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Weber Franz: "Welt-offen und Gast-freundlich"
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"Welt-offen und Gast-freundlich"
(Interkulturelle Begegnungen in den Gemeinden der Weltkirche von heute)

Autor:Weber Franz
Veröffentlichung:
Kategorieartikel
Abstrakt:Kommunikative Theologie richtet ihr besonderes Augenmerk auf ortskirchliche und weltkirchliche Kommunikations- und Lernprozesse. Unter dem Titel "Fremdsein und Gastsein - Begegnungen in der Lerngemeinschaft der weltweiten Kirche" fand im Juli dieses Jahres in Innsbruck eine internationale kumenische Missionsstudientagung statt. Der Text des folgenden Vortrags, den der Autor auf diesem Kongress gehalten hat, wird in der nchsten Ausgabe der Ordensnachrichten, dem Inormationsorgan der sterreichischen Superiorenkonferenz erscheinen.
Publiziert in:# Originalbeitrag für den Leseraum
Datum:2004-09-16

Inhalt

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Unter den Stichworten "welt-offen" und "gast-freundlich" geht es in diesem Beitrag nicht so sehr um eine Vorstellung und Evaluierung verschiedener Formen interkultureller Begegnung in den christlichen Kirchen, die wir auch auf dieser Tagung kennen lernen, sondern um grundsätzliche Überlegungen zur Bedeutung solcher Begegnungen, die ganz wesentlich mit dem theologischen und pastoralen Selbstverständnis der Kirche und ihrer Sendung in der Welt von heute zu tun haben. Es geht nicht so sehr um die Frage der Vermittler, Träger und Formen konkreter Initiativen (Solidaritäts- und Missionsgruppen, Partnergemeinden im Süden, Personalaustausch, Gastfreundschaft für Fremde und Ausländer usw.), sondern um den Zugang zu einem theologischen Grundverständnis von "Multikulturalität", "Katholizität" und "Weltkirchlichkeit" als Charakteristika der Kirche und jeder christlichen Gemeinde.

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Das Gesamtthema dieser Missionsstudientagung lautet: "Fremdsein und Gastsein. Begegnungen in der Lerngemeinschaft der weltweiten Kirche": Es ist kein Modethema, über das wir hier nachdenken, sondern eine Lebens- und Überlebensfrage der christlichen Kirchen in unserer Zeit. "Fremd sein – und Gast sein" – das ist eine Frage, die uns – zugegeben oder verdrängt – alle bewegt. Sie sitzt tiefer, als man auf den ersten Blick annehmen möchte. Sie macht Angst und eröffnet zugleich neue Perspektiven des Menschseins und Christseins.

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1. Grunderfahrungen von Fremdheit und Gastfreundschaft

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Die Erfahrung von Fremdheit ist eine Grunderfahrung menschlicher Existenz, die schmerzlich ist und schmerzlich bleiben muss. Wenn ich wirklich den Mut habe, einen Blick ins eigene Herz zu riskieren, dann weiß ich, wie fremd und unbegreiflich ich mir selbst oft bin und wie fremd mir selbst jene Menschen manchmal sein und werden können, die mir sehr nahe stehen. Aber bleibt mir nicht auch Gott in seinem Sein und Handeln oft unbegreiflich fremd, auch wenn ich durch und an Jesus von Nazaret erfahren habe, dass Gott uns Menschen nahe gekommen ist und nahe bleiben will? Gott ist und bleibt für jeden Menschen immer auch der Fremde und "ganz Andere". Ich kann und darf mir Gott nicht um jeden Preis vertraut machen, sonst schaffe ich mir ein Gottesbild aus "Menschenhand" und nach "Menschengeist". Gott kann, darf und muss uns Menschen bei allem Vertrauen in ihn auch fremd bleiben, absolutes, unfassbares Geheimnis, von dem wir nur eine geringe Ahnung, nach dem wir aber auch eine unstillbare Sehnsucht haben. Es gibt noch eine andere Fremdheit, die uns von Zeit zu Zeit so schmerzlich bewusst wird: Man könnte es "Weltfremdheit" nennen, dieses sich fremd und heimatlos fühlen, das auch und gerade durch eine entschlossene christliche Weltoffenheit und Weltzuwendung nicht aufzuheben ist: "Wir haben hier keine bleibende Stätte." "Wir sind nur Gast auf Erden und wandern ohne Ruh, mit mancherlei Beschwerden, der ewigen Heimat zu." Diesen und anderen Grunderfahrungen von Fremdheit gilt es nachzuspüren. Sie dürfen nicht verdrängt, sondern müssen zugelassen werden, damit auch die Bedeutung des Gastsein Dürfens und des Heimat, Geborgenheit und Gemeinschaft Findens in seiner Tiefendimension zugänglich wird.

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In unserem Unterwegssein als Pilgerinnen und Pilger, als Kirche, die vom Zweiten Vatikanischen Konzil zutreffend als pilgerndes Gottesvolk beschrieben wurde, (1) in der Fragmentarität und Vorläufigkeit unseres auf Schritt und Tritt vergänglich-sterblichen Lebens, in der bitteren Erfahrung des Fremdseins wird uns das Geschenk des Aufgenommen- und Angenommenwerdens, des für eine gewisse Zeit Heimatfindens und die "Gnade" der Gastfreundschaft zuteil. Ja, es kann geschehen, dass aus Fremden tatsächlich Freunde werden. Menschen, die einander nicht kennen, erfahren sich nicht als gegenseitige Bedrohung, sondern als Verbündete und Partner, die sich in gegenseitiger Ehrfurcht vor der Würde des anderen auf gleicher Augenhöhe begegnen.

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Der Fremde und kulturell Andere wurde in der Geschichte des Abendlandes oft als "edler Wilder" betrachtet. Heute wird er als "Exot" und als Schauobjekt touristischer Neugierde respektlos vermarktet. Auch in uns Christinnen und Christen, die wir uns zu unserer Verwurzelung in der abendländischen Geistes- und Christentumsgeschichte bekennen, wirken deren sündhafte Spuren und Denkstrukturen nach. Wir tragen sie als Vorurteile und als Superioritätskomplex in unseren Hirnen und Herzen. Es bedarf ohne Zweifel noch eines radikalen Umdenkens und einer tief greifenden Bekehrung, damit wir in Europa wirklich zu interkulturellen Begegnungen fähig werden können.

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Die Spuren der Kolonial- und Missionsgeschichte sind nicht so einfach zu verwischen. Es wirkt tiefgreifend nach, dass die kulturell Anderen als "kulturlose Barbaren" betrachtet wurden, die zivilisiert werden mussten. Man hat sie als "gottlose, arme Heiden" betrachtet, die missioniert und mit den Reichtümern des christlichen Glaubens überschüttet wurden. Sie wurden gezwungen, die Symbole ihrer religiösen Traditionen an der Kirchentür zu verbrennen. All das hat sich tief in das Gedächtnis vieler Menschen im Süden der Welt eingegraben. Was das Zweite Vatikanische Konzil allen Jüngerinnen und Jüngern Christi ins Stammbuch geschrieben hat, sie sollten "in aufrichtigem und geduldigem Zweigespräch […] lernen, was für Reichtümer der freigebige Gott unter den Völkern verteilt hat", (2) was lehramtliche Dokumente der jüngsten Zeit weitergeführt haben, gilt aber leider oft nicht einmal in Rom selbst und noch viel weniger bei einem Teil der Bischöfe in den Kirchen des Südens und im einheimischen Klerus als Maßstab für pastorales Handeln.

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Die nicht nur von der Theologie, sondern auch von den Dokumenten des Lehramtes immer wieder angemahnte Inkulturation des christlichen Glaubens und der Kirche in die Lebenswelten der verschiedenen Völker hat dann eine reale Chance der Verwirklichung, wenn partnerschaftlich-respektvolle gegenseitige Lernprozesse in die Wege geleitet werden. Wo aber sollen diese Lernprozesse beginnen? Inkulturation und Interkulturation, Einwurzelung des christlichen Glaubens in die kulturellen Kontexte der verschiedenen Menschen und Völker und die Einübung echter Begegnung zwischen Menschen verschiedener Kultur und Sprache sind nicht nur Sache von Kirchenleitung und Theologie. Inkulturation – so stellt Johannes Paul II. im Nachsynodalen Schreiben "Ecclesia in Africa" fest – ist ein "Prozess, der die ganze Weite des christlichen Glaubens umfasst – Theologie, Liturgie, Gewohnheiten und Strukturen". (3) Sie gehört dorthin, wo der Glaube gewöhnlich gelebt wird und sich als lebensfähig erweist, in die christliche Gemeinde. Hier treffen sich nicht nur einander vertraute, sondern auch einander fremde Menschen aus verschiedenen ethnischen Gruppen, die sich mit ihrer kulturellen und religiösen Verschiedenheit und Fremdheit erst einmal wahrnehmen und gegenseitig annehmen lernen müssen. Von der Tatsache inkultureller Begegnung in vielen Gemeinden der Weltkirche von heute, von ihrer Notwendigkeit und ihren Chancen und Grenzen, von der unverzichtbaren Aufgabe von Missionarinnen und Missionaren in der Einübung interkultureller Lernprozesse soll hier an Hand konkreter Beispiele und auf der Basis grundsätzlicher ekklesiologisch-missionstheologischer Überlegungen die Rede sein.

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2. Multikulturelle Gemeinden in der Weltkirche von heute – Eindrücke von einer Gemeinde in Taiwan

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Viele reden auch hierzulande von einer multikulturellen Gesellschaft. Gar nicht so wenige malen sie für die Zukunft unseres Landes als Horrorvision und Schreckgespenst an die Wand. Vor Wahlen schlagen manche Kandidaten aus der Angst der Bevölkerung vor Fremden Kapital für sich und ihre Partei. Mit dieser Menschen verachtenden Polemik wird der Lösung real existierender Probleme in der komplexen Ausländer- und Asylproblematik keinerlei Dienst erwiesen. Aber es gibt auch die "Gegenpartei" der "blauäugigen" Fans einer Multi-Kulti-Gesellschaft, die die Zukunft der Welt am liebsten nur in bunten Farben an Wände von Kirchen, Schulen und Kindergärten malen möchte. Auch sie erweisen der Sache oft einen schlechten Dienst, wenn sie ihre Träume für die Wirklichkeit halten und damit den Fremden und kulturell Anderen in keiner Weise gerecht werden. In den christlichen Kirchen unseres Landes bemüht man sich um eine grundsätzliche Auseinandersetzung mit diesen Fragen im Lichte der biblischen Botschaft, wofür das ökumenische Sozialwort ein sprechendes und glaubwürdiges Beispiel ist. (4) Viele Pfarrgemeinden aber tun sich schwer, wenn sie vor Ort ganz konkret mit Problemen des Zusammenlebens mit Menschen anderer Kultur und Sprache konfrontiert sind.

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Ein Blick auf die komplexe Gestalt und multikulturelle Zusammensetzung vieler christlicher Gemeinden in der Weltkirche von heute gibt Aufschluss darüber, welche Schwierigkeiten und Chancen sich daraus für das Gemeindeleben ergeben. Traditionelle Dorf- und Stammesgemeinschaften lösen sich in vielen Ländern der Erde immer mehr auf. Menschen verlassen ihre angestammte Heimat oder werden von ihrem Land vertrieben. Zu Millionen strömen auch Christinnen und Christen aus verschiedenen ethnischen Gruppen und Kulturen in die urbanen Ballungszentren und suchen dort in Pfarreien und kleinen christlichen Gemeinden Rückhalt und Gemeinschaft im Glauben. Da treffen Menschen zum Beispiel an der Peripherie von Nairobi, Kinshasa, Johannesburg, São Paulo, Lima, Mexiko City, Manila usw. aufeinander, die zwar laut Personalausweis Bürgerinnen und Bürger desselben Landes, aber kulturell, sprachlich, auch religiös-kirchlich grundverschieden voneinander sind. Hier brechen dann oft alte ethnisch-kulturelle Gegensätze wieder auf. Neue Konflikte sind – gerade in einem Kontext von oft extremer Armut und sozialer Ungerechtigkeit – unvermeidbar. Millionen von christlichen Gemeinden in Lateinamerika, Afrika, Ozeanien und Asien sehen sich vor die Herausforderung gestellt, wie sie mit der spannungsreichen Plurikulturalität in ihren eigenen Reihen umgehen.

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Ein ermutigendes Beispiel für einen Umgang mit solcher spannungsgeladener Vielfalt ist mir vor kurzem auf einer Studienreise einer Gruppe des Innsbrucker Universitätslehrganges "Kommunikative Theologie" in Taiwan begegnet. An Pfingsten sind wir in Kaohsiung, einer der größten Städte des Landes, Gäste in einer katholischen Pfarre, in der wir einen beeindruckendes Gottesdienst erleben: Einige Verse der Lesung aus der Apostelgeschichte vom pfingstlichen Sprachenwunder werden der Reihe nach in sieben verschiedenen Sprachen vorgetragen. Da sind Taiwanesen und Festlandchinesen, Angehörige aus mindestens vier verschiedenen Gruppen der Ureinwohner des Landes, eine Gruppe von Fremdarbeiterinnen aus Vietnam, die von einem jungen vietnamesischen Steyler Missionar begleitet werden. Sein Mitbruder, der als Kaplan hier wirkt, kommt aus Indonesien. In einem aufschlussreichen Gespräch schildert uns der Pfarrer Ueli Scherer, ein Bethlehem-Missionar aus der Schweiz, den mühevollen Weg dieser multikulturellen Gemeinde, in der zuerst fast jeder gegen jeden massive Vorurteile hatte. Erst nach Jahren war es gelungen, jeder Gruppe einigermaßen das Gefühl zu geben und die Gewissheit zu vermitteln, dass in einer christlichen Gemeinde für jeden Platz sein muss, ohne dass er seine kulturelle Identität aufgeben muss.

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Sofort nach der Messfeier werden wir in die je eigenen Tänze der verschiedenen Gruppen hineingezogen und versuchen, ganz neue Schritte zu lernen. Während des Gemeindefestes, in dem in den verschiedenen Beiträgen zum Programm die Heterogenität dieser Leute genauso sichtbar wird wie in den vielen Speisen, die zum Mittagessen aufgetragen werden, ist – jedenfalls für uns – nichts mehr zu spüren von den vielen Konflikten, Rückschlägen und Lernerfahrungen dieser Gemeinde, in der Menschen mit ganz verschiedener Sprache und verschiedener kultureller Herkunft nach Überwindung tief sitzender Vorurteile, die ihnen sonst in der Gesellschaft überall entgegenschlagen, christliche Gastfreundschaft erfahren und schließlich auch Heimatrecht erlangen. In der globalen Welt von heute mit ihren Migrationsbewegungen werden Menschen verschiedenster Herkunft, ob sie das wollen oder nicht, einfach zusammengewürfelt und müssen miteinander leben. Unzählige Gemeinden in der Weltkirche von heute sind multikulturelle Gemeinden. Sie müssen mit den daraus entstehenden Spannungen aus dem Geist des Evangeliums fertig werden. Das ist mühsam, spannend und spannungsreich zugleich. Ob das mehr oder wenig gelingt, ist ein Maßstab dafür, ob eine Gemeinde tatsächlich das Attribut "christlich" verdient oder nicht.

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Wäre Ähnliches wie in diesem Beispiel aus Taiwan mit der Zeit auch in unseren gewöhnlichen Pfarren hierzulande möglich, wo Zugewanderte aus einer anderen Gegend, aus einem anderen Bundesland oder – wie in Tirol – nur aus einem anderen Tal oft nicht einmal nach Jahren einen gleichwertigen Platz im Gemeindeleben finden? Es ist keine Übertreibung, sondern eine nüchterne Feststellung, dass wir in vielen unserer Pfarrgemeinden erst ganz am Anfang interkultureller Lernprozesse stehen oder überhaupt noch nicht damit begonnen haben, uns auf sie einzulassen.

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3. Missionarinnen und Missionare – Gäste in einem fremden Land

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und Brückenbauer zwischen den Ortskirchen

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Als Missionarinnen und Missionare haben wir das Thema "Fremdsein und Gastsein" vielfach am eigenen Leib erfahren. Beides ist integraler Bestandteil der Biografie von Menschen, die es unternehmen – wie es der klassische Missionsbegriff ausdrückt –, "ad gentes" – zu den Völkern – aufzubrechen. Das bedeutet, sich aus der eigenen Kultur weg in einen anderen kulturellen Kontext hinein zu begeben. Welche Kirchenerfahrungen haben wir in der Fremde gemacht? Was haben wir daraus gelernt, und was haben wir davon in unsere Heimat zurückgebracht? Es ist gut, wenn von Missionarinnen und Missionaren nicht nur eine Theorie des interkulturellen Lernens vermittelt wird, sondern auch Lebenserfahrungen weitergegeben werden. Ich möchte hier zuerst mich selbst und meine Erfahrungen als Missionar ins Spiel bringen, bevor ich auf theologische Grundlagen der interkulturellen Lerngemeinschaft Weltkirche zu sprechen komme.

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Als Kind hatte ich – ehrlich gesagt – sehr klischeehafte, traditionell exotische und mit vielen Vorurteilen behaftete Vorstellungen von den anderen Völkern vor allem in Lateinamerika und Afrika. Aber genau diese ganz andere und fremde Welt hat mich fasziniert und war wahrscheinlich mit ein Anstoß, dass ich schon als Bub unbedingt Missionar werden wollte. Aber irgendwie habe ich mir aus meiner katholisch-volkskirchlichen Sozialisierung die Kirche mehr oder weniger überall auf der Welt gleich vorgestellt. Anders war das schon, als ich nach dem Theologiestudium und nach einigen Jahren in der Ordensausbildung endlich nach Brasilien aufbrechen konnte. Irgendwie schien mir die Kirche dort aus der theologischen Literatur und aus Erzählungen vertraut. Ich habe sie mir als ideale, lebendige, sozialpolitisch engagierte Basiskirche vorgestellt. Ich hatte mir also schon vor meiner Ankunft dort ein Bild von der Fremde gemacht, das nur zu einem geringen Teil der Wirklichkeit entsprach. Ich musste aus meinen Kirchenträumen erwachen und mich der Realität stellen. Das war hart und verlangte von mir ein Umdenken und eine spirituell-pastoraltheologische Bekehrung.

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Aber ich – der Fremde und Europäer – wurde gastfreundlich, ja geradezu liebevoll erwartet und aufgenommen. Dass ich Ausländer war, bekam ich eigentlich nur von der Fremdenpolizei zu spüren, die damals viel Druck auf Missionare machte, die sich in soziale Fragen einmischten, die nach Meinung der Regierenden mit dem Glauben nichts zu tun hatten. Erst nach Jahren, als ich mit den Leuten in meiner Pfarrgemeinde schon sehr vertraut war, bekannten sie mir, wie fremdartig ich zuerst auf sie wirkte, wie unverständlich ich für die einfachen Bauern und Landarbeiter mit meinem abstrakten Portugiesisch war, das ich mir in Lissabon und Brasilia angeeignet hatte. Sprachkurse sind eben nur ein bescheidener Anfang langer Inkulturationsprozesse.

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Aber die Menschen nahmen mich alle gastfreundlich und verständnisvoll auf, vom Bischof angefangen, bis zu den Priestern und Ordensschwestern, die mir aber auch – und dafür bin ich ihnen dankbar – klar und deutlich zu verstehen gaben, dass nicht meine mitgebrachte Theologie und meine Kirchenvorstellungen hier maßgebend waren, sondern der pastorale Weg der Ortskirche, von der ich zur Mitarbeit eingeladen worden war. Vor allem habe ich eine Akzeptanz in den Gemeinden der Armen gespürt. War das nur auf Grund meines Status als Priester? Es war mehr! Es war – bei aller vornehmen Zurückhaltung und Reserviertheit am Anfang – einfach ein Stück echter Gastfreundschaft und Wertschätzung als wesentliches Element der Kultur und Lebenswelt der Armen. Für viele von ihnen, mit denen ich Jahre lang in Freud und Leid unterwegs war, kann ich sagen: Aus Fremden sind für mich Freunde geworden. Sie haben mich in meiner Andersartigkeit angenommen und liebevoll aufgenommen. Deshalb schäme ich mich seither auch, wenn ich erleben muss, wie respekt- und lieblos in Österreich – auch innerhalb der Kirche – oft von Fremden gesprochen und mit ihnen umgegangen wird.

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Ich möchte aber auch die andere Seite nicht verbergen. Sie sind mir immer wieder auch fremd und unbegreiflich geblieben, diese Frauen und Männer im Nordosten Brasiliens, unter denen und mit denen ich gelebt und gearbeitet habe. Ihre kulturellen Wurzeln reichen tief hinab in die fernen Lebenswelten und kulturell-religiösen Vorstellungen ihrer Vorfahren mit ihren Ursprüngen in indianischen und afrobrasilianischen Kulturen. Konnte ich sie überhaupt verstehen? In meinen Adern fließt kein indianisches oder afrikanisches Blut. Kann und muss ich als Missionar Menschen einer anderen Kultur wirklich bis auf den Grund ihrer Seele schauen? Muss ich nicht einfach ehrfurchtsvoll stehen bleiben vor dem unergründlichen Geheimnis ihrer mir im letzten abgrundtief fremd bleibenden Existenz und Geschichte, die aber immer schon auch eine Geschichte Gottes und seiner Geistesgegenwart mit Menschen ist? Kann ich als Missionar wirklich, wie Paulus gemeint hat, "allen alles werden" (1Kor 9,22) oder muss ich nicht in jeder interkulturellen Begegnung die Erfahrung von Fremdheit annehmen, damit ich mir kein falsches Bild mache vom Anderen, das ihm nicht entspricht? Trotzdem kann und darf ich als Fremder Gast sein in seinem Haus, das nicht meines ist und das auch keine bleibende Stätte bedeutet, sondern nur eine kurze Rast auf meiner Pilgerschaft.

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Es gibt noch eine andere Fremdheitserfahrung, die wir als Missionarinnen und Missionare machen müssen: In Vielem fremd waren mir nach Jahren der Abwesenheit bei meiner Rückkehr aber auch die eigene Heimat und vor allem die Kirche geworden, die mir so kühl und distanziert, so unbeweglich und lebensfern erschien, sodass ich zuerst am liebsten wieder auf der Stelle nach Brasilien zurückgekehrt wäre. Ich bin dankbar, dass ich damals auch hier wieder in einer konkreten Pfarrgemeinde Aufnahme und Gastfreundschaft gefunden habe. Wer für längere Zeit den Aufbruch in die Fremde gewagt hat und dann heimkehrt, ist ein Wanderer zwischen zwei Welten. Er muss sehr bewusst an seine eigenen Wurzeln zurückkehren. Er braucht dazu den als solchen erfahrbaren Lebensraum von Kirche und christlicher Gemeinde, die ihn annimmt und aufnimmt mit all den Fragen, die er mitbringt.

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4. "Katholizität" – ein Geschenk und eine schwierige Aufgabe

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Können Kirche und christliche Gemeinde ein grundsätzlich für alle Menschen zugänglicher Lebensraum sein? Was bedeutet es, wenn das 2. Vatikanische Konzil in der Kirchenkonstitution feststellt, dass die Kirche als das eine Gottesvolk "in allen Völkern der Erde wohnt" und "aus ihnen allen seine Bürger nimmt" (5) ? Das Konzil versteht "Katholizität" hier nicht im konfessionellen Sinn, sondern als "Eigenschaft der Weltweite", die eine Gabe des Herrn selbst an seine Kirche ist. (6) "Die Kirche ist heute", so schrieb auch Karl Rahner schon vor über 20 Jahren, "Weltkirche geworden. Sie ist nicht mehr die Kirche des Abendlandes mit […] Exporten in die ganze Welt. […] Die Kirche ist heute, aktuell und nicht mehr bloß in Potenz, die Weltkirche mit regionalen Teilkirchen, die sich schon in den verschiedenen geschichtlich und gesellschaftlich von Europa unterschiedenen Kulturlandschaften inkulturiert haben oder es zu tun im Begriff sind." (7)

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"Katholizität" und "Multikulturalität" als Geschenk Jesu? Ich empfinde und erfahre es tatsächlich als Gnade, die in unserer Zeit wie nie zuvor in der Geschichte nicht nur der katholischen Kirche, sondern allen großen christlichen Kirchen in den Schoß gefallen ist. Wie aber gehen wir mit dieser "geschenkten" Katholizität als Chance und Herausforderung um? Sind die christlichen Kirchen in den anderen Kulturen wirklich schon heimisch geworden? Oder wohnen viele Ortskirchen in Afrika, Asien, Ozeanien und Lateinamerika nicht nach wie vor in den importierten Fertighäusern einer europäisch-abendländischen Theologie und Gemeindestruktur, wo sich Menschen mit ihren jeweiligen religiösen Traditionen und Lebensgewohnheiten, die sie aus ihrer Kultur mitbringen, kaum einrichten und heimisch fühlen können? Können unsere Pfarrgemeinden hierzulande – auch von fremden, suchenden Menschen – als Zufluchtsort, Lebensraum und Dach für ihre aufgescheuchte Seele erfahren werden? Wie "katholisch" – und das hieße im Sinn des Konzils, wie weltoffen – und zur kulturellen Vielfalt fähig und wie fremden- und gastfreundlich sind unsere Gemeinden?

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Das Konzil lehrt, dass die Kirche Christi wahrhaft in allen rechtmäßigen Ortsgemeinschaften der Gläubigen anwesend (8) ist und dass in diesen Gemeinden, auch wenn sie oft klein sind oder in der Diaspora leben (9) , Christus gegenwärtig ist. Sollte deshalb nicht jede christliche Gemeinde als Abbild der Gesamtkirche in diesem nicht konfessionellen Sinn "katholisch" sein, indem sie einerseits ganz Ortskirche ist, inkulturiert und verwurzelt in einer bestimmten Kultur und Lebenswelt der dort wohnenden Menschen, bodenständig und menschennah, und andererseits welt-offen und zur Kommunikation und interkulturellen Begegnung fähig und bereit?

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Das 2. Vatikanum betrachtet die Weltkirche als "communio ecclesiarum", als Gemeinschaft von Ortskirchen, die miteinander im Austausch stehen und ihre Gaben miteinander teilen. "Kraft dieser Katholizität bringen die einzelnen Teile ihre eigenen Gaben den übrigen Teilen und der ganzen Kirche hinzu, sodass das Ganze und die einzelnen Teile zunehmen aus allen, die Gemeinschaft miteinander halten und zur Fülle der Einheit zusammenwirken." (10) Damit diese Vorstellung von einer Kirche als globale vernetzte Kommunikationswelt nicht theologische Theorie bleibt, konkretisiert das Konzil, worin der gegenseitige Austausch besteht, wenn es feststellt: "Daher bestehen schließlich zwischen den verschiedenen Teilen der Kirche die Bande einer innigen Gemeinschaft der geistigen Güter, der apostolischen Arbeiter und der zeitlichen Hilfsmittel." (11)

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Man beachte die Reihenfolge. Hier steht nicht das materielle Teilen an erster Stelle. Die Kirchen des Nordens versehen ihre weltkirchliche Aufgabe, obwohl ihre finanziellen Ressourcen abnehmen, immer noch primär in diesem Bereich. Dass wohlhabende Kirchen und Gemeinden mit denen teilen, die weniger oder nichts haben, war schon in der Urkirche Praxis, als zunächst die Gemeinde von Antiochia (Apg 11,27-30) und später auch die Gemeinden in Mazedonien (2Kor 8,1-15) für die Christen in Judäa eine Sammlung veranstalteten. Dass die Kirchen des armen Südens aber heute immer noch fast nur als "Bittsteller vor den Toren der Hilfswerke und der weltkirchlichen Referate im reichen Norden (stehen), um ein Mindestmaß an eigener Infrastruktur zu erhalten" (12) , schafft eine Abhängigkeit, die ihrer Suche nach einer eigenen Identität keinen guten Dienst erweist. Deshalb haben sich auch Pfarrgemeinden und Solidaritätsgruppen in ihren Patenschaften und Partnerschaften jeweils sehr gut zu überlegen, wo und wie sie sich mit gutem Gewissen materiell-finanziell engagieren können.

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Als nicht weniger problematisch erweist sich vielfach auch das, was das Konzil "Gemeinschaft der apostolischen Arbeiter" nennt. Über Jahrhunderte waren es vor allem europäische Missionsorden, die sich für die Ausbreitung und Einpflanzung der Kirche in anderen Kontinenten verantwortlich fühlten. Heute sind – nicht nur theologisch, sondern faktisch – eindeutig die Kirchen vor Ort Trägerinnen der Mission und der Inkulturation des Evangeliums. Die Missionarinnen und Missionare aus dem Norden sind im Aussterben, auch wenn in den letzten Jahrzehnten neue Formen missionarischen Dienstes vor allem von Laien entstanden sind. Andererseits werden Priester und Ordensleute aus den Kirchen des Südens in verstärktem Maß in Europa und in den USA eingesetzt, um pastorale Löcher zu stopfen. Wir werden uns als Kirche in Zukunft sehr genau überlegen müssen, wer die Brückenbauer sein werden, die interkulturelle Begegnungen ermöglichen und auf welche Art und Weise ein Austausch von Personal zwischen Süden und Norden sinnvoll ist.

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Und wie steht es mit der Gemeinschaft der geistigen Güter, die nach dem Willen des Konzils zwischen den Ortskirchen ausgetauscht werden sollen? Inzwischen ist in vielen Christinnen und Christen Europas die Überzeugung gewachsen, dass unsere Glaubensgeschwister im Süden keine "armen Heiden" sind, sondern uns durch ihre Glaubens- und Gemeindepraxis, durch ihre Theologie und Pastoral sehr viel zu sagen haben, ohne dass Modelle von dort auf unsere Kirchensituation übertragen werden dürfen. Aber es muss auch klar gesagt werden, dass es vielen Ortskirchen des Südens nach intensiver "römisch-katholischer" Missionierung und theologisch-pastoraler Fremdbestimmung schwer fällt, sich zu den Wurzeln und Werten der eigenen Kultur und religiösen Tradition zu bekennen und aus den "eigenen Brunnen" (G. Gutierrez) zu trinken. Die Wassersuche auf dem eigenen Grundstück gestaltet sich auf Grund des tief greifenden Kulturwandels in Lateinamerika, Afrika und Asien oft auch als äußerst schwierig. Sie kommt vielfach zu spät, weil die Quellen eigener religiöser Traditionen schon am Versickern sind oder im Mainstream einer globalen Weltkultur westlicher Prägung aufgesogen werden. Wo kulturelle Identität und ortskirchliches Selbstwertgefühl wieder im Wachsen sind, dort wächst auch die Bereitschaft zur Miteilung der eigenen Gaben.

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Bei aller – trotz wirtschaftlicher Schwierigkeiten –anhaltenden Spendenbereitschaft der Kirche im deutschsprachigen Raum und trotz allen Bemühens kirchlicher Hilfswerke um eine sachgerechte weltkirchliche Bildungsarbeit und Horizonterweiterung steht die Weltkirche in vielen Diözesen und Pfarrgemeinden nicht wirklich im Blickfeld. Theologie und Pastoral sind in unseren Breiten nach wie vor ausgesprochen eurozentrisch und von einem nicht zu leugnenden Kirchturmdenken geprägt. Ich wage zu behaupten, dass wir diesbezüglich in Österreich noch nicht wahrhaft "katholisch" geworden sind. Es fehlt uns der "Weltblick", den das 2. Vatikanische Konzil am Beginn der Pastoralkonstitution zu eröffnen versuchte. Vor den Augen des Konzils stand damals "die Welt der Menschen, das heißt die ganze Menschheitsfamilie, mit der Gesamtheit der Wirklichkeiten, in denen sie lebt; die Welt als der Schauplatz der Geschichte, von ihren Unternehmungen, Niederlagen und Siegen geprägt" (13) . Was und wen haben unsere Pfarrgemeinden, unsere Seelsorgerinnen und Seelsorger, unsere Pfarrgemeinderäte und Arbeitskreise in ihrer Pastoral gewöhnlich im Blick? Die personale und (vermeintliche) finanzielle Notsituation verengen immer stärker unseren Blick. Christliche Gemeinde wäre aber genau der Ort, wo Engführungen aufgebrochen, eine Weltkirchenperspektive eröffnet und eine interkulturelle Gastfreundschaft eingeübt werden können.

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5. Ein Blick zurück –

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Das Ringen der urchristlichen Gemeinden um ihre universale Mission

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Gemeinden, die im tiefsten Sinn des Wortes welt-offen sind und auch dem kulturell Anderen und Fremden Aufnahme und Heimatrecht gewähren, fallen jedoch nicht einfach nur als Pfingstwunder des Heiligen Geistes vom Himmel, sondern sind immer auch die Frucht mühevoller interkultureller Lernprozesse. Das war bereits am Anfang der Kirche so, als die urchristlichen Gemeinden um ein universales Verständnis ihrer Mission und um die Öffnung ihrer Gemeindepraxis für neu Hinzukommende ringen mussten.

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Die Erzählung vom pfingstlichen Sprachenwunder in der Apostelgeschichte (Apg 2,1-13), das in der Verkündigung – etwas idealistisch verklärt – gerne als Geburtsstunde der multikulturellen Weltkirche gedeutet wird, spiegelt in Wirklichkeit wohl zunächst nur die Öffnung der Jerusalemer Gemeinde für die verschiedene Sprachen sprechenden Diasporajuden wider. Zwischen ihnen, die auch Hellenisten genannt wurden, und den Hebräern, d.h. den Gemeindemitgliedern palästinensischer Herkunft kam es dann ja bekanntlich sehr bald zum Konflikt, weil die Witwen der "Ausländer" bei der Armenspeisung benachteiligt worden waren.

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Als die Gläubigen auf Grund der Verfolgung, die nach der Steinigung des Stefanus ausgebrochen war, sich in alle Himmelsrichtungen zerstreuten und missionarisch zu wirken begannen, wurden bald auch die ersten Heiden getauft. Für die Judenchristen muss es ein Schock gewesen sein, dass diese Fremden und Unreinen ohne Beschneidung in die Gemeinde aufgenommen wurden. Daran änderten auch die Visionen des Petrus nichts, der übrigens in dieser Frage selbst ratlos war und keinen festen Standpunkt hatte, wie die Auseinandersetzung mit Paulus (Gal 2,11-14) zeigt. Als das Problem auf der Versammlung der Apostel in Jerusalem in harten Auseinandersetzungen durchdiskutiert und gelöst worden war, ging der Streit zwischen Judenchristen und Heidenchristen in den Gemeinden trotzdem weiter. Die Briefe des Paulus, vor allem die beiden Briefe an die Gemeinde von Korinth, geben uns ein realistisches Bild davon, was dort durch die offensichtlich multikulturelle Zusammensetzung der Gemeinde an Konflikten vorprogrammiert war. Auch in den galatischen Gemeinden dürfte es nicht weniger hart auf hart gegangen sein. Es war schon sehr kühn von Paulus zu behaupten, dass es in einer christlichen Gemeinde letztlich "nicht mehr Juden und Griechen, nicht Sklaven und Freie, nicht Mann und Frau" gibt, weil alle, die in Christus getauft sind, Christus angelegt haben (Gal 3,26-28). Das war natürlich eine christologisch-gemeindetheologische Vision und keine Beschreibung der spannungsgeladenen Realität. Es grenzte tatsächlich an jenes Wunder, wie es die Apostelgeschichte mit der Erwähnung der vielen Völkernamen im Pfingstbericht schildert, dass Menschen, die einander so fremd und kulturell-sprachlich so abgrundtief von einander verschieden waren, allmählich zu multikulturellen Gemeinden zusammenwuchsen.

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Wer sich dem Fremden und den Fremden öffnen will und bereit ist, sich mit Menschen, die Wurzeln in einer anderen Kultur und damit einen anderer Standort haben, in einen Dialog zu treten, muss wissen, wo er selbst steht und verwurzelt ist. Das war im Urchristentum nicht anders als heute. Das Matthäusevangelium spiegelt etwas anders als andere neutestamentliche Schriften jene Kontroversen um die Berechtigung der Heidenmission wider, die für die Identitätsbildung des Urchristentums von entscheidender Bedeutung waren. (14) Dem Autor des Evangeliums gelingt eine einzigartige theologische Leistung. Er hat eine klare Botschaft an die Judenchristen: Er bestätigt ihnen die Berechtigung ihrer Verwurzelung im Glauben Israels, kritisiert aber zugleich die Enge ihrer Gesetzespraxis und verlangt von ihnen eine Horizonterweiterung gegenüber den Heiden.

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Die Fremden, die Weisen aus dem Morgenland (Mt 2,1-12) sind keine armen Heiden und Götzendiener, sondern Träger der Wissenschaft und religiösen Weisheit des Orients, die ganz im Sinne der alttestamentlichen Vorstellung von der endzeitlichen Völkerwallfahrt (Jes 2, 2, 60, 3ff u.a.) – allerdings über den Weg nach Jerusalem – ihre Gaben zu Jesus bringen. (15) Sie sind Symbolgestalten für die Heiden, die aus ihren verschiedenen kulturellen und religiösen Traditionen ihre wertvollen Schätz in die christliche Gemeinden einbringen. Eine solche theologische Aufwertung der Heiden und Akzeptanz der Fremden muss den Gemeinden, an die sich das Matthäusevangelium richtet, sehr schwer gefallen sein. Aber sie war lebensnotwendig für die junge Kirche. Dieser Inkulturationsprozess war nicht aufzuhalten. Die Heiden drängten einfach in die Gemeinden und veränderten diese durch all das, was sie selbst waren und was sie aus ihrer Vergangenheit mitbrachten.

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Juden- und Heidenchristen mussten sich also immer wieder "zusammenraufen". Aber auch die Heidenchristen waren natürlich von Gemeinde zu Gemeinde verschieden ganz und gar keine homogene Gruppe. Was gab es da alles an harten Auseinandersetzungen, von denen das Neue Testament ein beredtes Zeugnis ablegt! Zu bedenken ist diesbezüglich vor allem, dass die Gemeinden der neutestamentlichen Zeit ziemlich klein waren. Die Christen hatten auch noch keinerlei gesellschaftlichen Status, sondern eher einen schlechten Ruf. Sie waren eine Minderheit, fanden kaum Beachtung oder wurden verfolgt (vgl. Mt 5,11). Sie fühlten sich angesichts eines boomenden religiösen Supermarktes in der hellenistischen Welt ohnmächtig in ihrer Existenz bedroht. Sie waren in Gefahr, sich aus der Welt zurückzuziehen und gegen Fremde abzugrenzen. Sie rangen in schmerzlichen Auseinandersetzungen zwischen Judenchristen und Heidenchristen um eine universale Mission der Kirche und mühten sich, "Salz der Erde", "Stadt auf dem Berg" und "Licht der Welt" (Mt 5,13-16) zu sein. (16)

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Christinnen und Christen blieb von Anfang an auch die Erfahrung der "Weltfremdheit" nicht erspart. Sie fühlen sich als "auserwählte Fremde in der Diaspora" (1Petr 1,1). Sie sind verunsichert und verängstigt (1Petr 3, 6, 14f) und erleben ihre Ausgrenzung als Ungerechtigkeit (1Petr 2,19). Menschen, die selbst die Erfahrung von Fremdheit machen, gewähren in christlichen Gemeinden den Fremden und Marginalisierten Asyl. In diesen Gemeinden erfahren Menschen Mitleid (3,8), Barmherzigkeit (3,8), gerechtigkeit (3,14), Gewaltlosigkeit (3,4.16) und Gastfreundschaft, zu der sich allerdings die Gemeinden offensichtlich auch damals schon immer wieder neu durchringen mussten: "Seid untereinander gastfreundlich, ohne zu murren" (1Petr 4,9). (17) Diese Aufforderung zeigt sehr deutlich, dass manche Gemeindemitglieder schon seit urchristlichen Zeiten mit der Gastfreundschaft und mit der Aufnahme von Fremden ihre – auch sehr verständlichen – Schwierigkeiten hatten.

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6. Notwendigkeit der Einübung und Weiterführung

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weltkirchlicher und interkultureller Lernprozesse

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 in den christlichen Kirchen Österreichs

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Unsere (evangelische und katholische) Kirche in Österreich ist keine Nationalkirche, die sich nur um ihre eigenen lokalen Belange zu kümmern hat. Wenn sie Kirche Jesu Christi sein will, muss ihr die Gemeinschaft mit Christinnen und Christen und mit allen Menschen aus anderen Teilen der Weltkirche ein Herzensanliegen bleiben. Das ist Teil ihrer theologisch und pastoral unverzichtbaren Weltverantwortung. Obwohl die Kirchen in Österreich durch viele "wertvolle" und "hilfreiche" Initiativen ("Bruder und Schwester in Not", Familienfasttag, Missio, Missionsorden, MIVA, Diakonie, Caritas, Solidaritäts- und Missionsgruppen, Einsatz für Menschenrechte, PAX Christi, u.a.) den letzten Jahrzehnten deutlich an weltkirchlicher Offenheit gewonnen hat, fehlt es vielen Pfarrgemeinden, kirchlichen Gruppen und geistlichen Bewegungen an einem tatkräftigen und überzeugten weltkirchlichen Bewusstsein und an der Bereitschaft zur Verwirklichung einer "Globalisierung der Solidarität" (Johannes Paul II.), die einer konkreten Einübung und Verwirklichung bedarf.

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Weltkirchliche und interkulturelle Lernprozesse können aber auch in unseren Pfarrgemeinden vor Ort, in denen – vor allem im ländlichen Raum – nicht einmal zugezogenen "Inländern" ein tatsächliches Heimatrecht im Gemeindeleben zugestanden wird, nicht eingeredet oder erzwungen werden. Eine an den Lebens- und Überlebensfragen der Menschheit von heute orientierte Verkündigung und eine gezielte Förderung pfarrlicher Solidaritätsinitiativen und Missionskreise sowie die Schaffung von Begegnungsräumen können immer wieder zu einer Horizonterweiterung und zu einem allmählichen Abbau der (auch im gläubigen Menschen) tief sitzenden Ängste und Vorurteile gegenüber den Fremden und kulturell Andern führen. Welt-offene und gast-freundliche Gemeinden waren aber seit urchristlichen Zeiten (und in der gesamten Kirchengeschichte) offensichtlich nicht der selbstverständlich akzeptierte und praktizierte Normalfall christlicher Gemeinde, sondern immer das Ergebnis eines mühevollen Ringens gläubiger Menschen, die sich in ihrem Handeln nicht der Welt und ihrer Vorurteilen gleichförmig machten, sondern sich an der weltoffenen und menschenfreundlichen Praxis Jesu und nach den Grundsätzen seines Evangeliums orientierten.

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Anmerkungen:  

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 1. Vgl. 2. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche, n. 6: "Solange aber die Kirche hier auf Erden in Pilgerschaft fern vom Herrn lebt, weiß sie sich in der Fremde." Die Konzilsdokumente sprechen an 13 Stellen von dieser Pilgerexistenz der Kirche.

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2. 2. Vatikanisches Konzil, Dekret über die Missionstätigkeit der Kirche, n. 11.

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3. Johannes Paul II., Nachsynodales Schreiben „Ecclesia in Africa“, n. 78.

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4. Sozialwort des Ökumenischen Rates der Kirchen in Österreich, Wien 2003.

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5. 2. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche, n. 13

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6. Ebd.

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7. K. Rahner, Aspekte europäischer Theologie, in: Schriften der Theologie, Bd. XV, Zürich - Einsiedeln - Köln 1983, 88.

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8. Ebd. 26.

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9. Ebd.

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10. Ebd. 13.

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11. Ebd.

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12. Vgl. dazu M. Ott, Lerngemeinschaft Weltkirche. Zum Programm und zur Praxis globalen Christseins, in: Stimmen der Zeit 126 (2001) 544.

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13. 2. Vatikanisches Konzil, Pastoralkonstitution. Die Kirche in der Welt von heute, n. 2.

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14. Vgl. T. Söding, Blick zurück nach vorn. Bilder lebendiger Gemeinden im Neuen Testament, Freiburg 1997, 51.

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15. Vgl. ebd. 54-57.

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16. Vgl. ebd. 57-60.

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17. Vgl. ebd. 135-136.

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