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Madagaskar, Medien und Außenpolitik im Wald – Universität Innsbruck
Mehrere Baobab-Bäume aus der Ferne, im Hintergrund rötliches Licht vom Sonnenuntergang.

Die bekannte Baobab-Allee auf Madagaskar bei Sonnenuntergang.

Mada­gas­kar, Medien und Außen­po­li­tik im Wald

Studieren ist mehr als Zuhören im Hörsaal: Student:innen gestalten Podcasts, fahren nach Madagaskar auf Exkursion, treffen Medienschaffende und helfen, die Leistungen des Waldes zu erhalten.

Dass man an der Uni nicht nur in Hörsälen lernt und Seminararbeiten schreibt, zeigen die folgenden Beispiele: Etwa eine Exkursion nach Madagaskar vor der afrikanischen Ostküste, eine Lehrveranstaltung, in der Studierende Medienschaffende aus Zeitungen und Agenturen selbst betreuen oder ein Seminar, das nicht mit einer schriftlichen Arbeit, sondern mit einer selbst gestalteten Podcast-Folge abgeschlossen wird. Und eine Dissertantin sieht sich die Leistungen des Ökosystems Wald an und erforscht mit Betroffenen, wie diese Leistungen in Zeiten der Klimakrise am besten erhalten bleiben.

Madagaskar aus der Nähe

Bis 9. Mai war sie im Botanischen Garten zu sehen: Eine von Studierenden gestaltete Ausstellung über die Tier- und Pflanzenwelt Madagaskars. Entstanden ist die Ausstellung im Zuge einer Exkursion auf die Insel vor der Ostküste Afrikas, die Suzanne Kapelari (Institut für Fachdidaktik) und Wolfgang Mark (Institut für Zoologie) gemeinsam organisiert haben. Bei der Präsentation gab es außerdem eine Filmvorstellung – der Film ist nach wie vor online zu sehen. Noch vor 100 Jahren war Madagaskar fast zur Gänze von Regen- und Trockenwäldern bedeckt. Kolonialpolitik, wirtschaftliche Nutzung und der Anstieg der Einwohnerzahl auf aktuell etwas mehr als 30 Millionen hatten eine starke Abholzung zur Folge. „Heute sind nur noch rund 10 Prozent der Wälder, davon fünf Prozent Primärregenwald, erhalten, und diese Wälder beherbergen 80 Prozent endemische Tier- und Pflanzenarten“, erzählt Exkursionsleiterin Suzanne Kapelari. „Der Klimawandel und das Abholzen der Wälder führen dazu, dass weite Landstriche immer trockener werden und die Menschen oft nicht mehr ausreichend Wasser und Nahrung zur Verfügung haben.“ Alexander Pachinger, er hat das Bachelorstudium Biologie abgeschlossen und studiert unter anderem auch das Lehramt Biologie und Umweltkunde, hat die Exkursion filmisch begleitet. „Nach einer Informationsveranstaltung mit über 100 Teilnehmer:innen habe ich mich bei der Exkursion angemeldet. Die faszinierende Biodiversität der Insel und die seltene Gelegenheit, an solch einer Exkursion teilzunehmen, waren unwiderstehlich“, beschreibt er. Die Exkursion von 13 Masterstudierenden und 7 Lehramtsstudierenden der Biologie fand im September und Oktober 2023 statt, direkt anschließend fand eine weitere Exkursion unter Leitung von Wolfgang Mark im Rahmen einer Forschungsreise statt. „Bereits ab Beginn des Sommersemesters 2023 beschäftigten wir uns intensiv mit der Biodiversität, Geschichte und Kultur Madagaskars. Die Idee, diese Reise filmisch zu dokumentieren, entstand dabei fast von selbst. Eine Kollegin, Melanie Ströder, brachte das Konzept eines Videotagebuchs ins Spiel, und da ich bereits Erfahrung mit kleinen Videoproduktionen hatte, übernahm ich zusammen mit ihr dieses Projekt. Nachträglich ergänzten wir unser Material auch noch mit jenem unseres Exkursionsleiters Wolfgang Mark.“

Die Idee, mit einer Ausstellung auf Madagaskar und seine Bevölkerung aufmerksam zu machen, entstand während der Exkursion – Spenden, die bei der Ausstellung gesammelt werden konnten, gingen an den Verein „Smile4Madagaskar“. Alexander Pachinger beschreibt seine Eindrücke: „Auf unserer Reise durch Madagaskar haben wir eine unglaubliche Vielfalt an Tieren und Pflanzen gesehen. Teilweise war es echt surreal, wo wir sind, was wir sehen und dass wir das tatsächlich erleben dürfen. Doch standen diesem Traum eines jeden Biologen auch harte Realitäten gegenüber: ein Land, geplagt von Korruption und Armut, zeigte uns täglich hungernde Menschen nahezu ohne jede – für uns selbstverständliche – Infrastruktur. Kinder baten nicht um Geld, sondern lediglich um leere PET-Wasserflaschen, um Wasser lagern zu können. Wir sahen Schulen, in denen hunderte Schüler:innen im Schichtbetrieb unterrichtet werden und Dörfer, wo viele Kinder nicht das Jugendalter erleben. Seit der Exkursion suche ich ständig nach Nachrichten über Madagaskar und es wurde mir klar, wie wenig ich vorher über dieses Land wusste und wie wenig darüber berichtet wird. Die Exkursion hat mir geholfen, die Infrastruktur und Lebensqualität in Österreich mehr zu schätzen, obwohl man sich leider schnell wieder an den gewohnten Komfort gewöhnt. Ich versuche mir immer wieder bewusst zu machen, welch unglaubliche Unterschiede bestehen und welch Privileg es ist, hier leben zu können.“

Einblick in Medien-Berufe

Im Masterstudium „Medien“ an der Philologisch-Kulturwissenschaftlichen Fakultät gibt es mehrere praxisnahe Angebote – eines davon, in dem Studierende auch unmittelbar in die Gestaltung der einzelnen Einheiten eingebunden sind, ist „Medien und/als Beruf“ von Prof. Ina Pick vom Institut für Germanistik. Dort sind Absolvent:innen des seit 2010 bestehenden Masterstudiums eingeladen, um von ihren Erfahrungen im Beruf zu berichten. „Eine medienwissenschaftliche Ausbildung führt nicht unmittelbar in ein bestimmtes Berufsbild, sondern Absolvent:innen stehen eine Vielzahl sehr unterschiedlicher Beschäftigungsfelder offen“, betont Ina Pick. „Abgesehen von den bekannteren wie dem Journalismus oder Arbeit in Verlagen reichen diese von der Wirtschaft – Unternehmenskommunikation, Marketing und PR –, über den Kulturbetrieb bis hin zu Tätigkeiten in NGOs oder einer Selbständigkeit.“ Die Studierenden betreuen die Gäste dabei direkt und bereiten Präsentationen über das jeweilige Berufsbild vor. „Eine der Präsentationen halten wir vor dem Besuch, die zweite danach. Die Präsentation davor ist vor allem super, um das Berufsfeld schon vor dem Gespräch mit dem jeweiligen Gast zu kennen und sich so Fragen an den Gast überlegen zu können. Außerdem kann man so super Kontakte in der Medienwelt knüpfen“, beschreibt Melanie Bischof, eine der Studierenden im Kurs. Sie selbst betreut Nemanja Sever von der Agentur ProMedia. „Ich habe selbst schon einmal in einer PR-Agentur gearbeitet, daher waren mir viele Sachen bekannt, aber ich kann mir immer noch vorstellen, in diesem Berufsfeld zu arbeiten. Wir hatten aber auch jemanden aus dem Verlagswesen im Kurs – darunter konnte ich mir gar nichts vorstellen, das habe ich total spannend gefunden.“ Ähnliches berichtet Max Hofer, der den Dokumentationen- und Nachrichten-Regisseur und freien Autor Philipp Landauer betreut und zum Berufsbild recherchiert hat: „Mir gefällt in diesem Kurs auch die Möglichkeit, sich in Bereichen wie Moderation und Recherche zu Personen zu verbessern. Persönlich haben mir die Einheiten mit journalistisch geprägten Berufsfeldern besser gefallen als jene zu PR oder Marketing, aber allgemein bekommt man einen guten und persönlichen Einblick in mögliche Arbeitsfelder für Absolvent:innen unseres Studiums.“ Die „Besuchs“-Einheiten waren im Semester nach den Bereichen Printmedien, Rundfunk, Büroleitung und Projektmanagement, Tourismus, freiberufliche Tätigkeit und PR-Agentur und Unternehmenskommunikation gegliedert. Zu jedem der Themenfelder sind zwei Personen eingeladen, die letzten beiden Absolvent:innen sind Mitte Juni zu Gast.

Außenpolitik auf die Ohren

Die Abschlussarbeiten dieses speziellen Seminars sind für alle öffentlich zugänglich – und nicht nur zugänglich, sie sind auch für die Öffentlichkeit gedacht: Studierende der Politikwissenschaft haben in einem Vertiefungskurs zu österreichischer Politik von Prof. Martin Senn vom Institut für Politikwissenschaft nämlich einen Podcast zu österreichischer Außen- und Sicherheitspolitik gestaltet. Der Podcast namens „AUTside“ ist überall erhältlich, wo es Podcasts gibt und schließt auch thematisch eine Lücke, ist Außen- und Sicherheitspolitik Österreichs doch auch medial weniger breit im Fokus als andere Politikbereiche. „Ich wollte ein wenig mit alternativen Methoden der Leistungsbeurteilung experimentieren. Normalerweise verfassen Studierende zum Abschluss eines Seminars eine schriftliche Arbeit. Podcasting erschien mir als interessante Möglichkeit, hier Abwechslung zu bieten: Viele unserer Studierenden konsumieren ohnehin häufig Podcasts und können auch gute von schlechten unterscheiden, verfügen also über einen gewissen Grad an Expertise auf dem Gebiet“, erklärt Martin Senn seine Motivation. Bislang sind vier Episoden verfügbar, für die die Studierenden jeweils in Gruppen auch Interview mit Expert:innen geführt haben. „Die Lehrveranstaltung war so aufgebaut, dass wir nach einer theoretisch inhaltlichen Einführung durch Prof. Senn in Gruppen Referate zu bestimmten Teil-Themen vorbereitet haben. Das jeweilige Referat war dann auch Basis für den Podcast – wir mussten uns jeweils selbst gut genug auskennen, um den Inhalt auch so aufzubereiten, dass er für Laien verständlich ist. Danach gab es eine Podcasting-Werkstatt mit professionellen Podcaster:innen, die uns wichtige technische Infos vermittelt und Tipps gegeben haben, worauf zu achten ist“, sagt Emma Schaber, die mit ihrer Gruppe eine Folge über Österreich als Sitz internationaler Organisationen gestaltet hat. Dass Studierende Interviews mit Expert:innen führen, ist in diesem Kontext auch eher außergewöhnlich, wie Johanna Rieder erläutert – sie hat gemeinsam mit ihrem Team eine Folge zu Kleinstaaten in der internationalen Politik vorbereitet: „In unserer Folge nehmen Interviews etwa ein Drittel des Sprechteils ein. Prof. Senn konnte da mit vielen Kontakten weiterhelfen, die wir mit Verweis auf ihn anschreiben konnten, das war ein großer Vorteil. Und auch, wenn wir jemanden einfach so angeschrieben haben, waren die meisten sofort bereit, uns zu helfen und mit uns für den Podcast zu sprechen.“ Die Motivation steigt ebenfalls, wenn statt einer Seminararbeit, die oft nur von wenigen Menschen gelesen wird, am Ende ein „herzeigbares“ Produkt wie ein Podcast steht, betonen beide Studentinnen. „Mein Plan wäre, in den nächsten Semestern mit meinen Studierenden weitere Folgen zu entwickeln. Das Projekt ist noch nicht abgeschlossen“, sagt Martin Senn.

Winterlicher Blick auf die Gebäude des Vienna International Center in Wien, Abenddämmerung.

Das Vienna International Center in Wien im Winter, einer der weltweit vier offiziellen UNO-Amtssitze.

Ein Service des Waldes

Neben majestätischen Gipfeln, malerischen Wiesen und Almen voller Wildblumen sind rund 48 Prozent der Fläche Österreichs von Wald bedeckt. „Die Wälder leuchten in tausenden von Grüntönen, die die Sicht auf die Alpen dominieren, zugleich schützen sie die Landschaft gegen Lawinen und im Sommer gegen die Hitze“, sagt Laura Barraclough. Die Ökologin, sie ist gerade in ihrem Doktoratsstudium, befasst sich mit Ökosystemdienstleistungen in alpinen Wäldern –also mit allen jenen Leistungen, die Wälder und Bäume bieten, etwa der erwähnte Schutz gegen Lawinen. Wälder liefern aber auch etwa Rohmaterial zum Bauen, helfen dabei, die biologische Vielfalt zu erhalten, verhindern Erosion und regulieren den Wasserfluss. Neben all diesen lebenswichtigen Ökosystemleistungen ist der Wald auch eine Quelle der Erholung sowie der geistigen und kulturellen Erfüllung für Menschen.

Die steigenden Temperaturen im Zuge der Klimakrise setzen die Ökosysteme jedoch zunehmend unter Stress. Dies wiederum wirkt sich auch auf ihre Ökosystemleistungen aus – sterbende Wälder taugen nicht als Erholungsraum und erst recht nicht als Holzlieferanten oder Garanten ökologischer Vielfalt. „Im Zuge meines Projekts ‚Future Mountain Forests‘ – die Zukunft der Bergwälder –, involviere ich im Moment eine Vielzahl von Interessensgruppen, um deren aktuelle und zukünftige Ansichten über alpine Wälder und den Klimawandel zu identifizieren und zu erforschen. Ich hoffe, dass ein besseres Verständnis unserer Beziehung zu alpinen Wäldern und wie sich diese Beziehung in Zukunft verändern wird, uns helfen kann, künftige Ziele besser zu managen und darauf hinzuarbeiten“, erläutert Laura Barraclough.

Neben dem Sammeln von Daten für ihre Dissertation versucht Laura Barraclough, die vielfältigen Vorteile zu nutzen, die das Engagement von Stakeholdern bieten kann: „Eine strukturierte Erörterung verschiedener Standpunkte ist Teil eines Prozesses, in dem Teilnehmer:innen sich gesehen und gehört fühlen, und der sie inspirieren soll, sich auch in Zukunft mit dem Thema auseinanderzusetzen. Die Interviews geben Einsicht in das weite Spektrum von Sichten auf und Meinungen über alpine Wälder und die tiefe Verbindung, die wir mit diesen Wäldern pflegen. Mich hat überrascht, dass viele Stakeholder, auch wenn sie den Klimawandel als eine starke Herausforderung empfinden, ihn auch als Chance auf positiven Wandel sehen.“ Aktuell beschleunigt sich die Klimakrise, als Gesellschaften sind wir auch auf unsere Wälder angewiesen, schließt Laura Barraclough: „Wir müssen sicherstellen, dass wir und dass unsere Wälder widerstandsfähig genug sind, um dem klimatischen Wandel gerecht zu werden und dabei zugleich die tiefe Beziehung vom Menschen zum Wald zu würdigen.“

Dieser Beitrag ist in der Juni-2024-Ausgabe des Magazins „wissenswert“ erschienen. Eine digitale Version ist hier zu finden (PDF).

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