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Niewiadomski Jozef: In Seinem Herzen geborgen
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In Seinem Herzen geborgen
(Predigt zum Herz-Jesu-Fest, gehalten in der Jesuitenkirche am 1. Juni 2008 bei den Gottesdiensten um 11. und um 18. Uhr)

Autor:Niewiadomski Jozef
Veröffentlichung:
Kategoriepredigt
Abstrakt:
Publiziert in:# Originalbeitrag für den Leseraum
Datum:2008-06-09

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

1
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„Wenn ich das schon höre!", wird der kritische Zeitgenosse raunzen. „Kommt alle zu mir, die ihr euch plagt und schwere Lasten zu tragen habt. Ich werde euch Ruhe verschaffen." (Mt 11,28) „Das klingt doch nach einem Scharlatan oder aber nach der Werbung für Johanniskrautprodukte: >Geplagt und niedergeschlagen? Ohne dass man recht weiß, warum? Nehmen Sie ein paar Wochen lang Johanniskraut! Schon finden sie Ruhe und die Stimmung bessert sich.= Die Wahrheit der Frömmigkeit, die Wahrheit des Herzens Jesu ist doch nichts anderes als pure Suggestion. Alle Gurus des positiven Denkens sagen im Grunde dasselbe. Im besten Fall ist diese Wahrheit der Wahrheit der Kräuterpräparate verwandt!"

2
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„Und warum denn nicht?", wird der dialogbereite Theologe fragen. „Der Ansatz positiven Denkens ist doch immer noch besser als die >Alles ist bloß Scheiße=-Mentalität. Und warum soll denn Gott etwas dagegen haben, dass sich Menschen um eine positive Alltagskultur bemühen, dass sie lächeln, anstatt finster dreinzuschauen, dass sie sich Worte der Wertschätzung schenken, anstatt einander mit Dreck zu bewerfen. Außerdem hat Gott die Kräuter zum Heil des Menschen geschaffen."

3
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„Na ja", der kritische Zeitgenosse wird versöhnlicher, „wenn Euer Jesus das so gemeint haben sollte, dann gibt es ja nichts gegen ihn einzuwenden, er war doch im Grunde ein patenter Kerl und der >neue Mann= im Zeitalter hoffnungslos verkrusteter Strukturen. Nur die Kirche ... Diese soll mit den blutrünstigen Bildern aufhören - Opfer, Sühne, Hingabe, das geöffnete Herz. Um Gottes willen! Im Zeitalter der Herztransplantationen ...!"

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Nun bleibt, liebe Schwestern und Brüder, das Herz in unserer Kultur - und dies trotz modernster Medizin und trotz aller traditionellen „Verkitschung" - immer noch eines der wichtigsten Symbole für die personale Mitte des Menschen. Die Qualifizierung „Du bist ein herzloser Mensch" ist eine der stärksten Anklagen, eine Anklage, die auf die Negation des Menschseins hinausläuft. Am Wort allein wird es also kaum liegen, wenn der kritische Zeitgenosse raunzt. Denn er wird auch dann raunzen, wenn ihn die Christen darauf aufmerksam machen, dass diese Einladung Jesu, sich in der Geborgenheit seiner Person auszuruhen: „Kommt alle zu mir..., ich werde euch ausruhen lassen", dass die Logik dieser Einladung auch für Jesus selbst galt. Er, der geplagte und beladene Mann aus Nazareth, der Außenseiter seines Heimatortes, der Spinner, der Revoluzzer, der Gejagte, der von seinen besten Freunden Verratene, der von Gegnern und Feinden gar ans Kreuz Geschlagene, er selber hat sich in der Geborgenheit der Person seines Vaters ausruhen können. Der Sohn ruht auf dem Herzen des Vaters - weiß die Bibel zu berichten. Er selber ist, wenn Sie so wollen, im Vater in seinem Herzen geborgen.

5
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„Pure Einbildung", wird der Religionskritiker einwenden. „Dieser Glaube Jesu war doch nicht besser als der Glaube anderer Fanatiker und Religionsstifter. Auch sie glaubten doch alle, Lieblinge Gottes zu sein, die Begeisterung ihrer Schäfchen bestärkte sie bloß in ihrem Wahn. Konfrontiert mit Anfeindung und Gegnerschaft, auf sich allein gestellt, hielten doch die meisten an der Kohärenz ihrer Wirklichkeitsauffassung fest, glaubten sie sich doch von ihren eingebildeten Ideen getragen. Bis in den Tod hinein! Schauen Sie sich bloß die Selbstmordattentäter heute an. Von wegen im Herzen des Vaters geborgen ... Letztlich war es doch bloß ein eingebildeter Vater. Kein Wunder, in dieser vaterlosen Familie der Jungfrau Maria. Wir kennen das zur Genüge aus unzähligen Studien über die vaterlose Gesellschaft."

6
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Der Religionskritiker, liebe Schwestern und Brüder, wird nicht nachlassen. Seine Häme und auch sein Hass treffen uns - die verunsicherten Gläubigen - mitten ins Herz. Deswegen drücken wir uns oft vor der Rationalität des Glaubens, geben uns mit der Logik der Kräuterweiber und mit Wellnesspräparaten zufrieden, indem wir den Wert des Glaubens nach deren Logik bemessen. Wir basteln an den Mosaiken eines menschenfreundlichen, interreligiösen Christusbildes: halb Buddha, halb ein afrikanischer Medizinmann, gepfeffert mit der Mütze eines Che Guevara. Hauptsache: Gutmensch! Doch im kulturellen Trend oder im sanft bürgerlichen Gegentrend. Auf jeden Fall aber nicht das, wovon der kirchliche Glaube zeugt: der ewige Sohn des Vaters, der am Herzen Gottes ruht, der Mensch geworden ist, dessen Herz durchbohrt wurde. Eine Handlung, die von der Kirche als Verdichtung der Hingabe verstanden wird.

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Obwohl beim ersten Anblick die Fronten zu klar abgesteckt zu sein scheinen: hier der kirchliche Glaube und die dogmatisch glaubenden Christen; dort die Anderen, v.a. die Religionskritiker, aber auch die „bodenständigen Menschen" - jene Menschen, die gelernt haben, mit Radikalen umzugehen, weil sie das Scheitern der Ideale und die Sackgassen der Umbrüche schon erlebt haben, deswegen auch lieber auf Kräuter als auf stärkere Gegengifte setzen. Obwohl die Fronten klar zu sein scheinen, eindeutig sind sie dennoch nicht. Und das ist der Kernpunkt unserer Problematik heute: Eindeutig sind sie nicht, weil der besagte Christus die Frontlinie überschreitet. Er pendelt hin und her, dieser gottmenschliche Grenzgänger. Er, der sein Leben lang um die ihn tragende Gegenwart des Vaters wusste: „Ich preise Dich, Vater. Alles ist mir von Dir gegeben worden. Niemand kennt Dich, nur der Sohn, ... niemand nur ich und natürlich auch jeder, dem sich der Vater offenbaren wird. Deswegen bin ich auch dauernd unterwegs, erzähle von Dir, in deinem Namen heile ich, integriere, vergebe die Sünden, hebe Grenzen auf: >Kommt alle zu mir!= - und viele kommen, Frauen, Männer, v.a. die Geplagten..., - ich preise Dich, Vater.." (vgl. Mt 11,25-27) - er der sein Leben lang um die ihn tragende Gegenwart des Vaters wusste, ist sich in seinem Sterben dieser Gegenwart nicht mehr so sicher: „Mein Gott, warum hast Du mich verlassen?" (Mt 27,46).

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Liebe Schwestern und Brüder! Sollte dieser Vater bloß eine Wunschprojektion des gehänselten Jungfraukindes aus Nazareth gewesen sein, sollte dieser Vater bloß eine Einbildung des Möchtegerngurus gewesen sein, dann ist diese Projektion im Sterben Jesu zerbrochen. Sein Sterben klärt all die Projektionen auf, so subtil sie auch sein mögen. Und dies nicht nur für Freunde und Nachfolger Jesu, sondern auch oder gerade für ihn selber. Durch seine Erfahrung des schwindenden Bewusstseins göttlicher Gegenwart, durch das Zerbrechen des Gefühls der bergenden Gegenwart seines Vaters wechselt Jesus die Fronten. Als Sterbender findet er sich wieder: aber an der Seite derer, die dieses Bewusstsein bergender Gegenwart Gottes nicht haben. Es nicht haben wollen, oder auch - aus welchen Gründen auch immer - es nicht haben können. Sich deswegen nicht nur über das Gefühl des Getragenseins durch Gott lustig machen, sondern den Glauben an das Geborgensein im Herzen Gottes aggressivst bekämpfen und diesen Glauben auf das Niveau der Logik von Kräuterweibern, Wellness-Managern oder aber Psychiatern herabsetzen. Alles, aber gar alles, was Jesus irgendwie noch stärken konnte, alle Analgetika, alle Ansätze des positiven Denkens, gar Kräuter und Gifte - sie gaben ihm ja Essig und Galle zu trinken ..., die archaischen Palliativmediziner -, alles, was sich Menschen an Strategien zurechtlegen, um den Tod zu beschwichtigen (der religiöse Glaube bleibt dabei nicht ausgenommen), all das scheitert im Sterben Jesu von Nazareth. Es kann deswegen nicht mehr verwechselt werden mit der personalen Mitte, die diesem Menschen eigen ist. Jener personalen Mitte, für die unser Kulturkreis zwar das Symbol des Herzens verwendet, die aber weder für den Psychologen, noch für den Genomspezialisten und schon gar nicht für den Kardiologen und Transplantationschirurgen zugänglich ist. Nicht einmal für mich selber ist ja diese personale Mitte meines Selbst voll zugänglich. Stückweise bleibt sie ja immer - selbst mir - ein Geheimnis, muss deswegen auch vor den aggressiven Aufklärern geschützt werden. Worauf will ich hinaus?

9
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Im Sterben Jesu zerbrechen all die Hilfskrücken, die uns Menschen zur Verfügung stehen, um das Gefühl, gar um das Bewusstsein der Geborgenheit in Gott zu beschreiben. Er, der ewige Sohn des Vaters, der im Herzen des Vaters Geborgene, erfährt diese Geborgenheit im eigenen Sterben nicht. Er erfährt sie nicht, was aber nicht bedeutet, dass es diese Geborgenheit nicht gibt. Er erfährt sie nicht, weil er in seinem Sterben Anteil hat! Anteil an der Erfahrung all jener, die sich verlassen fühlen, die restlos einsam sind, die nur noch fallen und fallen und fallen. In seinem Sterben hat er Anteil an der Erfahrung all jener, die der Illusionen beraubt werden, Anteil an der Erfahrung der zerbrochenen Hoffnungen und Wünsche, gar an der Erfahrung der Erstickung des Vertrauens zum Leben, der radikalen Sprachlosigkeit und Resignation. Schlussendlich lässt er sich in seinem Sterben vom Spott all jener treffen, die den Glauben und das Vertrauen v.a. aber die Hoffnung verhöhnen und die es ablehnen, sich lieben zu lassen. Er, der Sohn, der im Herzen des Vaters ruht, überschreitet im Sterben die Frontlinie zwischen denen, die sich geborgen wissen, und jenen, die das Gegenteil erfahren. Auf diese schmerzhafte Art und Weise integriert er aber alle in seine Beziehung zum Vater. Deswegen wird seine Brust aufgeschlitzt! Der gewaltsame Versuch, die personale Mitte dieses Einen offen zu legen, sein Geheimnis aufzuklären, zu zeigen: er starb, ja: er starb genauso wie alle anderen sterben, dieser gewaltsame Versuch der Aufklärung wird nun zum Anlass für die Offenbarung der tiefsten Wahrheit jenes Gottes, von dem der Sohn getragen wurde.

10
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Seine Brust wurde aufgeschlitzt, auf dass - so sagte schon vor Jahren Karl Rahner - auf dass alle, die gläubig dieses Herz anschauen, wissen: Dieses Herz liebt alle, selbst diejenigen, die es ablehnen sich lieben zu lassen. In diesem Herzen sind also alle geborgen, nicht nur diejenigen, die die Geborgenheit erfahren. Und auch nicht nur diejenigen, die dieses Gefühl verloren haben. Geborgen sind selbst jene, die das Wissen über die Geborgenheit des Menschen im Herzen Gottes ablehnen, die es gar verhöhnen. Was bleibt uns - den Christen - angesichts dieser Logik anderes übrig als gläubiges Staunen, als Anbetung und Dank! Und natürlich auch die Annahme seiner Einladung: „Kommt alle zu mir, die ihr euch plagt und beladen seid. Ihr werdet Ruhe finden in der Geborgenheit meines Herzens!"

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