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Panhofer Johannes: „… suchet zuerst die gemeinsame Gottesdienstordnung“
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„… suchet zuerst die gemeinsame Gottesdienstordnung“
(Kirchenentwicklung im Horizont des Reiches Gottes)

Autor:Panhofer Johannes
Veröffentlichung:
Kategorieartikel
Abstrakt:
Publiziert in:Findl-Ludescher, Anna / Schneider, Sebastian (2011): Seelsorge(t)räume. Zwischen Notverwaltung und Zukunftsgestaltung. Mainz a. Rhein: Matthias-Grünewald-Verlag (= Kommunikative Theologie, 16), 228-251.
Datum:2014-02-03

Inhalt

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1. Ausgangslage und Fragestellung

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Die aufgezwungene Erneuerung

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Machen wir uns nichts vor: Die Bildung von Seelsorgeräumen ist nicht die Frucht eines geistlichen Aufbruchs in der Kirche oder eines neuen Kirchenbildes, in denen die Christinnen und Christen gemäß ihrer Teilhabe „am priesterlichen, prophetischen und königlichen Amt Christi“ (AA 2) ihre Verantwortung in der Mitgestaltung am Gemeindeaufbau stärker als bisher wahrnehmen sollen. Sie sind nicht Ausfluss eines verwandelten Kirchen- und Gemeindebildes kirchlicher Entscheidungsträger. Die Bildung von Seelsorgeräumen gehorcht dem Gesetz der Not und ist durch äußere Umstände erzwungen: dem Priestermangel. Das gilt es in aller Nüchternheit festzuhalten: Weder Ursache (Priestermangel) noch die Folge (Strukturveränderung) sind – vom einfachen Gläubigen über Diakone und Priester bis zu Generalvikaren und Bischöfen – gewünscht.[1] Verständlicherweise reagieren die meisten statt mit Begeisterung mit Skepsis bis Widerwillen darauf, und „wenn man schon mitmacht“, dann aus der Einsicht, dass es nicht wirklich verantwortbare Alternativen gibt. Die Schaffung größerer Seelsorgeräume scheint das kleinere Übel zu sein. Doch welche Konsequenzen hat eine solch erzwungene Veränderung für Motivation und Zielperspektive bei den Betroffenen für den Veränderungsprozess, wenn es auch um eine geistliche Erneuerung gehen soll?

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Äußere Veränderung ohne innere Wandlung?

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Diese Frage scheint wichtig, wenn die Kirchenleitung die Umgestaltung der Pastoral nicht nur unter einem praktisch-pragmatischen Strukturaspekt sehen will, sondern parallel dazu auch eine geistliche Erneuerung anstrebt: „Gestalten – nicht nur verwalten“ lautet das Motto. Und tatsächlich wird sich durch die Umverteilung von Verwaltungs-, Organisations- und Seelsorgeaufgaben auf mehreren Schultern und das Einbeziehen v.a. ehrenamtlicher MitarbeiterInnen das Bild von Kirche verändern. Wie diese Veränderungen aber bewertet werden, hängt stark vom jeweiligen Kirchen- und Gemeindebild ab. Wird das traditionelle Kirchenbild (bewusst oder unbewusst) als Maßstab genommen, so erscheint jede Abweichung von dieser inneren Norm nur unter dem Blickwinkel des „Defizits“ auf. Wird die erzwungene Struktur nur erduldend in Kauf genommen – als kleineres Übel – , ohne dass die Umgestaltung auch mit einer inhaltlich positiven Zielsetzung gefüllt wird, kann es nur zu einer (oft latenten) negativen Beurteilung des geplanten Zustands bzw. dessen Konsequenzen führen. Es entspricht daher dieser Logik, wenn alternative Modelle zum traditionellen Modell mit eigenem Gemeindepfarrer immer als Übergangs-, Notlösungen oder Ersatzprogramme gesehen werden.[2] Äußere, erzwungene Strukturveränderungen gehen also nicht automatisch mit einem veränderten, inneren Bild von Kirche einher. Vielmehr verschärft das innere Festhalten an traditionellen Normen (Regeln, Riten und Rollen von Priestern und Laien) einerseits bei gleichzeitiger äußerer struktureller Umgestaltung und neuer Aufgabenverteilung, andererseits zunehmend die Spannungen zwischen äußerer Realität und inneren Kirchenbildern. Dieser grundsätzlichen – sicher noch zunehmenden – Spannung wird aus meiner Sicht im Umgestaltungsprozess zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt, sodass in der gemeindlichen Praxis äußere Realität und innere Bilder immer weniger übereinstimmen, was wiederum zu intrapersonalen und interpersonalen Spannungen führen wird. Mit Kirchen- und Rollenbildern von gestern wird man eine Kirchenvision für morgen nicht zeichnen können und auch den gegenwärtigen Entwicklungen nicht gerecht.

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Die faktische, oft gar nicht so bewusste Motivation für die Seelsorgeraumbildung scheint für die Qualität der Veränderungsprozesse von entscheidender Bedeutung. Die Motivation – bei Entscheidungsträgern und Betroffenen – bestimmt darüber, ob die Seelsorgeraumbildung in pragmatischen Erwägungen „steckenbleibt“ – also eine vorwiegend äußerliche Veränderung erfährt – oder ob sie sich – im theologischen Sinne – erneuert. Dies bedürfte einer aktiven Arbeit an Kirchen- und Rollenbild sowie einem auch theologisch qualitätsvollen Begleitungsprozess. Was wirklich Not tut, ist ein herzhaftes Entwickeln einer Vision von Kirche – ihrer Glieder und Strukturen –, die sich sowohl an der Ekklesiologie des Konzils als auch an den Herausforderungen der Kirche und der Welt von heute orientiert.

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Ich möchte im Folgenden den benannten Fragen in mehreren Schritten nachgehen: vom Anspruch über die konkrete Erfahrung in der Begleitung und dem Bild der katholischen Kirche bis zur Visionsarbeit anhand theologischer Optionen. Ziel ist nicht ein systematischer Fachartikel, sondern eine persönliche Reflexion, in der die Erfahrungen aus der Begleitung von Seelsorgeräumen, Erlebnisse als (einfacher) Christ und Überlegungen als Pastoraltheologe zusammenfließen. Leitendes Interesse ist dabei der Fokus, ob nicht all die Strukturveränderungen noch stärker auf die Erneuerung von Kirche insgesamt hin gedacht und geordnet werden müssten, also die theologische Frage in der Seelsorgeraumbildung.

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2. Anspruch: Gemeindeerneuerung und Vertiefung des Glaubens

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Für die Diözese Innsbruck hat Diözesanbischof Manfred Scheuer Hintergrund und v.a. Anliegen der Bildung von Seelsorgeräumen in äußerst dichter und treffender Form im „Bischofswort zur Österlichen Bußzeit 2006“[3] dargelegt. Im Abschnitt über die Strukturreform – der „Bewegung nach außen“ – thematisiert er Fragen der Selbständigkeit und zugleich der Zusammenarbeit (des Teilens) zwischen den Gemeinden, der Vernetzung mit Orden, sozialen und kulturellen Einrichtungen, der Leitung und der Rollenprofile u.ä. Im zweiten großen Abschnitt des Hirtenworts geht es um die „innere Bewegung“, um „die stetige Erneuerung und Stärkung unseres Glaubens“:„Eine bloß äußere Strukturerneuerung unserer Pfarren und Diözese wäre eine reine Symptombehandlung. Es braucht genauso die Bewegung nach innen, die stetige Erneuerung und Stärkung unseres Glaubens als einzelne und als Gemeinschaft.“[4]
Nicht zuletzt die Absicht der Diözese, bei der Bildung der Seelsorgeräume nicht auf die Strukturen zu achten, sondern zugleich einen Prozess der Gemeindeerneuerung anzustoßen, hat mich dazu bewogen, der Anfrage für eine Begleitungstätigkeit nachzukommen. Denn auch wenn „Grundlagen“, „Leitlinien und Statuten“[5] zur Errichtung von Seelsorgeräumen v.a. pastoralpraktische Fragen behandeln (Erstellung von Gottesdienstordnungen, Profile verschiedener Rollen, Zusammensetzung von Räten, usw.) und unumgänglich sind,[6] erschöpft sich darin das Verständnis von Kirche nicht, liegen darin nicht letzter Sinn und Zweck der Errichtung von Seelsorgeräumen. Die Umstellung auf Seelsorgeräume sollte die Weitergabe des Glaubens, die Erneuerung und Stärkung des Glaubens sowohl des einzelnen Gläubigen als auch der christlichen Gemeinschaft im Blick haben – darauf wurde auch von einem Vertreter der Diözesanleitung in Gegenwart der PfarrvertreterInnen bei einem ersten Treffen hingewiesen.

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3. Dominierende Erfahrung: das „katholische Leben“ absichern

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Die Komplexität eines Umstrukturierungsprozesses und des Begleitprozesses können an dieser Stelle nicht im Detail dargestellt werden. Ich möchte für diesen Beitrag gerade eine Erfahrung, ein Phänomen herausgreifen, auch wenn ich mit dieser Reduktion eine Einseitigkeit in Kauf nehmen muss. Trotz der Subjektivität meiner Erfahrung – die noch dazu tendenziell stärker in traditionellen, meist ländlichen Pfarrgemeinden anzutreffen ist – tritt das Phänomen, wie mir KollegInnen bestätigen, mehr oder weniger stark auch bei anderen Begleitungsprozessen auf. Der Eindruck gibt also eine Problemanzeige wieder.

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In der Diözese Innsbruck werden die Betroffenen in erfreulich umfangreicher Weise in die Bildung der Seelsorgeräume einbezogen:[7] VertreterInnen der Pfarren aus dem zu bildenden Seelsorgeraum (das sind nun der Priester, der den Seelsorgeraum leiten wird, ein aushelfender Priester – Vikar genannt – und hauptamtliche und ehrenamtliche pastorale MitarbeiterInnen, oft PGR-Mitglieder) treffen einander in einer Projektgruppe (für ca. zwei Jahre) und erarbeiten unter externer Begleitung die Art und Weise der Zusammenarbeit.

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Nach einer Einführung in Sinn und Ziel dieser Gruppe beginnen die PfarrvertreterInnen alsbald Möglichkeiten und Struktur der Zusammenarbeit (Erstkommunion- und Firmvorbereitung, Wallfahrt, Jugendarbeit, etc.) zu diskutieren – immer auch die Bedürfnisse der eigenen Pfarre im Auge behaltend. Ein wichtiger Punkt ist dabei die gerechte „Verteilung“ des Priesters. Diese Anliegen werden mit großem Eifer und Selbstverständlichkeit – weil naheliegend und unumgänglich – angegangen, etwa nach dem Motto: „… sucht zuerst die gemeinsame Gottesdienstordnung“. Diese wird in mehreren Sitzungen festgelegt. Letztendlich stellen sich vertretbare Kompromisse ein. Etwas salopp gesagt, wird im Aushandlungsprozess das Bemühen aller PfarrvertreterInnen deutlich, das bisherige katholische Angebot (und das sichtbarste sind Gottesdienste und Sakramentenpastoral) auch für die Zukunft ohne möglichst große Abstriche in der eigenen Gemeinde zu gewährleisten. In den Augen der meisten TeilnehmerInnen ist mit der „Rettung“ der katholischen (d.h. v.a. liturgischen) Ordnung und des sa­kramentalen Angebots das katholische Leben im Dorf weiter gesichert.

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Als Begleiter versuche ich schließlich, die „Bewegung nach innen, die stetige Erneuerung und Stärkung unseres Glaubens als einzelne und als Gemeinschaft“ in Erinnerung zu rufen und versuche mit der Gruppe verschiedene Möglichkeiten zu überlegen. Dabei kommen auch die Angebote von Seiten der Diözese zur Sprache (Exerzitien im Alltag, Glaubensseminare, Pfarrmission). Bei diesem Punkt stellt sich jedoch bald eine spürbare Zurückhaltung ein: So energievoll die Mitglieder bei den praktischen Dingen bei der Sache sind, so schwer und zäh wird plötzlich das Gespräch. Vielleicht fällt das gerade einem Pastoraltheologen stärker auf, und ich habe mich gefragt, worin denn die Ursachen liegen mögen.

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Wenn ich im nächsten Teil den Hintergründen nachgehe, dann v.a. um die Situation zu verstehen und mögliche Ursachen zu benennen. Der Blick geht dabei auf eine bestimmte pastorale Kultur, auf Wahrnehmungskategorien und in keinem Fall – das sei hier besonders betont – auf das Verhalten von Einzelpersonen, zumal gerade jene, mit denen ich arbeiten durfte, sich mit viel persönlichem Engagement für das Funktionieren des Seelsorgeraums eingesetzt haben.

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Das „Ausbrennen“ ehrenamtlicher und hauptamtlicher MitarbeiterInnen

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Ich sehe in der Zurückhaltung gegenüber dem Nachdenken über Gemeindeerneuerung zunächst einen praktischen Grund: Zeit und Energie der ehrenamtlichen – aber auch hauptamtlichen – pastoralen MitarbeiterInnen sind ausgereizt. Gerade in kleineren Gemeinden sind es „immer dieselben“ die sich zur Verfügung stellen und vielfältige Dienste übernehmen. Wenn sie nach einem langen Arbeitstag aus den Seitentälern spätabends zum zentral gelegenen Gruppentreffen kommen – im Winter bei Dunkelheit und Kälte über Schnee- und Eisfahrbahn, – dann steht manchem die Erschöpfung schon ins Gesicht geschrieben. Ich kann gut verstehen, wenn sie – nachdem das in ihren Augen wichtigste für den Seelsorgeraum organisiert war – sagen: „Jetzt ist es auch einmal genug!“ und heim zur Familie fahren. Man spürte: Es wäre eine Überforderung, jetzt auch noch das Anliegen der Gemeindeerneuerung anzudenken.[8]

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Neben diesen sehr nachvollziehbaren, praktischen Gründen gibt es auch tiefer liegende Ursachen, so z. B. die Macht verinnerlichter Bilder, etwa das, was als „katholisch“ gilt. Dies ist eine (praktisch-)theologische Fragestellung, der ich mich nun zuwenden möchte.

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4. Die Beharrungstendenz des „katholischen Kirchenbildes“

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(Innere) Bilder ermöglichen und verhindern

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An dieser Stelle muss ich etwas grundsätzlicher ausholen: Jeder Mensch besitzt eine Weltanschauung – mehr oder weniger bewusst. Das Wort „Anschauung“ bedeutet, dass es sich um (innere) Bilder handelt, die unsere Wahrnehmung und unser Welterleben interpretieren.

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Solche Bilder helfen uns, mit der Welt „zurecht zu kommen“ und uns zu orientieren. Der „Bilderrahmen“ ermöglicht dadurch Wahrnehmen und Erkennen auf dem Hintergrund einer bestimmten Folie, aber begrenzt zugleich unsere Wahrnehmungs- und Erkenntnisfähigkeit. Was außerhalb unseres verinnerlichten Bilderrahmens liegt, kann nicht oder nur als Irritation unseres Weltbilds wahrgenommen werden. Aus diesem Grund ist es wichtig, subjektive (Welt-)Bilder, aber auch „kollektive Bilder(-rahmen)“ auch immer wieder zu hinterfragen, sie zu verrücken, damit neue Erkenntnis möglich wird.

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Leben in und aus Glaubensbildern

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Was hier ganz generell und in einfachster Weise gesagt wurde, gilt freilich auch für Bilder, die wir uns von Glaube, Kirche und Gemeinde machen. Ob wir in biblischen Geschichten lesen, [9] die Figuren, Bilder und Gestaltung von Kirchen betrachten[10] oder ein Kirchenlied („Ein haus voll Glorie schauet ...“) singen – überall werden Bilder entworfen, die uns vom Glauben erzählen. Es mag uns im Alltag nicht so bewusst sein, aber: Wir leben in und aus Bildern, die unserer Glaubenshaltung Ausdruck und Orientierung geben.

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Kirchenbilder gibt es viele, und sie betonen jeweils unterschiedliche Aspekte.[11] So hebt die Kirche als „feste Burg, die mich rettet“ den Wehr- und Schutzcharakter hervor. Das Bild von Kirche als „Heimat“ will das vertraute Zuhause, Geborgenheit vermitteln. Kirche als eine „bunte Blumenwiese“ will die Freude über die geschenkte Farbenpracht und Vielfältigkeit der Kirchen zum Ausdruck bringen. Kirche als „Leib Christi“, ein biblischer Begriff, will vor allem das organische Zueinander aller Glieder der Kirche betonen. Diese Kirchenbilder spielen nun auch für die Bildung der Seelsorgeräume eine wichtige Rolle.

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Irritation des volkskirchlichen Bildes von Kirche

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Es gibt freilich nicht das katholische Bild der Kirche. Zwar gibt es den Katechismus, aber bei genauerem Hinschauen gibt es wohl so viele Bilder von Kirche wie es Menschen gibt. Soziologen können dennoch bestimmte Gruppen ausmachen und typisierte Bilder unterscheiden.[12] Der volkskirchliche, stark von Traditionen geprägte Typus bildet nach wie vor ein großes Segment in der aktiven (Liturgie-)Gemeinde. Im katholisch geordneten Leben gehört der Pfarrer zur Pfarre wie der Kirchturm zur Kirche. Die Bilder dafür, was als katholisch gilt, haben sich über Jahrzehnte und Jahrhunderte tief in die Seele des treuen Katholiken eingegraben. Neben lehramtlichen Überzeugungen gehören dazu auch die Vorstellungen darüber, wie ein katholisches Gemeindeleben aussieht. Der Großteil der katholischen Gläubigen wird die katholische Identität an hl. Messe, Erstkommunion, Taufe, kirchlicher Hochzeit, zölibatärem Priester, Palm- und Fronleichnamsprozession, Papst und Bischof, Maiandacht und Marienfrömmigkeit, Rosenkranz u. ä. festmachen. Solche Bilder prägen das katholische Selbstverständnis, sie bilden – salopp gesagt – die katholischen Formate (Profile und Erkennungszeichen). Einen zentralen Platz in den „katholischen Bildern“ nehmen die Sakramente ein, die wiederum untrennbar mit deren Spender, also dem geweihten Priester verbunden sind. Im Bewusstsein der Gläubigen ist eine Gemeinde katholisch, in der diese „Formate“ vorkommen.

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Mit dem Abschied vom klassischen Pfarrermodell hin zum Seelsorgeraum kommt es nun zu einer Irritation, ja manchmal zu einer Erschütterung des volkskirchlichen Bildes von Kirche – gerade bei Menschen, die sich damit stark identifizieren. Die Verlustängste sind begleitet von plötzlicher Ratlosigkeit und unerwarteter Wut, von hilfloser Ohnmacht und leiser Hoffnung. Es ist daher nur verständlich, wenn der erste natürliche Reflex darin besteht, das gewohnte „katholische Leben“ (die „Insignien“, die dafür stehen) so gut es geht zu „retten“. Sind also die Gottesdienstordnung und die Präsenz des Priesters organisiert, so kehrt Entspannung und Zufriedenheit ein. Damit – so scheint es – ist das christliche Leben bewahrt und das „katholische Gewissen“ beruhigt. Der Bedarf an weiterer geistlicher Erneuerung ist demgegenüber sekundär. Auch in diesem Sinn würde ich die Reaktion der TeilnehmerInnen verstehen.

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„Wir bleiben katholisch!“ oder „die Seligsprechung der Stabilität“

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Eng mit der Volkskirche verknüpft ist auch eine andere „katholische Mentalität“. Alles soll möglichst so bleiben, wie es ist! Das vertraute Leben (in) einer katholischen Pfarrgemeinde ist in der Regel von großer Kontinuität und Stabilität gekennzeichnet. Das Kirchenjahr mit seinen liturgischen Festen und ausgewiesenen Zeiten und Orten ist ebenso vertraut wie die gesungenen Lieder und die wiederkehrenden Texte in der hl. Messe, der Kirchenraum mit seiner Architektur, seinen Bildern und Skulpturen spiegeln eine Jahrhunderte alte Tradition wieder. Man kennt die Gottesdienstbesucher – selten gibt es neue Gesichter … Unveränderlichkeit ist geradezu ein Charakteristikum des Katholischen, und der Wille zur Veränderung wird geradezu mit Glaubensabfall gleichgesetzt. Die köstliche Geschichte vom norddeutschen Bauern, der angesichts der Ankündigung eines Zweiten Vatikanischen Konzils in den beschwörenden Ruf ausbricht: „Lasst die in Rom beschließen, was sie wollen, ich bleibe katholisch!“ trifft die Sache auf den Punkt. Selbst wenn sich das träge „katholische Rom“ (die „Zentrale des Katholischen“) verändern würde, so käme das einem Anschlag auf die katholische Mentalität gleich. „Dass sich nichts ändern darf … das galt für die erdrückende Mehrheit der Katholiken als eben das Katholische“[13] – und gilt wohl für einen nicht so geringen Teil auch heute noch. Katholisch sein heißt: die Tradition bewahren – welche man auch immer damit im Einzelfall meint.[14]

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„Ecclesia semper reformanda“

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Gerade angesichts der Unübersichtlichkeit und Komplexität der globalisierten Welt ist die Sehnsucht nach einem überschaubaren, vertrauten Raum verständlich. Gleichzeitig darf man nicht aus dem Auge verlieren, dass die Kirche auf dem Weg ist und noch keine vollendete „societas perfecta“ darstellt, sondern vielmehr eine „ecclesia semper reformanda“. „Die Kirche … wird erst in der himmlischen Herrlichkeit vollendet werden … Bis es aber einen neuen Himmel und eine neue Erde gibt, … trägt die pilgernde Kirche in ihren Sakramenten und Einrichtungen, die noch zu dieser Weltzeit gehören, die Gestalt dieser Welt, die vergeht …“ (LG 48). Trotz ihrer „göttlichen Wurzeln“ hat sie sich vielfach bis zu ihrer Vollendung zu verwandeln: „Zum Wesen der Kirche gehört nicht nur die Möglichkeit verschiedener Ausdrucksformen, sondern das tatsächliche Drängen und die ständige Spannung zu stets neuen Formen. ... Je länger die Kirche durch die Geschichte schreitet und je näher sie die Menschheit zu ihrem Ziele hinführt, umso klarer wird dann ihr Wesen offenbar vor den Menschen.“[15] Die Überzeugung der Kirche wird durch die Geschichte belegt: Die Strukturen der Kirche haben sich zu allen Zeiten immer wieder geändert, Ämter und Dienste sind neu entstanden oder auch wieder verschwunden und haben sich entsprechend der unterschiedlichen Kontexte gebildet. Dieser Glaube der Kirche, dass sie ihre unendliche Fülle erst durch viele Wandlungen hindurch sichtbarer zum Ausdruck bringen wird können, steht der oben skizzierten katholischen Mentalität diametral gegenüber.

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Angesichts einer Amtskirche, die gegenwärtig mehr an der Rückbindung an (bestimmte) Traditionen (Wiedereinführung der „alten Messe“, die „Rehabilitierung“ der Piusbruderschaft, ...) interessiert ist, sind amtliche Stimmen, die nach vorne blicken, überraschend und erstaunlich: „Im Glauben sind wir nicht fixiert auf die Vergangenheit, wir kleben nicht am Gewohnten. … Wir werden in den kommenden Jahren nicht einfach die Vergangenheit kopieren können. Es gilt Neuland zu betreten: ‚Nehmt Neuland unter den Pflug‘ (Jer 4,3). Auch in Phasen der Not braucht es den Blick nach vorne. Ich möchte unsere Veränderungen und Krisen als Herausforderung und Chance verstehen. Sie stellen uns in die Entscheidung, uns neu im Evangelium und im lebendigen Glauben an Jesus Christus zu verankern und uns auf die Mitte des Glaubens an den dreieinen Gott zu besinnen. Umbruchszeiten sind Gnadenzeiten.“[16] – so der Bischof von Innsbruck.

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Fehlende oder nicht erlaubte Visionen

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Neuland in den Blick nehmen? Bei diesem Versuch orte ich eine große Ratlosigkeit, es fehlt an Perspektiven für eine Erneuerung. Der Ursachen sind viele: Überlastung pastoraler MitarbeiterInnen, kein Raum für kreative Visionsarbeit, skeptisches Beäugen neuer Schritte von Pionieren, die neue Wege zu gehen versuchen usw.

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Die katholische Mentalität gibt sich also nach der „Wiederherstellung“ einer gewissen katholischen Grundordnung, d.h. der sakramentalen Versorgung zufrieden. Es gibt keine anderen Bilder als die bekannten katholischen, es existiert keine Vision darüber, wie eine zukünftige kirchliche Gemeinschaft in der modernen Gesellschaft, die Zeichen und Werkzeug sein sollte, aussehen könnte. Ja mehr noch, es herrscht keine Einsicht darin, dass es so etwas bräuchte, schließlich sind ja die „katholischen Formate“ in den SR hinübergerettet worden. Damit aber fehlt jeder Sensus für das, was man die geistliche Erneuerung nennt.[17]

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Die Irritation eliminieren oder als Chance für Veränderung nützen?

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Nicht nur der Mensch, auch und gerade soziale Systeme sind von einem ihnen innewohnenden Trägheitsmoment, der Tendenz zum unveränderten Selbsterhalt geprägt. Geraten Systeme aus dem Gleichgewicht – wie die Gemeindepastoral durch den Priestermangel –, so ist der erste natürliche Reflex, die Ursache der Störung zu beseitigen. Entweder versucht man die Anzahl der nötigen Priester wieder zu erhöhen (durch Gebet für Priesterberufungen, durch zusätzliche Priester aus anderen Ländern oder Veränderung der Zulassungsbedingungen für das Weiheamt) – die Lösung tendiert dahin, das System als solches unverändert zu lassen, z. B. das Modell der versorgten Pfarre – oder durch Adaptierung auf der strukturellen Ebene die Störung zu entschärfen, also Seelsorgeräume zu bilden. Die entscheidende Frage ist nun, ob die Seelsorgeraumbildung als rein strukturelle Umgestaltung gesehen wird, quasi als Behebung der Störung oder ob die Irritation auch als Chance für eine Innovation genützt wird. Das geschieht jedoch nicht von selbst, quasi automatisch, sondern dazu braucht es Initiatoren und Anwälte. „Wenn die Störung nicht einfach beseitigt, sondern zum Anlass genommen werden soll, das Verhältnis der Gemeinde zu ihrer Umwelt neu zu überdenken und Veränderungen einzuleiten, dann bedarf es einer leitenden Intervention. Da diese oft nicht erfolgt – aus welchen Gründen auch immer –, siechen viele Gemeinden auf immer niedrigerem Niveau vor sich hin.“[18] Dieses harte Urteil des erfahrenen Gemeindeentwicklers Bruno Ernsperger mag ernüchtern. Aber es ist wichtig, dies festzuhalten: Eine äußere Umstrukturierung verschlingt viel Energie, die für Wachstum und Aufbruch fehlen.[19] Gleichzeitig wären aber Krisen – und das weiß jede/r, der/die durch solche gegangen ist – Zeiten besonderer Sensibilität: sie machen offen für etwas Neues, bisher noch nicht Wahrgenommenes, fördern Wachstum und Vertiefung. Es ist eine Zeit besonderer Empfänglichkeit – theologisch gesprochen eine Zeit der Gnade.

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5. Voraussetzungen für eine „zukunftsträchtige Vision von Kirche“ (Walter Kasper)

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Neugeburt mit Schmerzen

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Die Kirche ist „auf dem Weg über vielfältige innere und äußere Konflikte mitten in einem Gestaltwandel begriffen, dessen Ende noch nicht abzusehen ist, in dem sich aber ihre Communio-Struktur und damit der Reichtum ihrer Katholizität deutlicher und reicher ausprägen werden, als dies in den letzten Jahrhunderten der Fall sein konnte“[20]. Mit diesen Worten bringt Kasper den ekklesiologischen Verwandlungs- und Erneue­rungsprozess auf den Punkt. Er erschöpft sich nicht im äußeren Umgestalten von Strukturen, sondern betrifft viel grundlegender unser Selbstverständnis (und die Bilder als Ausdruck dessen) von Kirche und Gemeinde. Im Besonderen geht es auch um ein neues Zu- und Miteinander von Priestern, Diakonen und (Laien-)Christen, die in ihren jeweiligen Diensten und Charismen sich nicht als konkurrierendes Gegenüber, sondern zuerst als ein Geschenk Gottes an seine Kirche sehen dürfen. Kasper sieht diesen Prozess nicht als einen harmlosen, so als könnte dieser leicht und ohne Anstrengung vor sich gehen. Im Gegenteil: Er bedeutet Abschied vom Vertrauten, aktive Offenheit und Suche für das Neue und lässt uns nicht unberührt zurück: „Ein solcher Sterbeprozess ist etwas Schmerzliches. Der dadurch entstehende Leidens­druck bringt freilich auch die Chance, dass etwas Neues heranreifen kann. Doch auch Neugeburt geht nicht ohne Schmerzen vonstatten.“[21]

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Mut, sich auf einen Gestaltwandel einzulassen

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Doch bringen wir wirklich die Bereitschaft für das „Hereinbrechen des Geistes Gottes“ mit? Ersehnen wir – bei aller Notwendigkeit und Dringlichkeit pastoraler Planung – das Wirken des Geistes Gottes oder erschreckt uns der Gedanke an eine tiefergehende Veränderung? Sind unsere Sinne, sind unsere Augen und Ohren für das Überraschende, Erfrischende in der Kirche geöffnet? Jenseits einer planbaren Kirche werden diese Fragen zum Ernstfall des Glaubens. In diesem Sinne schreibt Ottmar Fuchs:

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„Diese Unberechenbarkeit dessen, was als Gegenwart Gottes, als Präsenz Christi in den Christinnen und Christen sowie in den Armen und Bedrängten zum Vorschein kommt, muss etwas sein dürfen, was im Ernstfall auch strukturelle Verhältnisse durchbricht und neu die Frage aufwirft, wie denn dann die strukturelle Verleibli­chung der Evangelisierung in einem bestimmten Kontext aussehen müsste.“[22]

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Mit dieser Ernsthaftigkeit und Offenheit gilt es, sich der gegenwärtigen Situation zu stellen und sie im Licht des Evangeliums zu sehen. Wer bringt schon eine solch freie Haltung mit? Zwar spricht auch das Konzil von der notwendigen Erneuerung und gibt es Aufrufe zur Veränderung (vgl. LG 7). Wird es aber konkret, so finden sich kaum amtliche Anwälte dafür, neue Wege zu beschreiten, und man beschreitet lieber gewohnte Pfade. Pioniere haben es schwer in der Kirche.

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Der vorherrschende Modus des „Festhalten am Alten“ muss ergänzt werden durch ein „Entdecken von Neuem“. Ich bin überzeugt, dass Gott auch heute der Kirche die nötigen Gaben schenkt, sowohl einzelnen als auch Gruppen. Es braucht Mut, ein neues Bild zu sehen, das dabei ist, sich herauszukristallisieren. Ein solcher Such- und Entdeckungsprozess ist keine Angelegenheit eines einzelnen, sondern ein gemeinsames kreatives Projekt. Ekklesiogenese ist ein zutiefst kommunikativer und kreativer Prozess, an dem möglichst viele beteiligt werden sollten.

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Seht her, ich schaffe etwas Neues

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Für solche Zeiten der Umgestaltung tut der prophetische Zuspruch gut: „Denkt nicht an das, was früher war … Seht her, jetzt schaffe ich etwas Neues. Schon kommt es zum Vorschein, merkt ihr es nicht“ (Jes 43,18-19)? Mit diesem Neuen ist sicher nicht die neue Struktur gemeint, sondern eine tatsächliche Erneuerung (von der auch das Konzil spricht) ist eine vom Evangelium inspirierte Umgestaltung und muss theologischen (nicht nur) praktischen Kriterien genügen.

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Eine Entwicklung im Sinne des Evangeliums braucht aber Anwälte, also konkrete Personen, die sich dafür einsetzen: „Wo Innovation gewünscht wird, geschieht oder sich anbahnt, findet man ganz bestimmt Personen, die aus einem persönlichen Anliegen heraus Kräfte für Neuerungen mobilisieren können.“[23] Werden mit dieser Aufgabe in einem säkularen Unternehmen im Normalfall die Führungskräfte betraut, so sind in der Kirche im Prinzip alle Geistbegabten aufgerufen, darauf zu hören, „was der Geist den Gemeinde [heute] sagt“ (Offb 2,7). GemeindeleiterInnen, Priester, pastorale MitarbeiterInnen und Beratungsgremien haben die Aufgabe, für neue, geistgewirkte Entwicklungen offen zu sein, sie zuzulassen, sie zu fördern und gegebenenfalls auch zu schützen. Freilich finden sich bei solchen Prozessen auch Personen/Kräfte, die Erneuerungen skeptisch gegenüber stehen und diese verhindern wollen. Und weil es in einem solchen Spannungsverhältnis auch sehr menschlich zugehen kann (Rivalität, Neid, Eifersucht, Verdacht auf Eigennutz, …), empfiehlt sich eine externe, fachliche Begleitung.

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Eines aber ist in jedem Fall einleuchtend: Ein solcher tiefergehender Entwicklungsprozess braucht ungebundene Energien und kreative Köpfe,[24] die leider oft die im System eingebundenen MitarbeiterInnen nicht mehr aufbringen, da sie durch die laufende Beanspruchung der Seelsorge voll in Beschlag genommen werden. Das betrifft immer mehr die Priester, aber zunehmend auch die pastoralen Mitarbeiter, die immer mehr Aufgaben übernehmen. Wer sollte also sich für Innovation aktiv engagieren, wo ist die Abteilung „Zukunftsträchtige Visionen“ in den Pastoralämtern?

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Gemeinsam Visionen entwickeln

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Erneuerung geht nicht nebenher, sondern bedarf einer klaren Entscheidung. Ist diese gefallen, so gibt es eine Fülle an sehr praktisch-konkreten Faktoren, die für die Gestaltung des Wandels zu berücksichtigen sind.[25] „Eine neue zukunftsträchtige Vision von Kirche“ (Walter Kasper) braucht aktive Visionsarbeit, in der Kirchenbilder für heute und morgen entworfen werden wollen.

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Auf der praktischen Ebene bedürfen Kirche und Gemeinde als soziale Organismen einer Gestaltungs- und Entwicklungsarbeit, die verschiedene Ebenen umgreift: Am Beginn stehen eine Vision, insofern sie Anhänger findet, eine Gemeinschaft, die wiederum ein Programm zur Umsetzung entwirft, eine Strategie, die zur Durchführung auf Administration angewiesen ist. Während auf Leitungsebene in den Diözesen beispielsweise in so genannten Steuerungsgruppen Visionen (nach bestimmten Optionen) entworfen werden, welche wiederum Anhänger finden, deren größte Anhängerschar sich dann für ein Modell entscheidet, wird die untere Ebene der betroffenen Gemeinden bereits mit den Folgeschritten, nämlich dem Programm und der Administration beschäftigt. Die (geistliche) Vision wird zwar dieser Ebene mitgeteilt, aber eine tatsächliche Auseinandersetzung findet dort nicht mehr statt. Soll diese in Form der (individuellen) geistlichen Erneuerung nachgeholt werden?

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Visionsarbeit bewirkt …

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Visionen sind eine Art Leitbilder, die inhaltliche Schwerpunkte, Einstellungen der Mitbeteiligten, die Art der Kommunikation usw. betreffen. Visionsarbeit wirkt auf unterschiedlichsten Ebenen konstruktiv auf die beteiligten Menschen und bündelt die Kräfte auf ein bestimmtes Anliegen/Ziel hin. Sie macht erwünschte und nicht gewünschte Zukunftsbilder bewusst und stellt Entscheidungshilfen zur Verfügung. Die Ausrichtung auf eine gestaltbare Zukunft erleichtert es, sich vom Alten zu lösen. Visionen zeigen den verschiedensten Diensten ihren guten und aufbauenden Platz und tragen in der gemeinsamen Zielorientierung zu einem fruchtbaren Miteinander bei.

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Durch die Visionsarbeit wird die „Übergangszeit“ – von der so viel die Rede ist – nicht dem Zufall bzw. ungeklärten Kräften überlassen. Wird keine Vision benannt, so wird ungewollt nach dem Motto gehandelt: „Solange wir nicht wissen, wohin wir wollen, ist jeder Weg der richtige“. Gerade in Übergangszeiten müssen v.a. Führungskräfte solche Visionen entwickeln, damit wirksame und auch überprüfbare Gestaltung möglich wird.

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Die Visionsarbeit in der Kirche muss v.a. vier Dimensionen berücksichtigen:

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-          Die Visionsarbeit darf nicht die Arbeit einiger Experten sein, sondern muss eine möglichst große Zahl der zur Gemeinde gehörenden ChristInnen beteiligen. Erst dadurch wird die Vision zu „ihrer“ Vision, können sie sich mit dem Ergebnis identifizieren. Es bedarf also einer Sozialform (oder wechselnden Formen), die eine größtmögliche Beteiligung vorsieht.

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  • Die Vision in der Gemeinde kann nicht einfach die Summe „bürgerlicher“ Wünsche in der Gemeinde sein. Sie bedarf der klaren Orientierung an der Bibel und dem Evangelium. Bei der Ausformulierung der Bilder muss diese immer wieder an die biblische Botschaft rückgebunden werden.
  • Die Vision muss – um „Hand und Fuß“ zu bekommen – in konkretes Handeln bzw. in Projekte münden. Diesem Schritt ist besonderes Augenmerk zu widmen, v.a. auch was die Überforderung angeht.
  • Visionsarbeit darf nicht nur ergebnisorientiert sein, sondern berücksichtigt auch die Art und Weise der Zusammenarbeit, muss in der Kultur des wertschätzenden Mitein­ander sichtbar werden.
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Von der Irritation zur Vision begleiten

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Ein großer Teil der Gläubigen steht den unerwarteten Veränderungen in der Gemeinde hilflos gegenüber. Die historische Chance will genützt und der Übergang mit Visionsarbeit gestaltet werden. Der Vorteil einer Beglei­tung von außen besteht darin, dass diese den Abschied, die Umstellung und den Neu­anfang durchgehend begleiten kann, in der krisenanfälligen Phase für die Gemeinde ein Stück Kontinuität darstellt. Die Irritation gilt es (s.o.) chancenreich zu nützen. Denn das„Gleichgewicht von Versorgungshaltung und Versorgung in der Gemeinde … [wird gestört]. Dies bewirkt in der Regel einen starken Entwicklungsschub unter der Voraussetzung, dass die Gemeinden … begleitet und unterstützt werden.“[26]

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6. Theologische Perspektiven und Optionen für eine Kirchenentwicklung

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Die Begleitung kann nicht nur eine supervisorische sein, die das reibungsfreie Zueinander der Dienste sowie eine Rollen- und Aufgabenklärung betrifft, sondern sie muss sich an theologischen Bildern und Optionen orientieren. Das ist wiederum nicht das gleiche wie eine spirituelle. Letztere wird oft zur persönlichen, individuellen Bewältigung anstehender Schwierigkeiten auch gebraucht, bleibt aber meist der individuellen Haltung verhaftet und wird selten für ein neues Gemeindebild insgesamt fruchtbar. Die Ekklesiologie hat „zwischen“ einer oft individualisierten Spiritualität und einer oft funktionalen Organisationsentwicklung ihren verbindenden und gemeindegestaltenden Platz.

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Umfassende Erneuerung in Grund – Gestalt – Struktur

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Geistliche Erneuerung darf nicht zu einer Spiritualisierung tatsächlich anstehender Probleme werden, die von einer Erneuerung der Kirchengestalt absieht, als wären die Menschen leiblos und unempfänglich für das Symbolhafte, das die Kirche aber gleichzeitig stark betont. Die geistliche Erneuerung führt geradezu zu einer neuen Gestalt von Kirche.

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Im Kontext der Communio-Diskussion[27] spielt das Zueinander von Grund und Gestalt der Kirche eine wichtige Rolle. Die Gestalt muss aus dem Grund theologisch ableitbar und nachvollziehbar sein. Nicht an einer einzigen Gestalt von Kirche einer bestimmten geschichtlichen Epoche ist festzuhalten – und diese in die zu errichtenden Seelsorgeräume weiter zu tradieren –, sondern die Gestalt von Kirche in den Seelsorgeräumen ist vom ewig gültigen Grund her – und das ist das Heil schaffende Handeln Gottes an und in der Welt – immer wieder neu zu suchen. Dies ist gegen jede Verabsolutierung und Sakralisierung kirchlicher Strukturen festzuhalten: Die Kirchengestalt entfaltet sich in jeder Epoche jeweils neu von ihrem Grund her. Es ist der Heilige Geist, der uns immer wieder mit dem Grund in Verbindung führt, aus den Quellen trinken lässt und aus dieser Kraft und Einsicht das „Angesicht der Kirche und der Erde“ erneuern lässt.[28]

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Biblische Grundbegriffe: Berufung und Sendung

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Das Konzil hat als wesentliche Grund-Bilder die biblischen Begriffe „Berufung“ und „Sendung“ neu herausgestellt und als Vorgaben für eine gewandelte Ekklesiologie neu gewertet. Der konziliare Aufbruch geht von einer Ekklesiologie aus, welche auf der Berufung und Sendung, auf der Teilhabe aller Getauften (und Gefirmten) am Auftrag der Kirche als „Zeichen und Werkzeug der innigsten Vereinigung der Menschheit untereinander und mit Gott“ (LG 1) aufruht. Alle Ämter und Dienste sind darin eingeordnet. In einer solchen Kirche haben alle Christinnen und Christen Anteil an den drei Ämtern Christi (vgl. AA 2), und alle sind berufen, für das Evangelium Zeugnis abzulegen.

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Was hier geschrieben wird – und schon lange und oft geschrieben wurde – ist aber keineswegs ins christliche Bewusstsein vorgedrungen. Faktisch treffen wir in vielen Gemeinden – v.a. auf dem Land – auf eine priesterzentrierte Pastoral. Die konziliare Vision umzusetzen steht noch aus. Denn die „‘Communio‘-Ekklesiologie [ist zwar] die Grundlage für die Ordnung in der Kirche“[29], aber die Kirche hat „mit der Verwirklichung des letzten Konzils … kaum erst recht angefangen.“[30]

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Die Differenzen zwischen dem Kirchenbild des Zweiten Vatikanischen Konzils, der Theologie heute und der Realisierung in den Gemeinden ist erheblich. Die Tatsache, dass es in jeder Pfarre einen PGR gibt, heißt noch nicht, dass seine Mitglieder die Rede von Berufung und Sendung, von Charisma und Auftrag auch schon verstandenen haben. Die Tatsache, dass es mehr hauptamtliche Laien in der Pastoral gibt, heißt noch nicht, dass die Rede von der Teilhabe an den drei Ämtern für Christen eine reale Vorstellung evoziert.

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Das Mysterium / das Sakrament Kirche neu entdecken

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Neben der Strukturbetrachtung wird es nötig sein, den Blick für das Mysterium der Kirche nicht zu verlieren. Sowohl die Kirche als ganze als auch jede/r Getaufte weisen durch ihre Existenz und ihr christliches Leben auf Gott hin, der allen Menschen Befreiung und Heil zugesagt hat. Sakramentalität und damit Verweischarakter wird zunächst der Kirche als ganzer zugesprochen. Damit haben jeder Christ und jede Christin an der (amtlichen) Verweisfunktion auf Christus hin teil – wenn auch in anderer Weise als geweihte Personen.

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Wird der Ausfall der Priester mit dem Niedergang der Gemeinde oder gar des christ­lichen Lebens am Ort gleichgesetzt, so spiegelt sich darin eine sehr klerikale Sicht­weise von Kirche und die Abhängigkeit und Bedeutungslosigkeit der Gemeinde wieder. Sakramentalität wird dann einzig den einzelnen Sakramenten und dem Priester als deren Spender zugerechnet. Dadurch gerät leicht aus dem Blick, dass das Konzil zunächst von der Kirche als gesamter als Sakrament spricht (vgl. LG 1), die in ihren Ortskirchen und Gemeinden verwirklicht ist. Dieses Selbstbewusstsein der Gemeinden, das in biblischer und patris­tischer Zeit noch wach war, gilt es neu zu beleben, die sakramentale Dimension der Gemeinde neu in Erinnerung zu rufen. Die Rede von der „Repräsentation Jesu Christi“ muss deshalb von ihrem Grund her gesehen werden: „Gegenüber der Tendenz einer exklusiven Verwendung für das kirchliche Amt ist festzuhalten, dass es zuerst einmal die ganze geisterfüllte Gemeinde ist, die als ‚Leib Christi‘ die leibhafte und zeichenhafte Gegenwartsgestalt des Auferstandenen ist, ihn also in der Welt ‚repräsentiert‘. Erst innerhalb dieser Christus-Repräsentation der Gemeinde gibt es das besondere Zeichen des sakramentalen kirchlichen Amtes als eigenständiges Zeichen der Rückbindung dieser Glaubensgemeinschaft an ihren historischen und sachlichen Ursprung in der Geschichte Jesu Christi und seiner apostolischen Erstbezeugung.“[31]

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Auch die Gemeinde ist leibhaftige Präsenz Christi in der Welt. Ihr kommt als solcher eine sakramentale Kraft und Dimension zu, indem sie Zeugnis gibt (martyria), das Ge­heimnis der Zuwendung Gottes zu den Menschen feiert (liturgia) und sich um die Armen und Notleidenden kümmert (diakonia) und in all dem Gemeinschaft (koinonia) lebt. Kirche ist Communio, „indem sie als Volk Gottes, Leib Christi und Sakrament des Geistes existiert“[32].

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Gemeinde Jesu im Horizont des Reiches Gottes

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Eine theologische Begleitung hätte angesichts der Irritation (s.o.) Fragen nach dem Selbstverständnis neu zu stellen: Wer sind wir eigentlich als Gemeinde Jesu Christi? Was macht uns dazu? Woran sind wir für andere Menschen erkennbar? Was ist unsere spezifische Berufung als Gemeinde, als Seelsorgeraum in dieser Region? Welcher prophetische Auftrag wächst uns von Christus her zu?

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Spätestens hier wird klar, dass die Gemeinde Jesu nicht dadurch charakterisiert ist, dass in ihr alles perfekt organisiert ist und das katholische Gemeindeleben „funktioniert“ – wenngleich eine gute Leitung und Organisation sehr dienlich sind. Theologisch entscheidend ist das Mehr an Gemeinschaft mit Gott und den Menschen, traditionell gesagt, an Liebe, Versöhnung, Solidarität. Hier kommt das letzte Ziel der Kirche ins Spiel: mitzuhelfen am Aufbau des Reiches Gottes, das Jesus in seinen Gleichnissen mit unerwarteten Worten beschrieben hat: Der Mensch als geliebtes Kind Gottes, als ein individueller, kunstvoller Fingerabdruck Gottes, „bekleidet mit seinem Vertrauen“ (Frère Roger), eine beschenkte und vom Geist Gottes bewohnte Existenz, eingeladen zum vertrauensvollen Gebet, zum neuen Leben eröffnenden Verzeihen, zur Solidarität mit den unter die Räuber gefallenen Brüdern und Schwestern … kurz, der Mensch unter dem Vorrang der Gnade. Das sind jene theologischen Kategorien, an denen sich eine Gemeindeentwicklung zu messen hat und ihren „Erfolg“ benennen darf – soweit das überhaupt möglich ist. Denn: „In dem Maße, in dem die Gemeinschaft der Jünger Christi versucht, nach menschlichen Maßstäben ‚Erfolg‘ zu haben, verdunkelt sie das Angesicht des gekreuzigten und auferstandenen Christus, und ersetzt es mit einer Maske, die vielleicht sogar sehr gut gemacht, aber letzten Endes doch leblos ist. In Folge dessen enttäuscht sie die, die kommen, um das von Christus versprochene lebendige Wasser zu suchen, und erzeugt in ihnen Gleichgültigkeit oder den Wunsch zu fliehen. Gleichzeitig wird sie verlockender für die, die etwas anderes als das Evangelium suchen, zum Beispiel die Rechtfertigung einer bestimmten Art zu leben, die Verteidigung einer Nation oder Zivilisation.“[33]

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Katholische Formate müssen sich vom Evangelium inspirieren und hinterfragen lassen. Es ist der Geist Gottes, der die Neugeburt vorantreibt, der die Kirche erneuert und immer wieder verjüngt. „Damit wir aber unablässig erneuert werden (vgl. Eph 4,23), gab er uns von seinem Geist, der als der eine und gleiche im Haupt und in den Gliedern wohnt und den ganzen Leib so lebendig macht“ (LG 7). Dafür aber braucht es „Räume“, in denen er wirken kann.

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Raum für Suchbewegungen und Umkehr

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Die Hauptbeteiligung praktizierender Christen besteht heute in der Teilnahme an der sonntäglichen Eucharistiefeier. Das ist die Höchstform des christlich-gläubigen Vollzugs. Nun ist die Mehrzahl der Menschen – darunter ein großer Teil getaufter ChristInnen – heute durchaus suchend, zweifelnd, fragend. Im „Vorfeld“ der christlichen Höchstform gibt es aber in den Gemeinden – und mit dem Rückgang theologisch gebildeter MitarbeiterInnen wird das zunehmen – kaum Räume für gläubige Suchbewegungen und zur persönlichen Auseinandersetzung. Das normale pfarrliche (oft auf das liturgische beschränkte) „Programm“ einer Pfarre setzt schon überzeugte Gläubige voraus, die darin ihren Glauben leben und im günstigen Fall vertiefen. Wie aus Studien hervorgeht, liegen die Orte, an denen jemand zum Glauben findet, meist außerhalb der klassischen Pfarrgemeinden.[34] Es verwundert daher nicht, dass das zentrale biblische Wort „Bekehrung“ im Sprachschatz einer Pfarre nicht vorkommt. In der klassischen Pfarrgemeinde sind dialogische Settings nicht vorgesehen.

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Immer mehr Menschen wenden sich auf der Suche nach erfüllender, erfahrbarer Spiritualität von der Kirche ab und suchen ihren Hunger außerhalb zu stillen. Die Kirche hat das schillernde und ambivalente Feld „Sehnsucht“ der Esoterik überlassen. Vielleicht ist es nötig, sich von der Dominanz der traditionellen, katholischen Formate mehr zu lösen, um den Glauben heute neu entdecken und aussagen zu können. Warum soll der Glaube nicht auch neu angeeignet werden dürfen – in anderer Sprache in neuen Begriffen, Bildern und Symbolen?[35]

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Auch Medard Kehl betont die Wichtigkeit von „Kommunikativen Glaubensmilieus“[36]. In ihnen können „Freude und Hoffnung, Trauer und Angst“ (GS 1) zur Sprache kommen. Dadurch geschieht persönliche Aneignung, und die isolierende Individualisierung des Glaubens wird überwunden. Eingebettet in Haltung und Form des Gebets wird dieser Austausch zu einem mystagogischen Geschehen, in dem der Glaube vertieft wird und auch im Alltag trägt. Der Blick auf Randgruppen, die Solidarität mit den Armen sorgt dafür, dass die geistliche Gruppe sich nicht in Selbstgenügsamkeit um sich selbst dreht.

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Ritualisierter Glaube und persönliche Sprachlosigkeit

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Das fraglose Festhalten an traditionellen Ritualen und katechismuskonformen, liturgischen Sprachvorgaben entbindet und erschwert zugleich den einzelnen Gläubigen, den Glauben in seiner eigenen Sprache auszudrücken. Im Schema des „Alten Katholischen Katechismus“ wurde nicht nur die Antwort, sondern auch die Frage vorgegeben – da bleibt kein Zwischenraum für eine persönliche Suchbewegung. Die Folge ist nicht nur eine persönliche Sprachlosigkeit für Glaubensdinge, sondern auch das Fehlen der inneren Anbindung, ein Mangel an tieferem, innerem Verständnis. Es geht dabei nicht um das Kreieren theologischer Spitzenbegriffe, sondern um das einfache Benennen dessen, was man vom Evangelium verstanden hat.

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Statt einer Bevormundung in Sachen Glauben soll eine persönliche Suche unterstützt werden, die bei den eigenen Fragen und Sehnsüchten ansetzt.[37] Vielleicht müssen wir in unseren volkskirchlich geprägten Gemeinden an diesem Punkt „einen Schritt zurück“ machen und dem eigenen, geistlichen Hunger nachspüren. In diesem Sinn schreibt die Theopoetin Dorothee Sölle: „Ein Gespräch im vollen Sinn des Wortes entsteht dann, wenn Menschen miteinander den Hunger nach Geist in der bleiernen, der geistlosen Zeit teilen. Die Satten brauchen nicht miteinander zu reden.“[38] Wo findet dieses Gespräch in unseren Gemeinden statt? Wo ereignet sich die Wahrnehmung dieses Hungers heute, den Jesus in den Seligpreisungen glücklich preist: „Selig, die hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit“ (Mt 5,6). Einen Seelsorgeraum einrichten darf keinesfalls bedeuten, zum religiösen Leben „business as usual“ zurückzukehren. Wie steht es z. B. mit unserer Anteilnahme als ChristInnen an den Nöten unserer Umwelt, der Ausbeutung der Schöpfung usw.? Es geht um einen Prozess, der sowohl zutiefst persönlich und zugleich geistlich ist: „Es ist wichtig, dass Menschen sich ihre eigenen Schmerzen klarmachen, ihre Fragen in größerer Tiefe artikulieren und genauer sagen.“[39] Das ist die Voraussetzung dafür eine neue religiöse Sprache – auch mit Symbolen, die allein „die Tiefe“ der Seele erreichen. Diese hohe Kunst fällt nicht vom Himmel. Es ist angebracht, bei Meistern geistlicher Worte in die Schule zu gehen: Kurt Marti, Roger Schutz, Dorothee Sölle, …

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Vertrauensvolles Miteinander wagen und einüben

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Während ein vertrauensvolles Miteinander auf Augenhöhe in manchen Gemeinde bereits gelebte Praxis ist, so sehr wird in anderen Fällen ein hierarchisches Gefälle zwischen Geweihten und Nichtgeweihten spürbar.[40] Ein kirchliches Amt oder eine Leitungsposition innehaben bedeutet nicht, eine Art Vorgesetzter von Angestellten oder Ehrenamtlichen zu sein, dem zu folgen ist. Aus theologischer Sicht ist ja nicht die Unterscheidung „ehren- oder hauptamtlich“ ausschlaggebend, sondern ob jemand seine Berufung und Sendung versucht mit anderen zu leben.[41] Sonst wäre die Kirche wie ein Unternehmen strukturiert. Der/die LeiterIn soll wie der Diener sein (vgl. Lk 22,27), und wer ein verantwortliches Amt inne hat, muss – um es im kirchlichen Sinn ausüben zu können – auch auf die anvertrauten Menschen hören, im Bewusstsein, dass auch sie Geistbegabte sind.[42] Nur im offenen Dialog, im gegenseitigen Respekt – auch vor unterschiedlichen Anschauungen – und in Wertschätzung der anderen Person kann ein vertrauensvolles Miteinander wachsen.

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Wo die vom Konzil geforderte Mitverantwortung aller Getauften gelingt und unterschiedliche Charismen sich ergänzen, wird das Gemeindeleben bunter und vielfältiger. Als beispielhaft kann hier ein Verständnis von kooperativer Leitung angeführt werden, „das davon ausgeht, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter grundsätzlich eigenverantwortlich arbeiten können und wollen und nicht nur Empfänger von Aufträgen sind, die sie als Untergebene auszuführen haben. … Als Handlungsprinzipien dieses Leitungsverständnisses nenne ich: Partizipation, Toleranz, Transparenz, Subsidiarität, klare Absprachen, deutliche Rollenklärung, partnerschaftlicher Umgang, Konfliktfähigkeit, Kommunikation. Wenn hier Manches auch nur in Ansätzen gelingt und immer wieder neue Aufmerksamkeit und Motivation erfordert – als Anliegen und Vision für mein Leiten möchte ich diese Tugenden und Prinzipien jedenfalls bewusst im Blick behalten, fördern und entfalten.“[43]

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Solidarisches Leben

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Nicht zuletzt entscheidet sich christliches Zeugnis und Leben am Ort dadurch, dass ChristInnen Anteil nehmen am Schicksal ihrer engeren und ferneren Nachbarn und konkrete Solidarität mit Notleidenden üben (vgl. GS 1). In kaum überbietbarer Weise haben die Konzilsväter diese Haltung der Kirche angetragen: „Alle Lebensangst, die die Menschen quält, brennt uns auf der Seele. Unsere erste Sorge eilt deshalb zu den ganz Schlichten, zu den Armen und Schwachen.“[44] Vor allem daran wird erkannt werden, dass christliche Gemeinden „der Brief Christi“ (2 Kor 3,3) sind.

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Visionäre Pastoral: „Suchet zuerst das Reich Gottes“ (Mt 6,33)

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Im Mittelpunkt der Verkündigung Jesu stand die Botschaft vom Reich Gottes, das nicht einfach mit der Kirche identisch ist. Jüngerinnen und Jüngern Christi ist aufgetragen, dieses Gottesreich zu suchen. Mit anderen Worten: Es muss nicht erst erschaffen, gemacht, produziert werden – schon gar nicht von Menschenhand. „Etwas suchen“ macht erst dann Sinn, wenn es etwas zu finden gibt, wenn das Gesuchte bereits – wenn auch verborgen – da ist. Und tatsächlich spricht Jesus davon, dass das Reich Gottes schon mitten (zwischen) unter uns ist. Das Reich Gottes ist ein Geschenk, ein Ereignis der Gnade. Es ist gegenwärtig, wo Menschen ein­ander Hoffnung machen, Gemeinschaft und Versöhnung leben, sich der Würde der Gotteskindschaft bewusst sind, wo Freude und Fest um sich greifen, ein solidarischer und verantwortungsvoll-nachhaltiger Lebensstil gepflegt wird, kurz: dort, wo das Evangelium gelebt wird (s.o.). Als Christinnen und Christen sind wir eingeladen, uns in die Jüngerschaft zu begeben und einen Blick für diese Orte (Personen, Bewegungen, Initiativen, …) und Ereignisse zu entwickeln, wo Gott heute „wohnt“ – und dies zu feiern. Für einen Teil der Gläubigen stellen die übernommenen Traditionen immer noch die unhinterfragbare, religiöse Heimat dar. Mit den Kirchenbildern von gestern werden wir aber eine Kirchenvision für morgen nicht zeichnen können, diese Bilder könnten angesichts der gegenwärtigen Herausforderungen zu einer hinderlichen Fessel werden, die unbewusst mehr auf „Systemerhalt“ abzielen. Pastorale, strukturelle Umgestaltung darf den Horizont nicht enger ziehen, als er vom Evangelium selbst vorgegeben ist und die Gestalt der traditionellen Kirche als gültigen Maßstab und Orientierung nehmen. Eine visionäre Pastoral wird sich ihren Blick weiten und das Leben vom Horizont des Reiches Gottes her inspirieren lassen, damit das Antlitz Christi immer deutlicher an der Gestalt der Kirche aufscheint.

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Anmerkungen

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[1] Selbst in Pfarren, in denen alternative Leitungsmodelle pastoral erfolgreich installiert wurden, wünschen sich alle Gemeindemitglieder wieder einen eigenen Pfarrer, wenn es diese Möglichkeit gäbe. Vgl. Panhofer, Johannes, Hören, was der Geist den Gemeinden sagt. Gemeindeleitung durch Nichtpriester als Anstoß zur Gemeindeentwicklung – Eine empirisch-theologische Studie zu can. 517 § 2, Würzburg 2003, 264.

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[2] Wenn aber – wie in der Schweiz – Notlösungen bereits 50 % bewährter Praxis ausmachen, wird es allein schon aus quantitativer Sicht schwer, von Not- oder Ersatzlösung zu sprechen. Vgl. Kopp, Bernd, Gemeindeleitung zwischen Notlösung und Außerordentlichkeit, in: Panhofer, Johannes / Schneider, Sebastian (Hg.), Spuren in die Kirche von morgen. Erfahrungen mit Gemeindeleitung ohne Pfarrer vor Ort – Impulse für eine menschennahe Seelsorge, Ostfildern 22010, 175-184, 175.

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[3] Der Hirtenbrief in der Diözese Innsbruck ist abzurufen unter: http://www.dibk.at/index.php?portal=100262&id=3643 (8.6.2011).

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[6] Die neuen Strukturen mit ihren veränderten Rollen werden in diesem Buch an anderer Stelle zur Sprache kommen und brauchen hier nicht weiter beschrieben zu werden.

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[7] Vgl. Guerrini, Gudrun / Nuener, Christian, PionierInnen auf dem Weg in die Seelsorgeräume, in diesem Band.

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[8] Wie mir andere BegleiterInnen von Seelsorgeraumprozessen berichten, finden sich – je nach Größe, Geschichte und Situation der Pfarre – mehr oder weniger ähnliche Dynamiken: Der Schritt von der notwendigen Umstrukturierung zur wesentlichen Glaubenserneuerung ist alles andere als selbstverständlich.

 

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[9] Vgl. Söding, Thomas, Blick zurück nach vorn. Bilder lebendiger Gemeinden im Neuen Testament, Freiburg 1997; Grün, Anselm, Biblische Bilder von Erlösung, Münsterschwarzach 42001.

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[10] Z. B. Kunze, Konrad, Himmel in Stein – das Freiburger Münster, Freiburg 2002.

104
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[11] Vgl. beispielhaft die konturierte Zusammenfassung bei Schneider, Sebastian, Bunt und vielfältig wie das Leben selbst. Abschied von Einheitsmodellen für das Gemeindeleben, in: Weber, Franz / Marketz, Josef / Schneider, Sebastian (Hg.), Das Leben entfalten. Ein pastoraler Grundkurs in der Gemeinde, Innsbruck 1999, 44-49.

105
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[12] Vgl. Wippermann, Carsten, Milieuhandbuch „Religiöse und kirchliche Orientierungen in den Sinus-Milieus® 2005“, München 2005; Schneider, Bunt und vielfältig, 46-49.

106
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[13] Pesch, Otto Hermann, Das Zweite Vatikanische Konzil. Vorgeschichte – Verlauf – Ergebnisse – Nachgeschichte, Würzburg 2001, 21. Ebenso vielsagend und tiefsinnig der bekannte Text von Lothar Zenetti: „Frag hundert Katholiken, was das Wichtigste ist in der Kirche. Sie werden antworten: die Messe. Frag hundert Katholiken, was das Wichtigste ist in der Messe. Sie werden antworten: die Wandlung. Sag hundert Katholiken, dass das Wichtigste in der Kirche die Wandlung ist. Sie werden empört sein: Nein, alles soll bleiben, wie es ist.“

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[14] Untersuchungen belegen, dass bei kirchlich-religiösen Menschen der Wunsch nach Beheimatung, Schutz und Halt vorrangig, der Wunsch nach Individuation und Freiheit nachrangig ist. Kirche unterstützt in der Übersichtlichkeit der Moderne den Erhalt der Familie und traditioneller Lebensbereiche (Vereine). In diesem Punkt „überschneiden“ sich die Interessen der so genannten „Fernstehenden“ mit den Volkskirchlich-Religiösen, nämlich dem Interesse für rituelle „Angebote“ wie Geburt, Heirat, Tod, Heranwachsen. Hier soll Kirche Halt vermitteln und zur Verschönerung biografisch kritischer Lebenspunkte beitragen. Vgl. Zulehner, Paul Michael u.a., Vom Untertan zum Freiheitskünstler. Eine Kulturdiagnose anhand der Untersuchungen „Religion im Leben der Österreicher 1970 bis 1990“ – „Europäische Wertestudie – Österreichteil 1990“, Wien 1991, 96. Ähnlich Riemann, der in seiner bekannten Persönlichkeitstypologie vier dominierende Grundströmungen bzw. Grundängste ausmacht. Demnach sind religiöse Menschen auf den Achsen „Dauer – Wandel“ und „Nähe – Distanz“ jeweils stärker dem ersten Pol zuzuordnen. Riemann, Fritz, Grundformen der Angst, München 1975.

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[15] Kardinal Döpfner, Julius, Reform als Wesenselement der Kirche, in: Findl-Ludescher, Anna / Panhofer, Johannes / Prüller-Jagenteufel, Veronika (Hg.), Weil nichts so bleibt, wie es ist. Theologische Beiträge zum ambivalenten Phänomen Wandel, Ostfildern 2009, 247.

109
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[16] http://www.dibk.at/index.php?id=1279&language=1&portal=100262. Eine Zuspitzung findet sich dort in dem Zitat von Henri de Lubac: „Nur die Feinde der Kirche wollen, dass sie bleibt, wie sie ist.“

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[17] Dass Veränderungen keine echten Erneuerungen bedeuten, sondern meist eine strukturelle Kompensation des Priestermangels darstellen, kommt v.a. dort zum Ausdruck, wo alternative Gemeindemodelle zur Gemeindeentwicklung deutlich beigetragen haben, aber bei plötzlichem Vorhandensein eines eigenen Pfarrers wieder „rückgängig“ gemacht werden. Was in der Zwischenzeit in der Gemeinde wachsen konnte, wird dann zugunsten des klassischen Pfarrermodells geopfert. Pamer, Michael, Eigenverantwortung lässt wachsen, in: PANHOFER / SCHNEIDER (Hg.), Spuren in die Kirche von morgen, 133-137.

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[18] Ernsperger, Bruno, Aufbruch braucht Gestaltung. Impulse für die Gemeindeentwicklung, Innsbruck 1999, 30.

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[19] Vgl. Ernsperger, Aufbruch, 31.

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[20] Kasper, Walter, Art. Kirche, in: LThK3, Bd. 5, 1473.

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[21] Kasper, Walter, DerLeitungsdienstin der Gemeinde. Referat beim Studientag der Deutschen Bischofskonferenz in Reute (Arbeitshilfen 118) Bonn 1994, 4.

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[22] Fuchs, Ottmar, Identität der Gemeinde. Praktisch-theologische Impulse zu ihren Grundvollzügen, in: Krieger, Walter / Sieberer, Balthasar (Hg.), Gemeinden der Zukunft – Zukunft der Gemeinden, Würzburg 2001, 43-85, 44-45.

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[23] Pechtl, Waldefried, Zwischen Organismus und Organisation. Wegweiser und Modelle für Berater und Führungskräfte, Linz 1989, 189.

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[24] Pechtl, Organisation, 191.

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[25] Diese zu beschreiben, sehe ich hier nicht als meine Aufgabe. Zusammengefasst bei: Ernsperger, Aufbruch, 32-33.

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[26] Ernsperger, Aufbruch, 35.

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[27] Vgl. Hilberath, Bernd Jochen, Communio – Ideal oder Zerrbild von Kommunikation? (QD 176) Freiburg 1999.

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[28] Die Taube ist ja Symbol des Hl. Geistes, weil sie – wohin sie auch immer fliegt – immer wieder zu ihrem Ursprung zurückkehrt. Vgl. Panhofer, Johannes, „Der Geist aber macht lebendig“. Der menschliche Atem als Metapher für das Wirken des Heiligen Geistes, in: FINDL-LUDESCHER / PANHOFER / PRÜLLER-JAGENTEUFEL (Hg.), Weil nichts so bleibt, 78-98, 95-96.

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[29] Zukunft aus der Kraft des Konzils. Die außerordentliche Bischofssynode `85. Die Dokumente mit einem Kommentar von W. Kasper, Freiburg 1986, 34.

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[30] Kasper, Zukunft aus der Kraft des Konzils, 109.

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[31] Wiedenhofer, Siegfried, Amt und Gemeinde zwischen Hierarchie und Demokratie, in: Ziebertz, Hans-Georg (Hg.), Christliche Gemeinde vor einem neuen Jahrtausend. Strukturen – Subjekte – Kontexte, Weinheim 1997, 35-48, 41.

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[32] Hilberath, Bernd Jochen, Zwischen Vision und Wirklichkeit. Fragen nach dem Weg der Kirche, Würzburg 1999, 53.

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[33] Frère John, Brauchen wir die Kirche? (HEFTE AUS TAIZÉ 6) Taizé 2008, 17.

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[34] Dies bestätigt eine an unserem Institut durchgeführte kleine Studie zum Thema Bekehrung. Selbst kirchlich sozialisierte Menschen, die sich in ihrer Jugendzeit von der Kirche entfernt und sich wieder spirituell auf die Suche gemacht haben, finden in außerkirchlichen Gruppen (z. B. Zeugen Jehovas) oder charismatischen Kreisen bessere Ansprech- und Dialogpartner, von denen auf ihre Fragen eingegangen wird (vgl. Prader, Birgit, „Vom Schatten in das Licht“. Menschen bekehren sich zu Gott – Analyse individueller Bekehrungserlebnisse, unveröffentlichte Diplomarbeit am Institut für Praktische Theologie / Interkulturelle Pastoraltheologie und Missionswissenschaft, Innsbruck April 2011). Eine weitere qualitative Studie zeigt, dass die Erfahrung, mit den eigenen Fragen in der Kirche zu wenig ernst genommen zu werden, ein Hauptgrund für den Kirchenaustritt ist (vgl. Bachlechner, Angela, „Ich gehe, das ist viel ehrlicher!“ Eine qualitative Befragung von Menschen, die aus der Kirche ausgetreten sind, unveröffentlichte Diplomarbeit am Institut für Praktische Theologie / Interkulturelle Pastoraltheologie und Missionswissenschaft, Innsbruck, Dezember 2010).

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[35] Der tschechische Theologe und Soziologe Tomás Halík ist davon überzeugt, dass die Kirche als reiner Traditionsverein nicht überleben wird. Im Kontext einer säkularisierten Gesellschaft resümiert er, dass den Menschen christliche Symbole nicht einfach mit dem Verweis auf Tradition zu erklären sind. Kirche könne nur als eine kreative, offene Minderheit bestehen. In seiner Vision für eine Kirche der Zukunft nimmt er Anleihe bei der Funktion mittelalterlicher Universitäten: „In Zukunft sollen christliche Gruppen das sein, was damals die Universitäten waren: Gemeinschaften von Lernenden, von Betenden und von Zusammenlebenden, wo die Wahrheit durch freie Diskussion gelebt wird und wo es Platz für Suchende gibt.“ (Ohne Autor, in: CiG 63 (22/2011) 230.)

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[36] Vgl. Kehl, Medard, Wohin geht die Kirche? Eine Zeitdiagnose, Freiburg 1996, 150-158.

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[37] Vgl. beispielhaft das interessante Projekt: Michael Baunacke / Johannes Panhofer, „PraxisGesprächSpiritualität“: Gesprächsabende im Wartezimmer eines Zahnarztes, in: Hilberath, Bernd Jochen / Kohl, Johannes / Nikolay, Jürgen (Hg.), Grenzgänge sind Entdeckungsreisen. Lebensraumorientierte Seelsorge und Kommunikative Theologie im Dialog: Projekte und Reflexionen, Ostfildern 2011, 59-78.

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[38] Sölle, Dorothee, Gegenwind. Erinnerungen, Freiburg 2010, 278.

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[39] Sölle, Gegenwind, 262.

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[40] Man darf fragen, ob nicht „ein manchmal wahnsinnig übermächtiges Amtsverständnis“ – so Andrea Geiger bei einer Tagung im Schottenstift (http://www.kathweb.at/site/nachrichten/database/38535.html?SWS =e80b1dd0337ba638226d5d9dd8e57fb8 am 07.04.2011) – sowie subkutane narzisstische Bedürfnisse dazu beitragen, dass das kirchliche Amtsverständnis manchmal so entstellt wird und sich dann schädlich auswirkt.

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[41] In diesem Sinne erklärt die Pastoraltheologin Veronika Prüller-Jagenteufel bei einer Tagung zum Ehrenamt in der Kirche: „Kirche ist nicht zu veranstalten, sondern gemeinsam zu leben“, und jeder und jede Getaufte sei zur Nachfolge Christi berufen, das Apostolat sei allen gemeinsam aufgetragen. So hätten auch alle Anteil am amtlichen Charakter der Kirche. Das Amt bedeute, dass „der Auftrag von Christus her kommt“ (http://www.kathweb.at/site/nachrichten/database/38471.html?SWS=d1943cb6f895003445890cd7597c5abe (03.04.2011)

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[42] Vgl. zum Themenkomplex „Leiten in der Kirche“: Panhofer, Johannes / Scharer, Matthias / Siebenrock, Roman (Hg.), Erlöstes Leiten. Eine kommunikativ-theologische Intervention, Ostfildern 22008.

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[43] Neuner, Franz, Zu einem neuen Selbstverständnis von Leitung in der Kirche, in: Panhofer / Scharer / Siebenrock (Hg.), Erlöstes Leiten, 45-55, 49. Freilich begegnet man auch heute noch einem Selbstverständnis von Leitungsamt, das in jedem eigenständigen Mitdenken und Mitgestalten von Pfarrmitgliedern eine Provokation, ja eine Bedrohung des priesterlichen Selbstverständnisses sieht. So konnte ich beispielsweise selbst miterleben, wie im PGR bei der Erörterung der Frage nach einer günstigen Gottesdienstzeit der zuständige Pfarrer alle Erwägungen mit rüdem Ton beendete: „Ihr könnt alle anderer Meinung sein, gemacht wird, was ich sage!“. Bei anderer Gelegenheit tat selbiger im Brustton voller Überzeugung kund: „Das Volk ist dumm!“ Im Gegensatz zur Haltung des oben zitierten Priesters sind solche Aussagen freilich Gift für die Motivation pastoraler MitarbeiterInnen.

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[44] Wege zur Erneuerung der Kirche. Botschaft der Konzilsväter an die ganze Menschheit, in: KNA-Sonderdienst zum Zweiten Vatikanischen Konzil, Nr. 28, 22. Oktober 1962, 12-14, 13.

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