YOG Innsbruck 2012 wissenschaftlich nachhaltig
Über 60 wissenschaftliche Projekte entstanden rund um die ersten Olympischen Jugendwinterspiele im Jänner 2012. Koordiniert wurden sie von einem am Institut für Sportwissenschaft der Uni Innsbruck eingerichteten „Labor“. Die wichtigsten medizinischen, sportpsychologischen und trainingswissenschaftlichen Ergebnisse publizierten Innsbrucker Wissenschafterinnen und Wissenschafter kürzlich im renommierten British Journal of Sports Medicine.
Nicht nur für junge Athletinnen und Athleten, sondern auch für Wissenschafterinnen und Wissenschafter aus aller Welt boten die ersten olympischen Jugendwinterspiele in Innsbruck die Chance auf eine Premiere: „Das Interesse war schon im Vorfeld groß, da es die erste derartige IOC-Veranstaltung im Winter war“, sagt Dr. Martin Schnitzer vom Institut für Sportwissenschaft und ergänzt: „Aus Erfahrung wussten wir, dass Anfragen von Forschenden meist beim ohnehin schon überlasteten Organisationskomitee landen und dort nur schwer bearbeitet werden können.“ Aus diesem Grund wurde am Institut für Sportwissenschaft unter dem Titel YOGINN 2012 (Innsbruck 2012 - Youth Olympic Laboratory for Youth and Innovation) erstmals eine externe Koordinationsstelle für begleitende Forschungsprojekte eingerichtet. „Mit dem YOGINN 2012 haben wir einerseits das Organisationskomitee entlastet und andererseits wissenschaftliche Studien verstärkt ermöglicht“, verdeutlicht Schnitzer, der das YOGINN 2012 koordinierte. Und das Ergebnis lässt sich sehen: Über 60 Forschungsarbeiten in unterschiedlichen Fachbereichen, darunter auch Bachelor-, Master,- Diplom- und Doktorarbeiten sind rund um die YOG 2012 entstanden. Besonders stolz ist man am Institut für Sportwissenschaft aber auf die Publikationen in der Dezemberausgabe des britischen Fachmagazins British Journal of Sports Medicine, wo unter der Federführung von Priv.-Doz. Gerhard Ruedl, Dr. Larissa Ledochowski und Ass.-Prof. Christian Raschner Beiträge zu den Themen Verletzungs- und Erkrankungsrisiko, Wettkampfstress und Athleten-Trainerbeziehung sowie relativer Alterseffekt erschienen sind. Diese sind nicht nur in Fachkreisen von Bedeutung, sondern haben auch einen entscheidenden Mehrwert für das IOC und beispielsweise die Organisation der YOG 2016 in Lillehammer. „Gerade in Hinblick auf die Olympischen Jugendwinterspiele gab es immer wieder Diskussionen, ob man Jugendliche nicht zu früh in den Spitzensport drängt und sie unverhältnismäßig hohen psychologischen und physiologischen Belastungen aussetzt. Insofern sind unsere Ergebnisse hochrelevant“, sagt Schnitzer.
Verletzungsrisiko bei jugendlichen Elitesportlern
Dem Verletzungs- und Krankheitsrisiko widmete sich Gerhard Ruedl in seiner Studie, die das Ziel hatte, die Anzahl und Arten von Verletzungen und Erkrankungen während der YOG 2012 in Innsbruck zu erheben. Methodisch griff Ruedl dabei auf ein Beobachtungssystem zurück, das bereits bei den Olympischen Spielen in Peking 2008 und Vancouver 2010 zum Einsatz kam. „Durch das systematische Erfassen aller Verletzungsfälle können zum Beispiel besonders riskante Sportarten festgestellt und Empfehlungen für Präventivmaßnahmen gegeben werden“, erklärt Ruedl. Zwar liegen Daten zu den Olympischen Winterspielen in Vancouver vor, die große Frage, ob sich jugendliche Wintersportler häufiger verletzen oder andere Verletzungsarten auftreten, blieb aufgrund fehlender Daten aber bisher ungeklärt. „Unsere Erhebungen verglichen mit den Daten aus Vancouver zeigen ein ähnliches Verletzungsrisiko bei den Teilnehmern der YOG 2012. Sowohl die Häufigkeit mit gesamt rund 11 Prozent als auch die Arten der Verletzungen sind mit Einschränkung weitgehend ähnlich wie bei den Olympischen Winterspielen in Vancouver “, berichtet Ruedl. Unter den 1.021 angemeldeten Athletinnen und Athleten verletzten sich 111 Athleten. Das höchste Verletzungsrisiko zeigte sich bei den Disziplinen in der Halfpipe (35-44 Prozent), gefolgt von Skicross (17 Prozent) , Eishockey (15 Prozent), Ski Alpin (14 Prozent) und Eiskunstlauf (12 Prozent). „Eine Empfehlung, die sich aus unseren Erkenntnissen ergeben hat, ist, dass bei der Dimensionierung der Halfpipe die körperlichen Voraussetzungen der Jugendlichen mehr berücksichtigt werden sollten“, so Ruedl. Hinsichtlich der Häufigkeit der Erkrankungen zeigte sich mit rund 9 Prozent ebenso ein ähnliches Ergebnis wie in Vancouver. Eine Infektion des respiratorischen Traktes war mit rund 60 Prozent die häufigste Ursache einer Erkrankung. Allerdings wiesen jugendliche Athletinnen mit 11 Prozent eine fast doppelt so hohe Erkrankungsrate wie ihre männlichen Kollegen mit 6 Prozent auf. „Entsprechend sollten Präventivmaßnahmen zur Vorbeugung von Erkältungen besonders bei jugendlichen Athlet/innen schon im Vorfeld künftiger YOG 2012 implementiert werden“, erklärt Ruedl.
Rolle des Trainers
Larissa Ledochowski, die am Lehrstuhl für Sportsychologie arbeitet, beschäftigte sich in ihrer Untersuchung mit dem Thema Wettkampfangst und der Frage, wie sie unter jungen Athleten sinnvoll reguliert werden kann. „Der erfolgreiche Umgang mit der Wettkampfangst spielt eine wesentliche Rolle in der Steigerung der Leistungsfähigkeit und in der Senkung des Verletzungsrisikos. Aus diesem Grund haben wir Faktoren, die Einfluss auf die Wettkampfangst bei jungen Athleten haben, analysiert“, berichtet Ledochowski. Im Fokus standen die Aspekte Lebensqualität, die Einbindung der Eltern in die Sportkarriere der Athleten sowie das Führungsverhalten der Trainer, die in der sportwissenschaftlichen Literatur als relevant eingestuft werden. Aber auch das Zusammenspiel dieser Faktoren ermittelte Ledochowski mit Fragebögen, die im Zuge der YOG 2012 von 662 Athleten – 316 Frauen und 346 Männer – ausgefüllt wurden. Die Auswertung belegte den positiven Einfluss von hoher Lebensqualität und nützlichen Anweisungen seitens des Trainers auf die Wettkampfangst unter jungen Spitzensportlern. Diese beiden Aspekte sollten nach Ansicht der Studienautorin im Rahmen langfristiger Programme zur Senkung der Wettkampfangst berücksichtigt werden.
Relativer Alterseffekt
Christian Raschner und sein Team beschäftigten sich mit den Folgen, die die Einteilung von Nachwuchsathleten in verschiedene Altersklassen hat. „Aufgrund der Tatsache, dass in fast allen Disziplinen junge AthletenInnen aus zwei Jahrgängen startberechtigt waren, war ein Altersunterschied von bis zu zwei Jahren zwischen zwei in der gleichen Wettkampfklasse startenden SportlerInnen möglich“, erklärt Raschner das Problem, das diesem Forschungsvorhaben zugrunde lag. „Wir haben vermutet, dass die relativ älteren, also jene nahe am Selektionsstichtag geborenen Athleten einer Klasse, aufgrund ihrer körperlichen Voraussetzungen, wie zum Beispiel Größe und Gewicht, Vorteile haben könnten“, so Raschner. Mittels verschiedener Testverfahren analysierte und kombinierte er Geburtsdaten und anthropometrische Daten aller 1.021 Athleten, die an den insgesamt 63 Bewerben in 15 verschiedenen Sportarten teilnahmen. Raschner konnte tatsächlich einen signifikanten relativen Alterseffekt nachweisen, der zeigt, dass überproportional mehr relativ ältere Athleten ausgewählt wurden, um an der YOG teilzunehmen. Sowohl bei den männlichen als auch bei den weiblichen Sportlern waren unter den Medaillengewinnern in allen Sportarten die relativ Älteren überrepräsentiert. „Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass das relative Alter einen hochsignifikanten Einfluss auf die Teilnahme an Bewerben verschiedener Sportarten hat“, verdeutlicht Raschner. Eine mögliche Strategie um den relativen Alterseffekt zu reduzieren, könnte laut Raschner die Einführung einer festen Anzahl an Teilnehmern jedes Jahrganges innerhalb der 2-jährigen Altersklasse quer durch die Sportbewerbe sein.
Wissenschaftliche Nachhaltigkeit
Nachhaltig sollten die ersten Olympischen Jugendwinterspiele in Innsbruck werden: Das war einer der zentralen Ansprüche des IOC und der Gastgeberstadt Innsbruck im Vorfeld der Spiele. Dieser wurde nicht zuletzt auch in wissenschaftlicher Hinsicht erfüllt. Die wichtigsten Ergebnisse, die im Rahmen des YOGINN 2012 erzielt wurden, werden bei einer internationalen Tagung am 21. Februar 2013 an der Universität Innsbruck präsentiert. Darüber hinaus entstand eine erasmus-Partnerschaft sowie eine Forschungskooperation zwischen dem Institut für Sportwissenschaft und der Norwegian School of Sport Science, die die YOG 2016 in Lillehammer wissenschaftlich begleiten wird.
Weblink: Dezember-Ausgabe des British Journal of Sports Medicine