Wie viele wissenschaftliche Fachverbände ist die Österreichische Gesellschaft für Soziologie in themenspezifische Sektionen, aktuell in 19 Untergruppen gegliedert. Größere Verbände wie die European Sociological Association (ESA) verfügen über deutlich mehr solcher Netzwerke. Dabei geht mit dem Größenwachstum wie im Fall der ESA mit ihren derzeit 38 Sektionen eine Fragmentierung und Spezialisierung einher, die in den Sozialwissenschaften seit langem kritisiert wird, weil sie im Nebeneffekt ihren Gegenstand verzeichnet.
Vielleicht wurde in Österreich gerade aus diesem Grund die ÖGS-Sektion Soziologische Theorie in jüngster Zeit zu einem Flaggschiff der Soziologie. Regelmäßig zieht sie die meisten Einreichungen und die größte Zuhörerschaft bei den nationalen Kongressen an. Jetzt machte dieselbe in Innsbruck Station, wo das Forschungszentrum social Theory über die Jahre sowohl Attraktion wie Zulieferer wurde.
Von Bozen über Innsbruck, Salzburg, Graz bis hin zu Osijek in Kroatien reisten die Vortragenden und Gäste der beiden Konferenztage an. Sie erörterten dabei die verschiedenen Beiträge so intensiv, dass es nicht nur für eine Teilnehmerin „sehr spannend [war] mitzubekommen, wie konstruktiv solche Diskussionen sein können und wie vielseitig die Blickwinkel. Das hat mich nochmals bestärkt, im nächsten Semester selber durchzustarten.“
Soziologische Theorie, wie unterschiedlich sie auch interpretiert und angewendet wurde, war das verbindende Element aller Vorträge im strengen Bemühen, brisante soziale Phänomene der Gegenwartsgesellschaft jenseits des oft einseitig reduzierenden Alltagsverstands zu deuten und dennoch auch nicht bloß mit Präzision zu vermessen. Für die Ergründung, warum wir die Welt mit und ohne Absicht so gestalten, wie sie ist, braucht es Theorie.
Was die Sachthemen betrifft, thematisierte zum Beispiel Christoph Kircher von der EURAC Research Bozen die Unverfügbarkeit und Verfügbarmachung von Schnee, der als Kunstschnee der Natur ein Schnippchen schlägt. Markus Brenn untersuchte die Beliebtheit von Podcasts, während Marília Pereira Bueno die Wissenschaftsfeindlichkeit der in Brasilien populären Lehre von Olavo de Carvalho analysierte. Aber auch König Fussball kam nicht zu kurz: Seine radikale Kommerzialisierung spaltet seine Fans zwischen traditioneller Identifikation und enthusiastischer Zustimmung zur kommodifizierenden Transformation des Sports.
Wer an unseren Vorträgen und Diskussionen im FZ social Theory interessiert ist, kann sich gerne melden! Weitere Informationen finden Sie in einem Interview über die Arbeit am Forschungszentrum im neuen RN16-Newsletter Summer 2024 der International Sociological Association sowie auf unserer Homepage.
(Frank Welz)