- Leseraum
| Glaube und FriedensauftragAutor: | Schwager Raymund |
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Veröffentlichung: | |
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Kategorie | artikel |
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Abstrakt: | |
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Publiziert in: | gnatianisch: Eigenart und Methode der Gesellschaft Jesu. Hg. von M.
Sievernich, G. Switek, Haymon-Verlag: Innsbruck 1990, 670-682. |
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Datum: | 2001-10-09 |
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Inhalt1
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"Das Evangelium verlangt von uns, sorgsame Friedensstifter zu sein." (1) Mit diesen Worten hat die 33. Generalkongregation (1983) den biblischen Friedensauftrag ausdrücklich in die Zielsetzung des Ordens aufgenommen. Sie hob damit jenen Versöhnungsauftrag deutlich hervor, von dem bereits die 32. Generalkongregation (1974/75) als einem inneren Bestandteil des Ordensziels gesprochen hatte: "Der Auftrag der Gesellschaft Jesu heute besteht im Dienst am Glauben, zu dem der Einsatz für die gerechtigkeit notwendig hinzugehört, denn sie zielt auf die Versöhnung der Menschen untereinander, die ihrerseits von der Versöhnung der Menschen mit Gott gefordert ist." (2) In dieser programmatischen Erklärung ist die kurz skizzierte Begründung von besonderer Bedeutung, denn sie spielt deutlich auf die 'Definition' der Kirche an, wie sie das Zweite Vatikanische Konzil am Anfang seiner dogmatischen Konstitution 'Lumen gentium' vorgelegt hat. Die Generalkongregation macht damit klar, woher sie ihre neue Ausrichtung gewonnen hat. In 'Lumen gentium' heißt es: "Die Kirche ist nämlich in Christus gleichsam das Sakrament, d.h. Zeichen und Werkzeug für die innerste Vereinigung mit Gott wie für die Vereinigung der ganzen Menschheit unter sich" (LG 1). Bei dieser Beschreibung der Kirche fällt - verglichen mit früheren Definitionen - ein Doppeltes auf: 1) Der Begriff 'Sakrament' wird von den sieben Einzelsakramenten auf die ganze Kirche ausgeweitet, wodurch ihrer ganzen sichtbaren Erscheinung ein Zeichencharakter zugesprochen wird. 2) Es ist nicht bloß von der Versammlung aller Gläubigen , sondern von der Vereinigung aller Menschen mit Gott und untereinander die Rede. Beide Neuerungen hängen innerlich zusammen. Hat man früher vor allem in den Einzelsakramenten sichtbare Zeichen für die unsichtbare Gnade gesehen, so wird nun die ganze sichtbare Kirche als Zeichen für das unsichtbare Heil verstanden. Die sichtbare Einheit erhält damit einerseits eine höhere theologische Bedeutung, und anderseits wird dadurch zugleich der Begriff der Gnade ausgeweitet. Wenn eine sichtbare Gemeinschaft als solche Zeichen und Werkzeug des göttlichen Wirkens ist, dann muß die Gnade selber auch Gemeinschaft, nämlich gemeinsame Teilhabe am dreifaltigen Leben Gottes sein. In dieser erweiterten Sicht der Kirche und der Gnade gründet das umfassendere Verständnis des Verkündigungsauftrages, wie ihn die 32. Generalkongregation bestimmt hat(3). Weil Gott alle Menschen mit sich und untereinander vereinen will und weil dieses Heilshandeln bereits hier auf Erden zeichenhaft beginnt, deshalb muß zur sichtbaren Gestalt des Glaubens in dieser Welt das Bemühen um eine universale Versöhnung gehören.
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Aus der Theologie des Zweiten Vatikanischen Konzils hat die 32. Generalkongregation im Zusammenhang mit der eigenen Ordenstradition und im Blick auf die großen Probleme der modernen Gesellschaft zwei wichtige Folgerungen gezogen:
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1) Mit den Glaubensgeheimnissen, wie sie in der Bibel berichtet werden, ist auch die ganze Welt zu 'meditieren'(USH 32 Nr.63.68; GJ 33 Nr.34). Es sind sowohl die neuen Möglichkeiten, die durch die moderne Gesellschaft gegeben werden, als auch die verschärften Probleme und Gefahren klar zu sehen und zu erwägen. (4) Dabei ist im Geist der Exerzitien zwischen den Götzen dieser Welt und den wahren Zeichen der Zeit zu unterscheiden.
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2) Aus der Meditation der Welt, mit der die Generalkongregation selber begonnen hat und bei der sie sich durch die Bischofssynode von 1971 über die gerechtigkeit in der Welt inspirieren ließ, drängte sich ihr als ein erstes und besonders wichtiges Ergebnis eine erweiterte Sicht des menschlichend Leidens und der Sünde auf: "Der Kult des Geldes, des Fortschritts, des Prestiges, der Macht bringt die Sünde der institutionalisierten Ungerechtigkeit hervor, die von der Synode 1971 angeprangert wurde, eine Ungerechtigkeit, die zur Knechtschaft und zum Tod - auch des Unterdrückers - führt" (USH 32 Nr.29). Wenn bittere Armut, Unterdrükung und gewaltsame Spannungen die Folgen einer institutionalisierten Ungerechtigkeit sind, dürfen sie selbstverständlich nicht mehr als "natürliches Schicksal" (USH 32 Nr.27) hingenommen werden. Die Nächstenliebe darf nicht bei der Sorge um einzelne stehen bleiben: "Es gibt keine wirkliche Bekehrung zur Gottesliebe ohne Bekehrung zur Nächstenliebe, und konsequenterweise zu den Forderungen der gerechtigkeit" (USH 32 Nr.28). Da aber keine gerechte gesellschaftliche Ordnung ohne den Frieden möglich ist, schließt der Einsatz für die gerechtigkeit notwendigerweise den Friedensdienst ein.
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Mit dem Begriff der institutionalisierten Ungerechtigkeit, den die Generalkongregation im Anschluß an entsprechende Aussagen der Bischofssynode 1971 gebraucht, sind eine ganze Reihe komplexer Fragen verknüpft, die sich einerseits aus den neuen Bedingungen der modernen Welt ergeben und anderseits streng theologischer Art sind.
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Frühere Gesellschaften waren normalerweise über lange Zeit stabil. Veränderungen gingen so langsam vor sich, daß sie vom einzelnen innerhalb seiner Lebenszeit kaum bemerkt werden konnten. Die Menschen lebten in einer Umwelt, die sie mehr oder weniger als unveränderlich erfuhren und in der nur in konkreten Einzelfällen Leid gemildert werden konnte. In neuerer und neuester Zeit haben jedoch Wissenschaft, Technik und Wirtschaft unsere Lebenswelt so umgestaltet und den Rhythmus der Veränderungen so beschleunigt, daß gesellschaftliche Wandlungsprozesse für alle zu einer intensiven Erfahrung geworden sind. Die Frage, was verbessert und welches Leid gemildert werden kann, stellt sich deshalb heute in einem viel weiteren Rahmen, und die Verantwortung bezieht sich nicht mehr bloß auf einzelne, sondern auch auf den gesellschaftlichen Prozeß.
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Durch die modernen Waffen, einem Produkt des wissenschaftlich-technischen Fortschritts, wurde ferner die grundsätzliche Möglichkeit geschaffen, daß die Menschheit sich selber vernichten kann. Damit wurde gleichzeitig empirisch erfahrbar, daß die Menschen nicht bloß für sich selber und ihre unmittelbare Umgebung, sondern auch für die kommenden Generationen eine Verantwortung tragen. Von der jeweils lebenden Generation hängt es von nun an ab, ob es überhaupt eine weitere Zukunft der Menschheit gibt.
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Mit der umfassenderen Verantwortung, wie sie sich - wenigstens grundsätzlich - aus der modernen Welt ergibt, hängen Veränderungen im theologischen Bereich zusammen, die ihren Ursprung teilweise ebenfalls im großen gesellschaftlichen Wandlungsprozeß haben. Im Zusammenhang mit der Problematik der sozialen und strukturellen Dimension der Sünde (5) sind vor allem drei Themenkreise zu nennen: Erbsünde, apokalyptische Enderwartung und Erlösung.
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Erbsünde: Auch die traditionelle Theologie hat in Armut, Not, Unterdrückung und Krieg nie notwendige Naturkonstanten gesehen, die mit der Schöpfung als solcher gegeben sind, sondern sie hat die Übel, unter denen die Menschen litten, auf eine böse Tat in der Geschichte, auf die Sünde Adams zurückgeführt. Da man jedoch diese erste Sünde in der Menschheit und ihre universalen Folgen eindeutig von allen anderen späteren Verfehlungen abhob, sah man die Welt nach dem Sündenfall dennoch einem unabänderlichen Schicksal unterworfen. Im Unterschied dazu rückt die neuere Theologie die Ursünde und die vielen Sünden der Menschen in der Geschichte näher zusammen(6), wodurch auch die Frage, in welchem Maß die Folgen der Sünde überwindbar sein können, differenzierter beantwortet werden muß. Zwar wird sich eine echte christliche Theologie nie dem innerweltlichen Optimismus eines Fortschrittsglaubens anschließen können, der an eine unbegrenzte Verbesserung der Welt glaubt. Sowohl die Geschichte Israels mit ihren vielfältigen Formen des Versagens wie das Geschick Jesu, der durch seine Botschaft von der nahen Gottesherrschaft massiven Widerstand geweckt hat, zeigen, wie schwer sich Menschen bessern lassen und wie sehr sie der Erlösung bedürfen, eine Erfahrung, die auch durch die neuere Geschichte nur allzu deutlich bestätigt wird. Die christliche Friedensaufgabe kann sich deshalb nicht mit utopischen Friedensprogrammen identifizieren. Sie darf ihre Aufgabe aber auch nicht ans rein pragmatische Handeln der Politiker delegieren. Selbst für einen oberflächlichen Beobachter ist ja leicht sichtbar, wie die Religionen bei manchen großen Konflikten (z.B. Israel, Libanon, Nordirland, Nordindien u.a) auch heute noch eine wichtige und leider unrühmliche Rolle spielen. Auf subtilere Weise dürfte dieser Faktor (als religionsartige Ideologie) in den meisten großen Konflikten, wenn nicht in allen stark mitspielen. Der Glaube steht deshalb vor der großen und noch weithin ungelösten Aufgabe zu zeigen, daß eine wahre Religion die Spaltung unter den Menschen (und damit die Sünde) nicht verfestigt, sondern umgekehrt zu ihrer Überwindung beiträgt.
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Die apokalyptischen Texte des Neuen Testaments, in denen viel von Not, Zwietracht und Krieg unter Menschen die Rede ist, verstand die traditionelle Theologie als Beschreibungen vom zeitlichen Ende der Welt. Man rechnete folglich mit drohenden kommenden Ereignissen, denen die Menschen rein passiv ausgeliefert sind und die sie unverhofft treffen werden. Die neuere Theologie hat demgegenüber herausgearbeitet, daß alle Heilsereignisse, wie sie im Neuen Testament berichtet werden, eine eschatologische Dimension haben. (7) Mit der Endzeit im spezifisch christlichen Sinne sind folglich nicht nur die letzten Jahre oder Tage der Menschheit gemeint; die Endzeit hat mit dem Kommen Christi vielmehr bereits begonnen, und die apokalyptischen Texte legen eine Dimension offen, die zur ganzen menschlichen Geschichte seit dem Erscheinen Christi gehört(8). Sie machen deutlich, daß Not, Zwietracht und Krieg Folgen der menschlichen Sünde sind und und sich aus ihr mit innerer Konsequenz ergeben. (9) Der Begriff der Sünde erhält so eine konkretere Gestalt. (10) Gerade von den großen politischen und gesellschaftlichen Problemen her kann damit der Sündenbegriff, der im individuellen Bereich für viele sehr konturenlos geworden ist, auf neue Weise verständlich gemacht werden. (11)
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Die Erlösungslehre gehört zum Zentrum des christlichen Glaubens. Die kirchliche Tradition hat die göttliche Heilstat gegenüber den Sündern vor allem in dem Sinne verstanden, daß Christus uns durch seinen Kreuzestod von den ewigen Strafen befreit und uns so vor der Hölle gerettet hat. Aus dieser Sicht war es kein besonderes Problem, daß das irdische Leben trotz der Erlösung für die meisten Menschen ein 'Tränental' blieb. Das aufklärerische Denken hat demgegenüber eine Verbesserung des Lebens auf dieser Erde angestrebt. Dadurch wurden aber die Augen auch der Christen stärker auf das Alte Testament zurückgelenkt, in dem sich sehr klar die messianische Hoffnung auf ein irdisches Reich der gerechtigkeit und des Friedens findet. In einem weiteren Schritt wurde ferner deutlich, daß auch Jesus mit seiner Botschaft von der nahen Gottesherrschaft zunächst eine von Gott kommende Erneuerung des gemeinschaftlichen Lebens auf dieser Erde angezielt hat. Diese Entdeckungen führten zu Theologien, bei denen die Botschaft vom Reich Gottes als einem Reich der gerechtigkeit und des Friedens im Zentrum steht (aufklärerische, politische Theologie, Befreiungstheologie etc). Die Verbesserung der Welt und der Einsatz für ein gerechteres und friedvolleres Leben wurden damit auch zu einem zentralen theologischen Thema. Diese Entwicklung löste allerdings - sowohl in der katholischen und wie in anderen christlichen Kirchen - starke und sehr unterschiedliche Gegenreaktionen aus, die von der Befürchtung genährt wurden, im Namen der Botschaft von der Gottesherrschaft werde das Kreuz Christi umgedeutet und die Lehre vom Erlösertod verflüchtigt. (12) Die Betonung des Friedensauftrags geriet so in Verdacht, die zentralste christliche Wahrheit verdunkeln oder gar aushöhlen zu wollen.
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In dieser konfliktreichen Situation haben die beiden letzten Generalkongregationen der Gesellschaft Jesu den Weg gewählt, beide Wahrheiten, die Botschaft von der Gottesherrschaft und die vom Kreuz, gleichmäßig zu betonen. So wird einerseits vom Reich Gottes gesprochen und das moderne Suchen nach einer besseren Gesellschaft in einen klaren Zusammenhang mit dem christlichen Glauben gerückt, anderseits wird ebenso die Notwendigkeit der Kreuzesgnade betont. Zum Reich Gottes und Christi wird gesagt: "Auf den ersten Blick könnte es zwar scheinen, als sei Gott aus dem öffentlichen Leben und dem Bewußtsein der Menschen entschwunden. Bei genauem Zusehen stellt man jedoch fest, daß sie tastend auf der Suche sind nach Jesus Christus und sein Reich der Liebe, der gerechtigkeit und des Friedens erwarten" (USH 32 Nr.21) (13). Das Bemühen um eine bessere Welt kann als ein tastendes Suchen nach Christus gedeutet werden, weil ein gerechtes und friedvolles Leben auf Erden bereits "Zeichen und Anfang der andern Welt, der neuen Erde und des neuen Himmels ist" (USH 32 Nr.30) und weil das Heil "schon jetzt auf Erden verwirklicht werden muß, obwohl es seine ganze Fülle erst jenseits der Grenzen des gegenwärtigen Lebens erreicht" (14). Die beiden letzten Generalkongregationen sehen sich deshalb unter dem Auftrag, der "vollkommenen gerechtigkeit des Evangeliums" zu dienen. Zu ihr gehören: die Rechte und Würde aller, besonders der Kleinen und Schwachen, anzuerkennen und durchzusetzen; zugefügtes Unrecht zu verzeihen; Feindschaft durch Versöhnung zu überwinden. Die Generalkongregationen wissen aber ebenso, daß die vollkommene gerechtigkeit kein Zustand auf dieser Erde ist, sondern im Kampf "zwischen dem Guten und dem Bösen, zwischen dem Glauben und dem Unglauben, zwischen der Sehnsucht nach gerechtigkeit und Frieden und der wachsenden Ungerechtigkeit und Zwietracht" stets neu anzustreben ist (GJ 33 Nr.11). Das Ziel des Ordens ist es deshalb: "Sich unter dem Kreuz im entscheidenden Kampf unserer Zeit einzusetzen: im Kampf für den Glauben, der den Kampf für die gerechtigkeit miteinschließt."(15) Dieses Zeichen des Kreuzes kann sehr konkret werden, wie die 33. Generalkongregation im Rückblick auf die jüngste Vergangenheit, ausdrücklich festgestellt hat: "So führte der Dienst am Glauben und der Einsatz zur Förderung der gerechtigkeit die Gesellschaft Jesu vor das Geheimnis des Kreuzes: eine ganze Reihe von Jesuiten mußten um des Evangeliums willen ins Exil gehen, wurden ins Gefängnis geworfen oder haben den Tod erlitten" (GJ 33 Nr.31). Auch in alltäglicheren Situationen setzt die Aufgabe, Unrecht zu verzeihen und Feindschaft durch Versöhnung zu überwinden, eine ungewöhnliche innere Kraft voraus. "Eine solche Bereitschaft des Herzens liegt nicht in der Kraft des Menschen allein. Sie ist eine Frucht des Geistes. Er verwandelt die Herzen und füllt sie mit der Barmherzigkeit und der Macht Gottes, der seine gerechtigkeit offenbart hat, indem er uns Barmherzigkeit erwies, als wir noch Sünder waren, und uns zur Freundschaft mit sich berief." (USH 32 Nr.18)
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Betonen die letzten Generalkongregationen mit Recht sowohl die Botschaft von der Gottesherrschaft als auch das Kreuz und die Notwendigkeit der Hilfe durch den Hl.Geist beim Ringen um mehr gerechtigkeit und Friede, so dürfte es ihnen dennoch nicht gelungen sein, den inneren Zusammenhang zwischen den verschiedenen christlichen Wahrheiten genügend deutlich und überzeugend herauszustellen. Die neutestamentliche Botschaft vom Gericht, die in der kirchlichen Tradition und Frömmigkeit eine große Rolle gespielt hat und durch die auch die Notwendigkeit des stellvertretenden Sühnetodes Christi am Kreuz einsichtig gemacht wurde, wird z.B. mit Stillschweigen übergangen. Gewiß, die Generalkongregationen wollten keine zusammenhängende Theologie schreiben und konnten deshalb auch Wichtiges übergehen. Die Mängel, die man bei ihnen feststellen kann, spiegeln aber doch eine generelle Situation in der der heutigen Theologie wieder. Obwohl unbestritten ist, daß sowohl die Botschaft von der Gottesherrschaft wie die Lehre vom Sühnetod am Kreuz zum Neuen Testament gehören, ist es der neueren Theologie bisher kaum gelungen, den inneren Zusammenhang zwischen beiden Wahrheiten genügend überzeugend herauszuarbeiten. Die kontroverse Lage, die sich bereits von der historisch-kritischen Exegese her ergibt, hat zum Beispiel H.Schürmann so beschrieben: "Nun finden wir aber bereits in den neutestamentlichen Schriften zwei unterschiedliche Heilslehren, die sich auf den ersten Blick als qualitativ recht andersartig geben. Die eine sagt (in unsere Sprache übersetzt): Christ ist, wer gläubig darauf vertraut, daß Jesus für mich (und die ganze Menschheit) den stellvertretenden Sühnetod gestorben ist, indem er sich am Kreuze gehorsam ergeben dem Vater hingab, sich 'opferte'. Diese nachösterliche 'staurologische Soteriologie' besagt - objektiv formuliert: Jesu stellvertretender Sühnetod allein macht uns Sünder selig... Die exakt-kritisch arbeitende Exegese unserer Tage behauptet auf breiter Front recht zuversichtlich: Diese Erlösungslehre hat Jesus vorösterlich noch nicht öffentlich vorgetragen, schwerlich überhaupt dezidiert so denken können. Er selbst hat zu seiner Zeit eine andersartige Heilslehre verkündet, eine 'eschatologische Soteriologie', die Markus so zusammenfaßt: 'Die Zeit ist erfüllt, und die Gottesherrschaft - Gottes Reich - ist nahe herangekommen'(Mk 1,15a)... Jesus hätte also eine andere Heilslehre verkündet, als die Kirche es - seit Paulus und Markus und schon vor Paulus und vor Markus - getan hat und hoch heute tut?" (16) Diese ungelöste Problematik in der heutigen Exegese spiegelt sich in der systematischen Theologie weitgehend wieder und führt dazu, daß eine Richtung vor allem das Reich Gottes und damit den Einsatz für Glaube, gerechtigkeit und Friede betont (Theologie der Befreiung, Schillebeeckx, Metz u.a), während die Gegenrichtung die Botschaft vom Kreuz, den Glauben und die kirchlichen Sakramente ins Zentrum rückt (Ratzinger, H.U.v.Balthasar u.a).
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Der Einsatz für Glaube, gerechtigkeit und Friede steht folglich in einem starken theologisch-kirchlichen Spannungsfeld. Die Probleme, die sich aus den großen Konflikten in der modernen Welt ergeben, überlagern sich mit theologischen Fragen, die kaum genügend geklärt sind. Dieser Zustand schafft neue Spannungen, und so wird nicht selten gerade der Einsatz für gerechtigkeit und Friede zu einem neuen Anlaß des Unfriedes, wie die Auseinandersetzung um die Befreiungstheologie besonders deutlich zeigt. Solange solche Spannungen bestehen, leiden sowohl die Verkündigung des Glaubens wie der Einsatz für gerechtigkeit und Friede. Sie stützen sich nicht gegenseitig, sondern schaden einander eher wechselseitig. Da die Gesellschaft Jesu sich durch die letzten beiden Generalkongregationen ausdrücklich in den Dienst sowohl des Glaubens als auch der gerechtigkeit und des Friedens gestellt hat, ist sie damit auch die Verpflichtung eingegangen, nach ihren Kräften mitzuhelfen, die erwähnten Spannungen zu überwinden und eine ausgewogene und überzeugende Theologie zu erarbeiten, die den Zusammenhang zwischen der innerweltlichen Anstrengung und dem Vertrauen auf die stellvertretende Erlösertat Christi glaubwürdig und für die Verkündigung fruchtbar macht. Diese Theologie hat sowohl aus theoretischer Arbeit wie aus lebendiger Erfahrung zu erwachsen und muß sich auch am Beispiel von Menschen orientieren, die bei ihrem Einsatz für andere ihr Leben geopfert haben. Ansätze zu einer solchen Theologie sind an manchen Orten vorhanden und lassen sich kurz skizzieren.
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Durch seine Botschaft von der nahen Gottesherrschaft wollte Jesu die unter Ungerechtigkeit und Zwietracht leidenden Menschen im Namen seines himmlischen Vaters sammeln und zu einer neuen Gemeinschaft in Friede und gerechtigkeit zusammenführen. Seine Verkündigung stieß aber auf Ablehnung und Widerstand. In den Gerichtsworten hat er die feindlichen Kräfte offen angesprochen und durch den Hinweis auf die Hölle gezeigt, welche Konsequenzen die Feindschaft gegen seine Botschaft hat und in welch tödliche und teuflische Welt sich Menschen durch ihren Widerstand gegen den Gott der Barmherzigkeit einschließen. Diese Gerichtspredigt hat aber den Widerstand gegen ihn nur verschärft, und jene dunklen Mächte, die er in seinen Gegnern aufgedeckt hat, schlugen schließlich auf ihn selber zurück. Gerade wegen seiner Botschaft des Friedens und der Versöhnung wurde er zum Opfer der Lüge und der Gewalt. Der himmlische Vater hat ihn aber aus dem Tod erweckt und durch die Sendung des Geistes jene Sammlung auf einer neuen und tieferen Ebene wieder in Gang gesetzt, die Jesus bereits während seines öffentlichen Wirkens begonnen hatte. Seine Botschaft von der Gottesherrschaft führte folglich über einen dramatischen Konflikt und dank eines neuen Handelns des himmlischen Vaters zur Gründung der Kirche.
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Beim letzten Mahl mit seinen Jüngern hat Jesus ferner durch die Worte, die er über Brot und Wein sprach, und durch die Geste des Austeilens deutlich gemacht, mit welcher Haltung er dem drohenden gewaltsamen Tod entgegen ging und wie er trotz der bevorstehenden äußeren Trennung seinen Jüngern zutiefst gegenwärtig bleiben wollte. Im eucharistischen Zeichen hat er seinen Tod als Tod für die vielen gedeutet und damit zugleich das Zentrum für die nachösterliche Gemeinschaft gestiftet.
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Sowohl die Botschaft von der nahen Gottesherrschaft wie der Kreuzestod verweisen folglich auf die nachösterliche Sammlung der Jünger, auf die Kirche. In ihr müssen sich das Bekenntnis zu dem, was Christus allein und ohne unser Zutun am Kreuz für uns getan hat, mit dem durchdringen, was wir in seiner Nachfolge und im Zeichen der anbrechenden Gottesherrschaft selber für andere zu tun haben.
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Aus der Sicht des Zweiten Vatikanischen Konzils ist die Kirche, wie wir schon eingangs kurz erwähnt haben, das universale Sakrament für die Einigung aller Menschen untereinander und mit Gott. Sie versteht sich damit als das große und wirksame Zeichen des Friedens in einer Welt voll tiefen Unfriedens.
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Diese glaubensimmanente Sicht der Kirche kann von außen her etwas verdeutlicht werden. Die Menschheit ist heute so zahlreich und die Welt so unübersichtlich und komplex geworden, daß alle individuellen Anstrengungen für mehr gerechtigkeit und Friede unter dem Eindruck stehen, ohnmächtig zu sein. Große Staaten und Großorganisationen beherrschen die Welt, und einzelne Individuen können nur hervortreten und wirksam werden, wenn es von solchen Organisationen getragen werden. Das Bemühen um mehr gerechtigkeit und Friede, das aus dem Glauben entspringt, bedarf folglich auch eines großen gesellschaftlichen Zeichens. Die Kirche ist ein solches Zeichen, denn sie hat Mitglieder unter allen Völkern der Erde und ihre Stimme ist selbst unter den vielen anderen lautstarken Stimmen hörbar. Sie ist vor allem auch die einzige Großorganisation in dieser Welt, deren Ziel ausschließlich darin besteht, die neue Gemeinschaft mit Gott, eine Gemeinschaft der gerechtigkeit und des Friedens zu fördern. Als umfassendes gesellschaftliches Zeichen kann sie als Bezugspunkt für individuelle Anstrengungen dienen, und sie vermag Initiativen zu bündeln, die sonst kaum Stabilität und Dauer gewinnen könnten.
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Die Gesellschaft Jesu hat sich seit ihrer Gründung in den besonderen Dienst der Kirche gestellt. Wenn sie heute den Friedensauftrag hervorhebt, dann bedeutet dies keine Relativierung ihrer bisherigen Sendung und schon gar nicht eine Distanzierung von ihrem bisherigen Dienst für die Kirche. Im Gegenteil, sie kann ihren Friedensauftrag gerade dadurch in besonderer Weise vollziehen, daß sie sich entschieden in den Dienst des universalen Sakraments der gerechtigkeit und des von Gott kommenden Friedens stellt. Sie hat dazu auch eine besondere Eignung, weil sie, wie die Kirche selber, unter vielen Völkern gegenwärtig und tätig ist: "Als eine Gemeinschaft von Menschen aus vielen Nationen muß sich unsere Gesellschaft auch für eine gerechtere Weltordnung, für eine größere Solidarität der reichen mit den armen Nationen und für einen dauerhaften Frieden einsetzen, der auf die Menschenrechte und auf Freiheit gegründet ist." (GJ 33 Nr.46) Die Internationalität ist einerseits eine Voraussetzung für eine umfassende Friedensarbeit, anderseits hat die Gesellschaft Jesu durch sie Anteil an der Kirche als dem universalen Zeichen, das - gerade als Zeichen - auch durch sich selber wirksam ist.
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Zum kirchlichen Dienst gehört heute in besonderer Weise die Konfrontation mit den vielen Einwänden, die sich unvermeidlich erheben, wenn man die Kirche als ein universales Zeichen des Friedens verstehen will. War sie in der Geschichte des Abendlandes nicht allzu oft Anlaß für Zwietracht und Streit? Haben nicht die Religionskriege die ganze europäische Ordnung bedroht, und mußte es nicht zu einem neuen Staatsverständnis und schließlich zur Trennung von Kirche und Staat kommen, damit wenigstens ein vorläufiger und prekärer äußerer Frieden möglich wurde? Hat nicht die Kirche starken Anteil gehabt an einer Kolonisierung, die fremden Völkern Gewalt angetan hat? Auch wenn diese Fragen im einzelnen sehr komplex und differenziert zu beantworten sind, läßt sich doch eine große Mitschuld der Kirche an vielen Formen des Streites und des Krieges in keiner Weise bestreiten. Wie kann sie dennoch den Anspruch erheben, ein universales Zeichen des Friedens zu sein?
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Das Problem zeigt sich bereits im Neuen Testament. In der Konfrontation mit Jesus und seiner Botschaft von Reich Gottes haben sich die negativen Kräfte, die Mächte der Lüge, der Feigheit und der Gewalt, nicht bloß bei Menschen gezeigt, die ihm offen feindlich gesinnt waren, sondern auch bei seinen eigenen Jüngern. Das Licht seiner Verkündigung von Gottes Liebe und gerechtigkeit ließ die Schatten des Bösen deutlicher hervortreten, und seine Jünger wurden mit ihrer ganzen Existenz nicht nur Zeugen seiner Taten, sondern auch deutliche Zeichen der bleibenden menschlichen Schwäche und Sündhaftigkeit. In ihnen wurde ein Geist der Verstokung (Mk 6,52), der Feigheit (Mk 14,50) und des Verrates (Mk 14,10f.66-72) offenbar.
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Dieses doppelte Zeichen findet sich seither auch in der Kirche. Gerade weil sie die Botschaft Gottes verkündet, werden in ihr auch die negativen Kräfte um so sichtbarer. Da sie sich ausschließlich dem Willen Gottes verpflichtet weiß, und trotzdem durch alle ihre Glieder und auf den verschiedenen Stufen ihres Amtes der Welt der Sünde verhaftet bleibt, stellen sich bei ihr gerade die subtileren und perverseren Formen des Bösen ein (wie etwa Inquisition, pharisäischer Geist). Um diese Doppelgestalt der Kirche wußten schon die Kirchenväter, wenn sie von ihr als einer "keuschen Hure" zu sprechen wagten. (17) Wenn wir heute in ihr ein universales Zeichen der gerechtigkeit und des Friedens sehen, dann ist auch die Gegenseite zu beachten. Angesichts ihrer langen Geschichte mit vielen dunklen Seiten ist die Rede vom universalen Sakrament des Friedens nur dann keine Schönfärberei, wenn die doppelte Funktion des Zeichens gesehen wird: Offenbarung Gottes und Offenlegung der verborgenen dunklen Mächte im Herzen der Menschen. Die Kirche trägt die von Gott kommende Botschaft und Verheißung ewigen Friedens in sich und muß an ihrem eigenem Fleisch zugleich sichtbar machen, wie raffiniert die Menschen im Verdrehen des Guten sind. Sie bezeugt durch sich selber, wie sehr die einzelnen und die Gemeinschaften ständig der Bekehrung bedürfen.
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Wäre die Kirche nur ein makelloses Zeichen des Friedens, dann könnten ihre Glieder sich über den Rest der Menschheit erheben. Gerade so wäre ihre angebliche Makellosigkeit aber eine subtile Täuschung. Im zweiten Vatikanischen Konzil hat die Kirche von sich bekannt, daß sie zugleich "heilig und stets der Reinigung bedürftig" (18) ist. Gemäß diesem Doppelbekenntnis ist sie auch unter doppelter Rücksicht Zeichen des Friedens. Sie weckt Hoffnung für jene Vollendung, die nur von Gott kommen kann, und sie zeigt an ihrem eigenen Fleisch, wie tief die Sünde sitzt und wie noch so geschickte Programme nie genügen, um den Unfrieden tatsächlich zu überwinden. Ihr Leiden an sich selber ist eine radikale Kritik aller menschlichen Utopien und linearer Fortschrittsideologien, und es bezeugt die Notwendigkeit der erlösenden Tat Gottes.
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Der Dienst an der Kirche erhält in der Gesellschaft Jesu seinen spezifischen Charakter durch die päpstliche Sendung: "Die Mitte seiner (Ignatius) Sicht ist nämlich der Sinn für die Sendung. Kaum war die Gesellschaft Jesu geboren, als sie sich dem römischen Papst, dem Stellvertreter Christi auf Erden, zur Verfügung stellte, um sich überallhin senden zu lassen, wo sich mehr für die Ehre Gottes und den Dienst für die Menschen erhoffen läßt" (JH 32 Nr.13). Der Grund für diesen Schritt lag keineswegs darin, daß Ignatius und seine Gefährten ihr eigenes Urteil vor dem des Papstes in allem aufgeben wollten.(19) Ihr zentrales Anliegen war vielmehr der universale Dienst. Sie wollten sich weder durch eine stabilitas loci noch durch nationale Grenzen binden lassen, aber auch verhindern, daß jeder seinem eigenen Gutdünken folgt und ihre Gemeinschaft sich darob auflöste. Der Sinn ihres Papstgelübdes lag darin, daß sie sich nur von jenem in Bewegung halten und binden lassen wollten, der auch die universale Verantwortung hat. (20)
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Diese Sicht fügt sich ohne besondere Schwierigkeiten in jene des Zweiten Vatikanischen Konzils ein, das beim päpstliche Amt vor allem seine Funktion für die Einheit der Kirche und der Menschheit betont: "Der römische Bischof ist als Nachfolger Petri das immerwährende, sichtbare Prinzip und Fundament für die Einheit der Bischöfe wie der Gläubigen insgesamt" (21). Das päpstliche Amt ist nicht Selbstzweck, es steht seinerseits im Dienst eines übergeordneten Ziels, nämlich der "katholischen Einheit des Gottesvolkes..., dem Zeichen und der Förderin allumfassenden Friedens"(22). Ein apostolisches Wirken unter päpstlicher Sendung ist deshalb wesentlich ein Dienst für die katholische Einheit, die ihrerseits auf den universalen Frieden hingeordnet ist.
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Diese Aussagen wären einseitig, wenn nicht auch die Schwierigkeiten, die mit dem päpstlichen Amt gegeben sind, klar genannt würden. Für manche christlichen Kirchen ist das päpstliche Amt in seiner heutigen Form keine Hilfe, sondern sogar ein wesentlicher Grund, weshalb sie sich nicht der katholischen Einheit anschließen können. Und auch innerhalb der römischen Kirche wirken päpstliche Entscheidungen nicht immer einheitsstiftend. Der Grund für diesen Sachverhalt kann ein doppelter sein. Wie die Botschaft Jesu einen faulen Frieden in seinem Volk aufgedeckt und einen tödlichen Konflikt provoziert hat, so können auch päpstliche Entscheidungen trügerische Formen der Einheit in der Kirche und in der Welt entlarven und die Menschen zu einer echten Umkehr aufrufen. Es ist aber ebenso denkbar, daß in päpstliche Urteile - wie schon bei Petrus - Gedanken einfließen, die nicht von Gott, sondern von Menschen stammen. Wie jener, dem von Jesus die Verheißung zugesprochen wurde, Fels zu sein, immer auch jener war, der von Jesus als Satan abgewiesen werden mußte (Mt 16,23), so kann auch der Papst beides zugleich, Fels und Strauchelstein in einem sein.(23) Wegen dieser Möglichkeit der Verquickung, die innerhalb der Geschichte unüberwindbar ist, entbindet der Dienst unter päpstlicher Sendung nie von eigener Verantwortung. Umgekehrt darf sich aber auch keiner ein letzte Entscheidung darüber anmaßen, wo der Papst Fels und wo er Strauchelstein ist. Ein solches Urteil würde beinhalten, daß man sich selber über die subtilen Versuchungen und Verdrehungen erhaben wüßte und damit ihnen sicher schon erlegen wäre.
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In konfliktreichen Situationen muß deshalb manches offen- und dem Urteil kommender Generationen überlassen bleiben. In dieser Fähigkeit, umstrittene Fragen zeitweise auszuhalten und auszuleiden, zeigt sich, ob man tatsächlich vom Glauben an den lebendigen Gott bewegt wird, der, wie die Geschichte des Alten Testaments und der Kirche zeigt, sein Volk auch durch Dunkelheiten führt, oder ob man auf fixe Ideologien baut. Wenn Gott sogar seinen eigenen Sohn die Nacht der Gottverlassenheit erleiden ließ, dann hat die Kirche immer wieder mit ähnlichen Erfahrungen zu rechnen. Nur im Namen von Ideologien könnte man meinen, daß alles immer klar sein müsse.
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Die Entscheidung, wo Urteile gesprochen und wo Fragen offengelassen werden müssen, kann nicht nochmals von einem höheren Prinzip abgeleitet werden. Sie kann nur im Blick auf alle Indizien, die zu einer konkreten Situation gehören, gefällt werden. Deshalb ist der Weg des Glaubens immer auch ein Weg des Risikos, auf man nur hoffen kann, daß einem die richtigen Entscheidungen geschenkt werden. Wer die ganze Ungewissheit solcher Entscheidungen durchgestanden und das entsprechende Risiko gespürt hat, gewinnt Verständnis für die Not anderer bei ihren Entscheidungen. Der richtig verstandene Dienst unter päpstlicher Sendung ist deshalb alles andere als der ideologische Dienst einer eingeschworenen Kampftruppe. Er führt die meisten früher oder später zu schweren eigenen Entscheidungen, die zwar unter dem Vorzeichen durchzustehen sind, daß man der Stimme der kirchlichen Autorität zunächst mehr Vertrauen als der eigenen (vermeintlichen) Einsicht schenken soll, die aber dennoch nicht vom eigenen Urteil entbinden. Solche Krisen, die oft nur unter Zittern und im reinen Vertrauen auf Gott zu ertragen sind, schaffen jedoch gerade die Voraussetzung für einen wahren Friedensdienst. Wo innere Erschütterungen nie gespürt wurden, bleiben Urteile meistens ideologisch eingefärbt und fördern deshalb eher falsche Spannungen als den wahren Frieden.
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Anmerkungen:
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1. Dekret 1: Gefährten Jesu - gesandt in die heutige Welt (= GJ 33). 33. Generalkongregation, Nr.46.
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2. Dekret 4: Unsere Sendung heute. Einsatz für den Glauben und die gerechtigkeit (= USH 32) Nr.2.
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3. Die neue Sicht des Friedensautrags im Rahmen der christlichen Verkündigung wird durch den Vergleich mit den Konstitutionen der Gesellschaft Jesu deutlich. In ihnen wird zwar unter den Aufgaben, die der Orden übernehmen soll, auch aufgezählt: "unter Streitenden Frieden stiften" (Nr. 650; vgl. Formula Instituti, Nr. 1). Diese Aufgabe wird aber nur im Blick auf einzelne Menschen gesehen, und sie wird ausdrücklich zu "den leiblichen Werken der Barmherzigkeit" gerechnet, die nur in dem Maß getan werden sollen, "soweit es die geistlichen, die wichtiger sind , erlauben" (ebd.).
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4. Diese 'Meditation' der Welt schließt eine genaue "Analyse der sozialen und kulturellen Situation anhand einer soliden Kenntnis der Verhältnisse" (GJ 33 Nr.41) ein.
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5. "Beispiele theologischer Rede von strukturgewordener Sünde": W.Eichinger, Erbsündentheologie. Rekonstruktionen neuerer Modelle und eine politisch orientierte Skizze. Frankfurt a.M. 1980, 198-204; Péché collectif et responsabilité. P.Watté u.a. Brüssel 1986.
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6. Vgl. W.Eichinger. Erbsündentheologie (siehe Anm. 5).
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7. Vgl. Art. Eschatologie. In: TRE 10, 254-363; M.Kehl, Eschatologie. Würzburg 1986.
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8. Vgl. H.U.v.Balthasar, Theodramatik. 3.Bd.: Die Handlung. Einsiedeln 1980, 15-186; J.B.Metz, Glaube in Geschichte und Gesellschaft. Mainz 1977, 149-158; R.Girard, Das Ende der Gewalt. Analyse des Menschheitsverhängnisses. Freiburg i.Br. 1983, 192-212.265-274.
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9. Vgl. R.Schwager, Für gerechtigkeit und Frieden. Der Glaube als Antwort auf die Anliegen der Gegenwart. Innsbruck 1986.
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10. Vgl. M.Sievernich. Schuld und Sünde in der Theologie der Gegenwart. Frankfurt a.M. 1982.
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11. Vgl. dazu die Aussage der 33. Generalkongregation: "Die Armut so vieler Menschen und Völker, der Hunger in der Welt, die grausame Unterdrückung und Diskriminierung, der erschreckende Rüstungswettlauf und die drohende atomare Gefahr: all das macht deutlich, in welchem Ausmaß die Sünde die Herzen der Menschen und die moderne Gesellschaft verseucht hat." (GJ 33 Nr.35).
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12. Vgl. Konflikt um die Theologie der Befreiung. Diskussion und Dokumentation. Hg. v. N.Greinacher. Zürich 1985.
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13. Bei dieser Aussage stützt sich die Generalkongregation ausdrücklich auf das kirchliche Lehramt, denn sie fügt ergänzend hinzu: "Für diese Erwartung und für das Zusammengehören von Liebe, gerechtigkeit und Friede haben uns die beiden letzten Bischofssynoden, die über 'die gerechtigkeit in der Welt' und über 'die Verkündigung des Evangeliums in der Welt von heute' reflekiert haben, empfindsam gemacht" (USH 32 Nr. 22; vgl. auch Nr.37).
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14. USH 32 Nr.30. Die Generalkongregation übernimmt dieses Zitat wörtlich aus der "Schlußerklärung" der Bischofsynode 1974, 12.
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15. Dekret 2: "Jesuiten heute" der 32. Generalkongregation (=JH 32) Nr.2; vgl. GJ 33 Nr.30.
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16. H. Schürmann. Gottes Reich - Jesu Geschick. Jesu ureigener Tod im Licht seiner Basileia-Verkündigung. Freiburg i.Br. 1983, 11f.
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17. Vgl. H.U.v.Balthasar, Die heilige Hure. In: drs., Wer ist die Kirche? Vier Skizzen (HeBü 239). Freiburg i.Br. 1965, 55-136.
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18. Lumen gentium Nr.8. - Auch die 32. Generalkongregation hat für den Orden bekannt: "Sie (Gesellschaft Jesu) hat ihr Versagen im Einsatz für Glauben und gerechtigkeit erkannt und gesteht es mit Reue. Vor dem gekreuzigten Christus hat sie sich gefragt, was sie für ihn getan hat, tut und tun will, und sie hat sich entschieden, daß die Teilnahme am Kampf für Glauben und gerechtigkeit das ist, was den Jesuiten in unserer Zeit ausmacht" (JH 32 Nr.3).
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19. Die Frage der Unfehlbarkeit spielte beim Papstgelübde keine Rolle, und das Verhältnis des Ignatius zu den verschiedenen Päpsten konnte gelegentlich ziemlich spannungsgeladen sein; vgl. R.Schwager, Das dramatische Kirchenverständnis des Ignatius von Loyola. Historisch-pastoraltheologische Studie über die Stellung der Kirche in den Exerzitien und im Leben des Ignatius. Zürich 1970, 133-146.
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20. Vgl. ebd. 36-43.
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21. Lumen gentium Nr.23; vgl. ferner: "Damit aber der bischöfliche Dienst selbst einer und ungeteilt sei, hat er (Jesus Christus) den heiligen Petrus an die Spitze der übrigen Apostel gestellt und in ihm ein immerwährendes Prinzip und Fundament der Einheit des Glaubens und der Kommunioneinheit gesetzt." (Lumen Gentium Nr.18).
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22. Lumen Gentium Nr.13
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23. "In einem Rückfall in die Eigenmächtigkeit menschlichen Denkens, das die Gnade nicht wahrhaben will, sondern dennoch wieder einen geheimen Triumph des Menschen erdichtet, haben wir uns angewöhnt, Fels und Verleugner in Petrus säuberlich zu verteilen: Verleugner, das ist der vorösterliche Petrus, Fels, das ist der Petrus nach Pfingsten, von dem wir ein seltsam idealisiertes Bild entwerfen. Aber in Wirklichkeit ist er beide Male beides: Der vorösterliche Petrus ist schon der, der das Bekenntnis der mitten im Abfall der Masse gläubig Gebliebenen spricht... Der nachpfingstliche Petrus anderseits ist noch immer der, der aus Furcht vor den Juden die christliche Freiheit verleugnet (Gal 2,11ff): immer noch Fels und Strauchelstein in einem." J. Ratzinger, Das neue Volk Gottes. Entwürfe zur Ekklesiologie. Düsseldorf 1969, 258f.
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