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Lumma Liborius: Von Caesar bis Meletios oder: Warum Weihnachten am 7. Januar ist
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Von Caesar bis Meletios oder: Warum Weihnachten am 7. Januar ist
(Ein ganz kurzer Überblick über den julianischen, gregorianischen und meletianischen kalender)

Autor:Lumma Liborius
Veröffentlichung:
Kategorieartikel
Abstrakt:
Publiziert in:
Datum:2010-09-14

Inhalt

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Immer wieder sorgen die unterschiedlichen kalender in den christlichen Kirchen für Verwirrung: Dass nicht alle Christen am selben Tag Ostern feiern, ist mittlerweile wohl bekannt (nicht aber, wie es dazu kommt); warum aber die orthodoxen Kirchen angeblich Weihnachten überhaupt nicht bzw. nur am 6. Januar feiern, ist dann schon eher Gegenstand wilder Spekulationen.

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Deswegen hier ein kurzer Überblick über die christlichen kalendersysteme: [1]

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1. Die astronomischen Gegebenheiten

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Wie wir derzeit erleben, hat die Menschheit durchaus das technische Potenzial, das Ökosystem der Erde nachhaltig zu schädigen, möglicherweise sogar dauerhaft zu ruinieren – den Lauf der Erde um die Sonne allerdings vermag menschliche Macht nicht (jedenfalls noch nicht) zu beeinflussen: Um die Sonne einmal vollständig zu umkreisen, benötigt die Erde 365,24219879 Tage (also Umdrehungen um die eigene Achse). Viele kalendersysteme in Geschichte und Gegenwart versuchen, mit dem kalenderjahr diese Größe möglichst genau widerzuspiegeln. Der Vorteil solcher „solarer“ kalender ist, dass die einzelnen Jahreszeiten immer möglichst am selben kalendertag beginnen – für Aussaat und Ernte, Steuererhebung und Zinsberechnung, aber natürlich auch für religiöse Kulte, die sich am Lauf der Jahreszeiten, an der Länge von Tagen und Nächten und dergleichen orientieren, sind solche Berechnungen von großer Bedeutung.

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2. Der julianische kalender

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Im Jahr 46 v. Chr. führte der römische Kaiser C. Julius Caesar für sein Reich einen (auf älteren Vorgaben beruhenden) kalender ein, der nach ihm als „Julianischer kalender“ bezeichnet wird. Das Jahr hat im julianischen kalender im Normalfall 365 Tage, jedes vierte Jahr aber bekommt einen zusätzlichen „Schalttag“, und hat damit 366 Tage. Die mittlere Jahreslänge im Julianischen kalender beträgt somit exakt 365,25 Tage.

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Das Jahr teilt sich im Julianischen kalender in zwölf Monate – jene zwölf Monate mit 30 oder 31 Tagen, die wir bis heute kennen; wobei der Monat Februar 28 oder, in Schaltjahren, 29 Tage hat.[2]

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Die frühe christliche Kirche begann, ebenfalls den julianischen kalender zu benutzen (der sich vom biblisch bezeugten jüdischen kalender wie auch vom später entstandenen islamischen kalender ganz erheblich unterscheidet[3]).

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Wichtig für die spätere Entwicklung ist Folgendes: Der julianische kalender stimmt mit den astronomischen Vorgaben fast überein, aber eben nur fast. Im Laufe vieler Jahrhunderte kommt es zur Abweichung von kalender und Naturphänomenen, denn das julianische Jahr ist gegenüber der Natur im Durchschnitt etwa 11 Minuten und 14 Sekunden zu langsam.

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3. Das christliche Osterdatum

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Seitens der christlichen Kirche im römischen Reich setzte sich – für die spätere Rezeption maßgeblich war hier das 1. Konzil von Nikaia im Jahre 325 – folgende Regelung für die Berechnung des Osterdatums durch:[4]

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Das Osterfest wird gefeiert am Sonntag nach dem ersten Vollmond nach dem Frühjahrsäquinoktium, also der Tag-und-Nacht-Gleiche im Frühjahr. Fällt das so berechnete Datum mit dem jüdischen Pessachfest zusammen, wird Ostern einen Sonntag später gefeiert.

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Ein Beispiel: Das Frühjahrsäquinoktium sei am Dienstag, 21. März.[5] Es sei nun der nächste Vollmond am Mittwoch, 29. März. Dann wird Ostern am Sonntag, 2. April, gefeiert. Kollidiert dies mit dem Pessachfest, wird Ostern erst am Sonntag, 9. April, gefeiert.

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4. Der gregorianische kalender

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Im Laufe der Jahrhunderte fielen julianischer kalender und Naturgegebenheiten immer weiter auseinander, da der kalender zunehmend „hinterherhinkte“. Diese Ungenauigkeit, die sich im Laufe der Jahrhunderte zu 10 vollen Tagen summiert hatte, wurde vom römischen Papst Gregor XII. in seiner Bulle Inter gravissimas im Jahr 1582 wie folgt korrigiert:

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a) Auf Donnerstag, den 4. Oktober 1582, sollte sofort Freitag, der 15. (sic!) Oktober 1582 folgen (um den kalender wieder den astronomischen Gegebenheiten anzupassen)[6];

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b) Um zukünftig ein neuerliches Auseinanderfallen von kalender und Naturgegebenheiten zu vermeiden, sollte weiterhin jedes durch vier ohne Rest teilbare Jahr ein Schaltjahr sein, nicht jedoch die Jahre, die durch 100 ohne Rest teilbar sind, es sei denn, sie sind auch durch 400 ohne Rest teilbar.[7]

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Außerdem ermöglichte dieser neue „Gregorianische kalender“, dass Ostern und Pessach zusammenfallen konnten: Ostern wird bei Kollision mit Pessach nicht mehr um eine Woche verlegt.

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Der gregorianische kalender wurde nicht sofort überall angenommen, erst recht nicht in protestantischen und orthodoxen Gebieten Europas, die sich – selbst wenn sie die Präzision des neuen kalenders erkannten – nicht einer willkürlichen päpstlichen Vorschrift anpassen wollten. Doch auch in katholisch dominierten Ländern dauerte es etliche Jahre bis zur festen Etablierung des gregorianischen kalenders. Bis auf Weiteres musste man nun – etwa bei Briefen, Rechnungen, Chroniken etc. – immer beide Daten angeben oder wenigstens präzisieren, welchen kalender man benutzte. Nach der Nacht der kalenderreform war also Freitag, der 15. Oktober 1582 (gregorianisch) und zugleich Freitag, der 5. Oktober 1582 (julianisch).

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Wo man dem gregorianischen kalender folgte, feierte man natürlich am gregorianischen 25. Dezember Weihnachten – der julianische kalender zählte an diesem Tag aber erst den 15. Dezember. Wo Weihnachten nach julianischem kalender am 25. Dezember gefeiert wurde, wurde nach gregorianischem kalender bereits der 4. Januar gezählt.

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Ganz erheblich wirkte sich der Unterschied auf die Berechnung des Osterfestes aus: Fiel nach gregorianischem kalender der Sonntag nach dem ersten Frühlingsvollmond zum Beispiel auf den 27. März, so war nach julianischem kalender erst der 17. März – also noch gar kein Frühling! Nach julianischem kalender musste man nunmehr gut vier Wochen auf den nächsten Vollmond warten, der dann der „erste Frühlingsvollmond“ war. Fällt nach gregorianischem kalender der Ostersonntag aber zum Beispiel auf den 20. April, so ist nach julianischem kalender 10. April, es ist also ebenfalls bereits Frühling. In diesem Fall feiern gregorianischer wie julianischer kalender am selben Tag Ostern, auch wenn dieser Tag im gregorianischen kalender als „20. April“, im julianischen als „10. April“ bezeichnet wird.

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Daraus ergibt sich zunächst: Das Osterfest liegt in beiden kalendern entweder am selben Tag, oder es liegt vier Wochen auseinander. Da nach julianischem kalender die Kollision mit Pessach vermieden werden muss, kann es hier allerdings noch einmal um eine Verschiebung um eine Woche kommen.

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Also: Ostern fällt entweder in beiden kalendern zusammen, oder der julianische kalender feiert Ostern eine Woche später (wegen Kollision mit Pessach), oder vier Wochen später (weil der nächste Vollmond abgewartet werden muss), oder fünf Wochen später (nächster Vollmond + Kollision mit Pessach).

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Der gregorianische kalender wurde in den protestantischen Gebieten Europas (etwa Skandinavien) erst im 18. Jahrhundert fest etabliert; seitdem stimmen römisch-katholische und evangelische Welt im kalender vollständig überein.

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Die orthodoxen Gebiete in Osteuropa übernahmen den gregorianischen kalender zum Teil noch später, Russland beispielsweise führte den gregorianischen kalender auf staatlicher Ebene erst 1918 ein.[8] Die orthodoxe Kirche Russlands allerdings blieb dem julianischen kalender treu. Seitdem unterscheidet sich in Russland der „staatliche“ (= gregorianische) vom „kirchlichen“ (= julianischen) kalender.

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Seit 1582 ist der Unterschied zwischen gregorianischem und julianischem kalender auf 13 Tage angewachsen. So finden sich heute in Kirchenkalendern des julianischen kalenders – bleiben wir beim Beispiel Russland – immer zwei Spalten, die die beiden Daten angeben: Ist beispielsweise „staatlich“ (gregorianisch) der 15. Februar, so ist „kirchlich“ (julianisch) der 2. Februar; entsprechend wird an diesem Tag in der Kirche Russlands das Fest der Darstellung des Herrn begangen. Wenn die „gregorianischen“ Kirchen das Fest der Darstellung des Herrn am 2. Februar begehen, so ist nach julianischem kalender erst der 20. Januar. Dasselbe gilt für das Weihnachtsfest: Am gregorianischen 25. Dezember ist nach julianischem kalender erst der 12. Dezember. Ist nach julianischem kalender 25. Dezember (und damit Weihnachten), so ist nach gregorianischem kalender bereits der 7. Januar. Das julianische Epiphaniefest (6. Januar) findet nach gregorianischer Zählung somit am 19. Januar statt.

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In den Jahren 1800–1900 betrug der Unterschied zwischen gregorianischem und julianischem kalender genau 12 Tage. Der 25. Dezember des julianischen kalenders war in dieser Zeit identisch mit dem 6. Januar des gregorianischen kalenders. In dieser Zeit dürfte der kaum auszurottende Mythos entstanden sein, wonach die Kirchen des Ostens kein Weihnachtsfest kennen, sondern nur das Epiphaniefest. Wahr ist hingegen, dass auch die Kirchen des Ostens am 25. Dezember Weihnachten und am 6. Januar Epiphanie feiern – nur fallen diese kalendertage nicht auf „unseren“ 25. Dezember und 6. Januar, sondern derzeit auf „unseren“ 7. und 19. Januar.[9]

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5. Der meletianische (neo-julianische) kalender

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Eine kalendervariante, die der orthodoxe Patriarch von Konstantinopel Meletios IV. im Jahr 1923 vorschlug (nachdem der griechische Staat den gregorianischen kalender eingeführt hatte, die orthodoxe Kirche Griechenlands aber beim julianischen kalender blieb), ist der nach ihm benannte „meletianische“ oder auch „neo-julianische“ kalender. Für diesen kalender gilt:

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a) Die Tageszählung stimmt mit dem gregorianischen kalender überein[10];

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b) In der Berechnung des Osterdatums wird weiter so verfahren, als sei der julianische kalender noch in Kraft.

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Der meletianische kalender ist einerseits astronomisch exakt, andererseits aber auch den Vorgaben des I. Konzils von Nikaia treu und bewahrt in der Berechnung des Osterfestes die Einheit mit allen (namentlich orthodoxen) Kirchen, die nach altem Brauch und somit nach julianischem kalender feiern. Daraus folgt:

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a) Ostern (und natürlich auch alle von Ostern abhängigen Feste wie Christi Himmelfahrt und Pfingsten) feiern die Kirchen des meletianischen immer mit den Kirchen des julianischen kalenders gemeinsam;

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b) Alle an bestimmten kalendertagen terminierte Feste (z.B. Weihnachten, Herrenfeste, Heiligenfeste etc.) feiern die Kirchen des meletianischen immer mit den Kirchen des gregorianischen kalenders gemeinsam.

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6. Die Verwendung der einzelnen kalender

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Hier einige Beispiele für die Verwendung dieser drei kalender:[11]

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Den gregorianischen kalender benutzen unter anderem:

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a) nahezu alle Kirchen der westlichen Tradition (römisch-katholische Kirche, altkatholische Kirche, anglikanische Kirche, Kirchen der Reformation);

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b) einige katholische Ostkirchen;

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c) die orthodoxe Kirche Finnlands.

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Den julianischen kalender benutzen unter anderem:

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a) die orthodoxen Kirchen in Russland, Serbien und Georgien sowie das orthodoxe Patriarchat Jerusalem;

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b) die ukrainisch-katholische Kirche.

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Den meletianischen kalender benutzen unter anderem:

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a) die orthodoxen Patriarchate Konstantinopel, Alexandrien, Antiochien, außerdem die orthodoxen Kirchen in Rumänien, Bulgarien, Zypern, Griechenland und Nordamerika;

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b) die katholische Ostkirche in Rumänien.

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In einigen Gebieten vor allem des Nahen Ostens gibt es zudem besondere regionale Einigungen, so dass dort die christlichen Kirchen gemeinsam nach einem einheitlichen kalender leben oder wenigstens das Osterfest am selben Tag feiern.

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7. Bemühungen um einen einheitlichen kalender

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Im 20. Jahrhundert ist die kalenderfrage in allen großen christlichen Kirchen äußerst virulent geworden. Dies ist zum einen in ökumenischem Interesse begründet: Welchen Zeugnis geben die Christgläubigen vor der Welt, wenn sie sich nicht einmal bei ihrem zentralen Fest auf ein Datum einigen können? Hinzu kam auch politisches und wirtschaftliches Interesse: Sowohl der Völkerbund (nach dem 1. Weltkrieg) als auch die Vereinten Nationen (nach dem 2. Weltkrieg) unternahmen zeitweise massive Bemühungen, unter Einbeziehung der christlichen Kirchen einen international einheitlichen kalender zu etablieren. Auch sind unter ökonomischen Gesichtspunkten arbeitsfreie Tage, die jedes Jahr auf wechselnde Daten und/oder Wochentage feiern, nicht unbedingt von Vorteil. Ähnliches gilt für die Berechnung von Schuljahren und Ferienzeiten. So kam in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts keine Kirche um eine Stellungnahme zur kalenderfrage herum. Für die christlichen Kirchen besonders heikel waren dabei Vorschläge, die vom ständigen Rhythmus der Siebentagewoche abweichen, also „wochenfreie“ Schalttage einführen wollten (auf diese Weise hätte man erreichen können, dass jedes Jahr dasselbe Datum auf denselben Wochentag fällt!). Umgekehrt gab es zeitweise große Sympathie für jene Modelle einer neuen Berechnung des Osterdatums, wonach Ostern einen engeren Spielraum haben sollte als die derzeitige sehr breite Zeitspanne zwischen 22. März und 25. April, weil die sehr frühen und die sehr späten Ostertermine zu Schwierigkeiten bei der Kollision verschiedener liturgischer Fasten- und Festzeiten führten.

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Ökumenische Einigkeit bestand darin, dass eine Neuregelung des christlichen kalenders über die Konfessionsgrenzen hinweg beschlossen werden müsse. Papst Pius XI. knüpfte in einem Schreiben an den Völkerbund 1924 eine solche Neuregelung zudem ausdrücklich an die Zustimmung durch ein Konzil.[12] Zur selben Zeit plädierten die orthodoxen Kirchenführer dafür, „Ostern möge auf den Sonntag festgelegt werden, der nach wissenschaftlicher Forschung dem Auferstehungssonntag des Herrn wirklich entspricht“[13]. Zahlreich waren die Vorschläge, Ostern beispielsweise immer am 2. Sonntag im April zu feiern, aufgrund der verbreiteten These, der 7. April sei als Todestag Jesu zu rekonstruieren, Ostern daher sinnvollerweise am darauf folgenden Sonntag zu begehen.[14]

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Das II. Vatikanische Konzil widmete den Anhang seiner Liturgiekonstitution Sacrosanctum Concilium der kalenderfrage; daraus geht hervor:

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a) Eine Neubestimmung des Osterdatums wird nicht abgelehnt, muss aber ökumenisch erfolgen;

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b) Abgelehnt werden bis auf Weiteres alle kalendersysteme, die vom regelmäßigen und ununterbrochenen Durchlauf der Siebentagewoche abweichen.

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8. Ein Ausblick

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Soweit ich sehen kann, wird derzeit in der kalenderfrage kein Druck von außen auf die christlichen Kirchen ausgeübt.[15] Auch im ökumenischen Dialog steht die kalenderfrage nicht mehr auf der Tagesordnung. Es ist daher bis auf Weiteres mit einem Nebeneinander von gregorianischem, julianischem und meletianischem kalender zu rechnen.

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Die Desiderate haben sich jedoch nicht geändert:

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Die Kirchen des julianischen und des meletianischen kalenders werden im Laufe der nächsten Jahrhunderte langsam, aber unweigerlich erleben, wie der „erste Frühlingsvollmond“ immer weiter in den Sommer fällt.[16]

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Die dem julianischen und dem meletianischen kalender eingeschriebene Abgrenzung vom jüdischen Pessachfest mag in einer Epoche der Auseinanderentwicklung von Judentum und Christentum nachvollziehbar gewesen sein, heute hingegen muss sie zunehmend als Zurückweisung der biblischen und jüdischen Wurzeln des Osterfestes wirken.

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Die Kirchen des gregorianischen kalenders tragen die „Erblast“ einer unilateralen Abweichung einer einstmals ökumenisch getragenen Praxis mit sich, was aus Sicht der östlichen Tradition als Geringschätzung der eigenen Herkunft und der Bedeutung des patristischen Erbes empfunden werden kann.

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Anders herum gesagt: Für den julianischen kalender spricht, dass er der ursprünglich ökumenische ist; für den gregorianischen kalender spricht, dass er der astronomisch exakteste ist; für den meletianischen kalender spricht, dass er eine Synthese aus beidem zu bilden versucht. Für eine ökumenisch zu treffende völlig neue Festlegung des Ostertermins (etwa „2. Sonntag im April“) spricht, dass dies eine Vereinfachung des kalenders bedeuten würde; es gäbe dann auch keine „Sieger“ und „Verlierer“, sondern eine ganz neue gemeinsam getragene Norm.

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Die Tatsache, dass es den Kirchen bislang nicht gelungen ist, Einheit in diesem Punkt zu erreichen, ist keine Rechtfertigung dafür, es nicht länger zu versuchen.

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Anmerkungen

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[1] Vgl. zum gesamten folgenden Artikel auch: Peter Plank: Zeitrechnung und Festdatierung als ökumenisches Problem. In: Handbuch der Ostkirchenkunde. Bd. II. Hrsg. von W. Nyssen u.a. Düsseldorf 1989. S. 182–191. –Einen historischen Überblick über verschiedene kalendersysteme, der weit über den Kontext des Christentums hinausgeht, bietet Thomas Vogtherr: Zeitrechnung. Von den Sumerern bis zur Swatch. München 22006.

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[2] Diese etwas unlogische, historisch begründete Verteilung der Tage auf die einzelnen Monate ist hier nicht weiter von Belang.

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[3] Vgl. die einschlägigen Kapitel in Vogtherr: Zeitrechnung.

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[4] Zur jahrzehntelangen, theologisch hochbrisanten Vorgeschichte, dem „Osterfeststreit“, in dem es um die Frage ging, ob das Osterfest immer mit dem jüdischen Pessachfest zusammenfallen solle (das auch wechselnde Wochentage fällt) oder ob es unbedingt an einem Sonntag zu feiern sei (weil dies der biblische bezeugte Wochentag der Auferstehung Jesu Christi ist), vgl. Reinhard Meßner: Einführung in die Liturgiewissenschaft. 2. Auflage Paderborn u.a. 2009. S. 311–314.

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[5] Die genaue Berechnung des Frühlingsanfangs – in der Antike auf den 25. März datiert – braucht uns hier ebenfalls nicht zu interessieren. Der Einfachheit halber können wir für das Rechenbeispiel von der heutigen Berechnungsmethode ausgehen, nach der dieser Tag in der Regel der 20. oder 21. März ist.

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[6] Diese kalenderreform führte dazu, dass Teresa von Ávila in der Nacht vom 4. auf den 15. Oktober 1582 starb.

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[7] Konkret: 1600 ist ein Schaltjahr, 1700, 1800, 1900 sind keine Schaltjahre, 2000 ist wieder ein Schaltjahr. 2100, 2200, 2300 sind keine Schaltjahre, 2400 ist ein Schaltjahr. Im Übrigen ist jedes durch vier teilbare Jahr ein Schaltjahr (1586, 1588, 1592, ... 2004, 2008, 2012, ...). – Der gregorianische kalender ist astronomisch so präzise, dass erst im vierten nachchristlichen Jahrtausend wieder eine Korrektur um einen Tag nötig sein wird.

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[8] Daher war zum Zeitpunkt der russischen „Oktoberrevolution“ (1917, vor der russischen kalenderreform) in Westeuropa bereits November.

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[9] Die einzige Ausnahme ist die armenische Kirche, die tatsächlich kein Fest am 25. Dezember kennt. Dass in den östlichen Traditionen beide Festtage – 25.12. und 6.1. – liturgisch und theologisch ein wenig anders inhaltlich akzentuiert werden als in der westlichen Überlieferung, ist für unser Thema nicht weiter von Belang.

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[10] Es gibt minimale Unterschiede in der Berechnung der Schaltjahre, dies wird aber erst im Jahr 2700 akut werden.

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[11] Zur folgenden Übersicht vergleiche auch die Angaben in Johannes Oeldemann: Die Kirchen des christlichen Ostens. Orthodoxe, orientalische und mit Rom unierte Ostkirchen. 2. Auflage Kevelaer 2008.

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[12] Vgl. die Darstellung bei Xaver Schmid: Brevier-Reform. Gedanken zum künftigen Abschluss der Reform des römischen Breviers unter Einschluss etwelcher Aenderungen im Missale. Luzern 1927. S. 42.

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[13] Vgl. Schmid: Brevier-Reform. S. 46.

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[14] Vgl. Schmid: Brevier-Reform. S. 44–46.

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[15] Abgesehen davon, dass gelegentlich einzelne christliche Festtage als arbeitsfreie Tage in Frage gestellt werden – aber natürlich darf kalendersystematik und Festtagsberechnung nicht mit dem staatlichen Status bestimmter religiöser Festtage in einen Topf geworfen werden.

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[16] Jedenfalls in der nördlichen Hemisphäre; südlich des Äquators gilt natürlich das genau Entgegengesetzte.

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