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Löffler Winfried: Soziale <strong>gerechtigkeit</strong>
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Soziale gerechtigkeit
(Wurzeln und Gegenwart eines Konzepts in der Christlichen Soziallehre)

Autor:Löffler Winfried
Veröffentlichung:
Kategorieartikel
Abstrakt:Nicht überall ist bekannt, dass die gegenwärtig viel diskutierten Konzepte "sozialer gerechtigkeit" eine wesentliche historische Wurzel in den christlichen Traditionen haben
Publiziert in:in: gerechtigkeit im politischen Diskurs der Gegenwart. Hg. von Peter Koller. Wien: Passagen2001, 65-88
Datum:2003-10-07

Inhalt

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Nicht nur in Österreich und nicht erst in den letzten Monaten scheint der Appell an die „soziale gerechtigkeit" inflationär geworden zu sein; seit langem gibt kaum eine politische Rede, die ohne ihn auskommt. Und ebenso nicht neu ist die Kritik, dass „soziale gerechtigkeit" zu einer Worthülse mit beliebigen politischen Inhalten verkommen sei. Tatsächlich sind es durchaus konträre politische Ansinnen, die mit dem Verweis auf soziale gerechtigkeit moralisch unangreifbar gemacht werden sollen - die Einführung von Studiengebühren ebenso wie deren Verhinderung, der Ausbau sozialstaatlicher Transferleistungen ebenso wie ihr Umbau oder Abbau, verschiedenste Maßnahmen im Bereich der Steuer- und Abgabenrechts, und vieles mehr. Die einzige Gemeinsamkeit aller „sozial gerechten" Gestaltungsvorschläge scheint die zu sein, dass es jeweils die eigenen sind. Ungeachtet dieses Vorherrschens primär rhetorischer Verwendungsweisen - übrigens im deutschen ebenso wie im angelsächsischen (1) Raum - gibt es aber nach wie vor auch gehaltvolle Konzeptionen von „sozialer gerechtigkeit" im Rahmen der Sozialphilosophie und auch der Theologie.(2)

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Ein ideengeschichtlich wesentlicher, wenngleich nicht allzu bekannter Strang auf dem Weg zu dieser Situation sind die Redeweisen und Konzeptionen von „sozialer gerechtigkeit" im Rahmen der Christlichen Soziallehre. Die frühesten Vorkommnisse dieser Redeweise stammen sogar aus diesem Bereich. Diesen historischen Wurzeln werde ich in Kapitel II nachgehen. Kapitel III soll skizzieren, welche Auffassung von sozialer gerechtigkeit aus gegenwärtigen Überlegungen der christlichen Soziallehre erhebbar ist. Dem Ganzen vorgeschaltet, in Kapitel I, finden sich - dem interdisziplinären Charakter dieses Symposiums Rechnung tragend - einige nötige Klarstellungen zum Gegenstandsbereich, um den es geht.

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I. Christliche Soziallehre - Vorklärungen zum Gegenstand

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Neben einem Wahrnehmbarkeitsproblem(3) ringt die christliche Soziallehre nämlich seit einigen Jahrzehnten mit einem Problem, zu dem es inzwischen zwar regalfüllende Literatur, aber keine allgemein akzeptierte Antwort gibt: dem Problem der Selbstvergewisserung über ihren eigenen Standort und ihren Wissenschaftscharakter, und damit letztlich der Frage nach ihrer Existenzberechtigung. Ich gehe ein wenig auf diese Diskussion ein, weil es (1) ohne Kenntnis dieses Hintergrundes in der Frage nach christlichen Auffassungen von gerechtigkeit, insbesondere sozialer gerechtigkeit, wenig Weiterkommen gibt, und weil (2) die erwähnte Diskussion gerade bei diesem Thema eine sachliche Zuspitzung erfahren könnte.

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Was dem Außenstehenden schon bei einem oberflächlichen Blick in die einschlägige Literatur und Institutionenlandschaft sofort auffällt, ist eine gewisse Unübersichtlichkeit bzw. Variationsbreite innerhalb der Terminologie, unter der anscheinend doch sehr ähnliche Dinge verhandelt werden: Christliche Sozialethik, christliche Soziallehre, christliche Gesellschaftslehre, christliche Gesellschaftsethik, Soziallehre der Kirche, katholische Soziallehre, katholische Gesellschaftslehre, christliche Sozialwissenschaften, evangelische Sozialethik, katholische Sozialethik und noch einige andere Kombinationen sind vertreten. Umgekehrt gibt es Autoren, die unter neutralen Titeln wie „Sozialethik" oder „Politische Ethik" ganz offenkundig zentrale Inhalte der katholischen Soziallehre transportieren. (4) Hinter diesen Variationen steckt meist aber mehr als terminologische Nachlässigkeit; diese semantische Unübersichtlichkeit ist vielmehr Abbild einer Grundlagendebatte darüber, welche Art von Wissenschaft hier eigentlich zu betreiben ist. Diese Debatte nimmt mitunter erstaunlich heftige Züge bis an den Rand zur Polemik (5) an; und bereits durch die Entscheidung für einen Terminus erweckt man mitunter den Eindruck, in dieser Debatte schon Partei zu ergreifen. Als Schneise durch dieses unübersichtliche Terrain schlage ich vor, folgende drei Größen auseinander zu halten:

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(a) Die Dokumente kirchlicher Sozialverkündigung, katholischerseits sind das vor allem die bekannten „Sozialenzykliken" sowie die Pastoralkonstitution Gaudium et spes des II. Vatikanischen Konzils, seit einigen Jahren aber vermehrt auch teilkirchliche Sozialworte und Sozialhirtenbriefe, die z.T. in einem breiteren Konsultations- und Diskussionsprozeß erarbeitet wurden (etwa in den USA 1986, in Österreich 1990). Neuerdings werden solche Dokumente sogar ökumenisch erarbeitet, etwa in Deutschland 1997 (evangelisch-katholisch), und derzeit (seit 2000) wieder in Österreich durch 14 hier vertretene christliche Kirchen.

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(b) Die sog. „Katholische Soziallehre" in ihrer mehr oder minder festgefügten Form, als deren wichtigste und bekannteste Bestandteile man i.d.R. die sog. „Sozialprinzipien" (Subsidiaritätsprinzip etc.) ansieht.

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(c) Das, was in kirchennahen (nicht nur katholischen!) Institutionen an wissenschaftlicher Reflexion zu sozialethischen Fragen betrieben und an Ergebnissen vertreten und veröffentlicht wird. Ich schlage vor, dies „christliche Sozialethik" zu nennen, und zwar zunächst nur in diesem dünnen, institutionellen Sinne, ohne damit irgendwelche Behauptungen über ein einheitliches System und über die Erkenntnisgrundlagen dieser Disziplin zu verbinden.(6)

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Es ist wichtig zu sehen, dass a) bis c) nicht dasselbe sind, obwohl es natürlich starke Interdependenzen zwischen diesen Größen gab und gibt: In Sozialdokumente fließt der jeweilige Stand der christlichen Sozialethik ein, umgekehrt stimulieren solche Dokumente natürlich die christlich-sozialethische Reflexion; die katholische Soziallehre hat einige kirchliche Sozialdokumente nachhaltig geprägt, umgekehrt beriefen sich die Systematisierungen der katholischen Soziallehre in wichtigen Punkten auf die älteren Sozialdokumente, etc.

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Seit einigen Jahren bis Jahrzehnten allerdings wird besonders der Unterschied zwischen b) und c) stark betont. Die „Katholische Soziallehre", so lautet ein gängiger Stehsatz, sei i.W. als sozialphilosophische Disziplin konzipiert gewesen, die auf der neuscholastischen Naturrechtslehre fuße, und damit ebenso obsolet wie letztere, während heute nur mehr eine christliche Sozialethik, die pointiert als theologische Disziplin verstanden wird, vertretbar sei. (7) Tatsächlich kann sich eine solche Auffassung mit gewissem Recht auf einige Textstellen im II. Vatikanischen Konzil und besonders in den Sozialenzykliken Johannes Pauls II. berufen. (8) Ein näherer Blick auf das in Vergangenheit und Gegenwart faktisch Gebotene nährt allerdings den Verdacht, dass die Dinge so einfach doch wieder nicht liegen können.

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Im Hinblick auf die Vergangenheit wage ich die Vermutung, dass die einheitliche, neuscholastisch-naturrechtlich verfasste katholische Soziallehre eine Art Strohmann ist, auf den man zwar trefflich schießen kann, der in der behaupteten deduktiv-geschlossenen Gestalt aber wohl nie die faktische Bedeutung erlangt hat, die man ihm weithin zuschreibt. Im Rahmen eines in Wien stattfindenden Symposiums mag hier auf Johannes Messner hingewiesen werden, der häufig als Paradebeispiel dieser Art von naturrechtlicher Soziallehre gehandelt wird. Ein Blick in seine Texte(9) zeigt allerdings sehr schnell, dass sein Umgang mit den verschiedenen Naturrechtstraditionen höchst freizügig ist, (10) und dass der Grundduktus seines Denkens im Grunde empirisch-induktiv ist: Messner schöpfte aus vor allem aus seiner breitesten Kenntnis wirtschaftlicher, rechtlicher, soziologischer, historischer und anderer Zusammenhänge und versuchte auf dem Hintergrund einiger (von ihm durchaus als „naturrechtlich" begründet betrachteten) Grundüberzeugungen über das Menschenbild und die gerechtigkeit zu einem vernünftigen Urteil in teilweise höchst komplexen Materien zu gelangen. Ähnliches lässt sich von Oswald von Nell-Breuning, (11) dem im deutschen Sprachraum vermutlich bekanntesten Vertreter der „klassischen" katholischen Soziallehre (und wesentlichen Verfasser der Sozialenzyklika Quadragesimo Anno (1931), siehe dazu weiter unten), sagen. Die Stärke seines Denkens beruhte auf seiner breiten Sachkenntnis und seiner Wahrnehmungsgabe für politische, soziale und wirtschaftliche Entwicklungen; die theoretischen Begründungsfragen treten in ihrer Bedeutung dagegen zurück. Ohnehin nimmt Nell-Breuning dem „Naturrechts"-Vorwurf mit seiner immer wieder betonten Unterscheidung zwischen dem nichtbeliebigen, unwandelbaren Naturrecht einerseits und den Naturrechts lehren andererseits, also unseren wandelbaren und fehleranfälligen Ansichten darüber, was aus der Natur der Sache heraus rechtens sein müsste, die Spitze. Und in praxi, außerhalb der Begründungsdiskurse, in den Beurteilungen konkreter Einzelfragen, unterschieden und unterscheiden sich die Stellungnahmen von christlichen Sozialethikern verschiedener Prägung ohnehin wieder erstaunlich wenig.

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Ein ähnlicher Befund ergibt sich bezüglich der Dokumente der kirchlichen Sozialverkündigung. Nicht zu Unrecht wird hier darauf hingewiesen, dass besonders seit Johannes XXIII. ein eher induktiv-suchender Argumentationsstil, etwa nach dem Schema „Sehen-Urteilen-Handeln", vorherrscht. Allerdings ist auch unübersehbar, dass dieser Stil auch in einigen der früheren Dokumente, insbesondere etwa in der genannten Enzyklika Quadragesimo Anno, durchaus schon angelegt war, vor allem dort, wo es um die Analyse von und kritische Auseinandersetzung mit ökonomischen und politischen Zeiterscheinungen ging. Unzweideutige Beispiele der behaupteten durchgängig deduktiv-naturrechtlichen Argumentationsweise sind insgesamt überraschend selten erkennbar. Freilich ist einzuräumen, dass in den älteren Dokumenten wenig explizit theologische Argumentationsmuster vorkommen und die eingestreuten Bibelzitate eher wie ein Aufputz wirken - aber dies ist wieder eine andere Frage. (12) Dieser Befund harmoniert mit der Tatsache, dass Bezüge zu den traditionellen Beständen der katholischen Soziallehre bis heute doch immer wieder als argumentative Topoi dienen, sowohl in kirchlichen Sozialdokumenten als auch in der wissenschaftlichen Reflexion.

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Soweit der Blick in die Vergangenheit. Im Blick auf die Gegenwart müsste sich eine rein theologische Begründung der Sozialethik fragen lassen, ob sie einer doppelten Gefahr entgehen kann. Ich nenne die erste dieser Gefahren die Komplexitätsfalle: (13) was angesichts zunehmend komplexer und unübersichtlicher Sachzusammenhänge und den verschiedensten kleinräumigen Rationalitätskalkülen darin sittlich verantwortbar ist, ist auch dann noch schwer zu entscheiden, wenn man sich hinreichende Sachkompetenz angeeignet hat. Diese Gefahr, in der Komplexitätsfalle zu sitzen, teilt die christliche Sozialethik natürlich in gewissem Ausmaß mit anderen sozialethischen Ansätzen ebenso wie mit der konkreten Politik; wie jedoch aus den biblischen Grundlagen einer solchen theologischen Ethik (vor allem dem Befreiungsmotiv der Exoduserzählung, der sozialen Botschaft der Propheten, der Lehre und Praxis Jesu, der Lehre und Praxis des heiligen Paulus und der ersten Gemeinden) Lösungen für heutige Fragestellungen zu entnehmen sind, erscheint ganz besonders schwierig. Immerhin stammen diese Texte aus uns sehr fern liegenden Zeiten, Gesellschafts- und Wirtschaftsformen. Der übliche Ausweg aus dieser Falle ist, dass der biblischen Botschaft genau genommen nicht mehr als eine Anzahl an ungefähren Zielbestimmungen und Wertsetzungen entnommen wird; in ihre Konkretisierung und Anwendung fließt dann doch wieder eine Menge an moralphilosophischen Prämissen, wirtschaftlichen Erfahrungstatsachen etc. stillschweigend mit ein.

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Die zweite Gefahr hängt z.T. mit diesem Ausweg aus der ersten zusammen; ich nenne sie die Redundanzfalle: nicht nur in der konkreten Umsetzung, also bei der Suche nach begründeten christlichen Stellungnahmen zu Einzelfragen, muss eine theologisch verstandene Sozialethik Anleihen bei Moralphilosophie und Einzelwissenschaften machen, auch in Bezug auf die erwähnten Ziele und Wertsetzungen - bei Johannes Paul II. ist es besonders die Würde der Person - unterscheidet sie sich wenig von dem, was unter vernünftigen Menschen im Grunde ohnehin kaum bestritten wird.(14) Man könnte dies gerade als Stärke und Chance der christlichen Sozialethik interpretieren (und in der Tat wäre es schöpfungstheologisch gesehen problematisch, wenn es wesentlich anders wäre). Aber es fragt sich, was dann das inhaltliche Proprium, das „spezifisch Christliche" einer theologisch begründeten Sozialethik sein könnte - oder ob es im Wesentlichen wirklich nur um eine andere Begründungsweise und eine andere Motivationsquelle für eine bestimmte Praxis geht, etwa nach dem Muster: Christen haben für ihr Engagement zwar auch eine religiöse Begründung und sind vielleicht besonders motiviert, ihre kritische Stimme ohne Ansehen des eigenen Risikos zu erheben und so zum „Sauerteig" und zum „Salz der Erde" zu werden, auf der Ebene der ethischen Theoriebildungen unterscheiden sie sich von anderen Nachdenkenden über sozialethische Fragen aber gar nicht so wesentlich, da es für dieselben Standpunkte durchaus auch andere Begründungen gibt. Ein Indiz für die Richtigkeit dieser Interpretation scheint mir jedenfalls zu sein, dass die Hauptgesprächspartner (und mitunter auch Prämissenlieferanten) vieler pointiert theologischer Sozialethiker von heute doch wieder aus rechts- und sozialphilosophischen Begründungsdiskursen stammen: Rawls, Walzer, Taylor, Habermas, Höffe und andere mehr. Und in Bezug auf die Dokumente der Verkündigung - ich denke gerade an das erwähnte ökumenische deutsche Sozialwort von 1997 - zeigt sich unbeschadet der vielen theologischen Argumentationsansätze ohnehin eine erstaunliche inhaltliche Kontinuität zu traditionellen Beständen der katholischen Soziallehre. (15) Am ehesten tritt in Form der „Option für die Armen" ein echtes Spezifikum christlicher Soziallehre - und auch christlicher Konzeptionen von sozialer gerechtigkeit - entgegen, das sich in seiner vollen Form wohl nur theologisch begründen lässt. Aber auch dazu nochmals später.

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II. Zur Frühgeschichte der Rede von „Sozialer gerechtigkeit"

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Wenden wir uns nun der Ideengeschichte von gerechtigkeit, insbesondere „sozialer gerechtigkeit" im Rahmen der christlichen Soziallehre zu. (16) Die im kirchlichen Raum lange Zeit übliche Theorie der gerechtigkeit baute auf der auf Aristoteles und Thomas von Aquin zurückgehenden Dreiereinteilung in austeilende, ausgleichende und gesetzliche gerechtigkeit auf. Diese drei Arten bilden eine Art Dreieck: (17) zwischen den Individuen der Gemeinschaft sollte ausgleichende gerechtigkeit herrschen, im Austausch von Leistung und Gegenleistung. Die Gemeinschaft (eigentlich: die Obrigkeit) erweist den Individuen von oben herab austeilende gerechtigkeit, umgekehrt erweisen die Individuen der Gemeinschaft von unten nach oben Gehorsam im Sinne der gesetzlichen gerechtigkeit, indem sie ihren gerechten Gesetzen Folge leisten und ihr die Mittel zur Verfügung stellen, die zu ihrem Funktionieren nötig sind. Bei Thomas von Aquin (Summa Theologica IIa IIae, quaestiones 57-79) erfährt dieses im Grund an individualethischen Vorstellungen orientierte Bild noch die sozialethische Verdeutlichung, dass auch die Gesetze selbst einem gerechtigkeitsmaßstab genügen müssen: Gesetze sind gerecht dann und nur dann, wenn sie dem bonum commune, dem Gemeinwohl dienen. Nicht dem Worte nach, aber sachlich ist diese Idee der Gemeinwohlgerechtigkeit eine wesentliche Vorstufe zu neuzeitlichen Vorstellungen sozialer gerechtigkeit. In der Folgezeit entspannen sich allerdings gewisse Diskussionen, ob die gesetzliche gerechtigkeit tatsächlich eine eigene gerechtigkeitsform sei, oder ob sie nicht doch auf eine der anderen Formen reduzierbar wäre.

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Wie auch immer: Das Dreiecksbild dominierte weithin, und mit seiner bestechenden Übersichtlichkeit verbanden sich gewisse Vollständigkeitsvorstellungen. Dies erklärt (zumindest zum Teil) die Widerstände, auf die die im 19. Jahrhundert aufkommende Rede von „sozialer gerechtigkeit" am Beginn des 20.Jhs. stieß, ebenso wie die vielen z.T. krampfhaften Versuche, die soziale gerechtigkeit irgendwie in dieses Dreiecksschema zu integrieren. Dennoch: anscheinend ist die Rede von „sozialer gerechtigkeit" erstmals - vielleicht vor Proudhon (1840) und sicher vor Mill (1861) (18) - gerade im katholischen Raum aufgetaucht. Nachweisbar ist sie jedenfalls 1840 bei dem sizilianischen Jesuiten Luigi Taparelli (1793-1862) in seinem umfangreichen und durchaus einflussreichen Werk „Theoretischer Versuch über das auf Fakten gestützte Naturrecht". (19) Das später mehrmals neu aufgelegte Werk erschien übrigens bereits 1845 in Regensburg in deutscher Übersetzung. (20) Etwas später, bei Antonio Rosmini, taucht diese Redeweise sogar im Titel seiner Muster-Staatsverfassung auf: „Entwurf einer Verfassung im Sinne der sozialen gerechtigkeit", „Progetto di costituzione secondo la giustizia sociale" (Mailand 1848).

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Taparelli wird häufig unbesehen als „Neuscholastiker" eingereiht; schon ein ganz oberflächlicher Blick in das erwähnte Buch lehrt aber, dass das nur cum grano salis stimmen kann. Sein Wirken fällt zwar zeitlich in die ersten Anfänge der entstehenden Neuscholastik, liegt aber noch lange vor der gesamtkirchlichen Vereinheitlichung der Philosophie und Theologie, die das späte 19. und frühe 20. Jh. kennzeichnet. (21) Sachlich ist Taparelli viel eher noch ein Exponent der eklektischen katholischen Philosophie des frühen 19.Jahrhunderts, (22) und seine Bezüge zur mittelalterlichen Scholastik dürften eher indirekt im Wege der Barockscholastik gegeben sein. Direkte Verweise auf Thomas sind äußerst selten, besonders stark schöpft er dagegen aus den Naturrechtslehren der Neuzeit, vor allem jenen rationalistischer Provenienz.(23) „Soziale gerechtigkeit" bedeutet bei Taparelli die natürliche gattungsmäßige Gleichheit der Menschen, unabhängig von ihren individuellen Unterschieden, und die daraus erfließenden natürlichen, unveräußerlichen Menschenrechte, die es zu schützen gilt, so weit sie nicht mit ebensolchen Rechten anderer kollidieren, und denen die Gestaltung des Gemeinwesens entsprechen muss:

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„353. Aus dem Begriffe des Rechts entspringt von selbst der Begriff der Social gerechtigkeit. [Kursivierung nur im italienischen Original, W.L.] Ein mit gesundem Verstand begabter Mensch bewundert die Ordnung und liebt sie (286 u. f.) sowohl in sich als in Anderen, und mithin fühlt er auch die Neigung, sie zu beobachten, indem er die genau Uebereinstimmung des Rechts mit der Erfüllung der Pflicht zu realisiren trachtet. Diese zur Gewohnheit gewordene Neigung, Recht und Pflicht auszugleichen, pflegt man gerechtigkeit zu nennen. Soll aber diese Ausgleichung fest und sicher bewirkt werden, so muß der Mensch Anhaltspunkte haben, von welchen er in Formirung seiner Urtheile ausgeht; und welche werden diese Anhaltspunkte sein?

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354. Die Socialgerechtigkeit bedeutet uns gerechtigkeit eines Menschen gegen den andern [im Original: giustizia fra uomo e uomo, „gerechtigkeit zwischen Mensch und Mensch" wäre eine bessere Übersetzung, W.L.]. (314., 319.) Welches sind nun die Verhältnisse, in denen ein Mensch zum andern steht? Es genügt die Form dieser Frage zu betrachten, um einzusehen, dass ich vom Menschen im Allgemeinen rede, d.h. vom Menschen, als nur mit den zum Begriffe Mensch essentiellen Eigenschaften begabt [im Original: come dato dei soli requisiti di umanità], vom Menschen, als einem Wesen aus Geist und Körper zusammengesetzt. Unter dieser Beziehung tritt gewiß das Verhältniß völliger Gleichheit [Kursivierung nur im italienischen Original, W.L.] zwischen den Menschen hervor, denn Mensch und Mensch heißt hier nichts anderes als Menschheit zweifach gesetzt: und kann man wohl ein gleicheres Verhältniß als dieses finden? Ich kann deßhalb folgern, dass die Socialgerechtigkeit faktisch alle Menschen gleichstellen muß in dem, was die Rechte der Menschheit im Allgemeinen betrifft; eben so wie der Schöpfer jedem Menschen die gleiche menschliche Natur gab; und der Mensch, welcher nach der Norm dieser gerechtigkeit handelt, erfüllt also die Absichten seines Schöpfers."(24)

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Aus diesem abstrakten Gleichheitsprinzip, der faktischen, natürlichen Ungleichheit der konkreten Individuen und dem fundamentalsten Moralprinzip „Tue das Gute!" entwickelt Taparelli nun die einzelnen „Sozialrechte" und „Sozialpflichten" (Wahrhaftigkeit, Wohlwollen, öffentlicher Anstand, Ehrung des Mitmenschen, Liebespflicht, Rache- und Duellverbot etc.; Recht auf Eigentum etc.). Hier sei nur eine der Einleitungspassagen wiedergegeben:

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„[...] 359. Mit diesen Begriffen von Recht und gerechtigkeit, begründet wie sie sind auf das Faktum der natürlichen Identität der Natur und der ebenso natürlichen Ungleichheit der Inidividuen, können wir nun zur Betrachtung der einzelnen Socialrechte und Socialpflichten übergehen, mit der sicheren Ueberzeugung, sie alle aus derselben Natur und aus den Thatsachen entspringen zu sehen. Weil das erste Moralprincip in seiner Anwendung auf die Gesellschaft [all' essere sociale] uns verpflichtet, Andern wohlzuthun, und daher uns von jeder Störung des Wohls zu enthalten, so ist es klar, daß im Nebenmenschen ein entsprechendes Recht entsteht, zum eigenen Vortheil zu handeln, ohne von uns gehindert zu werden, so lange nicht selbst unserm Wohle dadurch Eintrag geschieht." (25)

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Dieses Konzept sozialer gerechtigkeit im Sinne Taparellis ist sowohl geschichtlich bemerkenswert - der Weg bis zur kirchlichen Anerkennung der allgemeinen Menschenrechte in den 1960er Jahren war bekanntlich noch lange und mühsam -, als auch sachlich: die austeilende und die ausgleichende gerechtigkeit werden als Konsequenzen der sozialen gerechtigkeit, also der fundamentalen Gleichheit der Menschen aufgefasst. Ebenso werden die sozialen Rechte und sozialen Pflichten als Folgen der gattungsmäßigen Gleichheit aller Menschen entfaltet. Zumindest ansatzweise ist damit eine Entwicklung vorweggenommen, die die spätere katholische Soziallehre prägen wird: dass nämlich soziale gerechtigkeit als eine Art übergeordnetes Leitbild betrachtet wird. Aber bis dorthin ist es noch ein langer Weg, und es zieht sich dorthin keineswegs eine durchgehende Linie von Taparelli und Rosmini her. Wie es scheint, hatten Taparellis Schriften aber doch beträchtlichen sachlichen Einfluss auf den nachmaligen Papst Leo XIII., den Verfasser der ersten Sozialenzyklika Rerum Novarum, (26) und trugen wohl das ihrige dazu bei, dass „gerechtigkeit" zu einem Grundthema kirchlicher Sozialverkündigung überhaupt wurde.

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Die zweite begriffsgeschichtlich interessante Epoche ist die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert. In dieser Zeit, vor dem Hintergrund der seit langem brennenden sozialen Probleme der Gesellschaften des 19.Jh.s, begann der Ruf nach „sozialer gerechtigkeit" zu dem ubiquitären und mit verschiedensten Inhalten füllbaren Slogan zu werden, der er auch heute noch in politischen Debatten ist. Auch der kirchliche Sprachgebrauch scheint sich dem nicht ganz verschlossen zu haben; jedenfalls taucht am 14.3.1904, in der Enzyklika Iucunda sane Papst Pius' X. zum 1300. Todestag Gregors des Großen, (27) erstmals die Rede von „sozialer gerechtigkeit" in einem päpstlichen Schreiben auf: Gregor sei ein publicus justitiae socialis adsertor gewesen, ein öffentlicher Verteidiger der sozialen gerechtigkeit. Die nächsten Vorkommnisse dieser Rede in offiziellen Schreiben scheinen allerdings erst wieder aus den 20er Jahren zu datieren. Hinter den Vorkommnissen dieser Epoche ist allerdings noch keine einheitliche Konzeption erkennbar. In die selbe Zeit fallen auch die ersten Anfeindungen der Rede von sozialer gerechtigkeit, hinter der manche konservative Kreise ein Einfallstor für die Gifte des Modernismus, des Sozialismus etc. vermuteten. (28) Und schließlich taucht „soziale gerechtigkeit" um die Jahrhundertwende auch erstmals in Lehrbüchern der Moraltheologie auf. Inzwischen hatte sich Neuscholastik konsolidiert; ich verweise etwa auf die bereits erwähnte Thomas-Enzyklika Aeterni Patris von 1879, in der Leo XIII. den Thomismus als die angemessene Philosophie für die katholischen Schulen empfohlen hatte. Auf diesem Hintergrund konnte die zuvor bereits einmal angesprochene, ausführliche und z.T. heftige Debatte beginnen, wie denn die soziale gerechtigkeit zum traditionellen Dreieck von austeilender, ausgleichender und gesetzlicher gerechtigkeit steht. Man kann dabei grob zwischen drei Meinungstendenzen unterscheiden:(29)Erstens der Tendenz, die soziale gerechtigkeit in das traditionelle Dreieck einzubauen, etwa als Synonym für die Gesetzesgerechtigkeit, oder als Zusammenfassung von Verteilungsgerechtigkeit und Gesetzesgerechtigkeit, oder als Verwirklichung aller drei gerechtigkeitsarten gemeinsam.

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Die zweite Tendenz sind verschiedene Versuche, die soziale gerechtigkeit außerhalb, als Zusatz zu den traditionellen gerechtigkeitsformen anzusiedeln. Johannes Messner etwa erkannte, dass die traditionelle Dreiteilung ausschließlich auf das Verhältnis zwischen Individuum und Staat hin gemünzt war, und dass darin für die moderne Unterscheidung von Gesellschaft und Staat im Grunde kein Platz war. Als soziale gerechtigkeit bezeichnete er daher die gerechtigkeit zwischen Gruppen und Verbänden, die der staatlichen Regelung nur mittelbar oder gar nicht unterworfen waren, etwa im Bereich der Regelung von Löhnen und Preisen. Soziale gerechtigkeit fungiert hier also als Ergänzung der traditionellen drei Formen.

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Historisch am wirkmächtigsten wurde die dritte Tendenz, nämlich die Position von Gustav Gundlach und (ihm folgend) Oswald von Nell-Breuning. Sie ordnen die soziale gerechtigkeit den drei traditionellen gerechtigkeitsformen über: Soziale gerechtigkeit wird zur allgemeinen gerechtigkeit, der die Verteilungs-, Gesetzes- und ausgleichende gerechtigkeit als partikulare gerechtigkeiten nachgeordnet werden. Und jetzt wird soziale gerechtigkeit als umfassende Gemeinwohlgerechtigkeit verstanden. (30)

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Diese Sicht der Dinge wurde folgenreich für die nächsten Jahrzehnte, insbesondere deshalb, weil mit der Enzyklika Quadragesimo Anno 1931 die Rede von „sozialer gerechtigkeit" erstmals in großem Stile ein kirchliches Dokument prägte. Das ist insofern kein Zufall, als der wesentliche Verfasser dieses Dokuments, wie wir heute wissen, niemand anderer als Nell-Breuning war, und Gundlach ihn an einigen der für unser Thema relevanten Stellen beeinflusste. (31) „Soziale gerechtigkeit", jeweils im Verbund des Begriffspaars „soziale gerechtigkeit und soziale Liebe" und gemeint als umfassende Gemeinwohlgerechtigkeit, nimmt in Quadragesimo Anno den Platz eines anzustrebenden regulativen Prinzips der Wirtschaft (Kap. 88), ja sogar eines Programms zur Erneuerung der Gesellschaft insgesamt (Kap. 126) ein. Als untaugliches Prinzip abgelehnt wird dagegen die schrankenlose Wettbewerbsfreiheit.

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Der Begriff des Gemeinwohls - und damit der Gemeinwohlgerechtigkeit - ist, obwohl es sich um einen Zentralbegriff der katholischen Soziallehre handelt, notorisch schwierig; in der Kürze mag dazu folgendes genügen: (32) Gemeinwohl kann entweder als Ziel oder als Instrument zu diesem Ziel verstanden werden. Als Ziel bezeichnet es das personale Wohl sämtlicher Gesellschaftsmitglieder; als Instrument meint es die Summe der Voraussetzungen, der Mittel und Chancen, die dazu notwendig sind, dass die Gesellschaftsmitglieder dieses Ziel in Eigenverantwortung erreichen können.

29
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Wie eine gemeinwohlgerechte und damit sozial gerechte Gesellschaft aussehen könnte, dafür hat die kirchliche Lehrverkündigung keine umfassenden und konkreten Vorschläge gemacht. Aus Quadragesimo Anno, den späteren Sozialdokumenten und der begleitenden sozialethischen Reflexion haben sich lediglich einige allgemeine Prinzipien verfestigt, die in einer Art offenen Systems von Kriterien zur Beurteilung sozialer und wirtschaftlicher Verhältnisse dienen können. (33) Diese sog. „Sozialprinzipien" haben bis heute eine erstaunliche Lebensfähigkeit auch quer über die Parteien der eingangs erwähnten Begründungsdebatte hinweg erwiesen - unter der Bank lesen (zumindest im deutschen Sprachraum) die meisten doch wieder Nell-Breuning! - , und sie decken sich in etlichen Aspekten natürlich mit sonstigen sozialethischen Positionen und politischen Programmen. Über die Anzahl und Bezeichnung dieser Sozialprinzipien herrscht zwar kein völliger Konsens, in der Regel nennt man jedoch die folgenden drei: erstens das Personalitätsprinzip, zweitens das Solidaritätsprinzip und drittens das Subsidiaritätsprinzip. (34)

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Das Personalitätsprinzip besagt, dass der Mensch Träger, Schöpfer und Ziel aller gesellschaftlichen Einrichtungen sein muss - und zwar der ganze Mensch, in seiner Leiblichkeit und Geistigkeit, in seiner Eigenverantwortung und Sozialität, in seiner Transzendenz ebenso wie in seiner Sündenanfälligkeit. Konsequenzen dieses Prinzips sind die Betonung der Menschenrechte in einem umfassenden Sinn, d.h. der Freiheits-, der Bürger- und der sozialen Grundrechte und natürlich die Forderung nach effizienten Mechanismen der Durchsetzung dieser Rechte. Gerade auf dem schwierigen Weg in Richtung auf die sozialen Grundrechte nimmt die katholische Sozialverkündigung besonders seit Johannes XXIII. eine gewisse Vorreiterrolle ein.

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Das Solidaritätsprinzip beruht auf der unlöslichen Verstrickung von Einzelwohl und Gemeinwohl und besagt im Kern, dass das Individuum seinen Beitrag zum Wohl der Gemeinschaft ebenso leisten muss wie die Gemeinschaft ihren Beitrag zum Wohl des Individuums. Beachtenswerte und für manche provokante Konsequenzen des Solidaritätsprinzips - das als ein Rechtsprinzip und nicht nur als ein Prinzip freiwilliger Mildtätigkeit der Gemeinschaft zu verstehen ist - sind u.a., dass die sozialstaatlich zu garantierende soziale Basissicherung für ein menschenwürdiges Leben nicht ein Ausdruck von Mildtätigkeit, sondern die Erfüllung einer Rechtspflicht der Gesellschaft ist, (35) und dass sich letztlich alle individuellen Rechtsansprüche hinsichtlich ihrer Gemeinwohlperspektive legitimieren müssen. Subjektive Rechte auf Mittel und Chancen, auf Teilfunktionen, Besitzstände, Positionen und Vorteilslagen sind dem Gemeinwohl also nicht prinzipiell vorgeordnet, und unterschiedliche natürliche Ausgangslagen begründen von sich allein noch keine Rechtspositionen.(36) Dies ist zugleich der wesentliche systematische Gehalt der „vorrangigen Option für die Armen", die im 2. Vatikanischen Konzil zwar in Ansätzen vorhanden, aber erst in der jüngeren Sozialverkündigung besonders stark hervorgetreten ist. Historisch ist es vor allem ein Ertrag der durchaus konfliktreichen, aber fruchtbaren Auseinandersetzung mit den lateinamerikanischen Befreiungstheologien, dass diese Redeweise weltweit in die kirchliche Verkündigung und sozialethische Reflexion Eingang gefunden hat; der Sache nach angelegt ist die vorrangige Option für die Armen aber schon im Solidaritätsprinzip.(37)

32
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Das Subsidiaritätsprinzip wird häufig missverstanden, indem nur eine seiner beiden Stoßrichtungen gesehen wird. Es besagt einerseits ein Einmischungs- und Kompetenzanmaßungsverbot: das größere Sozialgebilde darf dem kleineren keine Kompetenzen wegnehmen, die dieses auch selbst wahrnehmen könnte. Häufig übersehen wird das damit verbundene Hilfestellungsgebot: das größere Sozialgebilde muss im Dienst des kleineren stehen und dort einspringen, wo das kleinere überfordert ist. Das Subsidiaritätsprinzip sollte also einerseits nicht unbesehen als Argument für Deregulierung, Sozialabbau, Privatisierung und Imstichlassen der Armen verwendet werden, die „Hilfe von oben" darf aber andererseits auch nicht zur Abhängigkeit und Kompetenzverlagerung führen; idealerweise sollten die größeren Sozialgebilde Hilfe zur Selbsthilfe leisten.

33
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Es ist zu beachten, dass diese Prinzipien nicht nur in ihren Anwendungen offen sind, sondern auch in ihren möglichen Begründungen. Inhaltlich konvergieren sie ja in vielen Punkten mit sozialphilosophischen Thesen, die allgemein auf breiten Konsens stoßen. Aus christlicher Sicht lassen aber besonders das Personalitätsprinzip und das Solidaritätsprinzip auch spezifisch theologische Begründungen zu: Etwa ist das Personalitätsprinzip als Ausfluss der Geschöpflichkeit, Gottebenbildlichkeit und Menschenwürde interpretierbar, und das Solidaritätsprinzip kann eine theologische Begründung z.B. aus dem biblischen Grundgebot der Nächstenliebe erfahren. Tatsächlich setzt in den 60er Jahren, mit dem II.Vatikanischen Konzil, der theologische Begründungsstrang der Sozialethik verstärkt ein, ohne dass die traditionellen Inhalte wesentlich geändert würden. Und wie bereits erwähnt, wird speziell bei Johannes Paul II die aus der Gottebenbildlichkeit sich ergebende Menschenwürde zu einem entscheidenden Punkt der Begründung.

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III. Konturen einer gegenwärtigen christlichen Konzeption von „sozialer gerechtigkeit"

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Wie sehr das gerechtigkeitsthema vor allem die kirchliche Verkündigung, aber auch die Bemühungen der christlichen Sozialethik in den letzten Jahrzehnten prägt, zeigt sich nicht nur an den Namen von Institutionen - etwa der 1967 gegründeten päpstlichen Kommission „Iustitia et Pax", den weltweit etwa 80 gleichnamigen nationalen Kommissionen und dem langjährigen ökumenischen „Konziliaren Prozess für Friede, gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung", sondern auch an den Titeln von bedeutenden Sozialdokumenten. Mit „Wirtschaftliche gerechtigkeit für alle" war der US-Wirtschaftshirtenbrief von 1986 überschrieben, und das gemeinsame Wort des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland und der deutschen Bischofskonferenz zur wirtschaftlichen und sozialen Lage in Deutschland trug den Titel „Für eine Zukunft in Solidarität und gerechtigkeit." Die neueren Dokumente können sich zwar nicht überall von der eingangs erwähnten inflationären und zum Vehikel für beliebige Anliegen gewordenen Redeweise von „sozialer gerechtigkeit" befreien; in den meisten Fällen bleibt allerdings doch eine einigermaßen klare Konzeption von „sozialer gerechtigkeit" erkennbar,(38) und zwar jeweils eine inhaltlich umfassende Konzeption: getreu dem Personalitätsprinzip wird unter „sozialer gerechtigkeit" nicht bloß die ökonomische Verteilungsgerechtigkeit verstanden (wie dies bei einigen Exponenten der rechtsphilosophischen Debatten um den Begriff der sozialen gerechtigkeit der Fall ist (39) ), sondern eine solche Gestaltung sozialer Verhältnisse, die dem Einzelnen umfassende, aktive Partizipation an der sozialen Wirklichkeit ermöglicht.

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Ich möchte dies abschließend kurz an einem Beispiel belegen. Als Vergleichsinstanz und als heuristische Hilfe ziehe ich mit Peter Koller einen Philosophen heran, dem es offensichtlich ebenfalls um eine umfassende Konzeption „sozialer gerechtigkeit" zu tun ist. Koller sieht die Erfüllung folgender fünf Postulate als Mindestvoraussetzungen für sozial gerechte Verhältnisse an:(40)

37
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 Die Forderung der rechtlichen Gleichheit aller Bürger

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 Die Forderung, dass die bürgerlichen Freiheiten gegeben sind

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Die Forderung demokratischer Beteiligung, d.h. gleicher politischer Rechte zur Teilnahme an der kollektiven Entscheidungsfindung über öffentliche Angelegenheiten

40
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 Die Forderung nach gleichen Chancen auf begehrte Positionen

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Die Forderung nach wirtschaftlicher Verteilungsgerechtigkeit. Diese zuletzt genannte und in den Augen vieler besonders heikle Forderung wird mit der umfassenden Verflechtung der ökonomischen Aktivitäten begründet, die die gegenwärtige Wirtschaft de facto zu einem umfassenden arbeitsteiligen Geschehen macht.

42
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Sämtliche dieser Forderungen kehren auch in aktuellen christlichen Konzeptionen von „sozialer gerechtigkeit" wieder, sei es in Sozialdokumenten wie auch in der wissenschaftlichen Reflexion. Als exemplarischer Beleg mögen einige Auszüge aus dem evangelisch-katholischen deutschen Sozialwort „Für eine Zukunft in Solidarität und gerechtigkeit" aus dem Jahre 1997(41) dienen. Aufgrund seines ökumenischen Charakters und seines langwierigen Entstehungsprozesses kann diesem Dokument eine hohe Repräsentativität für die gegenwärtige christliche Soziallehre zugemessen werden. Unter den „grundlegenden ethischen Perspektiven", die sich aus dem christlichen Glauben für gesellschaftliche Fragen ergeben, verzeichnet das Sozialwort - neben dem Doppelgebot der Gottes- und Nächstenliebe (Kap. 103f.), der vorrangigen Option für die Armen, Schwachen und Benachteiligten (105ff.), der Solidarität und Subsidiarität (115-121) sowie der Nachhaltigkeit (122-125) - auch die gerechtigkeit (108-114) und bestimmt sie - in durchaus sorgsamer Auseinandersetzung mit den traditionellen gerechtigkeitskonzeptionen - ganz wesentlich als soziale gerechtigkeit, die auch hier wiederum, und zwar explizit, als eine Art übergeordnetes Leitbild (111) fungiert:

43
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(110) In der theologischen Tradition wurde die Idee der gerechtigkeit nach den verschiedenen Beziehungsebenen aufgegliedert. Danach hat der einzelne gegenüber dem Staat bzw. dem Gesellschaftsganzen die Verpflichtung, die als Gesetzesgerechtigkeit (iustitia legalis) bezeichnet wird; umgekehrt ist der Staat dem einzelnen gegenüber in der Pflicht im Sinne der austeilenden gerechtigkeit (iustitia distributiva). Beide zielen auf die gerechte Verteilung von Rechten und Pflichten im Gemeinwesen. Darüber hinaus sind die Beziehungen zwischen den Gesellschaftsgliedern nach gerechtigkeitsmaßstäben zu gestalten; dies besagt die ausgleichende gerechtigkeit (iustitia commutativa), die im Hinblick auf die Situation in der Wirtschaft auch das Gebot der Fairneß in den Marktbeziehungen umfaßt.

44
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(111) So wichtig und für die Gestaltung gesellschaftlicher Beziehungen hilfreich eine solche Einteilung ist, so wenig kann sie unter den Bedingungen der modernen Gesellschaft genügen. Deshalb hat der Begriff der sozialen gerechtigkeit als übergeordnetes Leitbild Eingang in die Sozialethik der Kirchen gefunden. Er besagt: Angesichts real unterschiedlicher Ausgangsvoraussetzungen ist es ein Gebot der gerechtigkeit, bestehende Diskriminierungen aufgrund von Ungleichheiten abzubauen und allen Gliedern der Gesellschaft gleiche Chancen und gleichwertige Lebensbedingungen zu ermöglichen.

45
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(112) In dem Begriff der sozialen gerechtigkeit drückt sich aus, dass soziale Ordnungen wandelbar und in die gemeinsame moralische Verantwortung der Menschen gelegt sind. Zur Verwirklichung von gerechtigkeit gehört es daher, dass alle Glieder der Gesellschaft an der Gestaltung von gerechten Beziehungen und Verhältnissen teilhaben und in der Lage sind, ihren eigenen Gemeinwohlbeitrag zu leisten. "Suche nach gerechtigkeit ist eine Bewegung zu denjenigen, die als Arme und Machtlose am Rande des sozialen und wirtschaftlichen Lebens existieren und ihre Teilhabe und Teilnahme an der Gesellschaft nicht aus eigener Kraft verbessern können. Soziale gerechtigkeit hat insofern völlig zu Recht den Charakter der Parteinahme für alle, die auf Unterstützung und Beistand angewiesen sind ... Sie erschöpft sich nicht in der persönlichen Fürsorge für Benachteiligte, sondern zielt auf den Abbau der strukturellen Ursachen für den Mangel an Teilhabe und Teilnahme an gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Prozessen."

46
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(113) Es müssen also Strukturen geschaffen werden, welche dem einzelnen die verantwortliche Teilnahme am gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Leben erlauben. Dazu gehört neben den politischen Beteiligungsrechten Zugang zu Arbeits- und Beschäftigungsmöglichkeiten, die ein menschenwürdiges, mit der Bevölkerungsmehrheit vergleichbares Leben und eine effektive Mitarbeit am Gemeinwohl ermöglichen. Um sich beteiligen zu können und die Möglichkeit zu haben, in der öffentlichen Meinungsbildung gehört und verstanden zu werden, ist außerdem ein Bildungssystem notwendig, das neben beruflichen Fähigkeiten politisches Urteilsvermögen und die Fähigkeit zu politischem Engagement vermittelt.

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(114) Bei der Verwirklichung sozialer gerechtigkeit kommt dem biblischen Ethos eine befreiende und stimulierende Funktion zu. Das biblische Ethos erschöpft sich nämlich nicht in der Forderung nach gerechtigkeit. Das der menschlichen Person Zukommende und Gebührende ist mehr als gerechtigkeit, nämlich persönliche Zuwendung, Liebe und Barmherzigkeit. So ist die Barmherzigkeit eine Erfüllung der gerechtigkeit, die diese zugleich überbietet. Eben deshalb hebt die Barmherzigkeit die Forderungen der gerechtigkeit nicht auf. Die christliche Barmherzigkeit setzt die gerechtigkeit vielmehr voraus, und sie muß ihre Authentizität in der Motivation und in der Entschlossenheit zur gerechtigkeit gegen jedermann, im Kampf gegen ungerechte Strukturen und im Einsatz für den Aufbau einer gerechteren Gesellschaft erweisen.

48
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Sofort erkennbar ist die bereits erwähnte Absicht einer umfassenden Konzeption von „sozialer gerechtigkeit", zu der die ökonomische Verteilungsgerechtigkeit nur einen Teilaspekt beiträgt. Sämtliche der bei Koller erwähnten Forderungen kehren in diesem Text wieder: In Form eines umfassenden Gleichheitsgebots (111 u.a.), der Forderung nach politischen Beteiligungsrechten (112f), nach Chancengleichheit in einem umfassenden Sinne (111, 113), sowie nach wirtschaftlicher Verteilungsgerechtigkeit (113, 114). In unserem Textausschnitt nur implizit angesprochen ist die Forderung nach Gewährleistung der bürgerlichen Freiheiten; allerdings wird der Forderung nach Einhaltung der Menschenrechte ein ausführlicher eigener Abschnitt gewidmet (Kap. 130-135), der hier aus Platzgründen nicht wiedergegeben wird. Ebenso findet sich in Kap. 136-141 ein ausführliches Bekenntnis zur freiheitlich-sozialen Demokratie).

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Besonders betont werden weiters zwei Aspekte, die zugleich als kennzeichnend für christliche Vorstellungen von sozial gerechten Strukturen gelten können: Erstens die Parteinahme für die Armen und Machtlosen, die auf einen Ausgleich nicht nur der (abstrakten) Chancen, sondern der (konkreten) Lebensbedingungen zielt (111), und zwar näherhin auf die Schaffung von Bedingungen für ein menschenwürdiges Leben, das mit dem der Bevölkerungsmehrheit vergleichbar ist (113). In diesem letzteren, bei näherer Betrachtung sehr folgenreichen Punkt dürfte die christliche Soziallehre über die meisten - freilich nicht alle! (42) - gängigen gerechtigkeitstheorien hinausgehen, und dies könnte auch ein Punkt sein, wo eine pointiert theologisch begründete Sozialethik der Redundanzfalle entgehen könnte (siehe 114). Obwohl die christliche Soziallehre seit jeher die Bedeutung des konkreten gesellschaftlichen Engagements von Einzelpersonen betont, wird jedoch festgehalten, dass sich eine solche auf dem biblischen Liebesgebot beruhende Sozialethik nicht etwa auf eine persönliche Tugendethik (für Entscheidungsträger oder einfache Gesellschaftsmitglieder) reduzieren darf, sondern eine genuine Sozialethik mit dem Ziel gerechter Strukturen sein muss (siehe etwa die Balance zwischen den Abschnitten 113 und 114) . (43) Christliche Barmherzigkeit als individuelle Tugend darf nicht gegen dieses Ziel ausgespielt bzw. als dauerhafte Kompensation für die Auswirkungen ungerechter Strukturen missbraucht werden (112, 114).

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Zweitens wird die Wichtigkeit der Teilhabe und Teilnahme des Einzelnen an gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Prozessen besonders betont. Armut wird also nicht nur als ein materielles, ökonomisches Problem des Mangels verstanden, sondern umfassender: das eigentliche Problem ist der Ausschluss von der Möglichkeit, sich am gesellschaftlichen, wirtschaftlichen, politischen und sonstigen Leben der Gemeinschaft zu beteiligen. Das dahinterstehende Menschenbild dürfte weniger atomistisch sein als das der meisten anderen gerechtigkeitstheorien: Die Möglichkeit, am Gemeinschaftsleben teilzunehmen und einen Beitrag zum Gemeinwohl zu leisten, gehört ganz wesentlich zu einem menschengerechten Leben. Damit nimmt das Sozialwort Grundgehalte des traditionellen Personalitäts- und Solidaritätsprinzips auf, wie überhaupt die Kontinuität dieses Textes zu den traditionellen „Sozialprinzipien" der Katholischen Soziallehre unübersehbar ist (vergleiche etwa auch den - hier aus Platzgründen nicht mehr wiedergegebenen - Abschnitt 115-121 über Solidarität und Subsidiarität).

51
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Ein weiteres Kennzeichen neuerer Konzeptionen von „sozialer gerechtigkeit" im Rahmen der christlichen Soziallehre, das ich hier abschließend nur kurz erwähne, ist das besondere Augenmerk auf den internationalen Aspekt des Problems der gerechtigkeit. Freilich hängt „soziale gerechtigkeit" definitorisch mit „Gesellschaft" zusammen; in Zeiten zunehmender wirtschaftlicher, kultureller und anderer Verflechtungen zwischen Gesellschaften machen soziale Probleme aber immer weniger an den Grenzen von Einzelstaaten halt, und ebenso nimmt die Dispositionsfähigkeit von Einzelstaaten in Bezug auf diese Probleme ab. Den Preis für sozial ungerechte Strukturen zahlen mitunter Arme in ganz anderen Weltgegenden, in sehr vielen Fällen ohne das Wissen der Begünstigten. Ansätze, die noch immer einzelstaatsfixierten Konzeptionen von „sozialer gerechtigkeit" aufzubrechen und zu erweitern in Richtung einer internationalen gerechtigkeit, (44) gibt es im Rahmen der christlichen Soziallehre schon lange, nicht zuletzt aufgrund des Blickwinkels, der Informationswege und des Erfahrungsschatzes, über den die Kirchen (insbesondere die katholische) als überstaatliche, unabhängige Organisationen verfügen. (45) Gerade hier liegt ein wichtiger Beitrag, den die christliche Soziallehre zur allgemeinen sozialethischen Diskussion leisten kann.

52
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Anmerkungen:

53
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1.

54
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Siehe - stellvertretend für viele - den Sammelband Social Justice (Opposing Viewpoints Series), Hg. von Carol Wekesser, Karin Swisher und Janelle Rohr. San Diego 1990, in dem eine Vielzahl kurzer, teils popularisierender Stellungnahmen zu verschiedenen sozialpolitischen Themen zusammengestellt ist. Zur Begriffsgeschichte im angelsächsischen Raum siehe die bei Peter Koller, Gesellschaftsauffassung und soziale gerechtigkeit, in: Auf der Suche nach der gerechten Gesellschaft. Hg. von G. Frankenberg. Frankfurt 1994, 148-150 aufgeführte Literatur.

55
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2.

56
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Peter Koller, Der Begriff der sozialen gerechtigkeit, in: ders., Theorie des Rechts. Eine Einführung. Wien - Köln - Weimar 1997 2, 309-316; Wolfgang Kersting, Theorien der sozialen gerechtigkeit. Stuttgart - Weimar 2000, besonders Kapitel VII und VIII; Wolfgang Huber, Recht und gerechtigkeit. Grundlinien christlicher Rechtsethik. Gütersloh 1996; Ursula Nothelle-Wildfeuer, Soziale gerechtigkeit und Zivilgesellschaft. Paderborn u.a. 1999, besonders 246-343.

57
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3.

58
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Dies dürfte mit der öffentlichen Wahrnehmung des kirchlichen Lebens insgesamt zusammenhängen. Gerade das seit 1978 währende Pontifikat Johannes Pauls II. vermittelt den paradoxen Eindruck, dass - ungeachtet seines erstaunlichen und trotz seiner Gleichförmigkeit im Auftreten anscheinend kaum abgenützten medialen Aufmerksamkeitswertes - ganz wesentliche Anliegen dieses Papstes von der öffentlichen Wahrnehmung, zumindest in unseren Breiten, weitgehend ausgeschlossen bleiben. Nicht weniger als drei Sozialenzykliken zwischen 1981 und 1991 und etliche weitere ausführliche Stellungnahmen zu sozialethischen Fragen lassen erkennen, dass hier ein entscheidender, vielleicht sogar der entscheidende Schwerpunkt der Anliegen des gegenwärtigen Papstes liegt. In der öffentlichen Wahrnehmung - innerhalb und außerhalb kirchlicher Kreise! - tritt dieses Engagement allerdings gegenüber Fragen wie etwa der Empfängnisregelung, der theologischen Lehrdisziplin und der Kirchenorganisation leider in den Hintergrund.

59
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4.

60
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W. Kerber, Sozialethik (Grundkurs Philosophie 13). Stuttgart - Berlin - Köln 1998; B. Sutor, Politische Ethik. Gesamtdarstellung auf der Basis der Christlichen Gesellschaftslehre. Paderborn u.a. 1991.

61
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5.

62
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Vgl. etwa einige der Beiträge in: Jenseits Katholischer Soziallehre. Neue Entwürfe christlicher Gesellschaftsethik. Hg. von F. Hengsbach, B. Emunds und M. Möhring-Hesse. Düsseldorf 1993. Zur Kritik an derlei Polemik siehe F. Furger, Christliche Sozialethik in pluraler Gesellschaft. Posthum hg. von M. Heimbach-Steins, A. Lienkamp und J. Wiemeyer. Münster 1997, 25.

63
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6.

64
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Vielleicht wird jetzt auch verständlicher, warum ich selbst im Titel von „christlicher Soziallehre" Gebrauch gemacht habe, einem weniger gängigen und für manche vielleicht sogar seltsamen Ausdruck. Er ist aber mit Bedacht gewählt. Ich hoffe mit diesem wenig besetzten Ausdruck eine einigermaßen neutrale Überbezeichnung für die Größen a) bis c) zur Verfügung zu haben; in einem weiten Sinne des Wortes eine „Lehre" sein bzw. erteilen wollen ja alle drei.

65
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7.

66
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Eine Auswahl aus der breiten Literatur zu dieser Grundlagendiskussion: Katholische Soziallehre in neuen Zusammenhängen (Theologische Berichte 14). Hg. von J. Pfammater und F. Furger. Zürich - Einsiedeln - Köln 1985; H.-J. Höhn, Vernunft - Glaube - Politik. Reflexionsstufen einer Christlichen Sozialethik. Paderborn u.a. 1990; U. Nothelle-Wildfeuer, "Duplex ordo cognitionis". Zur systematischen Grundlegung einer Katholischen Soziallehre im Anspruch von Philosophie und Theologie. Paderborn u.a. 1991; Centesimo anno. 100 Jahre Katholische Soziallehre - Bilanz und Ausblick. Hg. von W. Palaver. Thaur 1991; Christliche Sozialethik zwischen Moderne und Postmoderne. Hg. von T. Hausmanninger. Paderborn u.a. 1993; Jenseits Katholischer Soziallehre. Neue Entwürfe christlicher Gesellschaftsethik. Hg. von F. Hengsbach, B. Emunds und M. Möhring-Hesse. Düsseldorf 1993;Brennpunkt Sozialethik. Theorien, Aufgaben, Methoden. Hg. von M. Heimbach-Steins, A. Lienkamp und J. Wiemeyer. Freiburg - Basel - Wien 1995; Theologische Ethik im Diskurs. Hg. von W. Lesch und A. Bondolfi. Tübingen - Basel 1995; F. Furger, Christliche Sozialethik in pluraler Gesellschaft. Posthum hg. von M. Heimbach-Steins, A. Lienkamp und J. Wiemeyer. Münster 1997. Als kurze, kompakte Überblicke können dienen: A. Anzenbacher, Christliche Sozialethik als Wissenschaft, in: Moral konkret. Impulse für eine christliche Weltverantwortung. Hg. von W. Seidel und P. Reifenberg. Würzburg 1993, 40-57; W. Guggenberger, Überlegungen zum Selbstverständnis katholischer Soziallehre. Struktur und Wirksamkeit, in: Zeitschrift für Katholische Theologie 118 (1996), 1-22.

67
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8.

68
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Johannes Paul II, Enzyklika Centesimus Annus (1991), Kap. 55 spricht zwar von „Soziallehre der Kirche", ordnet sie aber der Moraltheologie zu, ähnlich schon in der Enzyklika Sollicitudo Rei Socialis (1987), Kap. 41. Die Betonungen der Interdisziplinarität der Soziallehre, besonders das Verhältnis zu Philosophie und Humanwissenschaften (etwa in Centesimus Annus, Kap. 54 und 59), bleiben eher unklar.

69
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9.

70
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Vor allem: Das Naturrecht. Handbuch des Gesellschaftsethik, Staatsethik und Wirtschaftsethik. Innsbruck 1950, diverse überarbeitete Neuauflagen bis Berlin 71984. Ein Blick auf Messners sonstige Werke zu verschiedenen Themen verstärkt diesen Eindruck weiter.

71
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10.

72
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Wie u.a. auch Christian Kissling ausführlich gezeigt hat: Gemeinwohl und gerechtigkeit. Ein Vergleich von traditioneller Naturrechtsethik und kritischer Gesellschaftstheorie (Studien zur theologischen Ethik 48). Freiburg/Schweiz 1993, 121-168.

73
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11.

74
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Siehe aus dem umfangreichen Schrifttum etwa: gerechtigkeit und Freiheit. Grundzüge katholischer Soziallehre. Wien 1980, München 1985 2, das eine Art kleine Summe seines Denkens darstellt.

75
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12.

76
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Auch mag man den belehrenden und teils machtbewussten Gestus dieser Schreiben aus heutiger Sicht eigentümlich oder auch anstößig finden, was aber mit der Frage der Argumentationsgrundlagen ebenso nichts zu tun hat.

77
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13.

78
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Ich übernehme diesen Ausdruck von Arno Anzenbacher (Die Kompetenz der Kirche in gesellschaftlichen Fragen, in: Brennpunkt Sozialethik (Anm. 7), 279-293, hier 290-293), weise aber auf eine gewisse Bedeutungsverschiebung hin: Anzenbacher geht es primär um die Komplexitätsfalle, in der die jeweiligen kleinräumigen Rationalitätskalküle sitzen, weil sie jeweils nur bestimmte Fragerichtungen thematisieren und von anderen abstrahieren. Siehe zum hier von mir angedeuteten Problem u.a. auch A. Habisch, Christliche Wirtschaftsethik - eine Jeremiade der Moderne? Ebenda 189-211, besonders 210f.

79
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14.

80
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Siehe etwa F. Furger, Christliche Sozialethik. Stuttgart - Berlin - Köln 1991, 154f.; W. Kerber, Kommentar, in: Vor neuen Herausforderungen der Menschheit. Sozialenzyklika Centesimus Annus Papst Johannes Pauls II. Freiburg - Basel - Wien 1991, 144.

81
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15.

82
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Siehe unten Abschnitt IV. Etliche prominente Autoren räumen allerdings auch ausdrücklich ein, dass die christliche Sozialethik - gerade im Hinblick auf die Anknüpfung an das inzwischen weltweit (mehr oder minder) konsensfähige Menschenrechts-Ethos - gut beraten wäre, die naturrechtliche Argumentationslinie nicht völlig aufzugeben: Siehe etwa F. Furger, Christliche Sozialethik (Anm. 14), 123; A. Anzenbacher, Christliche Sozialethik als Wissenschaft (Anm. 7), 50, u.a.

83
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16.

84
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Ich muss einschränkend vorausschicken, dass meine Ausführungen herkunftsbedingt „katholischlastig" sind und ich - einfach mangels Kompetenz - zur evangelischen Sozialethik nur wenig sagen kann. Siehe dazu jedoch U. Körtner, Evangelische Sozialethik. Göttingen 1999. Spezieller zur Gemeinwohl- und gerechtigkeitsproblematik aus evangelischer Perspektive: Gemeinwohl - mehr als gut gemeint? Klärungen und Anstöße. Hg. von J. Fetzer und J. Gerlach. Gütersloh 1998; W. Lienemann, gerechtigkeit (Bensheimer Hefte 75 / Ökumenische Studienhefte 3). Göttingen 1995.

85
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17.

86
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  Nell-Breuning, gerechtigkeit und Freiheit. Wien 1980, 341.

87
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18.

88
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Nach Peter Koller (Gesellschaftsauffassung und soziale gerechtigkeit (Anm. 1), 139. 149) sind die frühesten Vorkommnisse dieser Rede in Pierre Proudhons „Qu' est-ce que la proprieté?" (1840), Kap. 5, §§ 2-3 und in John Stuart Mills klassisch gewordenem Traktat „Utilitarianism" (1861), Kap. 5.

89
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19.

90
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Saggio teoretico di diritto naturale appoggiato sul fatto. Palermo 1840-43. Zum Einfluss von Person und Werk Taparellis siehe G. Prüller-Jagenteufel, „Socialwohl" und „Socialgerechtigkeit". Zum Einfluß von Luigi Taparellis „Versuch eines auf Erfahrung begründeten Naturrechts" auf die katholische Sozialverkündigung, in: Gnade und Recht. Beiträge aus Ethik, Moraltheologie und Kirchenrecht (Festschrift G. Holotik). Hg. von S. Haering, J. Kandler und R. Sagmeister. Frankfurt u.a. 1999, 115-128.

91
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20.

92
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Aloys (!) Taparelli, Versuch eines auf Erfahrung begründeten Naturrechts. Aus dem Italienischen übersetzt von Dr. Fridolin Schöttl und Dr. Karl Rinecker. Regensburg 1845.

93
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21.

94
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Vgl. etwa die Enzyklika Aeterni Patris, mit der Leo XIII. 1879 den Thomismus als die den christlichen Schulen angemessene Philosophie empfahl; auch diese Enzyklika ist jedoch noch mehr als Bekräftigung einer im Gang befindlichen Entwicklung denn als ihr Abschluss zu sehen.

95
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22.

96
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Im selben Verlag (Manz/Regensburg) wie Taparellis „Versuch" erschienen von Mitte der 1840er Jahre bis Mitte der 1860er Jahre übrigens auch zahlreiche Werke des spanischen Philosophen Jaime Luciano Balmes (1810-1848) in deutschen Übersetzungen, mit etlichen Neuauflagen bis mindestens 1896. Auch Balmes ist noch nicht als Scholastiker zu bezeichnen, sondern als Eklektiker, dessen Denken sich aus vielen Strömungen der neuzeitlichen Philosophie speist, u.a. dürfte der Einfluss der schottischen Common Sense-Philosophie (Thomas Reid u.a.) nicht zu unterschätzen sein. Zu Balmes siehe u.a.: C. Valverde, Jaime Luciano Balmes, in: Christliche Philosophie im Katholischen Denken des 19. und 20. Jhs. Hg. von E. Coreth und G. Pfligersdorffer, Bd. 1, Graz 1987, 667-685. Dies nur am Rande als kleiner Beleg für die Buntheit der katholischen Philosophie im frühen 19.Jahrhundert; zeitliche Vorprojektionen einer geschlossenen Neuscholastik (sollte es sie jemals gegeben haben) um Jahrzehnte erfreuen sich jedoch auch im kirchlichen Raum einer erstaunlichen Lebenskraft.

97
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23.

98
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So auch Prüller-Jagenteufel, „Socialwohl" und „Socialgerechtigkeit" (Anm. 19), 118; M. Thomann, Der rationalistische Einfluß auf die katholische Soziallehre, in: Die katholische Soziallehre und die Wirtschaftsordnung. Hg. von A.-F. Utz, Trier 1991, 190-192. Der rationalistische Einschlag hat Taparellis Rezeption in den vielfältigen deutschsprachigen katholischen Sozialbewegungen des 19.Jahrhunderts behindert: A. Langner, Grundlagen des sozialethischen Denkens bei W.E. v. Ketteler, in: Theologie und Sozialethik im Spannungsfeld der Gesellschaft. Hg. v. A. Langner. München - Paderborn - Wien 1974, 61-112, besonders 73f. und 108f.

99
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24.

100
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Taparelli, Versuch eines auf Erfahrung begründeten Naturrechts (Anm. 20), 142f; Einfügungen in [eckigen Klammern] verweisen auf Abweichungen von der mir zur Verfügung stehenden italienischen Ausgabe Napoli 1850, 159. Die Zahlen in (runden Klammern) sind Taparellis eigene Querverweise.

101
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25.

102
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  Ebenda 145 (bzw. in [eckigen Klammern] Ausgabe Napoli 1850, 161).

103
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26.

104
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Zum Einfluß Taparellis siehe G. Prüller-Jagenteufel, „Socialwohl" und „Socialgerechtigkeit" (Anm. 19), besonders 116ff.; ders., Solidarität - eine Option für die Opfer. Geschichtliche Entwicklung und aktuelle Bedeutung einer christlichen Tugend anhand der katholischen Sozialdokumente (Forum Interdisziplinäre Ethik 20). Frankfurt u.a. 1998, besonders 72-76.

105
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27.

106
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Acta Sanctae Sedis 36 (1903/04), 515: „[...] Byzantinorum imperatorum iniustis postulationibus restitit fortiter, exarcharum et imperialium administrorum fregit audaciam, sordidamque avaritiam coercuit, publicus iustitiae socialis adsertor. […]" (etwa: „Den ungerechten Forderungen der byzantinischen Herrscher widerstand er tapfer, die Kühnheit der exarcharischen und kaiserlichen Verwalter brach er, die unsaubere Habsucht zügelte er, als öffentlicher Verteidiger der sozialen gerechtigkeit.")

107
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28.

108
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O. v. Nell-Breuning, Die soziale Enzyklika. Erläuterungen zum Weltrundschreiben Papst Pius XI. über die gesellschaftliche Ordnung. Köln 1932, Anhang IV, 249.

109
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29.

110
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Die nach wie vor beste Untersuchung dazu ist die römische Dissertation des nachmaligen Kardinals Joseph Höffner: Soziale gerechtigkeit und soziale Liebe. Versuch einer Bestimmung ihres Wesens. Rom 1935. Einige einschlägige Überlegungen finden sich aber auch schon in A. Schrattenholzer, Soziale gerechtigkeit. Die Lehre von der natürlichen Gemeinschaftsgerechtigkeit. Graz 1934, und etlichen hier nicht aufgeführten Aufsätzen. Auffällig ist die Unergiebigkeit beider Monographien, was ihre Rezeption der außertheologischen Frühgeschichte der Rede von der „sozialen gerechtigkeit" angeht.

111
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30.

112
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Nell-Breuning, Die soziale Enzyklika (Anm. 28), ebd. und passim, ders., gerechtigkeit und Freiheit. Wien 1980, 342ff. u.a

113
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31.

114
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J. Schasching, Zeitgerecht - zeitbedingt. Nell-Breuning und die Sozialenzyklika Quadragesimo Anno nach dem Vatikanischen Geheimarchiv. Bornheim 1994.

115
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32.

116
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Siehe z.B. A. Anzenbacher, Christliche Sozialethik. Paderborn u.a. 1997, 200-204; O. v. Nell-Breuning, gerechtigkeit und Freiheit. Wien 1980, 35f.

117
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33.

118
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  Vgl. Johannes Paul II., Enzyklika Sollicitudo Rei Socialis, Kap. 3 und 8.

119
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34.

120
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Zu theoretischen Debatten über das Verhältnis der Prinzipien zueinander siehe u.a. F. Furger, Christliche Sozialethik (Anm. 14), 134-140. Seit langem wird auf die teilweisen gegenseitigen Implikationsverhältnisse zwischen diesen Prinzipien hingewiesen; sie sind der sachliche Hintergrund für O.v. Nell-Breunings bekanntes Diktum, was die Katholische Soziallehre zu sagen habe, passe im Grunde auf einen Fingernagel.

121
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35.

122
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Anzenbacher, Christliche Sozialethik (Anm. 32), 197f., Nell-Breuning, gerechtigkeit und Freiheit. Wien 1980, 55.

123
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36.

124
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Siehe - stellvertretend für viele - Anzenbacher, Christliche Sozialethik (Anm. 32) 1997, 203; Johannes Paul II., Enzykliken Sollicitudo Rei Socialis Kap. 42; Centesimus Annus, Kap. 30 u.a., aber auch schon Pius XI., Quadragesimo Anno Kap. 45.

125
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37.

126
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Für eine lateinamerikanische Perspektive siehe etwa R. Antoncich / J. M. Munárriz, Die Soziallehre der Kirche. Düsseldorf 1988 (La doctrina social de la Iglesia. Petrópolis 1987), besonders Kap. III. G. Prüller-Jagenteufel, Solidarität - eine Option für die Opfer (Anm. 26) bietet eine minutiöse Darstellung der Geschichte des Solidaritätsthemas in den kirchlichen Sozialdokumenten.

127
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38.

128
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Interessant ist, dass in den Sozialenzykliken Johannes Pauls II. (Un-)gerechtigkeit zwar ein unübersehbares Grundthema ist, die Redeweise von „sozialer gerechtigkeit" aber nicht prominent vorkommt: In Laborem Exercens (1981) nur dreimal (Kap. 2.3, 8.6 und 20.3), in Sollicitudo Rei Socialis (1987) gar nie, in Centesimus Annus (1991) nur zweimal (Kap. 14.1 und 19.2). Die Kap. 2.2 und 2.3 von Laborem Exercens zeigen jedoch, dass man nicht ganz fehlgehen wird, wenn man die meisten der zahlreichen Vorkommnisse von „(Un-)gerechtigkeit" als „soziale (Un-)gerechtigkeit" interpretiert.

129
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39.

130
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Z.B. William K. Frankena, gerechtigkeit als Chancengleichheit, in: Recht und Moral. Hg. von N. Hoerster. München 1980 2, 132-167.

131
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40.

132
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Peter Koller, Theorie des Rechts (Anm. 2), 309-316. Siehe auch den Beitrag von Peter Koller in diesem Band.

133
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41.

134
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Eine vorbildliche Textausgabe (mit Kommentaren und ausführlicher Dokumentation u.a. zum Entstehungsprozess dieses Dokuments) findet sich in: Für eine Zukunft in Solidarität und gerechtigkeit. Wort des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland und der Deutschen Bischofskonferenz zur wirtschaftlichen und sozialen Lage in Deutschland. Eingeleitet und kommentiert von Marianne Heimbach-Steins und Andreas Lienkamp. München 1997.

135
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42.

136
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Vgl. etwa Hillel Steiner und Philippe van Parijs; siehe dazu den Beitrag von Ulrich Steinvorth in diesem Band.

137
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43.

138
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Zum Verhältnis von Tugendethik und Strukturenethik siehe u.a. Johannes Paul II., Enzyklika Sollicitudo Rei Socialis (1987), Kap. 35-40.

139
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44.

140
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  Siehe die ähnlichen Überlegungen von Peter Koller in diesem Band.

141
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45.

142
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Siehe etwa Johannes Paul II., Enzyklika Sollicitudo Rei Socialis (1987), besonders Kap. 42-45.

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