Man könnte das Jubiläum des Beginns des Zweiten Vatikanischen Konzils vor 60 Jahren – gerade angesichts der nicht allzu rosigen Gegenwart – mit einer Prise vom schwarzen Humor kommentieren: Vor dem Konzil hat die Kirche eine Menge von Menschen aus der Kirche ausgeschlossen, nach dem Konzil rennen die Menschen selber in Scharen davon. Vor dem Konzil präsentierte sich die Kirche selber als eine „societas perfecta“, eine vollkommene Gesellschaft, einer Festung nicht ganz unähnlich. Umgeben von Horden der Feinde (Schismatiker, Häretiker, Andersgläubige, Atheisten, die ja allesamt nicht zur Kirche gehörten) begriff sie das Glaubensleben als einen Kampf gegen die „moderne Welt“. Mit Begeisterung wurde das Lied „Ein haus voll Glorie schauet“ in der damals geläufigen Fassung gesungen: „Wohl tobet um die Mauern der Sturm in wilder Wut, das haus wird überdauern, auf festem Grund es ruht. Ob auch der Feind ihn dräue, anstürmt der Hölle Macht, des Heilands Lieb und Treue auf seinen Zinnen wacht. Viel Tausend schon vergossen mit heil‘ger Lust ihr Blut, die Reihen stehn fest geschlossen in hohem Glaubensmut“. Zur Häresie ersten Ranges wurde der „Modernismus“ erklärt, dem alle Theologen und kirchlichen Amtsträgern bei der Übernahme ihrer Mission abschwören mussten. Freilich hat es auch vor dem Konzil Erneuerungsbewegungen gegeben, die aber allesamt kritisch beäugt wurden. Kein Wunder, dass Denunziationen als Frömmigkeitsübung begriffen wurden. In vielen Ländern war die Kirche zwar mächtig, doch war sie ein „Fremdkörper“ in einer Welt, die sich rapid wandelte: unverstanden und auch ungeliebt. Als Johannes XXIII. bald nach dem Beginn seines Pontifikates das Konzil in Aussicht stellte, erwarteten sich nicht wenige bloß die feierliche Finalisierung des durch politische Wirren des 19. Jahrhundert abgebrochenen ersten Vatikanischen Konzils, damit auch eine zu-Zementierung der kirchlichen Festung. Als er bei der Eröffnungsansprache am 11. Oktober 1962 davon sprach, dass das Konzil „einen Sprung“ nach vorne wagen soll, schüttelten nicht wenige Konzilsväter den Kopf. „Die Kirche wird 50 Jahre brauchen, um sich von den Irrwegen Johannes XXIII‘ zu erholen“, kommentierte den Schock der Erzbischof von Genua, Kardinal Giuseppe Siri (der 1978 zwei Mal beinahe Papst geworden wäre und zwar in beiden Konklaven, aus denen dann Johannes Paul I. und Johannes Paul II. hervorgegangen sind). |