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Findl-Ludescher Anni: Auf den Spuren des Kultes der drei Jungfrauen
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Auf den Spuren des Kultes der drei Jungfrauen
(Eine ungewöhnliche Pilgerreise)

Autor:Findl-Ludescher Anni
Veröffentlichung:
Kategorieartikel
Abstrakt:Es ist sicher auch Neugierde und Lust am Exotischen, wenn sich drei Frauen auf den Weg machen, einem alten vorchristlichen Kult, der in verschiedenen katholischen Gewändern überlebt hat, auf die Spur zu kommen. Das Ergebnis sind einige ernste Anfragen an die religiöse Praxis in unserer Kirche und die Einladung, mit nachzudenken.
Publiziert in:# Originalbeitrag für den Leseraum
Datum:2002-09-11

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

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Vor ungefähr zwei Jahren begann es, dass ich immer wieder etwas hörte über einen sehr alten Kult, hier im Alpenraum, in dessen Zentrum drei Frauen stehen, die „drei Jungfrauen" oder auch die „drei Bethen" genannt. Die Vermutung sei, dass es ein alter Göttinnenkult sei, der - mit einigen ursprünglichen Elementen und in vielen verschiedenen katholischen Gewändern - bis heute überlebt habe und auch tatsächlich noch lebendig sei. Ein Buch (1) darüber habe ich entdeckt, einen Artikel gelesen, Bilder habe ich gesehen von diesen Dreien. Jedenfalls, das Interesse war geweckt. Südtirol und Bayern sollten Gebiete sein, in denen Stätten dieses Kultes auffindbar sein sollten.

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Mit zwei befreundeten Frauen habe ich darüber gesprochen und wir haben beschlossen, uns auf den Weg zu machen und in Südtirol einige dieser Kultorte zu besuchen.

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„Ob das denn nun eine Wallfahrt sei?" wurde ich von anderen gefragt und ich habe es mich auch selbst gefragt. Was ist es denn, was mich an diesen drei Jungfrauen lockt und fasziniert: ist es die Neugierde auf Elemente alter, vorchristlicher Religionen, ist es das feministische Interesse, das frauenspezifische Frömmigkeitsformen entdecken will, ist es mein volkskirchliches Interesse, das immer neugierig ist auf lokal begrenzte religiöse Praktiken oder ist es einfach die Lust am Exotischen?

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Klerant, ein Ort hoch oberhalb von Brixen war unsere erste Station. In der Dorfkirche findet sich ein Fresko im Altarraum, das die drei heiligen Jungfrauen - auch genannt die drei Jungfrauen von Meransen - zeigt. Es ist ein wunderschönes Bild aus dem 15. Jahrhundert. Die drei, die hier Ampet, Gewer und Bruen heißen, sind würdevoll dargestellt, ausgestattet mit verschiedenen Symbolen von Macht. Die Begegnung mit ihnen ist beeindruckend. Vieles von dem, was ich bereits gelesen habe, beginnt lebendig zu werden. Der Blick dieser drei Frauen, ihre rot, weiß und schwarzen Kleider, die gesamte Ausstattung und Ausstrahlung lässt tatsächlich nicht auf demütige Jungfrauen schließen, sondern viel eher auf Göttinnen. Im - unverfänglichen - örtlichen Kirchenführer ist auch zu lesen, dass der Dreifrauenkult „letztlich auf die Verehrung der vorchristlichen ‚Matres', dreier keltischer Muttergottheiten zurück (geht). ... Offiziell wurden die drei Jungfrauen von Meransen von kirchlicher Seite nie anerkannt, sondern dem Gefolge der hl. Ursula (11000 Jungfrauen!) eingegliedert." (2) Einige typische Göttinnenattribute (goldene Kugeln, Kette, Sitzhaltung, etc.) hat die Malerin oder der Maler dieses Bildes gezeigt - wir wissen nicht in welcher Absicht. Denn in der gleichen Kirche findet sich auch die Darstellung des hl. Nikolaus, wie er Diana (Synonym für alle außerchristlichen weiblichen Gottheiten) austreibt mit den Worten „Diana, du böser Geist, fleuch aus diesem haus im Namen Jesu..."

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Vielleicht ist diese „Doppelstrategie" Ausdruck dessen, wie Volksreligiosität und Lehramt sich arrangiert haben. In ein und der selben Kirche, sogar direkt nebeneinander, wird das gleiche offiziell verurteilt, was nebenan - verdeckt, aber eigentlich gar nicht so sehr - dargestellt und verehrt wird.

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Meransen besuchten wir noch am gleichen Tag. Am westlichen Endes des Pustertals, hoch oberhalb der Talsohle, auf einer Höhe von ca. 1400 Meter, liegt auf einem Sonnenplateau das Dorf Meransen. In diesem Dorf gibt es seit „urdenklichen" Zeiten eine Verehrung der heiligen drei Jungfrauen, die hier Aubet, Cubet und Guere heißen. Die Pfarrkriche ist dem hl. Jakobus und den hl. Drei Jungfrauen geweiht. In der Kirche werden die drei Jungfrauen sowohl im Deckenfresko dargestellt als auch an einem Seitenaltar mit einer Statuengruppe. Daneben findet sich ein Kasten mit Votivgaben. Einmal im Jahr, beim Jungfrauenfest am Sonntag nach dem 16. September, werden die drei Statuen in einer Prozession durch den Ort getragen. Außerhalb des Ortes, im Wald Richtung Mühlbach befindet sich die „Jungfrauenrast", ein alter Baum- und Quellenkultort. Immer schon pilgerten die Menschen aus der Umgebung zur „Linde", wie sie diesen Ort bis heute nennen. Immer wieder wurde dies auch von offizieller Kirchenseite verboten, da es den Anstrich von Götzenkult habe. Die Verehrung ist geblieben - bis heute. In diesem Ort gibt es von pfarrlicher Seite her ein offensichtliches Interesse, diese Tradition für moderne Menschen zu erschließen. Es wurde eine Art Wallfahrtsweg gestaltet, der „Lindenweg". Von Meransen aus finden sich am Weg entlang verschiedene Stationen, bis man die Jungfrauenrast, bzw. die Linde als Pilgerziel erreicht. Die Stationen wurden so gestaltet, dass jeweils eine Dreiergruppe heiliger Frauen dargestellt ist: heilige Mütter, Herrscherinnen, Ordensfrauen, Kinder, Märtyrinnen und Frauen um Jesus. Durch diese Gestaltung werden die drei Jungfrauen Aubet, Cubet und Guere - das Ziel des Wallfahrtsweges - den offiziellen kirchlichen Heiligen beigesellt. Sie verlieren an Eigenheit. Der Kirchenführer spricht noch davon, dass es „durchaus möglich ist --- dass die Verehrung der weiblichen Dreiergruppe, aus der in christlicher Zeit dann die heiligen Jungfrauen Aubet, Cubet und Guere geworden sind, in die vorchristliche Zeit zurückreicht. Wissenschaftler meinen, die Drei Jungfrauen von Meransen seien die Verkörperung einer keltischen Mütterdreiheit, die im Rheinland verehrt wurde;" (3) Durch diese Einordnung der Drei in die Reihe der „eindeutig" christlichen Heiligen verliert sich der Zauber des Besonderen, die Ahnungen, dass sich bei dieser weiblichen Dreiergruppe zeigt, wie sich religiöse Gefühle - durch verschiedene Religionen hindurch - Ausdruck gesucht und gegeben haben, werden weniger.

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Vielleicht ist es aber auch die missglückte Holzüberdachung des Platzes bei der Linde, jedenfalls stellen sich an diesem Abend, nach dem Gehen des Wallfahrtsweges manche Fragen neu: Habe ich das gesucht, eine heute noch lebendige, gut inkulturierte Verehrung der drei Jungfrauen? Bin ich enttäuscht, weil andere schon entdeckt und neugestaltet haben, was ich vielleicht gerne selber gemacht hätte? ...

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Am nächsten Tag wollten wir nach Dreikirchen gehen. Dreikirchen ist ein kleiner Weiler, bestehend aus drei kleinen, eng zusammengebauten Kirchen und einigen wenigen Häusern, hauptsächlich Gasthäusern. Der Ort ist nur zu Fuß erreichbar und liegt wunderschön am Hang des Eisacktales, oberhalb von Villanders und Barbian. Es gibt hier keine direkten Zeichen der Verehrung der Drei Jungfrauen, nur das Wissen, dass diese drei Kirchen anstelle eines vorchristlichen Dreifrauenheiligtums erstellt wurden. Ich hatte keine besonderen Erwartungen an den Besuch geknüpft, beschäftigt war ich noch mit den Fragen des gestrigen Tages. Dieser Tag war regnerisch und recht kalt. Im benachbarten Gasthaus bekamen wir die Schlüssel für die drei Kirchen. Nachhaltig beeindruckend war das Betreten der ersten Kirche, der Kirche St. Gertraud. Es ist eine schöne kleine Kirche mit Fresken im Altarraum und mit angenehmer Atmosphäre, was dabei so beeindruckend war: In der Mitte des Altarraumes, auf dem einfachen Steinaltar stand die Statue der heiligen Gertraud. Eine einfache schöne Holzskulptur aus der Zeit um 1400. Bei näherem Hinschauen wurden mir einige Details dieser Gestalt sehr wichtig, aber das war es nicht, was mich gleich schon am Anfang, beim Betreten dieser Kirche, so eigentümlich berührte. Es war dieses ganz ungewöhnliche Bild, dass eine Frau mitten auf dem Altar steht. Lange waren wir in dieser Kirche drinnen, jede von uns dreien war auf ihre eigene Art berührt von diesem Kirchenraum, von dieser Frauenfigur auf dem Altar, im Zentrum der Kirche. Weibliches repräsentiert das Göttliche, das Heilige. Es ist ein Empfinden, das schwer zu beschreiben ist. Natürlich weiß ich, dass genau so das Weibliche Gott repräsentieren kann wie das Männliche, dass überhaupt das Wesen Gottes sich nicht in den Kategorien von Geschlechtern aussagen lässt. De facto geschieht es aber doch in unseren irdischen Kategorien und da ist die Geschlechtlichkeit sehr wichtig. Weibliches ist Ausdruck des Göttlichen. Immer wieder seither sehe ich das Bild dieser Heiligenstatue vor mir. Eine schlichte, schöne, stolze Frauengestalt. In der einen Hand hält sie eine leere Schale, in der anderen Hand einen langen Stab, einen Spinnrocken. Die Offenheit, die durch die Schale zum Ausdruck kommt und die Klarheit und Entschiedenheit symbolisiert durch den Spinnrocken sind zwei Aspekte von Weiblichkeit, die unbedingt zusammengehören - gerade im Raum der Kirche.

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Obwohl die Reise nun schon einige Zeit zurückliegt fällt es mir noch schwer, die Erkenntnis, die Essenz dieser Erfahrung prägnant zu formulieren. Das Bild von der Hl. Gertraud bringt immer noch viel in Bewegung. Ein Eindruck verfestigt sich: meine Neugierde auf die drei Jungfrauen und die Fragen, die ich mir gestellt habe, haben unerwartet „Antwort" gefunden in der Gertraudskirche.

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Warum schreibe ich diesen Artikel, wenn ich den Erkenntnisgewinn nicht deutlich formulieren kann? Meine Erfahrung und meine Überzeugung ist es, dass Glaube und Glaubenserfahrung mit Hilfe von schön verschnürten, fertigen Paketen, die weitergegeben werden, nur selten ermöglicht wird. Oft kann etwas Unfertiges, das auf Resonanz stößt und zum weiteren Nachdenken und Arbeiten anregt aber ein Funke sein, der etwas entfacht.

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In diesem Sinne freue ich mich, wenn Sie einen Anknüpfungspunkt gefunden haben für Ihr eigenes Nachdenken und freue mich auch über Rückmeldungen.

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Anmerkungen:  

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 1. Kutter, Der Kult der drei Jungfrauen. Eine Kraftquelle weiblicher Spiritualität neu entdeckt, München 1997.

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2. Rainer, S. Demetz, Die Kirchen der Pfarre St. Andrä. Sakrale Kunst, Lana 2000, 37f.

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3. Gruber, Die Pfarrkirche von Meransen. Mit Studie von Rudolf Marini, Lana 1997, 9.

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