Der Universitätslehrgang hat die Aufgabe, in theoretische und praktische Grundlagen und Grundkonzepte der Psychotherapie einzuführen, erste Erfahrungen in Arbeitsfeldern psychosozialer Versorgung zu ermöglichen, zur Selbstreflexion und Aufarbeitung eigener Erfahrungen anzuregen und der persönlichen Eignungsfindung zu dienen. Seit diesem Wintersemester leiten Pia Andreatta und Cianluca Crepaldi den Universitätslehrgang "Psychotherapeutisches Propädeutikum" und übernehmen damit diese Funktion von Josef Aigner. Das neue Leitungsteam stellt sich vor und gibt Einblicke in die Vielseitigkeit der Ausbildung, ihre Ideen und Wünsche.
Gianluca Crepaldi (Bild: Andreas Willinger)
Pia Andreatta (Bild: Uni Innsbruck)
Was ist Ihr besonderes persönliches Interesse am Psychotherapeutischen Propädeutikum?
Als praktizierender Psychotherapeut liegt das Interesse am psychotherapeutischen Propädeutikum für Gianluca Crepaldi gewissermaßen in der Natur der Sache. Die spezifische – und in dieser Art international einzigartige – Gesetzeslage in Österreich ermöglicht es Personen, die keine einschlägigen Studienrichtungen wie Medizin oder Psychologie absolviert haben, nach Absolvierung entsprechender Ausbildungsschritte den psychotherapeutischen Beruf auszuüben. Damit dies auf verantwortungsvolle Weise geschehen kann, wurde vom Gesetzgeber im Jahr 1990 das Psychotherapeutische Propädeutikum als verpflichtende Grundausbildung für alle eingeführt, die eine Psychotherapieausbildung absolvieren möchten. Dies ist eine große Chance für die Studierenden dieses Universitätslehrgangs und bildet gleichzeitig eine Herausforderung für die wissenschaftliche Leitung, denn der Aufbau ist umfassend: In vier Semestern werden Grundkenntnisse im Bereich der Psychiatrie, der medizinischen Terminologie, der Pharmakologie, der Psychologie und der Psychotherapie erworben, bevor die Absolventinnen und Absolventen eine fachspezifische psychotherapeutische Ausbildung im engeren Sinne beginnen können.
Sigmund Freud, wenn man so will der Urvater der modernen Psychotherapie, hat sich bereits 1926 sehr klar und völlig gegen die herrschende Meinung in der damaligen Ärzteschaft für die Möglichkeit ausgesprochen, dass auch Menschen ohne medizinischen Hintergrund Psychotherapeutinnen und -therapeuten werden können, da das Medizinstudium aus seiner Sicht keineswegs die bestmögliche Vorbereitung für psychotherapeutisches Arbeiten bot. Heute haben wir eine sehr heterogene Studierenden-Gruppe mit verschiedensten Quellstudien bzw. Quellberufen, die sich für unseren ULG einschreiben. Aus einem dieser ursprünglichen Quellberufe stammt auch Pia Andreatta, die mit dem Psychiatrischen Krankenpflege Diplom selbst vor vielen Jahren vor der Entscheidung stand, den Lehrgang zur weiteren beruflichen Entwicklung zur Psychotherapeutin zu belegen, nach Abschluss dessen dann aber den wissenschaftlichen Weg an der Universität einschlug. Dem neuen Leitungsteam ist es wichtig, dass das Naheverhältnis des Universitätslehrgangs zur Psychotherapie sowohl im wissenschaftlichen als auch im praktischen Sinne verstanden wird, dass der Vielfalt der Quellstudien bzw. Quellenberufe Aufmerksamkeit geschenkt und nicht zuletzt, dass der Wert des Propädeutikums sich nicht in einer bloßen „Vorstufe“ zur „eigentlichen“ Ausbildung erschöpft, sondern auch als breit angelegte psychosoziale Grundausbildung verstanden wird.
Was liegt Ihnen in der Vermittlung an die Studierenden am Herzen?
Aus unserer Sicht ist das Psychotherapeutische Propädeutikum unter anderem auch dafür da, die „Sprache“ des modernen, multiprofessionellen und interdisziplinär operierenden psychosozialen Feldes zu erlernen und mit verschiedenen Berufsgruppen, wie PsychiaterInnen, PsychotherapeutInnen und PsychologInnen professionell kommunizieren zu können. Unsere Absolventinnen und Absolventen, die nicht nur in der Psychotherapie, sondern auch in der Beratung sowie in psychosozialen Feldern tätig werden, sollten dazu in der Lage sein mitzureden und mitzuentscheiden, und dafür muss man einfach wissen, was bspw. mit Schlagworten wie „ICD-10“, „Benzodiazepine“ oder „präsuizidales Syndrom“ gemeint ist. Oder denken Sie an die vielen Vorannahmen und Vorurteile, die es in Bezug auf Psychopharmaka gibt. Auch auf die Gefahr hin altmodisch zu wirken, erachten wir es deshalb als besonders wichtig, dass die Studierenden ein solides Grundwissen erwerben. Die Kategorie des „Wissens“ ist in Zeiten, in denen vielfach über „Kompetenzen“ und „vernetztes Denken“ geredet wird, leider stark in den Hintergrund geraten; Grundlagenwissen erscheint uns jedoch zentral, um auf dieser Basis zu reflektieren, zu vernetzen und professionell zu handeln. Am Herzen liegt uns aber auch, dass „Propädeutinnen“ und „Propädeuten“ ein deutlicheres Selbstbewusstsein im Umgang mit wissenschaftlichen Inhalten wie beispielsweise Studienergebnissen oder psychotherapiewissenschaftlicher Literatur, entwickeln.
Was soll sich verändern?
In Hinblick auf das curriculum des ULG sind gesetzliche Rahmenbestimmungen bindend, womit der Handlungsspielraum zum Teil begrenzt ist. Unsere Bemühungen richten sich auf Transparenz in allen Anrechnungsfragen, welche ja einen zentralen Teil für die Ausbildungskandidatinnen und -kandidaten darstellen. In weiterer Folge soll eine Einbindung von Teilnehmenden in universitäre Forschung geprüft werden, wobei noch offen ist, in welcher Form dies genau erfolgen kann und soll. Wir würden uns jedenfalls darüber freuen, wenn sich Studierende mit ihren Kompetenzen und Fragestellungen einbringen könnten. Ein weiteres Anliegen betrifft das Engagement interessanter Vortragender, die die curriculare Lehre durch aktuelle Gastvorträge ergänzen könnten.
Was sind Ihre Pläne zur Gestaltung des Universitätslehrgangs?
Neben der sorgfältigen Weiterentwicklung und Qualitätssicherung in der Lehre, sind wir vermehrt darum bemüht, auch eigenständige Forschung im ULG zu betreiben, wobei besonderes Augenmerk auf die enge Verknüpfung von Wissenschaft und Praxis zu legen sein wird, die sich in der Lehre des ULG und in der Zusammensetzung seines Leitungsteams bereits widerspiegelt. Fragestellungen im Bereich der Psychotherapie, der psychosozialen Arbeit und der psychotherapeutisch-psychosozialen Ausbildungen kommen hier in Betracht. Ganz im Sinne eines psychotherapeutischen Realitätsbezuges seien hier vorerst kleine Schritte angegangen, denn die Konsolidierung des Bewährten im Universitätslehrgangs ist uns ebenso wichtig.
(Crepaldi/ Andreatta/ Redaktion)