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Lumma Liborius: Etwa 10 Minuten. Papst Franziskus über die Dauer einer Predigt
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Etwa 10 Minuten. Papst Franziskus über die Dauer einer Predigt
(Eine Beobachtung zum päpstlichen Schreiben Evangelii gaudium)

Autor:Lumma Liborius
Veröffentlichung:
Kategoriekurzessay
Abstrakt:
Publiziert in:
Datum:2013-12-23

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

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Mit Datum vom 24. November 2013 erschien das Apostolische Schreiben Evangelii gaudium („Die Freude des Evangeliums“[1]) von Papst Franziskus. Nach der ersten Lektüre scheint mir, dass die mediale Aufmerksamkeit – anders als bei manchen anderen Dokumenten des kirchlichen Lehramts – sich auf jene Passagen bezieht, die auch aus fachtheologischer Sicht die interessantesten und brisantesten sind, etwa wenn es um die Ausübung des Papstamtes geht (16, 32), die Autorität der Bischofskonferenzen (32) und die Bedeutung der Synodalität als Prinzip kirchlicher Leitung (246), wenn in spiritueller und politischer Dimension Kritik an einer ungerechten Weltwirtschaftsordnung (50–60, 186–192) zur Sprache kommt oder wenn der christliche Auftrag zur Sorge um die Armen im Mittelpunkt steht, die nicht auf pure symbolische Handlungen zur Gewissensbefriedigung reduziert werden darf und die kein Christ in irgendeiner Form an andere Menschen oder Institutionen delegieren kann (197–201[2]).

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Ein eigener Abschnitt des Schreibens widmet sich aber auch der Homilie (135–159), also der liturgischen Predigt[3], und Franziskus deutet an, dass diese Thematik überraschend erscheinen mag (135) – in der Tat hätte man im Rahmen des Schreibens nicht unbedingt eine detaillierte Darlegung angemessener Predigtvorbereitung erwartet. Für mich hat dieser Teil des Dokuments einen doppelten Sitz im Leben: Nach wie vor nehmen Predigt- und Gottesdienstentwürfe einen großen Teil meiner Publikationen ein[4], außerdem bin ich seit einigen Jahren in der Predigtausbildung angehender Gemeindereferentinnen und Gemeindereferenten verschiedener deutscher Diözesen tätig. Franziskus legt einige sehr konkrete Gedanken zur Predigtvorbereitung vor, dazu gehören auch Überlegungen zur angemessenen Dauer einer liturgischen Homilie. Wörtlich:

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„Die Homilie darf keine Unterhaltungs-Show sein, sie entspricht nicht der Logik medialer Möglichkeiten, muss aber dem Gottesdienst Eifer und Sinn geben. Sie ist eine besondere Gattung, da es sich um eine Verkündigung im Rahmen einer liturgischen Feier handelt; folglich muss sie kurz sein und vermeiden, wie ein Vortrag oder eine Vorlesung zu erscheinen.“ (138)

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Aus dem liturgischen Kontext ergibt sich demnach eine Norm für die Länge der Predigt! Franziskus begründet dies unter Zuhilfenahme zweier bemerkenswerter ästhetischer Kategorien: „Harmonie“ und „Rhythmus“ (138)[5]. Es geht um die Proportionen liturgischer Vollzüge im Verhältnis zueinander. Kern des liturgischen Geschehens ist die Gegenwart Jesu Christi (138), im Kontext der Eucharistiefeier besonders und einzigartig durch Gabenbereitung, Eucharistisches Hochgebet und Kommunion (vgl. 138). Dieser Kern darf nicht in den Hintergrund gedrängt werden, genau deswegen aber ist die Harmonie des liturgischen Vollzugs zu berücksichtigen. Franziskus legt erheblichen Wert auf theologische und exegetische Kompetenz der Prediger (147) – die aber nicht dazu führen darf, dass die Predigt selbst zu einer Vorlesung wird oder wissenschaftliche Fachterminologie oder die eigene Sprache einer bestimmten Gruppierung verwendet (138, 158) –, auf das persönliche Zeugnis des Hirten, der das Leben seiner Schafe teilen muss (135, 154–155), auf die individuelle spirituelle Schulung im Umgang mit der Heiligen Schrift (149–153), auf ein herzliches Auftreten und rhetorische Kompetenz (140, 156–159). Dabei gilt aber, dass der Prediger immer im Dienst Jesu Christi steht und sich nicht gegenüber jenem in den Vordergrund drängen darf. Gleich zweimal kurz nacheinander warnt Franziskus ausdrücklich davor: „Der Prediger mag fähig sein, das Interesse der Leute eine Stunde lang wach zu halten, aber auf diese Weise wird sein Wort wichtiger als die Feier des Glaubens. [... Der liturgische] Kontext verlangt, dass die Verkündigung die Gemeinde und auch den Prediger auf eine Gemeinschaft mit Christus in der Eucharistie hin ausrichtet, die das Leben verwandelt. Das erfordert, dass das Wort des Predigers nicht einen übertriebenen Raum einnimmt, damit der Herr mehr erstrahlt als der Diener.“ (138)

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Franziskus benennt kein konkretes Richtmaß für die Dauer einer Homilie. Dann aber darf gefragt werden: Wie lang sind seine eigenen Predigten? Bei einer kleinen Suche im Predigtarchiv auf der Website des Vatikans[6] finde ich nur wenige Predigten mit mehr als 1000 Wörtern (in der italienischen Fassung etwa 1291 Wörter beim feierlichen Amtsantritt). Die Homilie zum Abschluss des Konklaves umfasste sogar nur 453 Wörter. Meist sind es 700–900 Wörter. Im Sprechtempo bewegt sich die Dauer der päpstlichen Predigten etwa zwischen 6 und 15 Minuten[7], der Durchschnitt dürfte bei etwa 10 Minuten liegen.

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Zugegeben, es gibt Wichtigeres – einiges davon war oben schon genannt. Auch zum Inhalt einer guten Predigt sagt Franziskus durchaus manches von erheblicher Relevanz, hier drei Zitate:

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„Wenn zum Beispiel ein Pfarrer während des liturgischen Jahres zehnmal über die Enthaltsamkeit und nur zwei- oder dreimal über die Liebe oder über die gerechtigkeit spricht, entsteht ein Missverhältnis, durch das die Tugenden, die in den Schatten gestellt werden, genau diejenigen sind, die in der Predigt und in der Katechese mehr vorkommen müssten.“ (38)

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„[Positive Sprache] sagt nicht so sehr, was man nicht tun darf, sondern zeigt vielmehr, was wir besser machen können. Wenn sie einmal auf etwas Negatives hinweist, dann versucht sie immer, auch einen positiven Wert aufzuzeigen, der anzieht, um nicht bei der Klage, beim Gejammer, bei der Kritik oder bei Gewissensbissen stehen zu bleiben.“ (159)

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„Erinnern wir uns daran, dass man niemals auf Fragen antworten soll, die sich keiner stellt; und es ist auch nicht angebracht, Berichte über aktuelle Ereignisse zu bieten, um Interesse zu wecken – dafür gibt es bereits die Fernsehprogramme.“ (155)

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Doch schon die zeitliche Vorgabe müsste in der Praxis deutliche Auswirkungen haben. Prediger müssten üben, was schon längst in der Predigtausbildung beachtet wird, aber oft im Laufe der Zeit verloren geht: einen roten Faden in der Predigt zu entwickeln, lieber eine einzige schlüssig dargelegte als viele kleine aneinandergereihte kleine Botschaften zu verkünden. Dazu Franziskus: „Das Wichtigste ist zu entdecken, was die Hauptbotschaft ist, die [der biblischen Perikope] Struktur und Einheit verleiht. Wenn der Prediger diese Anstrengung nicht unternimmt, dann ist es möglich, dass auch seine Predigt keine Einheit und Ordnung hat; seine Rede wird nur eine Summe verschiedener unzusammenhängender Ideen sein, die nicht imstande sind, die anderen zu bewegen.“ (147)

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In der Gottesdienstgestaltung und -vorbereitung würde sich der Gedanke verbieten, man müsste/dürfte/sollte andere Elemente der Eucharistiefeier kürzen oder weglassen, weil der Prediger ja immer so lange braucht. Insbesondere – man muss es leider mantra-artig wiederholen – dürften Schriftlesungen niemals wegfallen, denn in den Predigern soll „der Wunsch lebendig [sein], als Erste auf das Wort zu hören, das wir predigen sollen“ (149).

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Und sogar die Heilige Schrift kann Franziskus als Argumentationshilfe heranziehen:

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„In der Bibel finden wir [...] den Rat, die Predigt ordentlich vorzubereiten, um einen geeigneten Umfang einzuhalten: ‚Dräng die Worte zusammen, fasse dich kurz‘ (Sir 32,8).“ (156)

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Anmerkungen

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[1] Ich zitiere im folgenden aus der deutschen Übersetzung: Papst Franziskus: Die Freude des Evangeliums. Das Apostolische Schreiben „Evangelii gaudium“ über die Verkündigung des Evangeliums in der Welt von heute. Mit einer Einführung von Bernd Hagenkord SJ. Freiburg/Basel/Wien 2013. Angegeben sind die Artikel des Schreibens, nicht die Seitenzahlen.

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[2] Besonders gravierend ist hier 201: „Niemand dürfte sagen, dass er sich von den Armen fernhält, weil seine Lebensentscheidungen es mit sich bringen, anderen Aufgaben mehr Achtung zu schenken. Das ist eine in akademischen, unternehmerischen oder beruflichen und sogar kirchlichen Kreisen häufige Entschuldigung. [...] Ich fürchte, dass auch diese Worte nur Gegenstand von Kommentaren ohne praktische Auswirkungen sein werden. Trotzdem vertraue ich auf die Offenheit und die gute Grundeinstellung der Christen, und ich bitte euch, gemeinschaftlich neue Wege zu suchen, um diesen erneuten Vorschlag anzunehmen.“

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[3] Franziskus geht davon aus, dass stets ein biblischer Text die Grundlage der Predigt bildet (146); das Paradigma ist dabei der Pfarrer (38), der somit nicht nur liturgischer Prediger, sondern zugleich Seelsorger und Leiter der Gemeinde ist. Erwägungen zur Möglichkeit des Predigtdienstes durch Diakone oder Laien spielen in Evangelii gaudium keine Rolle.

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[4] Dazu gehört immer auch die begleitende Schwierigkeit, dass eine schriftlich publizierte Predigt nie die Situation einer konkreten Ortsgemeinde berücksichtigen kann, die aber für eine adäquate Homilie immer berücksichtigt werden müsste (154–155).

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[5] Im Italienischen wörtlich „l’armonia“ und „il ritmo“.

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[7] Dies bestätigt sich, wenn man auf einschlägigen Videoportalen im Internet Predigten von Papst Franziskus abruft. Auch im Deutschen gilt nach meiner Erfahrung die Grundregel, dass man bei einer Homilie in einem verständlichen Sprechtempo etwa 80–90 Wörter pro Minute vorträgt, jedenfalls weniger als 100.

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