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Niederbacher Bruno: Predigt anlässlich des Requiems von P. Otto Muck SJ am 31. Mai 2024
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Predigt anlässlich des Requiems von P. Otto Muck SJ am 31. Mai 2024

Autor:Niederbacher Bruno
Veröffentlichung:
Kategoriepredigt
Abstrakt:
Publiziert in:
Datum:2024-06-17

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

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Otto Muck dreifaltig. So wird er im Gemälde von Anton Christian im Dekanatssitzungssaal dargestellt:

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  • im Vordergrund klar und deutlich der Rektor und Professor der Universität Innsbruck;
  • dann im Profil der Seelsorger, der Jesuit, der Priester;
  • und schließlich, nur mehr skizzenhaft mit Bleistift ausgeführt, der Mensch – so nehme ich an.
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Über den Akademiker und die öffentliche Person werden wir am Ende der Messe noch Einiges hören; über den Seelsorger gäbe es jede Menge zu erzählen. Die zahlreichen Kondolenzschreiben geben Zeugnis davon, wie hilfreich und wohltuend seine seelsorglichen Gespräche und Tätigkeiten für viele Menschen waren. Jetzt aber möchte ich etwas zum Menschen Otto Muck sagen.

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Einige werden sich vielleicht gewundert haben, bei der Beerdigung eines Ordensmannes das Evangelium von der Hochzeit zu Kana zu hören. „Sind die Jesuiten noch bei Trost?“, werden sich manche gedacht haben. Aber lasst es mich erklären. Ich bin Philosoph. Und Philosophen sind ziemlich geschickt, wenn es darum geht, Begründungen zu suchen.

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Zunächst kann ich damit argumentieren, dass Otto Muck seit Jahrzehnten einer Familienrunde angehörte, die sich „Kana-Runde“ nennt. Auch Herlinde Pissarek-Hudelist hatte zu dieser Runde gehört. Dort wurden monatlich Bibelgespräche geführt, Messen gefeiert, und auch gegessen und getrunken.

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Zweitens steht Kana für eine Hochzeit, für ein Fest der Freude. Und wenn ich an Otto Muck denke, ist die Freude, die Begeisterung, das Staunenkönnen etwas vom ersten, das mir einfällt. „Wo immer er war, hat er gute Stimmung um sich herum verbreitet“, heißt es in einem Beileidsschreiben. Lebensfreude, Humor, Energie bis zuletzt. An seinem Sterbetag ist er noch mit dem Rollator zum Mittagessen gekommen, freundlich und fröhlich.

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Drittens steht Kana für ein Ereignis, wo nicht alles rund läuft. Der Wein geht aus. Die Lebensfreude droht abhanden zu kommen. Auch im Leben von Otto Muck lief vieles nicht rund. In einem Beitrag schreibt er über Fügungen in seinem Leben: „[…] mir fällt „zunächst ein, dass ich als Luftwaffenhelfer, im Alter von fünfzehneinhalb Jahren, bei einem Volltreffer in unserem Geschützstand durch glückliche Fügung der einzige war, der keine ernsthafte Verletzung erlitten hat. Noch einer, der außer mir überlebt hat, wurde schwer verletzt. Die Frage konnte ich nicht beantworten, warum ich vom Los meiner gefallenen Kameraden verschont geblieben bin.“[1] Schon in jungen Jahren macht er diese Erfahrung, dem Tod nur knapp entkommen zu sein. In der Mitte seines Lebens war es die schwere Krebserkrankung, mit der er ringen musste. Die Ärzte glaubten nicht mehr, ihn retten zu können. Aber er hat überlebt. Diese Erfahrungen zeichneten den Menschen Otto Muck. Sie machten ihn nicht zum Pessimisten oder Grübler; sie machten ihn nicht mutlos oder depressiv. Im Gegenteil, er war grundpositiv, seine Überlebenswille wurde stärker, und im Rückblick konnte er auch den schweren Erkrankungen etwas Gutes abgewinnen. Er schreibt: „Ich habe die Erfahrung gemacht, dass eine schwere Erkrankung, die einen deutlich in engere Schranken weist, auch als eine Hilfe gesehen werden kann: Es wurde mir dabei deutlich klar gemacht, was an Einschränkungen akzeptiert werden muss. Ein nur allmähliches Lernenmüssen, derartige Einschränkungen anzuerkennen, wird manchmal wohl als viel länger dauernder schmerzlicher Vorgang erlebt.“[2] Mit andern Worten: Durch die Krebserkrankung hat er sehr schnell gelernt, wofür manch andere lange brauchen, nämlich, Einschränkungen anzunehmen und mit ihnen leben zu lernen. Aufgrund seiner Erfahrungen mit Schicksalsschlägen konnte er andere verstehen, denen es ähnlich ging, und ihnen Mut machen. Einem jungen Mitarbeiter, der vor einigen Jahren an Krebs erkrankt war, sagte er: „Das erste, was man den Leuten beibringen muss, ist, dass eine Krebsdiagnose noch kein Todesurteil ist.“ Durch schwere Erfahrungen gereift zu sein: das ist wie der bessere Wein, der in Kana auch erst nach der Krise kredenzt wird.

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Viertens wird auf Hochzeiten viel geredet. Der Ausschnitt eines Dialogs in Kana ist festgehalten: Maria sagt zu Jesus: „Sie haben keinen Wein mehr.“ Und Jesus erwidert: „Was willst du von mir, Frau? Meine Stunde ist noch nicht gekommen.“ Deutet sich hier ein Konflikt an? Ist dieses Gespräch verunglückt? Wie soll man in schwierigen Gesprächssituationen vorgehen? Diese Frage hat Otto Muck umgetrieben. Er hat sich wissenschaftlich damit auseinandergesetzt. Aber mehr noch war Dialog für ihn eine gelebte Lebensform: im Alltag, im Unterricht, auf Tagungen und in Sitzungen. Darin war er ein treuer Schüler des Ignatius, der in den Exerzitien (GÜ 22) schreibt, „dass jeder gute Christ mehr bereit sein muss, eine Aussage des Nächsten zu retten, als sie zu verdammen. Vermag er sie aber nicht zu retten, so forsche er nach, wie jener sie versteht, und wenn er sie übel versteht, so verbessere er ihn mit Liebe […].“ Zu verstehen versuchen, nachzufragen, mit der Hermeneutik der positiven Interpretation an die Äußerungen der anderen heranzugehen, die Aufmerksamkeit auf dasjenige zu lenken, was an der Auffassung der anderen berechtigt erschien, dabei zugleich epistemisch bescheiden zu bleiben, sich bewusst zu sein, dass jedes Verstehen eingeschränkt ist – das war Otto Muck. Dialog als Lebensform: Darin war er vielen ein Vorbild.

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Fünftens hat Jesus auf der Hochzeit in Kana gewirkt. Den meisten Hochzeitsgästen dürfte aber verborgen geblieben sein, wer hinter dem Weinsegen steckte. Wer steckt hinter den Fügungen im Leben von Otto Muck? Er war sich bewusst, dass man sie unterschiedlich deuten kann und fragte: „Ist es vermessen, wenn ich sie auf jenen zurückführe, den wir Gott nennen? Das ist eine Sichtweise, die vielleicht ein anderer nicht als das versteht, wie er von Gott zu sprechen gelernt hat.“[3] Und er macht einen Vergleich: Die Fügungen des Lebens sind wie Eisenfeilspäne auf einem Karton. „Einer, der damit rechnet, dass vielleicht auch ein Magnet unter dem Karton verborgen sein kann, wird manche Änderung in der Anordnung, die zunächst keinen ersichtlichen Grund hat, erfolgreich auf das Magnetfeld zurückführen.“[4] Otto Muck hat mit Gottes Kraft gerechnet und konnte die Fügungen in seinem Leben mit diesem Blick sehen.

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Und schließlich ist Hochzeit Leben in Gemeinschaft. Otto liebte es, in Gesellschaft zu sein, Menschen zu treffen, sich mit ihnen zu unterhalten, mit ihnen zu feiern. Auch im hohen Alter war er bei vielen Veranstaltungen der Universität und diverser Verbindungen zugegen. Er war gegenwärtig, wo immer es sein Terminkalender zuließ. Und die große Teilnahme an seinem Begräbnis gibt Zeugnis davon, mit wie vielen Menschen er in Kontakt stand, wie sehr seine freundliche, aufgeschlossene und wertschätzende Art sie beeindruckte. Nun könnte man denken, dies sei auf Kosten des Kommunitätslebens im Orden gegangen. Aber falsch gedacht. Wenn auch einzelne Jesuiten Individualisten sein mögen, im Wesentlichen sind wir Jesuiten Herdentiere. Wir stecken viel zusammen, essen, trinken, beten, feiern und verbringen Zeit miteinander. Nur in der Gemeinschaft sind wir komplett. Und Otto war ein ausgesprochenes Herdentier. Er war immer da und überall dabei. Daher fehlt er uns.

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Otto, du fehlst: beim Mittagstisch, in der Rekreation, in der Kapelle, bei den Donnerstag-Abendrunden. Mit vielen anderen spüre ich die Leere, die dein Weggang hinterlässt. Aber wenn ich an deinem Lieblingsplatz am Frühstückstisch sitze, werde ich meine Augen zu den Bergen des Karwendels erheben. Ich werde dort die Hohe Warte sehen, auf der die ersten Sonnenstrahlen aufblitzen, während die Gipfel rundherum noch im Schatten liegen. Ich werde daran denken, wie begeistert, entzückt, ja fast außer dir vor Freude du über diesen Anblick warst und alle anderen darauf aufmerksam gemacht hast. Und ich werde mit der sonnenbeschienenen Hohen Warte dein strahlendes Gesicht vor mir sehen, das nun im Antlitz des Ewigen leuchtet.

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Anmerkungen

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[1] Muck, Otto, Gott in den Fügungen des Lebens finden. In: Josef Thorer (Hg.), Gott suchen und finden nach Ignatius von Loyola. Würzburg 2013, 113-116, hier 113.

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[2] Muck, Otto, Herausforderungen im Alter. In: Jesuiten. Mitteilungen der Österreichischen Jesuiten 1996/4, 5.

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[3] Muck, Otto, Gott in den Fügungen des Lebens finden. In: Josef Thorer (Hg.), Gott suchen und finden nach Ignatius von Loyola. Würzburg 2013, 113-116, hier 115.

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[4] Muck, Otto, Gott in den Fügungen des Lebens finden. In: Josef Thorer (Hg.), Gott suchen und finden nach Ignatius von Loyola. Würzburg 2013, 113-116, hier 115.

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