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Geschütztes Bild von Tirol – Universität Innsbruck
Luftbild von Obertilliach
Luftbild des geschlossenen Ortsbildes von Obertilliach.

Geschütztes Bild von Tirol

Nicht nur Kultur und Landschaft prägen das Wesen eines Landes oder einer Stadt. Es ist vor allem auch die Geschichte der Menschen mit ihrem gewachsenen Wohnraum, der ihrer Heimat das Erscheinungsbild gibt, womit sie sich identifizieren. Der Schutz von Stadt- und Ortsbildern ist bereits seit vierzig Jahren gesetzlich verankert.

Anlässlich dieses Jubiläums zeigt das Forschungsinstitut Archiv für Baukunst die Ausstellung „Kontinuität und Wandel“. Die berühmte Häuserzeile im Innsbrucker Stadtteil Mariahilf, die Maria-Theresien-Straße, der geschlossene Ortskern von Obertilliach und Rattenberg oder das gewachsenen Ortsgefüge in Hopfgarten im Brixental – das sind nur einige Beispiele der vielfältigen Bauweisen der Stadt- und Ortsbilder Tirols, die seit dem Jahr 1976 auch gesetzlich geschützt werden. Grund genug für Christoph Hölz, stellvertretender Leiter des Archivs für Baukunst und Mitglied im Sachverständigenbeirat nach dem Tiroler SOG-Gesetz, nach vierzig Jahren ein Resümee zu ziehen und in einer Ausstellung zu zeigen, was das Stadt- und Ortsbildschutzgesetz (SOG) tatsächlich leistet: „In Tirol zählen wir bereits zwanzig Schutzzonen. Damit soll der Erhalt des typischen dörflichen und städtischen Erscheinungsbildes gesichert und der Schutz dieser Zonen vor eine mögliche Veränderung gestellt werden.“ Ganze Viertel, Straßen, Plätze und Gebäudeensembles zeugen von historischen Ereignissen, bilden Wirtschafts- oder Mentalitätsgeschichte ab. „Objekte zu schützen und deren Wert auch weiterhin zu bewahren ist eine verantwortungsvolle und schöne Aufgabe zugleich. Mit unserer Arbeit wollen wir dieses architektonische Erbe auch für die Zukunft sichern“, betont Hölz.

Übersicht der in Tirol bereits existierenden Schutzzonen. (Archiv für Baukunst)

Wunsch nach Erhalt

Wie in ganz Europa gingen auch Tirol im 19. und später im 20. Jahrhundert viele historische Gebäude durch eine rücksichtslose Städteplanung verloren. „Zudem wurden im Zweiten Weltkrieg und während des anschließenden Wiederaufbaus viele historische Stadt- und Ortsbilder irreparabel beschädigt oder ganz zerstört“, erklärt Hölz. Erst in den 60er Jahren wurden Stimmen in ganz Europa laut, die massive Kritik an der baulichen Vorgehensweise und Planung äußerten. „Die Leute erkannten ihre eigenen Stadtviertel nicht mehr wieder. Es formierte sich eine Bewegung, die sich für den Erhalt des architektonischen Erbes einsetzte. Das Fass zum Überlaufen brachte in Innsbruck der Abriss der Riehl-Villa am Hofgarten, einst Wohnsitz des Planers der Mittenwald- und der Hungerburgbahn, Josef Riehl. Daraufhin entstand das bis heute gültige Stadt- und Ortsbildschutzgesetz“, erklärt der Wissenschaftler dem es wichtig ist zu betonen, dass das Gesetzt ursprünglich nicht von Politikerinnen und Politikern angestoßen wurde, sondern dem Wunsch der Bevölkerung entsprach. „Das Gesetz ist natürlich auch unterschiedlich interpretierbar. Spaziert man heute durch Innsbruck, sieht man gravierende Veränderungen nicht nur in der Altstadt, sondern auch in den historischen Quartieren wie Hötting, Pradl, Wilten oder Saggen. Veränderung und Wandel sind auf keinen Fall etwas Schlechtes, aber ich plädiere an einen behutsamen Umgang mit historischer Bausubstanz.“

 

Luftbild vom Stadtteil Saggen in Innsbruck. (David Schreyer)

Überlegtes Handeln

Für die Stadt Innsbruck mit ihrer rasanten Entwicklung und ihrem Druck zu Wachstum, Veränderung und Verdichtung ist es besonders wichtig, die Charakteristik von baukulturell besonders qualitätsvollen Stadtteilen zu erhalten. Von der bebauten Fläche in Innsbruck sind derzeit etwa zehn Prozent Teil der Schutzzonen, eine für den Experten überschaubare Menge. Ein Gebäude sei nicht nur ein historisch architektonisches Zeugnis. Es hat sich im Lauf der Zeit verändert, Menschen haben darin gewohnt oder gearbeitet, sie haben es geprägt und das Gebäude hat sich stetig mit den Bewohnerinnen und Bewohnern entwickelt. „Man kann ein Gebäude nicht nur als ein haus verstehen, dessen Fassade wichtig, das Innenleben jedoch gleichgültig ist. Heute gesteht man Häusern nicht mehr zu, mit ihrer Entwicklung, Veränderung und dem Wachsen im Laufe der Jahrhunderte, ein geschichtliches Dokument zu sein“, kritisiert Hölz. Die einzelnen Bereiche der Schutzzone Altstadt-Innenstadt spiegeln die historische Stadtentwicklung von Innsbruck wider und sollten daher als Zeitzeugnis wahrgenommen werden. „Auch die Neugestaltung des Kaufhauses Tyrol hat das Erscheinungsbild des historischen Straßenzuges massiv verändert, da es komplett mit der Tradition der Bebauung bricht. „Ich kritisiere nicht die grundsätzliche Veränderung, aber die Vorgehensweise, hier architektonische Denkmäler zu setzen, die nicht in die bestehende, herausragende und daher auch schützenwerte Struktur passen“, so der Wissenschaftler.

 

Luftbild von St. Veit in Defreggen. (David Schreyer)

 

Vorzeigebeispiele

Als besonders gelungenes Beispiel der Stadtsanierung und Modernisierung nennt Christoph Hölz das Wiltener Platzl: „Umgeben von zahlreichen unauffälligen Gebäuden sitzen die Menschen in den Straßencafés am Platz. Ganz selbstverständlich treffen hier das alltägliche Leben mit den historischen Gebäuden aufeinander und ergänzen sich harmonisch.“ Nur zwei der Häuser am Platz sind tatsächlich denkmalgeschützt. Aber auch alle anderen Bauten sind zwischen 200 und 300 Jahre alt und verfügen durch stetige Sanierungen über alle modernen Infrastrukturen, moderne Küchen und Bäder. „An diesem Beispiel soll weiter gearbeitet und die Verkehrsberuhigung sowie der Ausbau bis zum Kaiserschützenplatz noch umgesetzt werden“, erklärt Hölz. Als ein weiteres, sehr gelungenes Beispiel aus dem ländlichen Raum, nennt der Wissenschaftler die Gemeinde Obertilliach. „Dieses Dorf im westlichen Lesachtal zählt zu den wenigen Dörfern Tirols, die aufgrund ihres geschlossenen Dorfkernes mit wertvollen Häusern und charakteristischen Merkmalen aus verschiedenen Architekturepochen die Voraussetzungen für eine Schutzzone erfüllen. Natürlich ist dies nicht ohne die Mitarbeit der Gemeinden möglich“, freut sich Hölz über positive Beispiele in Tirol. Mit der Ausstellung möchte der Experte die Öffentlichkeit wieder an die Ursprünge des Stadt- und Ortsbildschutzes und an den Wunsch aus der Bevölkerung heraus erinnern. „Wir möchten mit unserer Arbeit auf keinen Fall der Stadt und den Ortschaften eine Art Käseglocke aufsetzen und damit jeglichen Fortschritt verhindern. Wir müssen uns aber auch wieder darauf besinnen, was das Erscheinungsbild unserer Heimat ausmacht und warum Menschen nach Tirol kommen. Was einmal abgerissen ist, lässt sich leider nicht mehr oder nur mehr sehr schwer und aufwändig rekonstruieren. Deswegen hoffe ich, dass sich die Verantwortlichen solche massiven Schritte gut überlegen und sich zumindest mit Expertinnen und Experten über die Erhaltung informieren“, schließt Christoph Hölz vom Forschungsinstitut Archiv für Baukunst, denn Tirol sei mit seinen Stadt- und Ortsbildern etwas Besonderes und daher nachhaltig schützenswert.

 

Eines der von Hölz genannten Vorzeigebeispiele: das Wiltener Platzl. (David Schreyer)

 

Ausstellung bei freiem Eintritt

„Kontinuität und Wandel“ vom 5. Oktober bis zum 4. November 2016 im Palais Sarnthein in der Maria-Theresien-Straße 57, Stöckelgebäude, Eingang Salurner Straße.

Öffnungszeiten: Werktage 14:00 – 19:00 Uhr; Samstag, Sonntag und Feiertage: 11:00 – 18:00 Uhr.

Die Ausstellung wandert anschließend weiter nach Reutte, Hopfgarten,Pfunds und Kitzbühel.

Audio: Interview

Video: Stadt- und Ortsbilder von oben

 

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