Vatikan: Forschergruppe warnt vor Gletscherschmelze
Päpstliche Akademie der Wissenschaften präsentiert Papst Benedikt XVI warnenden Bericht
Eine Arbeitsgruppe von weltweit führenden Klimaforschern hat in der vergangenen Woche einen Bericht zum globalen Rückgang der Gletscher veröffentlicht. Darin betonen die Wissenschaftler die moralische Verpflichtung gegenüber der Gesellschaft zu einem angemessenen Umgang mit dem Klimawandel. Einer der Autoren ist der Klimaforscher Prof. Georg Kaser von der Universität Innsbruck.
Der Bericht “Fate of Mountain Glaciers in the Anthropocene”
listet zahlreiche Beispiele von sich zurückziehenden Gletschern rund um die
Erde auf und verdeutlicht den Zusammenhang mit dem vom Menschen verursachten
Klimawandel und der Luftverschmutzung. Die Gefährdung von Lebensräumen, deren
Wasserversorgung von Gletschern und Schnee abhängig sind, verlangt nach
unmittelbaren Maßnahmen zur Entschärfung der Effekte des Klimawandels und zur
Anpassung an den Wandel.
„Wir sind verpflichtet die Versorgung aller Bewohnerinnen
und Bewohner dieses Planeten mit Brot, frischer Atemluft und sauberem
Trinkwasser sicherzustellen. Denn wenn wir gerechtigkeit und Frieden wollen,
müssen wir unseren Lebensraum schützen“, schreiben die Autoren in einer
Deklaration, die dem Bericht vorangestellt ist. „Die Gläubigen unter uns bitten
Gott, uns diesen Wunsch zu erfüllen.“
Die Gruppe wird von Nobelpreisträger Paul Crutzen, dem
früheren Leiter des Europäischen Wetterdienstes, Lennart Bengtsson und
Veerabhadran Ramanathan vom Scripps Research Institute geleitet. Ebenfalls
Mitglied ist Nobelpreisträger und ehemaliger CERN-Direktor Carlo Rubbia. Unter
den insgesamt 24 Autorinnen und Autoren sind weiters Georg Kaser aus
Österreich, Hans Joachim Schellnhuber aus Deutschland, Wilfried Haeberli und
Thomas Stocker aus der Schweiz und Lonnie Thompson aus den USA.
Sofortige Maßnahmen notwendig
„Der verbreitete Rückgang von Schnee und Eis auf den
Gebirgsgletschern ist eines der sichtbarsten Zeichen für den globalen
Klimawandel. Der Verlust vieler kleiner Gletscher im Himalaya ist sehr
bestürzend für mich, weil diese Region als Wasserturm Asien dient und sowohl
die Treibhausgase als auch die Luftverschmutzung zum Abschmelzen der Gletscher
beitragen“, sagt Ramanathan, der seit 2004 Mitglied der Päpstlichen Akademie
der Wissenschaften ist.
Obwohl Wissenschaftler gewöhnlich davon Abstand nehmen,
konkrete Maßnahmen vorzuschlagen, sagt Ramanathan, berechtigten die Umstände
weitreichende Vorschläge der Arbeitsgruppe. Die Autoren empfehlen drei
Maßnahmen: die sofortige Reduktion des weltweiten Kohlendioxid-Ausstoßes, die
Reduktion der Luftverschmutzung um 50 Prozent und Vorbereitungen auf die
Veränderungen durch den Klimawandel.
Bericht soll Aufmerksamkeit erhöhen
„Für den Wandel der Gletscher ist eine komplexe Mischung aus
Ursachen verantwortlich. Diese beinhalten Treibhausgase und die großflächige
Emission von Russpartikeln und Staub in 'braunen Wolken' sowie den damit
verbundenen Wandel der regionalen Atmosphären. Dies alles resultiert in einer
signifikanten Erwärmung hochgelegener Regionen, nicht nur im Himalaya“,
schreiben die Autoren.
„Die Gletscher rund um den Erdball verändern sich rasant und
die Auswirkungen davon werden nachteilige sein, besonders in den hoch gelegenen
Gebirgsregionen von Südamerika und Asien“, sagt Georg Kaser vom Institut für
Meteorologie und Geophysik der Universität Innsbruck. „Unser Verständnis von
den Veränderungen in diesen Regionen ist aber nach wie vor begrenzt. Es sind
ambitionierte, gemeinsame Bemühungen notwendig, um auf diese Probleme zu
reagieren. Mit diesem Bericht trägt die Päpstliche Akademie dazu bei, die Aufmerksamkeit
dafür zu erhöhen.“
„Gletscher sind eines der sichtbarsten Zeichen für den
globalen Klimawandel“, sagt Lonnie Thompson. „Sie verflechten viele
Klimavariablen unserer Erde. Ihr Verlust ist längst wahrnehmbar, und trotzdem
stehen sie nicht auf der politischen Tagesordnung. Gletscher erinnern uns an
die atemberaubend Schönheit der Natur und andererseits an die Dringlichkeit
alles in unserer Macht stehende zu tun, um sie zu schützen.“
„Wir appellieren an alle Staaten, unverzüglich effektive und
gerechte Maßnahmen zu entwickeln und einzuführen, um die Ursachen und die
Folgen des Klimawandels für die Gesellschaft und Ökosysteme zu reduzieren. Denn
wir leben alle im gleichen Haus. Indem wir jetzt im Geist von Gemeinsamkeit und
differenzierter Verantwortlichkeit handeln, akzeptieren wir unsere Verantwortung
für einander und für einen Planeten, der mit dem Geschenk des Lebens gesegnet
ist.
Die Autoren des Berichts trafen sich von 2. bis 4. April
2011 auf Einladung von Kanzler Marcelo Sanchez Sorondo in der Päpstlichen
Akademie. Der Bericht wurde in der vergangenen Woche veröffentlicht und wird
dem Papst vorgelegt.
Der Titel des Berichts bezieht sich auf einen Begriff, den
Nobelpreisträger Paul Crutzen geprägt hat. Mit Anthropozän bezeichnet er ein
neues Erdzeitalter, das einsetzte, als der Einfluss des Menschen auf den
Planeten zu einem entscheidenden Faktor für Umwelt und Klimawandel wurde.
Weitere Informationen:
Bericht “Fate of Mountain Glaciers in the Anthropocene”:
http://www.vatican.va/roman_curia/pontifical_academies/acdscien/index.htm
Bild/Dokument | Beschreibung | Format |
Copyright |
Univ.-Prof. Dr. Georg Kaser vom Institut für Meteorologie und Geophysik der Universität Innsbruck
|
Uni Innsbruck |
Rückfragehinweis:
Prof. Georg Kaser
Institut für Meteorologie und Geophysik
Universität Innsbruck
Tel.: +43 512 507 5457
E-Mail: Georg.Kaser@uibk.ac.at
Dr. Christian Flatz
Büro für Öffentlichkeitsarbeit
Universität Innsbruck
Tel.: +43 512 507 32022
E-Mail: presse@uibk.ac.at