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Siebenrock Roman: In der Gestalt des Gesprächs: Profil und Bedeutung eines katholischen Religionsunterrichts heute
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In der Gestalt des Gesprächs: Profil und Bedeutung eines katholischen Religionsunterrichts heute
(Eine Orientierung in Thesen)

Autor:Siebenrock Roman
Veröffentlichung:
Kategorieartikel
Abstrakt:
Publiziert in:
Datum:2020-08-25

Inhalt

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Hinführung

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Die Debatte um den einzuführenden Ethikunterricht impliziert notwendigerweise die Frage nach dem Verhältnis dieses Faches zum traditionellen Religionsunterricht. Die folgenden Thesen, die zu einer Versachlichung der Debatte beitragen möchten, sind aus der Sicht der römisch-katholischen Theologie geschrieben.[1] Damit ist eine geschichtliche Realität ebenso gemeint, wie ein Ideal von Katholizität angezielt, das in allen Konfessionen, Kirchen und Glaubensgemeinschaften jene Gestalt des christlichen Glaubens sucht, in der Gottes umfassende Bejahung und Liebe realgeschichtlich wirksames Zeichen werden kann. Diese Vision von Katholizität hat Henry de Lubac in kaum zu überbietender Weise ausgedrückt:

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„Der Katholizismus ist die Religion. Er ist die Form, die die Menschheit annehmen soll, um endlich sie selbst zu werden. Er ist die einzige Wirklichkeit, die, um zu sein, es nicht nötig hat, sich entgegenzusetzen, also alles andere als eine ‚geschlossene Gesellschaft‘. Ewig und seiner selbst sicher wie sein Gründer, hindert ihn gerade die Unduldsamkeit seiner Grundsätze nicht bloß, sich in vergängliche Werte zu verlieren, sie sichert ihm zugleich eine unendlich umfassende Geschmeidigkeit, ganz im Gegensatz zu der Ausschließlichkeit und Steifheit, die den Sektengeist kennzeichnet. Omnis gens secundam suam patriam in Ecclesia psallit Auctori (Hrabanus Maurus, De Universo, lib. 22, c. 3 [PL 111, 598]). Die Kirche ist überall zu Hause und jeder soll sich in der Kirche zu Hause fühlen können. So trägt der auferstandene Herr, wenn er sich seinen Freunden kundtut, das Gesicht aller Rassen, und jeder hört ihn in seiner eigenen Sprache [...] Das ist die Kirche in ihrer echten Haltung. Dies zu verkünden und darzulegen, ist heute umso wichtiger, da die gegenteilige Versuchung überhandzunehmen droht, und bei manchem Zuschauer von draußen eine ganz andere Vorstellung sich vordrängt.“[2] Und er fügt in Kenntnis mancher Entwicklungen hinzu: „Es ist, so lautet ein weises Wort, ein großes Unglück, den Katholizismus gegen jemanden gelernt zu haben. Es ist zu fürchten, daß man ihn auf diese Weise nur zu Hälfte gelernt hat, und daß selbst, wenn alles, was man davon behält, dem Buchstaben nach richtig ist, die Enge des Gesichtspunktes und das Mißverhältnis der Teile praktisch nur zu oft einem Irrtum gleichkommen“[3].

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Vorbemerkung

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Die folgenden Thesen beziehen sich primär auf einen Religionsunterricht (RU) im staatlich-schulischen Kontext. Indirekt scheinen sie mir aber auch für RU an kirchlichen Privatschulen oder anderen Orten deshalb bedeutsam zu sein, weil auch eine kirchliche Privatschule in einer pluralen Gesellschaft ihren Dienst zu leisten hat; d.h. junge Menschen der unterschiedlichsten weltanschaulichen Herkünfte auf ein partizipatives Leben in dieser Gesellschaft ebenso vorzubereiten, wie eine vom Evangelium inspirierte Lebenshaltung zu vermitteln. Deshalb gehe ich mit den einschlägigen gesamtkirchlichen Orientierungen davon aus, dass auch in einer Schule mit kirchlicher Trägerschaft („Kirchliche Privatschule“) eine grundsätzliche Pluralität existiert, ja existieren sollte und der RU auch an diesem Ort die prinzipielle Meinungs- und Religionsfreiheit der SchülerInnen nicht nur achtet, sondern ausdrücklich fördert.[4]

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These 1

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Der Ort des Religionsunterrichts in der Schule einer (post-)säkularen und freiheitlich pluralen Gesellschaft ist vorbehaltlos von den christlichen Kirche(n) und Glaubensgemeinschaft(en) deshalb anzunehmen, weil sie dadurch entscheidend zum Gelingen einer wirklich pluralistischen Gesellschaft beitragen und weil an diesem Ort eine essentielle Bedingung für die Realisierung des christlichen Glaubens als politische Realität gegeben und ausdrücklich positiv anzuerkennen ist: das verfassungsrechtlich garantierte Menschenrecht der Gewissens-und Meinungsfreiheit.

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Schule als einer der letzten Orte einer pluralistischen und säkularen Gesellschaft

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Die Schule als einer der letzten Orte, an denen alle Gruppen einer Gesellschaft, vertreten durch ihre „Kinder und Jugendlichen“, zusammenkommen, erweist sich als ein bevorzugter Ort, an der die allgemein gegebene Diasporasituation der Glaubenden greifbare Realität geworden ist. Deshalb ist die Schule für die Kirche ein herausragender Lernort, dieses „heilsgeschichtliche Muss“ (Karl Rahner) anzunehmen und zu gestalten. Dieses Muss ist die Voraussetzung dafür, die postkonstantinische Situation von Kirche und Glauben angemessen angehen zu können. Auch wenn in unseren europäischen Gesellschaften die Christgläubigen aller Traditionen noch eine signifikant starke Gruppe darstellen, sind ihre kognitiven Überzeugungen im Unterschied zu ihren caritativ-sozialen Orientierungen in sehr unterschiedlicher Dichte anerkannt.[5]

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Die für die weitere Orientierung hier vorausgesetzte Minderheitensituation zeichnet eine pluralistische Gesellschaft aber grundsätzlich aus: In einer pluralistischen Gesellschaft sind alle weltanschaulichen Gruppierungen Minderheit. Dies immer wieder zu verschleiern, zeigt unsere grundsätzliche europäische Schwäche mit gesellschaftlichem Pluralismus zu leben. Wir haben noch immer die Maxime implizit vor Augen: „cuius regio – eius religio“. Ein solcher nicht-überwindbarer weltanschaulicher Pluralismus, d.h. ein Pluralismus, der nicht in eine höhere Synthese übersetzt werden kann (Karl Rahner), ist leitend für die folgenden Überlegungen, insbesondere in der Kritik an den Kritikern des RUs. Denn der konfessionelle RU trägt in der Schule zum Bewusstsein dieser grundsätzlichen Situation nicht nur bei, sondern übt in seinem Vollzug Praktiken ein, mit diesem Pluralismus auf fruchtbare Weise umzugehen.

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Die Kritik am konfessionellen RU und das Votum, ihn abzuschaffen, halte ich deshalb für ein Zeichen, diese Pluralität nicht aushalten zu wollen (oder zu können). Ein wichtiges Indiz für diese Auffassung ist der Gebrauch des Wortes „säkular“. „Säkular“ bezeichnet eine Politik, die als Norm und Handlungsziel sich immer neu darum bemüht, eine (immer instabil sich zeigende) Friedens-, Freiheits- und gerechtigkeitsordnung für möglichst alle zu errichten. Dieses Ziel ist unter den Bedingungen einer verfassungsrechtlich konstituierten Demokratie eine zeitliche und weltliche Aufgabe, die nur im Diskurs mit allen Bürgerinnen und Bürgern erreicht werden kann. Weil die Politik sich nicht um weltanschauliche Letztfragen und damit auch um religiöse oder nicht-religiöse Sinnstiftungen direkt kümmert und kümmern darf, können in diesem Diskurs nur „weltliche, d.h. anthropologische Argumente“ anerkannt werden. „Säkular“ bezeichnet also eine Politik, die die weltanschauliche Letztorientierung offenhält, sich um eine zeitliche und damit auch „weltliche“ Ordnung bemüht und in diesem Kontext nur „säkulare“ Argumente anerkennen kann. Eine solche Politik hält (philosophisch gesprochen) die Spannung von Glaube und Wissen aufrecht, und operiert nicht insgeheim mit einem ontologischen Naturalismus, d.h. einem weltanschaulichen Atheismus. Genau diese ontologische Überzeugung aber wird aber dem Begriff „säkular“ immer untergeschoben; und damit wird die kulturelle Leistung der „säkularen Gesellschaft“ unterlaufen. Eine „säkulare Politik“ können daher religiöse Menschen ebenso gestalten wie nicht-religiöse. In welcher Weise diese grundlegende Spannung in einem konkreten Politikentwurf fruchtbar für alle gelebt und gefördert werden kann, ist eine wesentliches Subthema im Religionsunterricht: es ist die Frage nach dem Umgang mit dem Anderen und Fremden. Deshalb ist der RU immer auch „Ethikunterricht“.

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Religionsunterricht als Pionierort einer Theologie in den Zeichen der Zeit

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Solange die Schule grundsätzlich ein Lernraum in der Vorbereitung und Ermöglichung einer umfassenden Partizipation an der gesellschaftlichen Entwicklung und einer persönlich erfüllenden Lebensgestaltung bleibt, ist sie für die Kirche ein Pionierort, die Zeichen der Zeit im Licht des Evangeliums lesen zu lernen. Ein Auftrag, den das Konzil auf Dauer der Kirche aufgegeben hat (GS[6] 4.11). Die Erfahrungen der ReligionslehrerInnen werden heute vor allem deshalb zum bevorzugten „locus theologicus“, weil sie ihre Aufgabe nur angehen können, wenn sie in einer unbedingten Bejahung der Freiheit und der grundsätzlichen epistemischen Kompetenz der SchülerInnen in Weltanschauungsfragen in ihrer pluralen Andersheit eine habituelle Voraussetzung für ihren Unterricht entwickeln. Damit wird ein wesentliches Ziel des Konzils, nämlich eine „neue Haltung des Geistes“ zu entwickeln, zur Grundhaltung von Religionslehrenden. Diese Haltung hat Papst Paul VI. als „Gestalt des Gesprächs“ umschrieben.[7] Religionslehrende sollen daher in ihrem Unterrichtsstil diese Dialogfähigkeit verinnerlichen und verkörpern: Sie sollen diese Gestalt des Gesprächs leben und sein.

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Klärung einiger Bestimmungen in der These

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Was bedeutet gesellschaftlicher Pluralismus?

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Pluralismus, wie schon betont, bedeutet nicht verschiedene Variation desselben, sondern eine solche Verschiedenheit in Lebensentwürfen und Grundoptionen, so dass sie nicht in eine höhere Synthese überführt werden kann. Ein konfessionell verantworteter RU toleriert diesen Pluralismus nicht nur, sondern konstituiert ihn prinzipiell, weil er in guter Weise die Verschiedenheit des Evangeliums und des Glaubens als Grundüberzeugung einer relevanten gesellschaftlichen Gruppe in der Schule lebt. Denn ohne einen solchen Unterricht wäre die Schule vom tatsächlich existierenden gesellschaftlichen Pluralismus isoliert und sie wäre nicht fähig, in fruchtbare Begegnungen und Diskursen in diesen Pluralismus einzuführen. Den konfessionellen RU aus der Schule grundsätzlich zu verbannen, ist ein klares Zeichen für Pluralismusunfähigkeit. Zugleich setzen die meisten Kritiker am konfessionellen RU eine offene oder verdeckte naturalistische Ontologie als allein gültige, d.h. wissenschaftlich vertretbare Weltanschauung voraus. Der konfessionell verantwortete RU führt in diesen Pluralismus ein, indem er Diskussionen und Diskurse pflegt und immer wieder dazu ermutigt. So befähigt er die SchülerInnen dazu, diesen Pluralismus so zu leben, dass er die „Polis“ (die Gesellschaft) stärkt und nicht zerstört. Deshalb soll allen anderen weltanschaulichen Gruppierungen ein Raum des Diskurses in der Schule eingeräumt werden.

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Was bedeutet „Postsäkularität“?

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Mit Jürgen Habermas kann festgestellt werden, dass angesichts eines „god-turn“ in Philosophie und allen Kulturwissenschaften die Überzeugung mehr als berechtigt ist, dass es den Natur-Wissenschaften nicht gelungen ist (und prinzipiell nicht gelingen kann), die Frage, was die Welt im Innersten zusammenhält, und worauf die Menschen letzten Endes ihr Leben ausrichten sollen, mit ihren Mitteln abschließend zu beantworten. Die Wissenschaftsgeschichte des 20. Jahrhunderts zeigt zudem, dass es nicht möglich ist, Wissenschaften wertfrei und in diesem Sinne objektiv zu begründen. Selbst die formalen Systeme (Kurt Gödel) beruhen auf menschlichen Optionen; und damit auf impliziten Entscheidungen, die folglich auch nicht als rein formal bezeichnet werden können. Es erstaunt, dass die Diskussion um den Religionsunterricht, diese Entwicklungen ausklammert und mit einem Wissenschaftsmodell der Objektivität und Neutralität operiert, das sich heute nicht mehr rechtfertigen lässt.

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Auch aus diesem Grunde ist die Gleichung des 19. Jahrhunderts, Wissenschaft und Aufklärung führen zum Ende der Religion, nicht mehr gültig und die klassische Säkularisierungsthese nach Max Weber, die davon geprägt war, nicht mehr haltbar. Schon Weber hatte darauf hingewiesen, dass trotz oder gerade wegen dieser modernen Wissenschaft, der alte Kampf der Götter weitergehen wird.[8] Schon Martin Luther hatte festgehalten: „Das ist, du sollt mich alleine für Deinen Gott halten. Was ist das gesagt und wie verstehet man’s? Was heißt ein Gott haben oder was ist Gott? Antwort: Ein Gott heißet das, dazu man sich versehen soll alles Guten und Zuflucht haben in allen Nöten. Also daß ein Gott haben nichts anders ist, denn ihm von Herzen trauen und gläuben, wie ich oft gesagt habe, daß alleine das Trauen und Gläuben des Herzens machet beide Gott und Abgott. Ist der Glaube und Vertrauen recht, so ist auch Dein Gott recht, und widerümb, wo das Vertrauen falsch und unrecht ist, da ist auch der rechte Gott nicht. Denn die zwei gehören zuaufe, Glaube und Gott. Worauf Du nu (sage ich) Dein Herz hängest und verlässest, das ist eigent­lich Dein Gott. Darümb ist nu die Meinung dieses Gepots, daß es fordert rechten Glauben und Zuversicht des Herzens, welche den rech­ten einigen Gott treffe und an ihm alleine hänge.“[9] Daher: „Frage und forsche Dein eigen Herz wohl, so wirst Du wohl finden, ob es allein an Gott hange oder nicht. Hast Du ein solch Herz, das sich eitel guts zu ihm versehen kann, sonderlich in Nöten und Mangel, dazu alles gehen und fahren lassen, was nicht Gott ist, so hast Du den einigen rechten Gott. Wiederümb hanget es auf etwas anders, dazu sichs mehr Guts und Hälfe vertröstet denn zu Gott, und nicht zu ihm läuft, sondern fur ihm fleugt, wenn es ihm ubel gehet, so hast Du ein andern Abegott.“[10]

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Wir sind heute, weil offensichtlich die Gottesfrage und damit die Frage nach einer letzten alle menschliche Wissenschaft übersteigende Lebensorientierung, nicht still gelegt werden kann, vielmehr dazu aufgefordert, Pluralität auf allen Ebenen einzuüben, weil diese Pluralität eine lebendige und kreative Gesellschaft erst ermöglicht. Diese Aufgabe hat Schule und RU in einer Gegenwart zu leisten, die das Ende der Menschheit befürchtet oder bewusst fördert. Die Gegenwart denkt das Ende der Menschheit als eine Apokalypse der Klimakatastrophe oder als eine gewollte und mit Freuden zu vollbringende Selbstüberwindung des Menschen („Transhumanismus“).[11] Die Stimme eines RU, der sich aus biblischen Wurzeln nährt, ist für die Entwicklung und Förderung eines umfassenden „neuen Humanismus“ von höchster Bedeutung und kann ihren substantiellen Beitrag zu einer nachhaltigen Entwicklung beitragen, wie es die UNO entwickelt hat und von der Republik Österreich ausdrücklich übernommen worden ist.[12]

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Die westliche Kultur ist epistemisch durch die Spannung von „Glaube und Vernunft“[13] und politisch durch die Differenzierung von „geistlicher und weltlicher Macht“[14] zutiefst strukturiert. Die Auflösung dieser beiden Grunddifferenzierungen in eine Einheitsvorstellung hinein war die Kontur aller Totalitarismen seit der Französischen Revolution in Europa. Um der gemeinsamen Freiheit willen muss der konfessionelle RU an der Schule diese Differenzierungen lebendig halten. Aus diesem Grund ist der Begriff „säkular“ politisch nicht nur auf Religion anzuwenden, sondern auf alle umfassenden weltanschaulichen Ansprüche, die unter verschiedenen Chiffren die Gottesfrage verhandeln. Eine säkulare Bildungspolitik in den öffentlichen Schulen bedeutet deshalb, den SchülerInnen in der weltanschaulichen Bildung und Orientierung die Freiheit einer Wahl zu garantieren. Aus diesem Grunde muss die Überlegung, ob der Ethikunterricht verpflichtet sein soll, daraufhin befragt werden, ob nicht durch diesen Zwang das wesentliche Ziel eines solchen Unterrichts, die Bildung einer freien Weltanschauungskompetenz nicht in höchstem Maße gefährdet wird. Der RU hat sich jedenfalls in den letzten Jahrzehnten der freien Wahl der SchülerInnen immer gestellt.

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These 2

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Religionsunterricht ist Dienst an der weltanschaulichen Orientierungskompetenz der ihr anvertrauten SchülerInnen. Deshalb kann er nicht nur religionskundlich sein, sondern bedarf eines ausdrücklich „konfessorischen Standpunktes“, weil sich weltanschauliche Kompetenz in einer pluralistischen Gesellschaft nur im freien Gegenüber zu Standpunkten zu entwickeln vermag. Eine Lebensorientierung lässt sich nie ohne Standpunkt von einem „Nirgendwo“ her entwickeln, weil Leben Handeln bedeutet, und Handeln immer mit Optionen verbunden ist. Diese explizit zu machen, ist in einem konfessionell-gebundenen RU notwendig, weil nur durch diese Offenheit implizite Optionen erfasst werden können. Diese Analyse gilt für das Unterrichten grundsätzlich, weil alles Unterrichten Handeln bedeutet und daher von Überzeugungen und Grundhaltungen geprägt ist. Deshalb ist eine prinzipiell neutral-objektive Pädagogik Selbsttäuschung und kann schon deshalb in einem Staat, der auf der Grundlage der Menschenrechte verfasst ist, kein Ziel sein, weil Respekt und Achtung allen gilt.
Gerade weil der RU in interessierter Interessenslosigkeit den SchülerInnen zu dienen sucht, verwirklicht er die Sendung der Kirche an diesem Ort, weil er auf Vernunft und Freiheit setzt – und sonst auf „nichts“. Dadurch aber stellt er ein Modell für alles weltanschauliche Verhalten im Kontext von Schule dar.

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RU ist nicht Katechese im Sinne einer Gewinnung von Kirchenmitgliedern oder einer getrösteten Bestätigung einer vorgegebenen Glaubenstradition (dazu konkret These 3: RU als Fundamentaltheologie). RU ist Dienst an den SchülerInnen im Blick auf die Herausforderung, in ihrer Gegenwart ein bewusstes Leben führen zu sollen.[15] Der RU in Österreich steht noch immer im langen Schatten Habsburgs, d.h. einer konfessionalistischen Staatsreligion, in der die Kirche für gute Staatsbürgerinnen im Sinne des Gehorsams und der geltenden Moral sorgte. Diese durch die Aufklärung geförderte Moralisierung der Religion trägt noch heute Früchte, wenn vom RU erwartet wird, dass er Werte zu vermitteln hätte.[16]

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Dieser RU ist nicht konfessionalistisch, sondern wirklich katholisch, d.h. er hat sich nicht entgegenzusetzen (Henry de Lubac) und soll daher als Katalysator von Verständigung, Anerkennung und Toleranz durch Dialog wirken. Weil aber wirklicher Dialog und reale Bildung sich immer an einem verankerten Gegenüber entwickelt, ist der RU nicht neutral, sondern ebenso dialogisch wie konfessorisch. Zu dieser konfessorischen Haltung gehört essentiell und konstitutiv die Anerkennung der unbedingten Freiheit der Anderen deshalb, weil ohne Freiheit der christliche Glauben „nichts“ und „nichtig“ wäre. Alle Formen von übergreifendem und kooperativem RU sind deshalb zu fördern und experimentell zu wagen, weil dies der Katholizität entspricht.[17]

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Unterrichten kann niemals objektiv im Sinne einer weltanschaulichen Neutralität geschehen; und er darf es auch schon deshalb nicht wollen, weil die Schule die Werte-Optionen der Republik Österreich (im Kontext des europäischen Wertekanons) engagiert zu vertreten hat. Aber die Illusion der Weltneutralität ist deutlicher herauszuarbeiten: Nach den Abgründen der Wissenschaftsgeschichte des 20. Jahrhunderts erstaunt eine, wie immer modifizierte Neutralitätsthese in höchstem Maße. Weil Unterrichten ein interpersonales Handlungsgeschehen ist (und Lernen immer interpersonal war, ist und sein wird und deshalb nie durch Maschinen – und seien sie noch so komplex – ersetzt werden kann) ist die Lehrperson selbst die erste Didaktik und kann sich daher niemals aus dem Geschehen als neutral verabschieden oder in diesem Prozess sich als neutral verstehen. Das gilt nicht nur für den Umgang mit SchülerInnen, sondern auch im Sinne eines Engagements für das eigene Fach. Lernen ist nur in der Begegnung mit anderen, vor allem authentischen Personen möglich, weil nur in dieser Begegnung jener Dia-Log geschieht, der eine umfassende Bildung erst ermöglicht. Heute gilt mehr denn je das Wort John Henry Newmans: der menschliche Geist ist keine Rechenmaschine. Menschliches Denken vollzieht sich immer personal, d.h. im Dialog mit anderen und von Angesicht zu Angesicht.[18] Menschen sind keine Computer. Bildung und Lernen können mit dem Hochladen auf eine Festplatte nicht verglichen werden.

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Daher darf der RU nie Neutralität simulieren. Aus diesem Grunde ist die konfessionelle Bindung eine öffentliche Klarlegung der eigenen Herkunft und der damit verbundenen grundsätzlichen Optionen (Lehrplan und Lehrmittel), die in der Lehrperson selber zu einer beispielhaften Synthese mit allen Brüchen und Zweifeln vermittelt werden sollen. In diesem Kontext ist es selbstverständlich, dass eine Lehrperson nie mit „der aktuellen Lehre“, wie sie z.B. im Katechismus der Katholischen Kirche ansatzhaft geboten wird, vollständig übereinstimmen wird[19], weil das Leben der Kirche immer reicher ist als jeder Katechismus. Es ist zudem selbstverständlich, ja in strengem Sinne notwendig, dass kein Christgläubiger mit dem faktischen Zustand seiner Kirche einverstanden sein kann. Diese Differenzen hat der RU zu kultivieren und so die Stellungnahmen der SchülerInnen „ergebnisoffen“ zu begleiten. Deshalb darf er nie Indoktrination in der Vermittlung einer bloßen Überzeugung sein. Wie diese Balance zu halten ist, wird im Theologiestudium im Fach Fundamentaltheologie eingeübt, und sollte daher als Haltung den ganzen Unterricht prägen. Vielmehr setzt der RU auf die Kraft der Vernunft und das Wirken des Heiligen Geistes, der immer ein Geist der Freiheit und Anerkennung ist und deshalb auch ein solches Milieu benötigt, um wirken zu können.

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Das hat der RU in den letzten Jahrzehnten durch eine didaktische Qualitätsoffensive in hohem Maße geleistet. Und deshalb darf auch gefragt werden, ob die Kritik am konfessionellen Religionsunterricht, die oft mit Argumenten vorgetragen werden, die mit dem realen RU nichts zu tun haben, nicht aus einer Angst vor dessen pädagogisch-didaktischen Qualität entsteht. Der RU ist bislang das einzige Fach in der Schule, das sich auf Gedeih und Verderb an der Schule bewähren muss, indem es sich der Freiheitsentscheidung der SchülerInnen aussetzt (Abmeldungsmöglichkeiten; Ersetzbarkeit durch „Ethik“). Aus diesem Grunde würde jeder Ethikunterricht und auch die universitäre Qualifikation dazu davon profitieren, sich die Erfahrung und die Kompetenz des RU und der Theologie einmal ohne Vorurteile anzuschauen. Da gibt es viel zu erben. Dass ReligionslehrerInnen auch dem neuen Ethikunterricht guttun, liegt vor allem daran, dass sie methodisch darin geschult sind, mit Überzeugungen in vernunftgemäßer Weise umzugehen. Das Fach, das dies in der Theologie einübt, heißt Fundamentaltheologie.

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These 3

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Religionsunterricht versteht sich als praktizierte Fundamentaltheologie an einem anderen Ort, indem er jene drei Grundperspektiven, mit denen Religion in der wissenschaftlichen Reflexion bearbeitet wird, exemplarisch einübt und dadurch die Kompetenz vermittelt, mit den Augen der anderen zu sehen und, wenigstens ansatzhaft, in den Mokassins der anderen zu gehen.
Diese Empathie einzuüben, ist für eine pluralistische Gesellschaft deshalb notwendig, weil sie den gängigen Strategien der Konstitution persönlicher und sozialer Identitätsbildung entgegenwirkt: Ausgrenzungs- und Sündenbockstrategien, Überlegenheitsdünkel mit allen Varianten der Diskriminierung. Dass diese Haltung auch viele traditionelle christliche Gewohnheiten in Frage stellt und zu überwinden sucht (Paradebeispiel: „Antijudaismus“), darf nicht verheimlicht oder übersehen werden. Insofern stellt dieser RU auch eine Herausforderung für bestimmte christliche Traditionen dar und wird daher auch von diesen abgelehnt. Manche Ablehnung von dieser Seite muss als Qualitätsmerkmal eingeschätzt werden. RU hat es im umfassenden Sinne immer mit „Bekehrung“ zu tun. Biblisch gesprochen: Für den RU ist die Thoraregel Jesu leitende Maxime: Liebe Gott und Deinen Nächsten wie Dich selbst. Wenn dabei jemand mit dem Wort „G//T“ nichts anfangen kann, dann kann er in bester jüdisch-jesuanischer Tradition damit beginnen, sich selbst und seinen Nächsten wirklich lieben zu lernen und so jene Gebote zu halten beginnen, die dem Leben dienen (Lev 18,5).

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Der RU übt alle drei konstitutiven Forschungs- und Lernhaltungen zum Phänomen „Religion“ komplementär ein: Lernen über Religion, Lernen von Religion[20] und Lernen in bzw. durch Religion („Theologie“). Während die ersten beiden Formen der Religionswissenschaft, bzw. der Religionsphilosophie entsprechen[21] und auch als Geschichtsunterricht gestaltet werden können[22] oder in einen Ethikunterricht einfließen müssen, ist das Lernen in und durch Religion mit der Ersten-Person-Perspektive verbunden und kann im Regelfall nur in einer gelebten, d.h. spezifischen Religion eingeübt werden. Dass alles Unterrichten von dieser Perspektive lebt, wird heute gerne verschwiegen. Doch wir alle wissen, auch ein Fach wie Chemie und Mathematik wird faszinierend durch Lehrpersonen, die dafür brennen. Erkenntnis und Bildung ist nur mit Lust möglich. Die Freude über eine mathematische Erkenntnis, der Frust über eine kaum übersetzbare Stelle, der sich in Ausdauer und Hartnäckigkeit umsetzt, die Erfahrung selber singen zu können u.v.a.m., weisen auf diese Unersetzbarkeit der Perspektive der Ersten Person hin. Diese Erfahrung der Selbstentfremdung können wir machen, wenn wir zum ersten Mal unsere Stimme nicht aus uns selber hören, sondern über ein Aufnahmegerät abhören. Die Fundamentaltheologie ist im klassischen Fächerkanon der Theologie jenes Fach, das diese drei Formen integriert und in einer spezifischen Form kultiviert, indem sie die Überzeugungen der anderen sich ganz zu Herzen zu nehmen versucht. Insofern übt der RU als Fundamentaltheologie auch jene Haltung ein, die mit dem bekannten Bild umschrieben werden kann: in den Mokassins der anderen gehen lernen.

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Das Alleinstellungsmerkmal eines seiner „Konfession“ bewussten RU kann zunächst mit einem Bild beschrieben werden. Wer nur distanziert oder passiv über Religion lernt, gleicht jenem Menschen, der in den Zoo geht, die Löwen, Gorillas, Eisbären und Wildpferde beobachtet und meint, er würde nun hinreichend darüber informiert sein, wer und wie diese Tiere sind. Ein RU, der die Haltung „Lernen in und durch“ einübt, gleicht jedoch jenen Menschen, die diesen Tieren in freier Wildbahn, ohne Gitter und Safarisicherheit begegnen. Dann geht es bildlich gesprochen ums Leben. Das bedeutet: Ein bekenntnisverpflichteter RU steht immer in Gefahr, den „Glauben“ zu verlieren, wie auch immer er ausgedrückt werden mag, und in jeder Hinsicht zutiefst irritiert zu werden, weil es geschehen kann, dass sie von fremder und völlig unvermuteter Seite den Löwen brüllen hören können.[23] Diese Gefahr besteht für alle Beteiligten: SchülerInnen und Lehrpersonen; und zwar in jeder Hinsicht. Im Blick auf den Umgang mit Religion (auch von ChristInnen mit anderen Religionstraditionen) lassen sich folgende Grundhaltungen und Vorgehensweise wiederum mit einem bildlichen Vergleich unterscheiden:

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  • Der Normalfall des Umgangs mit dem Fremden und Anderen ist in unserer Gegenwart das Zippen mit der Fernsteuerung, um Unterhaltung zu gewinnen. Kein Programm ist gut genug – und wenn alle durchgezippt sind, ist die Langeweile auch nicht verschwunden. Dieses Zippen beseitigt keine Vorurteile, im Gegenteil, es verstärkt diese.
  • Anspruchsvoller ist eine touristische Haltung. Ich mache mich auf dem Weg, habe mich vorher entsprechend informiert und lasse mich in unterschiedlicher Weise auf den anderen auf seinem Terrain anfänglich ein. Diese Form kann Modus 1 verstärken, aber auch zu Modus 3 führen, je nachdem ob ich bereit bin, mich auf fremdem Boden anders zu ernähren.
  • Gastfreundschaft ist jener Modus, in dem ich dazu eingeladen werde, die Lebens- und Hoffnungswelt der anderen zu betreten und in dem mir ein erster näherer Einblick in diese Welt geschenkt wird. Ich weiß aber, dass ich hier nicht zu Hause bin; aber es kann zu meinem Zuhause werden. Christgläubige sollten aus der Haltung leben, dass sie nur Gast auf Erden sind, und daher hier keine bleibende Wohnstätte besitzen (Hebr 13,14). Wir sind immer nur „zu Hause zu Gast“, auch bei uns selbst.
  • Beheimatung, auch wenn sie unserer innersten Sehnsucht entspricht, ist eine nicht machbare Möglichkeit, sowohl nach innen als auch nach außen. Der RU kann dazu Disposition vorschlagen, aber darf es grundsätzlich nicht direkt machen wollen, weil ihm die Freiheit und das „forum internum“ seiner SchülerInnen heilig ist. Beheimatung ist eine zerbrechliche Gabe und in unserem Leben nie vollständig „erreichbar“, weil wir immer von Entfremdungserfahrungen durchdrungen bleiben. Immer gibt es eine andere Form, dieses Leben in Zeit und Geschichte anders zu bewohnen.
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Wenn es dem RU gelingen sollte, Erfahrungen von Gastfreundschaft ansatzhaft zu ermöglichen, dann hat er mehr getan, als was Schule sonst anzielen kann, auch wenn von ihr heute immer wieder zu viel, ja Unmögliches erwartet wird. Aber: Weil Lernen immer eine sehr personale Angelegenheit ist und das eigene Denken, Mühen und Einsehen niemandem abgenommen werden kann, ist Lernen nur möglich als Aufgabe der Person. Schule kann und soll dafür beste Dispositionen bieten, sollte aber der Illusion widerstehen, Bildung als freiheitliche Selbstbestimmung ersetzen zu wollen. Dies gilt für den RU in eminenter Weise. Wenn manche Gruppen in der Kirche heute sich bisweilen darüber beklagen, dass z.B. Jugendliche im RU den Glauben verlieren würden, dann ist dieser Vorwurf für mich ein Lob, weil es dem Unterricht gelungen ist, existentiell relevant zu werde ohne die Freiheit der SchülerInnen zu manipulieren.

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Ein RU als Fundamentaltheologie kultiviert vor allem die Differenz von Glaube und Vernunft und damit eines der höchsten Güter der europäischen Geschichte. Die Bedeutung dieser Differenz liegt in einer doppelten Bestimmung. Auf der einen Seite wird der wissenschaftlichen Erkenntnisgewinnung aus Erfahrung und entsprechender Methodik nicht nur ihr Recht eingeräumt, sondern diese wird hochgeschätzt und muss, weil auch die Vernunft die gute Gabe der guten Schöpfung ist, kultiviert und entwickelt werden. Auf der anderen Seite wird sie durch die Eigenqualität des Glaubens daran gehindert zu einer allumfassenden Ideologie zu werden, die immer dann entsteht, wenn der Anspruch erhoben wird, alle Wirklichkeit (auch die Zukunft) vollständig zu begreifen und nach eigener Entschließung allein (und in diesem Sinne autonom) gestalten und manipulieren zu können. In dieser Differenz liegt letzten Endes immer auch die Begründung jener Freiheit des Gewissens und der eigenen Lebensgestaltung, die das Herz einer liberalen Gesellschaft ausmacht. Es bleibt daran zu erinnern, dass alle menschenverachtenden Ideologien Europas sich als wissenschaftliche Weltanschauung verstanden haben, die daraus das Recht abgeleitet haben, sich bis in die innersten Kreise des Privaten und des Gewissens hinein totalitär zu gebärden.

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Der RU als Fundamentaltheologie versteht sich daher als Dienst an der heute immer dringlicher werdenden Fähigkeit junger Menschen, sich weltanschaulich zu orientieren und, wenigstens als Ideal, aus eigener Erfahrung über das eigene Leben entscheiden zu können. Diese Kompetenz ist kaum einzuüben in distanzierender Selbstbeobachtung. Sie ist auch nicht zu gewinnen, ohne das exemplarische Beispiel der Lehrperson, die gerade in der notwendigen Spannung, die sie darstellen muss (auch als „Prellbock“ oder Referenzgröße), solche notwendig existentiellen Lernprozesse einüben lässt. Analogien zu dieser doppelten Haltung von Engagement und zu beobachtender Distanz sind in der Schule auch in anderen Fächern gegeben. Musik ohne eigenes Hören und Singen ist ebenso unmöglich, wie ein Sportunterricht ohne körperliche Erfahrung und engagiertem Einsatz. Grundsätzlich gilt dieser aber für alle Fächer, wenn es in ihnen zu jener Erfahrung kommen soll, die alles Lernen auszeichnet: Lust und persönlich engagierter Einsatz. Der größte Feind allen Lernens in diesem Sinne ist eine Konsumhaltung, die auf Unterhaltung aus ist, ohne sich „aus dem Stuhl“ bewegen zu müssen.

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These 4

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Die Ziel- und Kernkompetenz eines christlichen Religionsunterrichts ist im Umgang mit den „big questions“ zu sehen; und zwar authentisch und mit dem Mut zu „eigenen“ Entscheidungen.

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Das Ziel des RU ist also die Ausbildung jener Urteilskraft im Feld der dem Menschen aufgegebenen „letzten Fragen“ („big questions“) die mit dem Leben selbst jedem Menschen aufgegeben sind und zwar nicht einfach deskriptiv und beobachtend, sondern im Blick auf das eigene Leben. Ohne dass diese Frage im RU einfach direkt angegangen werden kann (weil auch der RU das „forum internum“ zu achten hat), hat er junge Menschen zu ermutigen, ein eigenes Leben zu führen. Solches aber ist nur möglich, wenn der Mut zu non-konformistischen Entscheidungen gefördert wird. Unter den realen Bedingungen, soweit ich sie wahrnehme, ist die Entscheidung zum RU bereits ein Beweis eines solchen Non-Konformismus. Insofern dürfen sich die RU-Lehrpersonen über Ihre SchülerInnen freuen. Ich spitze es provokativ zu: Von solchen Personen wird die zukünftige Gesellschaft deshalb leben, weil sie Personen benötigt, die ohne Häme und Profitinteresse neue Wege gehen werden.

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Zurück zum Markt der Weltanschauungen: Weil auch und wohl gerade heute für diese letzten Fragen in allen Bereichen unserer Gesellschaft ein höchst kreativer und sich stets wandelnder Markt zu finden ist (Werbung, Unterhaltung und Lebensorientierungen), ist die im RU ausgebildete Kompetenz, kritisch und bewusst mit diesen Optionen und Angeboten umgehen zu können, von höchster Bedeutung. Weil alle Menschen durch ihre Kultur und Sprache irgendeine Form des „Lebensglaubens“ mitbringen und kultivieren (Christoph Theobald) hat der RU sorgsam aber auch kritisch-unterscheidend mit den unterschiedlichen Traditionen in einer Klasse umzugehen.

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In diesem Kontext bringt der katholische RU eine besondere Kompetenz ein:

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  • Der RU kultiviert mit der Bibel die am weitesten in die Menschheitsgeschichte zurückreichende Erfahrungstradition (mehr als 3000 Jahren) mit allen ihren unterschiedlichen Zeugnissen in unserer Gesellschaft. Er kultiviert sie, indem er sie zu lesen befähigt, indem er dazu anleitet, ihren wechselnden Kontext zu verstehen und als mögliche Muster heutigen Lebens und Handelns erschließt. Aus dieser Tradition sind immer wieder Exodus-Aufbrüche entstanden, die der Idee der Freiheit Bahn gebrochen haben.[24] Die Bilder der messianischen Hoffnung haben mit ihren Visionen des Friedens und der gerechtigkeit, die die ganze Schöpfung (auch Tiere und Natur) umfasst, eine heilsame Unruhe ausgelöst, sich nicht mit dem „status quo“ zufrieden zu geben. Ohne diese gefährliche Erinnerung würden prinzipielle Alternativen zur gängigen Ordnung nicht mehr im Bewusstsein bleiben.
  • Der RU vergegenwärtigt die Gestalt Jesu Christi, der im 20. Jahrhundert die Grenzen der Christenheit überschritten hat und Zeitgenosse aller Kulturen geworden ist. Seine Botschaft und sein Handeln sind damals wie heute unzeitgemäß und haben zu einer spezifischen Sicht der Geschichte geführt: Es gibt Ereignisse in der Geschichte, die nicht vom Allgemeinen abgeleitet werden können, sondern diese Vorstellungen zutiefst in Frage stellen. Seine Weise, die Thora zu leben, nimmt die Angst um sich selbst und forderte immer zu jenem Mut heraus, der in der Hingabe an den je größeren G//T die Bereitschaft wachsen lässt, den eigenen „G//T“ um des anderen willen zu verlieren. Darin liegt wohl seine unvergleichliche und bis heute immer wieder neu einzuholende Provokation. Der RU verwirklicht die jesuanische Option einer Einheit von Gottes-, Nächsten- und Selbstliebe performativ, d.h. durch den Unterrichtsprozess selbst. Es scheint mir auch kein Zufall zu sein, dass der europäische Atheismus nicht nur in der Folge von Ludwig Feuerbach als „Wesen des Christentums“ Wirkung erzielen konnte.
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Die Lebendigkeit der Person Jesu Christi ist in der Gegenwart von neuem erwacht: Gerade in unserer Gegenwart erfährt seine Botschaft und seine Gestalt eine unerwartete Renaissance in jener Bewegung, die als evangelikales oder pfingstliches Christentum bezeichnet wird. Diese Bewegung ist die am schnellsten wachsende religiöse Bewegung der Gegenwart und wird nach allen Prognosen in den kommenden Jahrzehnten kaum an Dynamik einbüßen. Wenn diese Prognose stimmt, dann werden viele SchülerInnen der Zukunft davon geprägt sein.

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Nach der Besinnung der christlichen Kirchen auf ihre eigene Schuld und ihr Unheilsbewusstsein liegt im RU ein höchst kritisches Potential, um den „neu-alten“ Herausforderungen begegnen zu können, vor allem dem Antisemitismus und dem Rassismus.

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  • Der RU kultiviert in der Kirchengeschichte mit all ihren positiven und negativen Seiten in entscheidender Weise das kulturelle Gedächtnis unserer Gesellschaften, weil nur der RU den inneren Sinn und die aktuelle Bedeutung unzähliger Zeugnisse dieser Geschichte zu lesen anleitet und kritisch die Ursachen für Fehlentwicklungen bewusst hält. In diesem Bewusstsein muss er auch aktuelle Fragen aufgreifen und ohne Scheuklappen und Ideologie zu klären suchen. Es ist deshalb kein Defizit, sondern ein Qualitätsmerkmal, wenn sich die Lehrperson selbst als fragende, kritisch unterscheidende und mitunter auch als ratlose Person zu erkennen gibt, die in ihrem Glaubensringen selbst zum Beispiel werden kann.
  • Die Aufgabe, das kulturelle Gedächtnis der Gesellschaft zu pflegen, teilt der RU mit dem Geschichtsunterricht, der aber ohne die Herausforderung durch den RU wohl auf Dauer seinen umfassenden Horizont einbüßen würde. Auch in der Schule gilt in einem gewissen Sinne die verfassungsrechtlich so wichtige Bedeutung einer „balance of power“. Das daraus sich ergebende Verhältnis sollte in manche Kooperation einfließen.
  • Der RU stellt eine qualitative Globalisierungsinstanz ersten Ranges dar, weil er eine umfassende Solidarität (nicht nur mit Getauften) weltweit durch Bewusstseinsbildung und konkrete Aktionen einübt, die für die aktuelle Gesellschaft in ihren Krisen von höchster Bedeutung ist.
  • Der RU vertritt eine Vision und eine Idee gelingenden und erfüllten Lebens, das nicht auf Konsum und Haben, sondern auf spirituelle Erfahrung setzt, die auch im Verzicht Gewinn erfährt und eine durch die Liturgie geförderte Kraft besitzt, sich mit allen Menschen (den Lebenden, Toten und den Kommenden) als Gemeinschaft zu verstehen und entsprechend zu handeln.
  • Ein Alleinstellungsmerkmal des RU besteht in der Vermittlung ritueller Kompetenz durch eigene Erfahrung und angeleitete Gestaltungsverantwortung. Unter der Rücksicht, dass Gemeinschaften ohne Riten nicht denkbar sind (Clifford Geertz), ist diese Kompetenz nicht nur für die Gestaltung der Gesamtgesellschaft wichtig, sondern für die einzelnen Gruppen, insbesondere das Schulleben selbst, von besonderer Verantwortung.
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Mir scheint, dass es zu einer spirituellen Haltung und Lebensform in Zukunft unter den Bedingungen begrenzter Verbrauchsressourcen keine Alternative geben wird. Dass in den letzten Jahren sehr viele Weltanschauungen, auch atheistische, spirituelle Programme und Haltungen entwickelt haben, ist ebenso zu begrüßen, wie dies ein starkes Zeichen für die andauernde Inspirationskraft des gelebten Christentums darstellt. Denn der Begriff „Spiritualität“ ist eine Erfindung der französisch-katholischen Tradition, der von Hans Urs von Balthasar ins Deutsche übersetzt worden ist. Insofern stehen selbst jene Gruppen, die für eine „atheistische Spiritualität“ plädieren, im Erbe der christlichen Tradition. Deshalb können SchülerInnen und Schüler ganz unterschiedliche Wege mit ihrem Religionsunterricht antreten, nicht nur kirchliche. Und das ist gut so, solange sie dabei die Haltung bewahren, Vernunft und Freiheit hoch zu schätzen.

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Anmerkungen

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[2] Henry de Lubac, Glauben aus der Liebe. Catholicisme, Einsiedeln 31992, 263.

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[3] Ebd., 275.

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[4] Siehe zur aktuellen Positionierung katholischer Privatschulen: Rafael Frick, Katholische Schule 21. In: Engagement – Zeitschrift für Erziehung und Schule 34 (5/2016), 223–225.

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[5] Die entsprechenden „Religionsmonitore“ mit der Nachfrage nach bestimmten Glaubensüberzeugungen sprechen in dieser Hinsicht eine klare Sprache. Sie bestätigen nicht nur den gesellschaftlichen Pluralismus, sondern auch die innerkirchliche Diversität: https://www.bertelsmann-stiftung.de/de/unsere-projekte/religionsmonitor [23.08.2020].

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[6] Zweites Vatikanisches Konzil: Pastorale Konstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes.

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[7] In seiner Ansprache an die CIC-Reformkommission vom 20. November 1965 forderte Paul VI., dass der neue CIC vor allem von einem durch einen eigenen „novo mentis habitui“ des Konzils geprägt sein müsse, aus dem vor allem die pastorale Sorge erwachse im Blick auf die neuen Notwendigkeiten des Volkes Gottes (AAS 57 [1965] 985–989, hier 988). Diese Überzeugung strukturiert seine erste Enzyklika (Ecclesiam suam 1964). Dort heißt es: „Die Kirche muss zu einem Dialog mit der Welt kommen, in der sie nun einmal lebt. Die Kirche macht sich selbst zum Wort, zur Botschaft, zum Dialog.“ Die lateinische Fassung ist deutlicher: „Iamvero Ecclesiae in colloquium veniendum est cum hominum societate, in qua vivit; ex quo fit, ut eadem veluti speciem et verbi, et nuntii, et colloquii induat“ (Paul VI., Ecclesiam Suam. Enzyklika vom 6. August 1964. Lateinischer Text und deutsche Übersetzung, AAS 56 (1964) 609–659, Leipzig 1964, Nr. 65). Die Kirche solle die „Gestalt/speciem“ sowohl des Wortes, als auch der Botschaft und des Gesprächs mit den Menschen in der Gesellschaft, in der sie lebt, annehmen.

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[8] Zur Debatte um Säkularisierung und Säkularität siehe: Charles Taylor, Ein säkulares Zeitalter, Berlin 2012.

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[9] Martin Luther, Der große Katechismus deutsch. In: Die Bekenntnisschriften der evangelisch-lutherischen Kirche. Herausgegeben im Gedenkjahr der Augsburgischen Konfession 1930. Göttingen 91982, 543–733, hier 560.

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[10] Ebd., 566–567.

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[11] Unter der ausufernden Literatur: Oliver Krüger, Virtualität und Unsterblichkeit. Gott, Evolution und die Singularität im Post- und Transhumanismus., 2. überarb. u. ergänzte Auflage, Freiburg 2019.

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[12] Siehe: https://www.bundeskanzleramt.gv.at/themen/nachhaltige-entwicklung-agenda-2030.html [23.08.2020]. Die Katholisch-Theologische Fakultät Innsbruck ist mit der Betreuung von SDG 16 beauftragt worden: „Friede, gerechtigkeit und starke Institutionen“. Dieses Ziel entspricht in einem hohen Maße jenen Vorschlägen und weltweiten Initiativen, die die katholische Soziallehre seit vielen Jahren angeregt hat, und heute im Pontifikat von Franziskus mit der Enzyklika Laudato sì (2015) verbunden wird. Papst Franziskus hat 2016 eine kuriale Institution gegründet, die diesen Zielen zu dienen sucht: „Dikasterium für den Dienst zugunsten der ganzheitliche Entwicklung des Menschen“: http://www.vatican.va/roman_curia/sviluppo-umano-integrale/index_ge.htm [23.08.2020].

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[13] Dazu das Meisterwerk von Jürgen Habermas, Auch eine Geschichte der Philosophie. Bd. 1: Die okzidentale Konstellation von Glauben und Wissen; Bd. 2: Vernünftige Freiheit. Spuren des Diskurses über Glauben und Wissen, Frankfurt am Main 32020.

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[14] Siehe dazu die umfassende historische Orientierung: Heinrich A. Winkler, Die Geschichte des Westens. Bd. 1: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (2009); Bd. 2: Die Zeit der Weltkriege (2011); Bd. 3: Vom Kalten Krieg bis zum Mauerfall (2014); Bd. 4: Die Zeit der Gegenwart (2015), München 2009–2015. (Sonderausgabe 2016). In einem Band zusammengefasst: Werte und Mächte. Eine Geschichte der westlichen Welt, München 2019.

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[15] So schon die Grundoption der Gemeinsamen Synode der Bistümer in der Bundesrepublik Deutschland (Würzburg) in Ihrem Grundsatzpapier zum RU 1976: „Der Religionsunterricht in der Schule“ (abzurufen unter: https://www.dbk.de/fileadmin/redaktion/Synoden/gemeinsame_Synode/band1/synode.pdf [23.08.2020]).

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[16] Diese Funktionalisierung prägt auch die Debatte um den Ethikunterricht, von dem ebenfalls Wertevermittlung und Einübung demokratisches Verhalten erwartet wird. Dies wird früher oder später dazu führen, über die Grenzen der Schule und eines Ethikunterrichts nachzudenken.

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[17] Nostra aetate 2 entwickelt folgende Perspektiven, um die Grundhaltung der Kirche in der Begegnung mit Menschen anderen Glaubens zu erläutern: 1.: Begegnung in Hochachtung, die nichts verwirft, was in den anderen Traditionen wahr und heilig ist, weil aufrichtig auch jene Handlungen und Überzeugungen bedacht werden [„considerare“!], die von den eigenen Überzeugungen auch mitunter erheblich abweichen. Denn in ihnen ist ein Strahl jener Wahrheit zu erkennen, die sie selber trägt. 2.: Sie hat Christus zu verkünden, weil er die Wahrheit und das Leben verkörpert, die alles mit Gott versöhnt hat und die Menschen in ihm die Fülle des religiösen Lebens finden. Diese Verkündigung beruht selbstverständlich auf einer Mystik der Gegenwart, muss heute hinzugefügt werden. 3.: In Klugheit und Liebe sollen die Glaubenden durch Gespräch und Zusammenarbeit als essentieller Ausdruck des eigenen Glaubenszeugnisses, jene sittlichen und spirituelle Güter, die sich bei den anderen finden, anerkennen, wahren und fördern! Ich betone das „considerare“, weil dieser Begriff kaum zu übersetzen ist, den Text von Nostra aetate strukturiert und eine geistige Haltung zum Ausdruck bringt, die die verschiedensten Seiten einer Frage abwägt, alle möglichen Gesichtspunkte integriert und, so meine Interpretation, als intellektuelle Nächstenliebe zu leben ist. Damit entspricht diese Haltung jenem vollen Sinn, den die Magna Charta der Fundamentaltheologie (1 Petr 3,14-15) entworfen hat, aber in der gängigen Entwicklung der Theologie um seine Voraussetzung und seine Begegnungsform verkürzt worden ist. Wer vom Logos der Hoffnung gegenüber alle Menschen bereit ist zu sprechen, kann das nur angemessen, wenn er Christus in seinem Herzen heilighält, und demütig und bescheiden antwortet. Ohne Christusmystik und epistemische Demut kann eine christliche Theologie ihren Auftrag nur verfehlen, auch wenn alle ihre Schlüsse gültig und sie als Siegerin aus allen Disputationen hervorgehen würde. Denn ohne die Liebe ist alles nichts (1 Kor 13).

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[18] John Henry Newman, Zur Philosophie und Theologie des Glaubens. Oxforder Universitätspredigten. Ausgewählte Werke VI., Mainz 1964, 524. In der Dynamik der Digitalisierung wird diese Grunderkenntnis aller Bildung sträflich vernachlässigt.

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[19] Wie z.B. die seither festzustellende Lehrentwicklung der Kirche es zeigt: z.B., zur Todesstrafe KKK 2267;

KKK 1283 lehrt die Hoffnung für ungetauft gestorbene Kinder, auch wenn Benedikt XVI. die Frage des „Limbus“ erst 2007 nach der Stellungnahme der Internationalen Theologenkommission entschieden hatte. Damit wird der Lehre des Konzils von Florenz kontradiktorisch widersprochen (DH 1306).

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[20] Michael Grimmitt / Garth Read, Teaching Christianity in Religious Education. Great Wakering 1975.

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[21] Diese Methode liegt dem entsprechenden Unterricht in der Schweiz zugrunde.

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[22] So das Modell im laizistischen Frankreich.

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[23] Dieses Bild aus der buddhistischen Tradition wird als Motiv des christlich-buddhistischen Dialogs aufgegriffen und bearbeitet in: Perry Schmidt-Leukel, „Den Löwen brüllen hören“. Zur Hermeneutik eines christlichen Verständnisses der buddhistischen Heilsbotschaft (Münchener Universitätsschriften Katholisch-Theologische Fakultät 23), Paderborn / München 1992.

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[24] Jan Assmann, Exodus. Die Revolution der Alten Welt. München 32015.

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