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Meyer Hans Bernhard: Laien als liturgische Vorsteher: Stellen wir die richtigen Fragen?
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Laien als liturgische Vorsteher: Stellen wir die richtigen Fragen?
(Eine Einführung)

Autor:Meyer Hans Bernhard
Veröffentlichung:
Kategorieartikel
Abstrakt:Wie lässt sich die Krise bewältigen, die durch den Priestermangel ausgelöst wurde? Entweder sucht man die gewachsene hierarchische Struktur zu retten und gibt Neuem nur Raum, soweit es diese nicht gefährdet. Oder die Kirche antwortet kreativ auf die Herausforderungen der Zeit, indem sie Ämter und Dienste neu gestaltet. Hans Bernhard Meyer plädiert für den zweiten Weg.
Publiziert in:Wie weit trägt das gemeinsame Priestertum? Liturgischer Leitungsdienst zwischen Ordination und Beauftragung (QD 171): Hg. M. Klöckener, K. Richter, Freiburg i.Br.-Basel-Wien: Herder 1998, 11-19.
Datum:2002-03-11

Inhalt

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Das Thema „Laien als liturgische Vorsteher" ist ebenso dringlich wie heikel. Es zeigt sich immer wieder, dass die Diskussion darüber in einer Sackgasse zu enden droht und bestenfalls zu Notlösungen führt. Ratlosigkeit, Resignation oder auch Ärger und Aufbegehren sind die Folge. Dabei darf es aber nicht bleiben. Denn es geht um die Lösung eines Problems, das für das gottesdienstliche Leben vieler Gemeinden schon jetzt von großer Bedeutung ist und dessen Gewicht in den kommenden Jahren ständig wachsen wird.

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Die Rede von „liturgischen Leitungsdiensten zwischen Ordination und Beauftragung" weist darauf hin, worin das Problem besteht: Es muss für jene Laien, Männer und Frauen, die sich aufgrund persönlicher Berufung und kirchlicher Beauftragung in den Dienst der Seelsorge stellen und/oder liturgische Leitungsaufgaben übernehmen, geklärt werden, welcher Platz ihnen in der Kirche zukommt und welche Aufgaben sie u. a. im Bereich der Liturgie auf welche Weise wahrnehmen können.

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Es ist unbestritten, dass es in Rom, bei den Kirchenleitungen vieler Länder und den Theologen viel ernstes und ernst zu nehmendes Bemühen gab und gibt, um mit diesem Problem zu Rande zu kommen. Wenn wir aber feststellen müssen, dass gegenwärtig sowohl die praktischen Maßnahmen der Kirchenleitungen als auch viele theologische Diskussionsbeiträge nicht zu einer überzeugenden, Zukunft eröffnenden Lösung, sondern nur zu nicht einmal kurzfristig befriedigenden Notlösungen kommen, dann drängt sich die Frage auf, ob das Problem von der richtigen Seite angepackt wird bzw. ob wir die richtigen Fragen stellen. Es scheint, dass die Antwort lauten muss: Wir stellen nicht die richtigen Fragen.

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Im Folgenden soll diese Antwort - nach einem kurzen Blick auf die gegenwärtige allgemeine Situation und an dieser Stelle ohne den üblichen wissenschaftlichen Apparat - erläutert und begründet werden.

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Wir leben heute in der westlich-atlantischen Welt, aber zweifellos auch in anderen Regionen der Erde in einer ausgesprochenen Umbruchsituation, die nicht selten krisenhafte Züge annimmt. Wir stecken in einer Krise der traditionellen gesellschaftlichen Strukturen und Institutionen, in einem unübersehbaren Wertewandel, in einem sich ausbreitenden Pluralismus der Lebensformen, der Weltanschauungen, der religiösen Überzeugungen und Praktiken. Alle diese Phänomene sind, wenn schon nicht verursacht, so doch zumindest gefördert und in ihrer Entwicklung beschleunigt worden durch die faszinierenden, ungeahnte Möglichkeiten eröffnenden und Hoffnungen weckenden Fortschritte naturwissenschaftlich-technischer Art, die aber zugleich viele Menschen ängstigen, verunsichern, ihnen die Geborgenheit in einer vertrauten, berechenbaren Lebenswelt nehmen.

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Mitten in dieser im Umbruch befindlichen Welt, in der wir leben, Aufgaben zu erfüllen und Ziele zu verfolgen haben, steht die Kirche. Eine Kirche, die selbstverständlich von all den genannten Umbrucherscheinungen betroffen ist. Eine Kirche, die bei uns abnimmt an Zahl, an Überzeugungs- und Anziehungskraft. Eine Kirche, die sich aber auch dort, wo sie wächst, mit strukturellen Problemen, mit Problemen also, die unser Generalthema sehr direkt berühren, konfrontiert sieht. Denn die Frage der Leitung liturgischer Feiern und nach deren Zusammenhang mit Amt und Vollmacht ist eine Strukturfrage. Dabei geht es - und das macht die Sache nicht leichter - um eine Struktur, die in einem viele Jahrhunderte währenden Prozess gewachsen ist, bis sie die Gestalt gefunden hat, deren Krise wir gegenwärtig miterleben. Es geht um die hierarchische Struktur der Kirche mit den Amtsträgern, die den Klerus bilden, und den nach kirchlicher Lehre (LG 10,2) hinsichtlich ihres gemeinsamen Priestertums zumindest von den geweihten Priestern nicht nur graduell, sondern dem Wesen nach verschiedenen Laien. Innerhalb dieser Struktur liegt der uns interessierende kritische Punkt im Mangel von geweihten Amtsträgern und der dadurch notwendig gewordenen Inanspruchnahme von Laien für bisher von Klerikern wahrgenommenen Aufgaben.

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Nun kann man eine Krise - auch die der kirchlichen Leitungsstruktur - als abzuwehrendes Übel oder als wahrzunehmende Chance sehen. Dem entsprechen zwei verschiedene Fragerichtungen, wenn es um die Wahl der Mittel geht, mit denen die Krise bewältigt werden soll. Mit ihnen wollen wir uns im Folgenden beschäftigen.

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Eine erste Fragerichtung: Wie dem Neuen Raum geben und dennoch das Gewachsene bewahren?

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Die erste Fragerichtung lautet etwa so: Wie kann man die gewachsene Struktur retten, gegebenenfalls besonders bedrohte Strukturelemente stärken und im Rahmen einer lange bewährten Ordnung Neuen Raum geben, ohne diese Ordnung zu gefährden? Diese Fragerichtung bestimmt gegenwärtig weitgehend die unser Thema betreffenden Überlegungen und Maßnahmen. Sie entspricht auch der zu erwartenden Reaktion einer in Bedrängnis geratenen, traditionsreichen Institution. Das jüngste Beispiel dafür ist die von sechs römischen Kongregationen und zwei Päpstlichen Räten (!) gemeinsam herausgegebene und „in forma specifica" von johannes Paul II. approbierte „Instruktion zu einigen Fragen über die Mitarbeit der Laien am Dienst der Priester" vom 13. August 1997.

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Bevor wir die Konsequenzen dieser Fragerichtung ins Auge fassen, werfen wir nun, ausgehend von den Dekreten des Zweiten Vatikanums, einen Blick auf die einzelnen Strukturelemente, um genauer den Punkt zu lokalisieren, wo die Bedrängnis am stärksten spürbar ist. Dazu einige, gelegentlich etwas saloppe, aber dennoch ernst gemeinte Bemerkungen:

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- Der Papst und sein Jurisdiktionsprimat sind in unserem Kontext kein Problem. Das Erste und das Zweite Vatikanum (LG 22 und nota praevia; CD 2. 8) haben das Papstamt gestärkt und bekräftigt. Es gibt daher derzeit auf dem päpstlichen Stuhl und in seiner Umgebung keine Identitätsprobleme, und da für dieses Amt nur eine Person benötigt wird, ist mit Papstmangel nicht zu rechnen.

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- Die Bischöfe sind ebenfalls, und zwar in besonderer Weise durch die Lehre des Zweiten Vatikanums gestärkt worden, dass ihr Amt die Vollgestalt des kirchlichen Amtes darstellt und dass in der Bischofsweihe die Fülle des Weihesakramentes übertragen wird (LG 21). Auch im Kollegium der Bischöfe gibt es daher kaum Identitätsprobleme, und für das derart aufgewertete Bischofsamt ist kein Mangel an Kandidaten zu befürchten.

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- Die Priester können sich nicht über mangelnde Berücksichtigung beim Zweiten Vatikanum beklagen. Zwei Dekrete (OT und PO) sind ihrem Dienst und der dafür notwendigen Ausbildung gewidmet, und an vielen weiteren Stellen der Konzilstexte werden sie genannt (bes. LG 28). Trotzdem sind sie zusammen mit den Laiendiensten, wenn auch auf ganz andere Weise als diese, die von der Strukturkrise am meisten Betroffenen. Sie haben in der Vergangenheit als priesterliche Mitarbeiter des Bischofs in den Gemeinden - auch in der Dompfarre und an der Bischofskirche - den Dienst der Leitung, der Lehre und der Heiligung erfüllt und tun es so weit wie nur möglich bis heute. Gleichzeitig erleben sie aber, dass ihre Zahl dramatisch abnimmt und dass deswegen, abgesehen vom Vorsitz bei der Feier der Eucharistie, der Verwaltung des Bußsakramentes und der Spendung der Krankensalbung, immer mehr Laien immer häufiger Aufgaben übernehmen, die bisher integrierende Bestandteile ihres Berufsbildes waren. Sie geraten dadurch in eine Identitätskrise.

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- Die Diakone leiden trotz der Wiedereinführung des Ständigen Diakonats durch das Zweite Vatikanum und der Bekräftigung der Lehre, dass der Diakonat zum Weihesakrament gehört (LG 29), unter einer beträchtlichen Rollenunsicherheit. Denn alle Dienste, zu denen sie geweiht werden, können und werden faktisch auch von Laien wahrgenommen. Es fehlt deshalb eine überzeugende Theologie des Diakonats, die Zahl der Bewerber hält sich in Grenzen, und Diakone treten am häufigsten bei Gottesdiensten in der ihnen zustehenden liturgischen Kleidung in Erscheinung. Das entspricht sicher nicht dem Sinn des Diakonats. Bei diesem Amt gibt es also offene Fragen.

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- Die Laien waren beim Zweiten Vatikanum ebenfalls Gegenstand intensiver Beratungen. Außer einem ihnen gewidmeten Dekret (AA) und einem wichtigen Kapitel in der Kirchenkonstitution (LG Kap. IV) beschäftigen sich noch viele andere Konzilstexte mit ihnen. Trotzdem ist es dem Konzil nicht gelungen, positiv deutlich zu machen, was ein Laie mehr und anderes ist als ein „Nicht-Kleriker", d. h. als ein Christ bzw. eine Christin, der bzw. die zwar wie die Kleriker getauftes und gefirmtes Glied des priesterlichen Gottesvolkes ist, aber keine Weihe empfangen hat. Diese negativ abgrenzende statt positiv definierende Bestimmung dessen, was Laien sind, weist auf ein Identitätsproblem hin, das letztlich seinen Grund in der seit dem 3. Jahrhundert üblich gewordenen Unterscheidung zwischen dem (männlichen) Klerus und der Laienschaft (beiderlei Geschlechts) hat; ein Problem, das die „fraternitas" der Frühkirche noch nicht gekannt hat. Dort war einfach von Brüdern (inklusive Schwestern) die Rede, die aufgrund ihrer Stellung und ihrer Begabung fähig und bereit waren, Aufgaben und Dienste in der Gemeinde zu übernehmen, in dieser Rolle anerkannt und dazu bestellt wurden. Vieles spricht dafür, dass sich heute, wo wir nicht mehr in einer Stände-Gesellschaft leben, manche Probleme leichter lösen ließen, wenn die Unterscheidung des Standes der Kleriker von dem der Laien aufgegeben würde.

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Das Fazit aus diesem Überblick lautet: Probleme mit dem Berufsbild bzw. Identitätsprobleme gibt es bei den (ständigen) Diakonen, besonders aber bei den Priestern und bei den Laien, vor allem jenen, die hauptberuflich im Dienst der Kirche stehen und bei der Leitung von Gottesdiensten leicht in Konkurrenz zu Priestern und Diakonen geraten. Vor allem zwischen solchen Laien und vielen Priestern entstehen fast zwangsläufig Spannungen. Das ist jedenfalls dann der Fall, wenn man versucht, im Sinn der oben genannten ersten Fragerichtung das traditionelle Priesterbild als wichtiges Strukturelement zu retten und möglichst zu stärken. Denn das geht nur auf Kosten der Laien. (Ähnliches gilt an sich für die ständigen Diakone, die ich aber außer Acht lasse, weil es für sie im Grund noch kein klar umrissenes Berufsbild gibt.)

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Ein Wort zu weiteren Folgen der Option für die erstgenannte Fragerichtung. Man versucht einerseits alles zu unterlassen bzw. zu vermeiden, was dem traditionellen Priesterbild schaden kann. Andererseits ist man aber wegen des Priestermangels gezwungen und im Grund auch - unabhängig davon schon wegen der Aussagen des Zweiten Vatikanums über die in Taufe und Firmung bzw. im gemeinsamen Priestertum aller gründende Teilhabe der Laien am Hirten- und Heiligungsdienst sowie am Dienst am Wort - dazu verpflichtet (vgl. LG 33; AA 3. 6), Laien liturgische Leitungsdienste zuzugestehen. Das soll aber so geschehen, dass aus diesen Laien keine Kleriker werden bzw. kein „Amt ohne Weihe" entsteht. Alle diese Anliegen zusammen führen zu einer paradoxen Situation und in ein Dilemma, dessen Lösung der Quadratur des Kreises gleichkäme.

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Wie wahr das ist, sieht man erstens an den Lösungsversuchen im Bereich der Pastoralplanung, die von Kirchenleitungen unternommen werden, weil die seelsorgliche Not wegen des wachsenden Mangels an geweihten Amtsträgern immer größer wird. Man sieht es zweitens auch an rubrizistischen Streitfragen um die Form, in der Laien ihre liturgischen Leitungsdienste vollziehen. Für diese beiden Bereiche seien einige Beispiele genannt, an denen deutlich das Bemühen erkennbar ist, die gefährdete Stellung der Kleriker, vor allem aber der Priester auf Kosten der Laien, ja der rechten Feier der Liturgie zu stärken:

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- Zunächst sei darauf hingewiesen, dass viele einschlägige gesamt- und teilkirchliche Dokumente (auch liturgische Bücher und theologische Stellungnahmen) spürbar von dem oben genannten Bemühen geprägt sind, die als bedroht angesehene Stellung der Kleriker zu stärken. Beispiele sind: das Motuproprio Pauls Vl. „Ministeria quaedam" (1972); das Schema III der Gottesdienstkongregation für ein nicht zustande gekommenes „Directorium de quibusdam ministeriis liturgicis a laicis exercendis" (1975); das Dokument der Deutschen Bischöfe „Zur Ordnung der pastoralen Dienste" (1977) und die von ihnen herausgegebenen „Rahmenstatuten und -ordnungen für Diakone und Laien im pastoralen Dienst" (1979) sowie die „Rahmenstatuten und -ordnungen für Gemeinde- und Pastoral-Referenten/Referentinnen" (1987), der CIC (1983), die Bischofssynode 1987 und das nachsynodale Schreiben johannes Pauls II. „Christifideles laici" (1988, Nr. 23); das Referat vor der Deutschen Bischofskonferenz am 23.2.1994 von Bischof Walter Kasper „Der Leitungsdienst in der Gemeinde"; die eingangs erwähnte „Instruktion zu einigen Fragen über die Mitarbeit der Laien am Dienst der Priester" (1997). In solchen Texten tauchen dann entsprechende, manchmal etwas hilflos wirkende Unterscheidungen auf wie: „Mitarbeit" im, aber nicht „Teilhabe" am Amt; „Ausübung" von, aber nicht „Teilhabe" an bzw. „Besitz" amtlicher Vollmacht. Verräterisch ist auch die Klausel, die in vielen Fällen das Tätigwerden von Laien in der Liturgie einschränkt: „... wenn kein Priester oder Diakon zugegen oder erreichbar ist".

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- In manchen Diözesen versucht man, ein so genanntes kooperatives Modell für die Zusammenarbeit von Klerus und Laien zu etablieren, das nach dem Motto läuft: möglichst wenige Dienste/Aufgaben für möglichst viele Laien. Man will dadurch in Pfarren, die keinen Priester mehr haben, eine Konzentration mehrerer Aufgaben auf eine Person vermeiden und möglichst viele Gemeindemitglieder aktivieren. In diesem Zusammenhang gibt es ebenfalls die Forderung, dass mit der Sache auch der Begriff „Bezugsperson" für Laien verschwinden und dem Priester vorbehalten werden solle, der als Letztverantwortlicher für die betreffenden Pfarren fungiert. Dieses Modell ist jedoch auch nur eine Notlösung, und man kann darüber hinaus an seiner praktischen Durchführbarkeit zweifeln. Außerdem ändert es nichts daran, dass schließlich doch viele, bisher von Klerikern wahrgenommene Dienste von (einem, einigen oder eben vielen) Laien versehen werden.

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- Direkt ist die Leitung von Gottesdiensten durch Laien dort betroffen, wo es um die Form geht, in der sie das tun sollen. Hier kommt es zu grotesken, ja sinnwidrigen Problemen: Darf ein Laie am Aschermittwoch die Asche, am Palmsonntag die Palmzweige wie ein Kleriker segnen oder nur austeilen? Darf er oder sie beim Gebet die Hände ausbreiten? Darf er oder sie, wenn sie eine Feier leiten, den Altarraum betreten, den Vorstehersitz benutzen? Dürfen sie eine deklarative Segensformel verwenden und mit der Hand das Kreuzzeichen machen (Handsegen), oder müssen sie ein optatives Segensgebet sprechen und auf die Segensgeste verzichten? Wer solche Fragen stellt, der benutzt die Feiergestalt liturgischer Vollzüge als Unterscheidungsmerkmal zwischen geweihten Amtsträgern und nicht geweihten Laien, d. h. sachfremd und sinnwidrig. Denn sie sind als Elemente der Zeichengestalt dazu da, den Sinn und das Ziel einer liturgischen Handlung sinnenfällig in Wort und Geste zum Ausdruck zu bringen, nicht aber dazu, eine kirchliche Rangordnung zu markieren. Das geschieht hinreichend durch liturgische Kleidung und Insignien. Das bisher Gesagte mag als Hinweis auf die fragwürdigen Konsequenzen genügen, die sich aus der Option für die erste Fragerichtung ergeben. Wer sich für sie entscheidet, gerät in eine Position, in der man sich ständig gegen „Feinde" (die Laien) verteidigen muss, die man dringend braucht. Dabei können nur Notlösungen herauskommen.

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Eine zweite Fragerichtung: Wie und mit welchen Diensten für die Menschen da sein und den Gottesdienst der Gemeinde ermöglichen?

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Es wird daher Zeit, dass wir uns mit einer anderen, der zweiten Fragerichtung befassen, die gewiss dem genuinen Wesen und der Sendung der Kirche entspricht. Denn die Kirche ist ja, wie mit Recht immer wieder betont wird, mitsamt ihren Strukturen nicht selbst das Heil, sondern Sakrament des Heils, Zeichen und Werkzeug der Vereinigung mit Gott (LG 1). Diese zweite Fragerichtung lautet:

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Was kann die Kirche in der gegenwärtigen Situation tun, um ihren Gemeinden die regelmäßige Feier der Eucharistie und all der anderen Gottesdienste zu ermöglichen, die insgesamt die Quelle ihrer Kraft und der Höhepunkt allen kirchlichen Tuns sind (vgl. SC 10)? Welche Dienste braucht sie, um dies zu leisten, das Recht der Gläubigen auf die Sakramente zu sichern (CIC c. 213) und darüber hinaus für alle Menschen da zu sein, „die mit lauterem Herzen Gott suchen" und „noch fern sind" von ihm?

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Diese Fragerichtung ist zugleich fordernd und befreiend. Sie fordert zunächst wie jede echte Reform eine Umkehr zu den Quellen, die den Blick für neue Möglichkeiten öffnet.

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Faktisch hat diese Umkehr schon mit dem Motuproprio Pauls VI. „Ministeria quaedam" (1972) begonnen, das gleich am Anfang feststellt, dass die Kirche seit frühester Zeit für den „an den jeweiligen Bedürfnissen angepassten Dienst am Gottesvolk", liturgische Dienste eingerichtet hat, kurz deren Geschichte schildert und daraus folgert, dass eine den heutigen Bedürfnissen entsprechende Anpassung derselben angebracht sei, welche die Möglichkeit einschließt, dass die Bischofskonferenzen die Einrichtung neuer Dienste erbitten. Als leitendes Prinzip der Neuordnung, das seit der Frühzeit der Kirche gilt, erscheint hier der „den jeweiligen Bedürfnissen angepasste Dienst am Gottesvolk" dem sich die Kirche verpflichtet weiß und in dem ihre Vollmacht zu Veränderungen gründet. Allerdings wird dieses Prinzip, das unserer zweiten Fragestellung entspricht, schon in diesem Motuproprio selbst und in vielen weiteren römischen sowie teilkirchlichenDokumenten eingeschränkt bzw. stark überlagert von dem der ersten Fragestellung entsprechenden Bemühen, die traditionelle Unterscheidung zwischen Kleriker- und Laienstand aufrechtzuerhalten.

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Von den teilweise geradezu grotesken und sinnwidrigen Folgen dieses Bemühens war schon die Rede. Könnten einfache und ernsthafte Laien die Diskussionen miterleben, die unter den „Experten", Theologen und Kirchenleitungen deswegen entstehen, weil man versucht, gleichsam auf zwei Schultern Wasser zu tragen, würden sie wohl den Kopf schütteln und fragen: Wo leben diese Leute eigentlich? oder uns sagen: „Eure Sorgen möchten wir haben!" Ist es nicht tatsächlich so, dass wir oft recht seltsame theologische und kanonistische Klimm- und Winkelzüge machen, um ein Schlupfloch zu finden aus einer in sich zwiespältigen Situation, die immer enger und zur Sackgasse zu werden droht? Sind die (Not-)Lösungen, um die man sich müht, und die für sie angegebenen Gründe den Gläubigen, für die die Ämter und Dienste der Kirche da sein sollen, überhaupt noch zu vermitteln? Wenn nicht, dann ist es wirklich Zeit umzukehren, sich abzukehren von der Sorge der Kirche um sich selbst und um den Erhalt ihrer überkommenen Ämterstruktur hin zur Sorge für die Menschen, denen sie mit den heutigen Bedürfnissen angepassten Diensten helfen soll, Gott nicht nur zu suchen, sondern auch zu finden. Wäre nicht das die geforderte Umkehr zum eigentlichen Quellgrund der Kirche, zu Christus, ihrem Herrn, der gekommen ist, um zu dienen, nicht, um für sich selbst zu sorgen?

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Die Option für die zweite Fragerichtung ist nicht nur fordernd, sie ist auch befreiend. Sie befreit von dem Zwang, (fast) um jeden Preis eine kirchliche Struktur und ihre Elemente, die zugegebenermaßen eine lange und ehrwürdige Tradition, aber gerade in jüngster Zeit auch beachtliche Veränderungen erlebt haben, verteidigen zu müssen. Sie befreit auch von der Angst, die Kirche gerate in eine Situation, wo sie nicht mehr aktiv und kreativ auf die Herausforderungen antworten könne, die eine Zeit des Umbruchs und des Wandels an sie stellt.

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Die neue Fragerichtung gibt ferner den Blick frei auf neue Möglichkeiten, die die Kirche in der Gestaltung ihrer Strukturen von Anfang an hatte und auch heute hat, um unter den jeweiligen Bedingungen einer Epoche ihrer Sendung, Mittlerin des Heils für die Menschen zu sein, gerecht werden zu können. Im Grund ist das nichts anderes als ein Teilaspekt der Inkulturationsproblematik, die in altchristlichen Ländern mit ihrer langen kirchlichen Tradition manchmal dringlicher ist als in jungen Kirchen Afrikas oder Asiens. Einige neue Dienste wie die Pastoralassistenten und -assistentinnen, die Pastoralreferenten und -referentinnen gibt es bei uns schon, aber ihr Status und ihre Vollmachten sind noch nicht wirklich geklärt. Und außerdem gibt es darüber hinaus viele Männer und Frauen mit oft erstaunlicher theologischer und pastoraler Kompetenz in Schulen und Hochschulen, Beratungsstellen, Krankenhäusern, ärztlichen Praxen usw., deren Talente im Grunde brachliegen und die nicht nur Ermutigung, sondern Anerkennung ihrer Arbeit als eines kirchlichen Dienstes verdienen, den die Kirche braucht, um ihre Sendung in der Welt von heute zu erfüllen.

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Schließlich sei auch noch darauf hingewiesen, dass die neue Fragerichtung es uns Liturgikern leichter macht, konsequent alle Versuche zurückzuweisen, mit falschen Mitteln herkömmliche Strukturen zu stützen. Denn die Liturgie ist als Zeichenhandlung dazu da, mit einer möglichst klaren Feiergestalt den Menschen Heil anzuzeigen und zu vermitteln, nicht aber dazu, Unterschiede an Rang und Würde zu verdeutlichen, indem man z.B. Laien, die einen Gottesdienst leiten, untersagen will, den Vorstehersitz (sedes praesidentiae, nicht: presbyteri) zu benützen oder beim Vorstehergebet die Hände auszubreiten, weil das nur Kleriker tun dürfen! Solche Maßnahmen verbieten sich bei der Option für die zweite Fragerichtung von selbst.

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Mit dem Mut, die richtigen Fragen zu stellen, wachsen die Chancen, die richtigen Antworten zu finden, und diese Chance darf um der Kirche und ihrer Sendung willen nicht vertan werden.

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