an der herkömmlichen räsonierenden Theologie anprangerte und gegen die er die kritischen Einzelerzählungen zu Hilfe rief. (61) Die Spannung zwischen System und Erzählung, zwischen argumentierender und narrativer Theologie wiederholt sich als Spannung zwischen großer Erzählung und Teilerzählungen. Allerdings kann und darf diese Spannung nicht methodologisch entschärft werden. Denn sie macht den christlichen Erzählungen ihre jeweilige Vorläufigkeit bewußt und treibt sie immer neu über sich hinaus.

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Anmerkungen:

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1. Dieser Aufsatz ist der zweite innerhalb einer Trilogie über Analogien zu literarischen Formen in der theologischen Methodik. Thematisiert werden die drei Bereiche dramatische, narrative und mimetische Theologie. Der erste Beitrag mit dem Titel „Was ist dramatische Theologie" wurde auf dem Symposion zu Theologie und Literatur in Innsbruck 1995 gehalten und ist veröffentlicht in: Religion und Literatur. Aspekte eines Vergleichs (Im Kontext 4). Hg. P. Tschuggnall, Anif/Salzburg 1998, 41-57. Den dritten Beitrag zu Mimesis und Theologie werde ich am dritten Innsbrucker Symposion im März 1999 zur Diskussion stellen.

51
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2. "Die große Erzählung hat ihre Glaubwürdigkeit verloren, welche Weise der Vereinheitlichung ihr auch immer zugeordnet wird: Spekulative Erzählung oder Erzählung der Emanzipation" (J.-F. Lyotard, Das postmoderne Wissen. Ein Bericht [Edition Passagen 7], Graz-Wien 1986, 112, vgl. auch 175). Lyotard faßt die These sogar noch radikaler: "Die Sehnsucht nach der verlorenen Erzählung ist für den Großteil der Menschen selbst verloren" (ebd. 122; zur großen Erzählung vgl. auch ebd. 67-75, 96-122). Vgl. auch ders., Der Widerstreit, München 1987, 12, 249-267 u.ö.

52
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3. Zur skeptischen Behauptung, Theorien seien eigentlich Erzählungen, vgl. auch: Lyotard, Apathie in der Theorie. Internationale Marxistische Diskussion, no. 88. Berlin 1979, 22 (Auszug aus den "Heidnischen Unterweisungen").

53
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4. Lyotard selber spricht von der "christlichen Erzählung" - um die Mitte des Auftrags "Liebet einander" und von ihrer historischen Überlegenheit gegenüber anderen Erzählungen im römischen Reich - in: Lyotard, Der Widerstreit (s. Anm. 2), 264f.

54
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5. Vgl. H. Weinrich, Narrative Theologie, in: Concilium 9 (1973) 329_334.

55
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6. Vgl. J.B. Metz, Kleine Apologie des Erzählens, in: Concilium 9 (1973) 334_341. Der Aufsatz ist in überarbeiteter Form abgedruckt in: Ders., Glaube in Geschichte und Gesellschaft. Mainz 1977, 181-194.

56
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7. "Eine Theologie des Heils, die weder die Heilsgeschichte konditioniert oder suspendiert noch die Nicht-Identität der Leidensgeschichte ignoriert bzw. dialektisch überfährt, kann nicht rein argumentativ, sie muß immer auch narrativ expliziert werden; sie ist in fundamentaler Weise memorativ-narrative Theologie." Metz, Kleine Apologie des Erzählens (s. Anm. 6) 339.

57
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8. Weinrich tendiert in seinem Aufsatz dazu, Relevanz und Betroffenheit gegen Wahrheit sowie Erzählen gegen Geschichte auszuspielen.

58
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9. Vgl. den Überblick in: B. Wacker, Narrative Theologie? München 1977.

59
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10. Vgl. J. Meyer zu Schlochtern, Erzählung als Paradigma einer alternativen theologischen Denkform. Ansätze zu einer "narrativen Theologie", in: Theologische Berichte 8.. Hg. Fr. Furger, Einsiedeln_Zürich_Köln 1979, 35_70.

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11. Vgl. B. Wacker, Zehn Jahre "Narrative Theologie" - Versuch einer Bilanz, in: Erzählen für Kinder - Erzählen von Gott. Begegnung zwischen Sprachwissenschaft und Theologie. Hg. W. Sanders / K. Wegenast, Stuttgart 1983, 13_32. Von einer Bezeichnung ihrer Theologie als narrativ distanzierten sich ausdrücklich Dietrich Ritschl und Stanley Hauerwas.

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12. Unabhängig von Modeströmungen ist in der praktischen Theologie und in den Bibelwissenschaften Narrativität ein wichtiges Teilthema; das sei hier nicht bestritten. Doch geht es hier um die anders gelagerte Frage, ob der Narrativität innerhalb eines Grundansatzes von systematischer Theologie eine zentrale Bedeutung zukommen muß. Und auch dafür gibt es über den Aufbruch der 70er Jahre hinaus wichtige Indizien.

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13. Vgl. D. Ritschl, Zur Logik der Theologie. Kurze Darstellung der Zusammenhänge theologischer Grundgedanken, München 1988. Weiters: D. Ritschl / H. Jones, 'Story' als Rohmaterial der Theologie (ThExh 192), München 1976. Zur Zeit arbeitet Ritschl an einem dreibändigen Alterswerk, in dem er die komprimierte Story-Theologie seiner "Logik" material ausfalten will (vgl. Theologische Samenkörner. Festschrift für Dietrich Ritschl, Hg. R. Bernhardt u.a., Münster 1994, 35). - Der begrenzte Raum verbietet es, auf weitere Rezeptionen des Erzählens in der systematischen Theologie einzugehen. Nur genannt sei die frühe Arbeit von Dietmar Mieth im Grenzgebiet zwischen Moraltheologie und Literaturwissenschaften: Vgl. ders., Dichtung, Glaube und Moral. Studien zur Begründung einer narrativen Ethik, Mainz 1976.

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14. Als Urahn der Diskussion in den USA über narrative Theologie gilt: H. Richard Niebuhr, The Meaning of Revelation. New York 1941, darin besonders das 2. Kapitel: "The Story of Our Lives".

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15. Vgl. S. Hauerwas, Selig sind die Friedfertigen. Ein Entwurf christlicher Ethik. Neukirchen_Vluyn 1995, 116.

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16. Vgl. A. MacIntyre, Der Verlust der Tugend. Zur moralischen Krise der Gegenwart. Frankfurt-New York 1987.

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17. MacIntyre bezieht sich dafür mit Vorliebe auf die teleologische Tugendethik von Aristoteles. Eine Gesellschaft, die gemäß einer solchen Ethik lebt, faßt ihre Begriffe so, daß diese Deskription und Normativität miteinander verbinden. So gehört etwa zum Begriff des Bauern auch die Bestimmung davon, was ein guter Bauer ist. Auf der Basis des ethischen Grundprinzips, daß der Mensch das Gute zu verwirklichen habe, führt der Begriff des Bauern damit die Norm, wie sich ein Bauer zu verhalten hat, mit sich. Das für herrschende Moralvorstellungen verhängnisvolle Argument vom naturalistischen Fehlschluß, wonach aus Fakten nicht Normen abgeleitet werden können, treffe auf eine solche Konstellation nicht zu (vgl. MacIntyre, Der Verlust der Tugend [s. Anm. 16] 82-86). MacIntyre verdeutlicht, daß Begriffe eine solche Verbindung des Normativen mit dem Deskriptiven im Rahmen von Erzählungen herstellen. Diese Brückenfunktion der Erzählung wird von mehreren Narratologen als essentiell bezeichnet. Trotz aller Unterschiede stimmen Ricoeur, Lyotard, Rüsen und MacIntyre in diesem Punkt miteinander überein.

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18. Solche glaubt MacIntyre in einer Rehabilitierung des Typus Aristotelischer Polis-Gemeinschaften zu finden (vgl. MacIntyre, Der Verlust der Tugend [s. Anm. 16] 349f.

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19. Vgl. P. Ricoeur, Zeit und Erzählung, 3 Bde. 1988-1991.

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20. Vgl. P. Ricoeur, Das Selbst als ein Anderer (Übergänge Bd. 26). München 1996.

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21. Für einen Überblick vgl. K. Hübner, Art. Mythos I. Philosophisch, in TRE 23, 597-608. Ders., Die Wahrheit des Mythos, München 1985.

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22. Damit wird die scharfe Entgegensetzung von Historie und Narrativität, wie sie von Weinrich formuliert wurde, widerlegt. Vgl. J. Rüsen, Grundzüge einer Historik, 3 Bde. 1983-1989.

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23. Die strikte Trennung der Analysen von Genese und Geltung wurde durch die Wissenschaftstheorien von Thomas Kuhn, Paul Feyerabend und Imre Lakatos relativiert. Den Untersuchungen des damit sich öffnenden Übergangsbereichs widmen sich die "science studies". Vgl. dazu Bruno Latour, Wir sind nie modern gewesen. Versuch einer symmetrischen Anthropologie, Berlin 1995.

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24. Oft wird der Zusammenhang von Erzählung und Identität einfach durch Veranschaulichungen erläutert. "Anstatt meine Frau oder meinen Freund zu 'definieren' oder das 'Wesen' der Ehe darzulegen, erzähle ich die Story, die wir gemeinsam haben und die zum Teil das ausmacht, was wir sind" (Ritschl/Jones [s. Anm. 13], 15). Am differenziertesten wird dieser Zusammenhang reflektiert von P. Ricoeur in: Das Selbst als ein Anderer [s. Anm. 20] 173-206. Vgl. auch MacIntyre, der Verlust der Tugend (s. Anm. 16) 289-300.

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25. Vgl. Ritschl/Jones (s. Anm. 13) 19.

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26. Vgl. Ritschl/Jones (s. Anm. 13) 30.

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27. Dietrich Ritschl spricht von Gesamtstories oder Metastories. Vgl. Ritschl/Jones (s. Anm. 13) 19-23. Ritschl, Logik (s. Anm. 13) 45f.

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28. Die praktische, performative, ja sogar sakramentale Dimension des Erzählens (als "signum efficax") ist maßgeblich für die narrativen Theologien von Metz (vgl. Metz, Glaube [s. Anm. 6] 48f und 184f) und Leonardo Boff (vgl. L. Boff, Kleine Sakramentenlehre. Düsseldorf 1976, sowie sekundär: Wacker [s. Anm. 9] 66-69).

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29. Eine naive Entgegensetzung von realer Geschichte und fiktiven Geschichten wurde durch Hermeneutik und Geschichtswissenschaft überwunden. So hat Jörn Rüsen die narrative Dimension von Geschichtsschreibung im Hinblick auf die Wahrheitsfrage unter dem Stichwort der narrativen Triftigkeit herausgearbeitet: "Narrativ triftig sind Geschichten, wenn der von ihnen als Kontinuität und Zeitfluß dargestellte Sinnzusammenhang zwischen Tatsachen und Normen durch Sinnkriterien ... gesichert ist, die in der Lebenspraxis ihrer Adressaten wirksam sind" (J. Rüsen, Historische Vernunft. Grundzüge einer Historik I: Die Grundlagen der Geschichtswissenschaft, Göttingen 1983, 83).

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30. Vgl. die Kritik von Michael Goldberg, in ders., God, Action and Narrative: Which Narrative? Which Action? Which God?, in: The Journal of Religion 68:1 (1988) 39_56; sowie H. Perry-Trauthig, Story und Ethik: Eine Untersuchung aus christlich_theologischer Perspektive. Frankfurt am Main 1993, 94.

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31. Vgl. das Gebot in Dtn 4,9f: "Vergiß nicht die Ereignisse, die du mit eigenen Augen gesehen, und die Worte, die du gehört hast. Laß sie dein ganzes Leben lang nicht aus dem Sinn! Präge sie deinen Kindern und Kindeskindern ein!" - Diese Weitergabe hat eine identitätsstiftende Funktion nicht nur für die Adressaten der Erzählung (die Kinder), sondern auch für die Erzählenden selber. Indem sie die Geschichte Jahwes mit seinem Volk bezeugen, erweisen sie sich als glaubende Israeliten.

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32. Gewiß liest die im Rahmen einer umfassenden Erzähltradition erfolgende sinnstiftende Interpretation von Ereignissen in diese Ereignisse Momente hinein, die aus einer von dieser Tradition losgelösten Perspektive als willkürlich und unberechtigt erscheinen könnten. Für die Berechtigung einer solchen Interpretation spricht aber der vorhin erwähnte Umstand, daß die Handlungen zumindest einiger der Akteure ursprünglich geleitet wurden durch eben jene Erzähltradition, die in nachträglicher Reflexion auf diese Handlungen weitergeschrieben wird.

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33. Vgl. unten Anm. 59.

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34. Vgl. z.B. Jos 4,21f: "Wenn eure Söhne morgen ihre Väter fragen: Was bedeuten diese Steine?, dann sollt ihr sie belehren: Hier hat Israel trockenen Fußes den Jordan durchschritten."

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35. Vgl. den begründenden Vorspann zu den Zehn Geboten in Ex 20,2: "Ich bin Jahwe, dein Gott, der dich aus Ägypten geführt hat, aus dem Sklavenhaus. Du sollst neben mir keine anderen Götter haben ...". Vgl. auch die mehrfach wiederkehrende Argumentation: "Einen Fremden sollst du nicht ausnützen oder ausbeuten, denn ihr selbst seid in Ägypten Fremde gewesen" (Ex 22,20).

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36. Vgl. Hebr 1,1f: "Viele Male und auf vielerlei Weise hat Gott einst zu den Vätern gesprochen durch die Propheten; in dieser Endzeit aber hat er zu uns gesprochen durch den Sohn, den er zum Erben des Alls eingesetzt und durch den er auch die Welt erschaffen hat".

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37. Von daher ergeben sich Differenzen zwischen jüdischer und christlicher narrativer Theologie, die von Metz, der sich vorzüglich auf jüdische narrative Traditionen bezieht, wohl unterschätzt werden. Zu diesen Differenzen vgl. Karlheinz Müller, Bedingungen einer Erzählkultur. Judaistische Anmerkungen zum Programm einer 'narrativen Theologie', in: Erzählter Glaube - erzählende Kirche (QD 116). Hg. R. Zerfaß, Freiburg i.Br._Basel_Wien 1988, 28_51.

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38. Dietrich Ritschl reflektiert diese Entfremdung als "autonome Begriffe": Er bezeichnet den Verdichtungsprozeß bei Nacherzählungen hin zu narrativen Kurzformeln als Summierungen und definiert autonome Begriffe als "Summierungen, wenn ihre Benützer die dahinter liegende Story vergessen haben oder gering schätzen" (Ritschl/Jones [s. Anm. 13] 25).

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39. Ein solches idyllisches Bild von überschaubaren Erzählgemeinschaften hat Weinrich entworfen. Vgl. ders., narrative Theologie (s. Anm. 6) 330f.

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40. Vgl. Metz, Glaube (s. Anm. 6) 184.

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41. Metz und Hauerwas stimmen nicht nur überein in der Wertschätzung der Erzählung für die Theologie, sondern unterstreichen auch beide den primär sozial- und praxisbezogenen Charakter von Theologie, der durch Erzählungen gewahrt wird. Paul Lauritzen hat noch weitere Gemeinsamkeiten herausgearbeitet, vor allem diejenige, daß beide Theologien auf Erzählungen zurückgreifen, um eine Antwort auf dasselbe Grundproblem des Christentums zugeben, nämlich das Dilemma zwischen geschichtlicher Selbstidentität in Unterscheidung gegenüber der Welt ("distinctness") und Bedeutung für die Welt ("relevance"). Vgl. P. Lauritzen, Is 'Narrative' Really a Panacea? The Use of 'Narrative' in the Work of Metz and Hauerwas, in: The Journal of Religion 67 (1987) 322_339.

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42. Das ist die kritische Konklusion von Paul Lauritzen, in: Is 'Narrative' Really a Panacea? (s. Anm. 41).

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43. Die Absicht, Erzählung gegen Argument auszuspielen, liegt Metz gewiß fern. Allerdings ist ihm eine echte Vermittlung beider Aspekte nicht geglückt. Das ist im folgenden aufzuzeigen.

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44. Vgl. Lauritzen (s. Anm. 41) 336: "... we may well feel that they are reading different stories. For Metz, the result is a life committed to near revolutionary social action; for Hauerwas, a life given to a sort of secterian pacifistic witness."

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45. vgl. Metz, Glaube (s. Anm. 6) 187.

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46. Vgl. etwa die Kritik an einer Beschränkung von Erzählung und Erinnerung auf Leidthematik und gesellschaftskritische Funktion durch Paolo Suess: Ders., Über die Unfähigkeit der Einen, sich der Andern zu erinnern, in: Anerkennung der Anderen. Eine theologische Grunddimension interkultureller Kommunikation (FS H. Peukert) (QD 156). Hg. E. Arens, Freiburg i.Br._Basel_Wien 1995, 64-94, hier: 91.

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47. Vgl. ebd. 191.

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48. Vgl. ebd. 187f.

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49. Diese Alternative verbietet sich aus zwei Gründen: Zur theologischen Unhaltbarkeit einer solchen Annahme kommt die Inkommunikabilität der eigenen Position gegenüber Standpunkten dazu, welche die "große Erzählung" eines universalen Humanismus nicht mehr teilen.

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50. Ähnlich wie bei der Kritik an Metz (s. oben Anm. 43) ist auch bei Hauerwas zu unterscheiden zwischen Absicht und ungewollten Konsequenzen. Eine sektiererische Selbstabschottung von Erzählgemeinschaften zählt gewiß nicht zu seinen Intentionen. Weil die Kommunikabilität ethischer Argumente aber auf beschränkte Gemeinschaften begrenzt wird, ist diese Konsequenz nur schwer zu vermeiden. Der Bezug zur "Welt", d.h. zu all jenen, die die Story Gottes nicht zu ihrer eigenen Story machen, fällt damit nicht einfach aus. Er beschränkt sich allerdings auf das gelebte Zeugnis.

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51. So James M. Gustafson, The Sectarian Temptation: Reflections on Theology, the Church and the University, in: Proceedings of the Catholic Theological Society 40 (1985) 83_94. Vgl. Perry-Trauthig (s. Anm. 30) 10, 98-101. Pikanterweise war Gustafson der Doktorvater von Hauerwas.

101
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52. In ähnliche Richtung - durch eine kritische Rezeption von MacIntyre und Hauerwas, mit einer Korrektur in Richtung auf einen christlichen Universalismus - zielt: W. Palaver, W. Guggenberger u.a.: Pluralismus - ethische Grundintuition - Kirche, in: ZkTh 120 (1998) 257_289, bes. 282.

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53. Die an dieser Stelle entfalteten Überlegungen sind relevant für die laufende Debatte mit pluralistischen Religionstheologien um den "Absolutheitsanspruch des Christentums" (vgl.: Christus allein? Der Streit um die Pluralistische Religionstheologie [QD 160], Hg. R. Schwager, Freiburg i.Br._Basel_Wien 1996). Sie vertreten eine dynamische Variante der sogenannten inklusivistischen Position, nach der das Christentum Wahrheiten anderer Religionen anerkennt (im Gegensatz zum Exklusivismus), aber sie als Entfaltung des eigenen Glaubensgutes zu assimilieren versucht (im Gegensatz zu einem relativistischen Pluralismus).

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54. In biblischer Diktion: Solange Gott noch nicht über alles und in allem herrscht (vgl. 1 Kor 15,28), muß auch die Kirche vom Reich Gottes unterschieden werden.

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55. In dieser Hinsicht steht das Christentum also nicht in Gegensatz, sondern in Kontinuität zum Judentum!

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56. Vgl. Lk 7,19.

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57. Vgl. Röm 14,11; Eph 4,5; Phil 2,11.

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58. Vgl. Joh 19,36, sowie Hebr 9,11.

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59. Hier zeigt sich die Bedeutung einer wichtigen Variante von kritischer Erzählung und gefährlicher Erinnerung, die von Metz nicht hervorgehoben wurde, aber im Kontext seines Ansatzes ausgearbeitet werden könnte: die selbstkritische Erzählung in einer Tradition der Selbstkritik. In einem Vergleich zwischen den Religionen ließe sich gerade das selbstkritische Potential, und von daher eine besondere Flexibilität und Assimilationskraft als Stärke von Christentum und Judentum ausmachen. Das gilt für die schonungslose Selbstkritik Israels, welche mit der Kanonisierung der Propheten zwangsläufig verbunden war, setzt sich mit der rückhaltlosen Weitergabe von selbstkritischen Passagen im Neuen Testament (z.B. die Verleugnung Jesu durch Petrus) fort und bleibt in der Geschichte der Kirche bis heute eine Nagelprobe für die Kirche: ob sie den Mut aufbringt, die eigene geschichtliche Identität gerade im selbstkritischen Eingeständnis früheren Versagens zu wahren.

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60. Vgl. Metz, Glaube (s. Anm. 6) 9.

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61. In eine solche Richtung zielte ja Metz´Kritik an Pannenberg, der sich "fragen lassen [müsse], ob sein Vorgriff auf einen Gesamtsinn von Geschichte nicht zu wenig unterbrochen oder doch irritiert ist durch das, was in den apokalyptischen Traditionen als universale Sinnkatastrophen ... angesprochen ist" (Metz, Glaube [s. Anm. 6] 52).

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