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Wandinger Nikolaus: Wer ist der Heilige Geist?
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Wer ist der Heilige Geist?
(Gedanken zum Pfingstfest 2003)

Autor:Wandinger Nikolaus
Veröffentlichung:
Kategoriepredigt
Abstrakt:Können wir uns unter dem Heiligen Geist etwas vorstellen oder ist er das "Stiefkind" der Dreifaltigkeit, weil wir ihn so oft übersehen? Ein Versuch, ihn zu finden...
Publiziert in:# Originalbeitrag für den Leseraum
Datum:2003-06-10

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

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Lesungen: Apg 2,1-11; Joh 15,26-27; 16,12-15

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Liebe Gläubige,

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Pfingsten ist das Fest des Heiligen Geistes; genauer, das Fest, an dem der Heilige Geist auf neue Weise auf die gläubigen Jünger und Jüngerinnen herabgekommen ist. Im Leben der Gläubigen heute gibt es auch Feiern des besonderen Wirkens des Heiligen Geistes: in der Taufe und vor allem in der Firmung haben wir den Heiligen Geist auf besondere Weise empfangen. Dieser Heilige Geist müsste uns - so möchte man meinen - etwas ganz Vertrautes und ganz Wichtiges sein. Ich wage zu behaupten, dass es gar nicht so ist, dass viele mit der Person des Heiligen Geistes wenig anfangen können. Wir nennen ihn in unseren Gebetsformeln zusammen mit dem Vater und dem Sohn, aber so richtig etwas vorstellen können wir uns nur unter diesen beiden. Der Geist gehört halt irgendwie dazu, aber: was oder wer ist er? Wir sind uns da oft nicht sicher.

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Es könnte allerdings sein, dass gerade das das Spezifische des Heiligen Geistes ist, dass er so unauffällig ist, dass man ihn kaum bemerkt oder eben nur, wenn man ganz aufmerksam und geschult durch die Bibel nach ihm sucht. Versuchen wir das einmal mit den Texten des heutigen Pfingsttages.

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Die Jünger und Jüngerinnen, allesamt aus Galiläa, aus der Provinz, die scheuen sich plötzlich nicht mehr, in Jerusalem, der Hauptstadt, und vor allen Leuten zu reden; und sie reden so, dass alle sie verstehen in ihrer je eigenen Sprache. Erinnern wir uns zurück, wie das AT das Entstehen der verschiedenen Sprachen erklärte (Gen 11,1-9): Da wird erzählt, dass zuerst alle Menschen nur eine Sprache hatten, aber der Hochmut sie dazu trieb, ohne Gott einen Turm in den Himmel bauen zu wollen, damit sie sich einen Namen machen und sich nicht zerstreuen. Und Gott fühlte sich davon bedroht und wehrt sich, indem er die Sprache der Menschen verwirrt; darauf verstehen sie einander nicht mehr und es geschieht, was sie gerade vermeiden wollten: sie zerstreuen sich in alle Winde.

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In dieser Erzählung ist Zusammengehörigkeit und Einheit etwas, das auch Gleichheit erfordert: alle müssen gleich reden, sonst zerstreuen sie sich. Wer da anders ist, wer außenstehend ist, der gehört nicht dazu, der fühlt sich von dieser Einheitsfront bedroht. Paradoxerweise ist es in dieser Erzählung ausgerechnet Gott, der sich bedroht fühlt und der strategisch perfekt vorgeht: er zerstreut die Einheitsfront, indem er die Gleichheit der Menschen aufhebt. Sie verstehen einander nicht mehr. Jeder ist jetzt dem anderen ein Fremder, jeder eine Bedrohung, jeder ein möglicher Feind.

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Und heute, an Pfingsten? Die Menschen in Jerusalem sind alle verschieden, kommen aus verschiedenen Völkern und haben verschiedene Sprachen. Und doch - sie alle hören die Jünger in ihrer Sprache reden. Es ist etwas am Werk, das die Verschiedenheit nicht aufhebt, sonst müsste es heißen, die Menschen aus aller Herren Länder verstehen auf einmal aramäisch. Es heißt aber: Jeder hörte sie in seiner Sprache reden. Was geschieht da? Es wird gemeinsame Verständigung, Einheit, Zusammengehörigkeit hergestellt, ohne dass die Verschiedenheit abgeschafft wird. Es gibt Gemeinsamkeit ohne Gleichmacherei: jeder bleibt, was er war: Parther, Meder oder Elamiter, Tiroler, Bayer, Amerikaner oder Inder, aber alle hören die selbe frohe Botschaft. Und, was noch wichtiger ist: Dies geschieht durch Gott in der Person des Heiligen Geistes. Gott zeigt damit: Ich fühle mich nicht bedroht, wenn Menschen zur Einheit und Geschlossenheit finden; ganz im Gegenteil bin ich es, der ihnen das ermöglicht. Aber die Einheit, die der Geist ermöglicht ist eine, für die der Fremde nicht zuerst eine Bedrohung ist, die man möglichst ausschalten muss; sondern eine Gewinn, dem man auch die Frohe Botschaft zusagen will.

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Der Heilige Geist ist selber ganz im Hintergrund. Im Vordergrund passiert etwas außerordentlich Seltenes und Kostbares: Menschen, die einander fremd sind, verstehen einander und werden damit von potentiellen Feinden zu potentiellen Freunden. Erst wenn wir sehen, wie selten und kostbar das ist, und dass unsere eigenen Versuche, so etwas herzustellen immer aussehen wir der Turmbau zu Babel - nämlich gleichmacherisch und damit für Außenstehende bedrohlich -, erst dann merken wir, dass hier Gott im Hintergrund, der Heilige Geist, am Werk ist.

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So ist es auch, wenn wir die Jünger betrachten: Sie fallen auf, sie sind plötzlich mutig und sprechen viele Sprachen. Und vielleicht haben sie sich selber gewundert: Das bin doch nicht ich. Das kann ich allein doch gar nicht. Gerade habe ich mich noch so gefürchtet, ging nicht mal aus dem haus, und mit meinen Fremdsprachenkenntnissen war es auch nicht weit her; das habe ich beim Fischen ja auch nie gebraucht. Und jetzt stehe ich da und rede mitten in der Stadt in allen möglich Sprachen. Und doch bin es ich, der da redet. Ich fühle mich nicht fremdbestimmt, bin keine Marionette eines anderen; ich sage genau, was mich selber zutiefst bewegt, und doch tue ich das so, wie ich es mir nie zutrauen würde. Da wirkt etwas in mir, da wirkt jemand durch mich, der unendlich größer ist als ich, und der mich doch mich selber sein lässt.

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So wie die Verschiedenheit der Völker kein Hindernis mehr für Einheit unter den Menschen ist, so ist auch die Verschiedenheit von Gott und Mensch kein Grund für Angst vor Gott. Die Vorstellung beim Turmbau zu Babel, dass sich Gott von den Menschen bedroht fühlt, ist ja eigentlich sehr seltsam. Wenn, dann ist es schon umgekehrt: Wir fühlen uns manchmal von Gott bedroht. Und zwar nicht nur, wenn wir Gott als unseren Gegner empfinden, sondern gerade auch, wenn wir hoffen, einst bei Gott zu sein. Kann ich da noch ich selber sein? Gehe ich nicht verloren in dem ganzen Glanz des Himmels, im Angesicht Gottes? Bin ich nicht ein Nichts dagegen?

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Der Heilige Geist ist die Kraft Gottes, in der er dieses kleine Nichts, das ein Mensch im Vergleich zu Gott ist, ganz in seine Gemeinschaft hineinnehmen und doch ganz es selbst sein lassen kann. Der Heilige Geist ist die göttliche Person, die so im Hintergrund wirkt, dass man sie leicht übersehen kann, und die doch das Großartige, das wir sehen, erst ermöglicht und wirkt.

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Dass wir den Geist oft übersehen liegt wohl auch daran, dass wir sein Wirken auch oft nur zaghaft zulassen, dass wir immer wieder zurückfallen in die alten Gegensätze, bei denen nur dazugehört, wer auch gleich ist; und wer nicht gleich ist, ist ein möglicher Feind; in die Gegensätze von: entweder habe ich das getan oder Gott; ich schaff es allein ohne Gott und fühle mich bedroht, wenn er mir zu nahe kommt - oder aber ich muss nichts tun, ich erwarte alles so von Gott, dass ich die Hände in den Schoß legen kann.

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Der Heilige Geist ist der Geist des Sowohl-als-auch des Guten und Wertvollen: Einheit und Gemeinschaft trotz und mit Verschiedenheit; Gottes Wirken und mein Tun ohne Rivalität und Bedrohung.

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Von diesem Geist war Jesus ganz beseelt. Und er hat ihn uns geschenkt in Taufe in Firmung, damit wir eine Gemeinschaft werden, die so lebt. Beten wir, dass der Heilige Geist, der in dieser Feier Brot und Wein in Leib und Blut Christi verwandeln wird, auch uns immer mehr wandelt, so dass wir immer mehr werden wie Christus werden: ganz Söhne und Töchter Gottes und ganz wir selbst.

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